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Samstag, 14. September 2024

Europa und seine christlich ­abend­ländische Kultur


Wenn von Europa, seinem Selbstver­ständnis und seinen Werten die Rede ist, fällt oft der Begriff „christlich ­abend­ländisch“. „Wir wollen, dass die christlich abendländische Kultur die Leitkultur bleibt und nicht aufgeht in einem Misch­masch“, meint beispielswiese der ehema­lige bayerische Ministerpräsident Edmund Stoiber. Ähnliches hört man in politischen Kreisen landauf, landab.

Einige Wohlmeinende verweisen in die­sem Zusammenhang gerne auch auf das „jüdisch-­christliche Erbe“ Europas. Damit allerdings setzen sie den Bindestrich an eine sensible Stelle: Denn Juden lehnen die Vereinnahmung in eine „jüdisch-christliche Kultur“ meist entschieden ab, was vor dem Hintergrund des christlichen Judenhasses, der über Jahrhunderte hin­ weg zu unzähligen Pogromen führte, verständlich ist.

Kulturwissenschaftler, Philosophen, Althistoriker und Altphilologen kritisie­ren das „christlich-­abendländische Ge­schichtsbild“ vor allem deshalb, weil es den entscheidenden Beitrag der Antike ignoriert. Europa, sein demokratisches Modell und seine Kultur, seien ohne Athen und Rom gar nicht vorstellbar, erklären sie.

Zudem dürfe man nicht übersehen, dass Europas Kulturlandschaft maßgeblich auch von der islamisch ­arabischen Zivili­sation geprägt wurde, die zwischen dem 8. und 14. Jahrhundert ihre Blütezeit erlebte. Griechisch, römisch, christlich, jüdisch, islamisch: Da gibt es offenbar einiges aufzuräumen! Und dabei haben wir hier die Aufklärung mit ihren wichtigen politischen und humanitären Impulsen noch gar nicht erwähnt!

Werfen wir also einen Blick auf die Kultur­geschichte Europas: Ist es denn wirklich dem Christentum zu verdanken, dass wir Westeuropäer heute in einer der friedlichsten und stabilsten Regionen leben, die es in der Mensch­ heits geschichte je gegeben hat?

Weblink:

DIE LEGENDE VOM CHRISTLICHEN ABENDLAND - www.giordano-bruno-stiftung.de

Samstag, 10. August 2024

Camus Denken ist vom Mittelmeerraum geprägt

Albert Camus


Die Ambivalenz des Meeres, das mal idyllisch und spiegelglatt, dann wieder aufgewühlt und tödlich ist: Es war auch unter den Philosophen stets diese Doppelgesichtigkeit, die das Denken anregte.

Das Meer kann Freiheit und Glück bedeuten, aber es droht auch mit dem Tod in den Wellen. Die Schifffahrt und die Weite des Meeres finden sich also nicht ohne Grund in vielen philosophischen Texten.

Man denkt die Dinge wirklich anders am anderen Ufer des Mittelmeers, an der Nordküste Afrikas, der Heimat von Albert Camus. Und Camus war vom Mittelmeerraum geprägt, von der Sonne, vom Leben. Wenn man das Mittelmeer überquert und nach Europa kommt, sagt Camus, dann ist man auf der Seite des Todes, der Düsternis. Der Kontrast zwischen und Europa war für Camus der Kontrast zwischen Leben und Abstraktion, orientalischen Gerüchen und abendländischer Begriffen, der dionysischen Lebendigkeit und der apollinischen Ordnung Roms.

Albert Camus hatte schon früh dafür plädiert, daß der Mittelmeeraum zum Vorbild für Humanismus und Vitalität wird - einem Europa gegenüber, das gerade die totalitaristiscchen Lager erfunden hatte und sich gänzlich dem Todestrieb hingab.

Er wollte Europa mediterranisieren, mit dem Licht des Mittelmeers erhellen. Es ist vor allem das „mediterrane Denken“ im Schlusskapitel des Essays <a title="Albert Camus Der Mensch in der Revolte" href="http://www.amazon.de/exec/obidos/ASIN/3499221934/zitatenschatz-21" target="blank">»Der Mensch in der Revolte« für das sich die Camus-Neuentdecker im 21. Jahrhundert begeistern, weil sie in seinem Essay Parallelen zur Gegenwart zu ziehen vermögen.

Der frühe Tod von Albert Camus, der mit 47 Jahren durch einen Autounfall starb, verhinderte leider, dass er selbst an der Begründung dieses „mittelmeerischen Denkens“ weiterarbeiten konnte: eines utopischen „Sonnendenkens“ der Revolte, dessen Zukunftspotential sich in Ansätzen der sogenannten Arabellionen genauso zeigt wie in der Empörung vieler Menschen in Europa, wo die Krise den Horizont einmal mehr verdunkelt.

Und gerade in Europa - davon ist der französische Philosoph Michel Onfray überzeugt – hat Camus vom Leben geprägte Philosophie des Mittelmeers noch viel zu wenig Beachtung gefunden. Europa ginge es womöglich besser und wäre weniger krisengeschüttelt, wenn es von Camus‘ „mittelmeerischen Denkens“ beeinflusst wäre.

Was er damit meint, ist, dass das Heute wichtig ist. Und das ist eben das mittelmeerische, das elementare Leben, ein Leben, das in Versöhnung mit den Elementen und mit der Natur existieren kann. Was er natürlich nicht damit meinte, war, dass der Mittelmeerraum den Norden okkupieren, besiegen oder was auch immer sollte, sondern, dass das mittelmeerische Leben und Denken das Modell für Europa und damit auch das Modell für das nordische Leben werden sollte.


Weblinks:

Der Mitelmeermensch - 3 Sat Kulturzeit - www.kulturzeit.de

"Er sagte: Hab keine Angst!" - Die Zeit-Essay über Albert Camus - www.zeit.de

Michel Onfray - Wikipedia.org

Literatur:br>
Der Mensch in der Revolte
Der Mensch in der Revolte
von Albert Camus

Namen der Freiheit: Leben und Philosophie des Albert Camus
Im Namen der Freiheit: Leben und Philosophie des Albert Camus
von Michel Onfray

Samstag, 30. Mai 2020

Thomas Piketty und das Kapital in der Krise


Thomas Piketty - geboren am 7. Mai 1971 in Clichy, Département Hauts-de-Seine - ist ein französischer Wirtschaftswissenschaftler. Der Ökonom ist Professor an der »École d’Économie de Paris« und der »École des Hautes Études en Sciences Sociales« (EHESS) und Publizist.

2014 sorgte die Veröffentlichung seines Werkes »Das Kapital im 21. Jahrhundert« weltweit, besonders in den USA, für sehr große Aufmerksamkeit. Der Ökonom wurde 2014 mit dem Buch »Das Kapital im 21. Jahrhundert« bekannt. Darin beschäftigte der Gesellschaftsanalytiker sich mit dem Zusammenhang zwischen Kapital und wirtschaftlicher Ungleichheit.

Sein neues Werk trägt den Titel »Kapital und Ideologie«, in dem er den Zusammenhang zur Regierungsform aufarbeitet. Piketty legt mit einem gewaltigen Werk nach: Kapital und Ideologie ist eine so noch niemals geschriebene Globalgeschichte der sozialen Ungleichheit und ihrer Ursachen, eine unnachsichtige Kritik der zeitgenössischen Politik und zugleich der kühne Entwurf eines neuen und gerechteren ökonomischen Systems. »Kapital und Ideologie« hilft nicht nur, die Welt von heute zu verstehen, sondern sie zu verändern.

Für den Ökomomen ist klar, daß jede Gesellschaft eine Ideologie braucht, eine Rechtfertigung für ihre Organisationsform und die damit verbundene Ungleichheit. Aber die Herrschenden würden den Vorteil, den sie der Gesellschaft bringen, übertreiben, um ihre Privilegien zu rechtfertigen.

Grundsätzlich bemängelt Piketty, daß heutzutage kaum mehr über Alternativen zum marktwirtschaftlichen Kapitalismus nachgedacht werde. Dabei sei die Geschichte eine Abfolge von oft radikalen Veränderungen im Wirtschaftssystem und diese würden nicht nur durch Kriege ausgelöst, wie Schwedens Wandel von einem Land mit sehr großer Ungleichheit Anfang des 20. Jahrhunderts zur heutigen relativ ausgeglichenen Gesellschaft zeige.

Die Krise führe Regierungen vor Augen, wie sehr sie die Wirtschaft regulieren können, so Piketty bei der Vorstellung seines neuen Buches. Den Arbeitenden werde bewusst, dass Home-Office funktioniert.


Vor ein paar Monaten, als es darum ging, Flüge zu reduzieren und den CO2-Ausstoß abzubauen, hätten das viele unter Verweis auf die ökonomischen Kosten ausgeschlossen. „Und jetzt, ganz plötzlich, wegen einer Gesundheitskrise, blockieren wir Flüge und schicken Leute nach Hause“, sagte Piketty. Das zeige, daß Europa ein ausgefeiltes System im Umgang mit Gesundheitsrisiken habe, aber keine vergleichbaren Entscheidungsstrukturen bei langfristigen Risiken wie Umweltproblemen.

Die Krise wird die gesellschaftliche Ungleichheit nicht verändern, da diese struktureller Natur ist. Piketty plädierte für eine Erhöhung der Vermögenssteuer und einer Einmalzahlung von 120.000 Euro als Finanzierung, um sicher durch die Krise zu kommen.

Was aus einer Krise zu lernen ist? - Der smarte französische Ökonom des Kapitals der Gegenwart Thomas Piketty kann sich vorstellen, daß das verstärkte Home-Office und die Umsetzung drastischer Eingriffe in die Wirtschaft im Rahmen der Corona-Krise ganz im Sinne von Karl Marx zu einer Bewusstseinsänderung führen könnten.

Literatur:

»Kapital und Ideologie« von Thomas Piketty

Kapital und Ideologie von Thomas Piketty

Samstag, 8. Februar 2020

Der Populismus als wiederkommendes Phänomen




Der aufgekommene Populismus ist ein wiederkehrendes Phänomen, läßt sich als zeitlich begrenztes Phänomen deuten und einordnen läßt. Die Betrachtung des Populismus als Phänomen erlaubt die Zuordnung in den Bereich der Phänomenologie.

Die Phänomenologie ist ein Zweig der Philosophie, einer der wichtigen – neben der sprachanalytischen Philosophie, der Hermeneutik (Theorie des Verstehens), der Transzendentalphilosophie (nach Kant) und der Dialektik (nach Hegel). Die Phänomenologie befasst sich mit den Erscheinungen und deren Deutung, nicht mit ewigen Wahrheiten, sondern mit Erfahrungen. Die Phänomenologie fragt, ob wir wirklich wissen, was ist, bevor danach die Deutung einsetzt. Begründer ist Edmund Husserl, bekannte Vertreter sind Heidegger und Sartre.

»Der Populismus ist der politisch ungezogene Bruder des Vulgarimus.«

Können die Philosophen dem Populismus etwas wirksam entgegensetzen? - Der Populismus macht deutlich und zeigt auf, daß es ein Irrtum ist zu glauben, es gebe einen gemeinsamen Boden an selbstverständlichen Werten. Die Menschen machen in einer Gesellschaft verschiedene Erfahrungen. Daraus leiten sich verschiedene Vorstellungen darüber ab, wer wir sind und wie wir leben wollen. Darüber müssen wir uns auseinandersetzen. Und dazu brauchen wir die Fähigkeit, Differenzen ­auszuhalten.

Was den etablierten westlichen Demokratien fehlt, ist das Bewußtsein für die Prekarität des eigenen Modells. Das kann auch wieder verschwinden. Die Geschichte ist nicht zu Ende. Was Francis Fukuyama 1992 voreilig konstatierte – Liberalismus und Marktwirtschaft hätten sich ­endgültig durchgesetzt – widerspricht fundamental den Prinzipien der Phänomenologie.

Diesen Prozess der Entpolitisierung, welcher mit dem neuen Populismus verbunden ist, hat Hannah Arendt (1906-1975) bereits früh vorausgesehen. Für sie steht Politik immer in einem losen Verhältnis zur Wahrheit, weil es in der Politik darauf ankommt wie wir etwas deuten.


Weblink:

Was die Philosophen dem Populismus entgegensetzen können - www.wp.de


Samstag, 8. Juni 2019

»Ach, Europa« von Jürgen Habermas

Jürgen Habermas

Jürgen Habermas, entschiedener Streiter für ein offenes Europa, hat im Jahr 2008 einen Band politischer Schriften vorgelegt. Der Philosoph macht sich in diesem Band in Reden und Essays für die Fortführung Europas stark. Sein Ziel ist ein rationales und demokratisches Europa, das das Erbe der Aufklärung zu Ende führt.

Dabei führt Habermas einen Kampf gegen jene Politiker, für die Europa lediglich zu einem technokratischen Gebilde geworden sei. Gegen sie ficht er für mehr demokratische Elemente. In Hinsicht auf unterschiedliche Interessen und gesellschaftliche Entwicklungsstufen innerhalb Europas wünscht er sich eine „abgestufte Integration“.

Die Schwierigkeiten der europäischen Einigung dürfen, nach Habermas, die historische Dimension und Notwendigkeit des Aufklärungsprojektes nicht gefährden. Als Ziel sieht Habermas ein außenpolitisch geeintes Europa, das den USA in „bipolarer Gemeinsamkeit“ als eigenständige Kraft entgegen tritt.

Neben Habermas' jüngsten europapolitischen Interventionen versammelt dieser Band der Kleinen Politischen Schriften philosophische Portraits langjähriger Weggefährten wie Jacques Derrida und Richard Rorty sowie zwei Texte zum Fortschreiten des Strukturwandels der Öffentlichkeit.


Literatur:


Ach, Europa
von Jürgen Habermas


Video:

>a href="https://www.youtube.com/watch?v=bYPLu-u5Hho">Jürgen Habermas über Europa - Vortrag Paris Nov. 2011 - Teil 1 von 2


Samstag, 25. Mai 2019

Europa - eine politische Phantasie der Dichter


Europa ist eine politische Phantasie, hervorgegangen aus dem Mythos der Antike, tief in der Mentalitätsgeschichte des Kontinents veranlagt und hat demgemäß auch eine lange Tradition innerhalb der literarischen und philosophischen Diskurse, die die politischen Debatten flankieren. - Eine kleine Literaturgeschichte der Europa-Essays.

Nur ein Dichter kann den Sinn von Europa erraten. - Seit der Romantik waren es die Dichter, die sich Gedanken über die Wiedergeburt von Europa oder Europas großes Erwachen gemacht haben. Bei Kerzenschein und mit Federkiel wurde eine Geschichte aufgeschrieben, die heute als das erste Europa-Essay gilt. Europas großes Erwachen. Prominente Europa-Essays von 1800 bis heute.


Schon 1799 träumte Novalis in seinem Essay »Die Christenheit oder Europa« die Aussöhnung und Vereinigung der europäischen Nationen herbei oder, wenn man lieber will, voraus. Natürlich hatte er dabei keine zweckpolitische Kooperation vor Augen, er wollte unter der Ägide einer sich neu formierenden katholischen Kirche eine supranationale und transkulturelle Idealzivilisation heraufdämmern sehen.

Nach einer ausgedehnten Periode der säkularen Verwahrlosung und Zertrennung, in der diverse Formen neuzeitlicher Weltaneignung durchgeprobt und auf die Spitze getrieben worden seien, stehe dem Kontinent nun die gloriose Reinkarnation des mittelalterlichen, alt-christlichen Europa, und damit verbunden, ein Wiedererwachen des heiligen Sinns fürs Universelle bevor. Strukturelle Bezugspunkte und zugleich Vorboten für dieses spirituelle Großereignis erkannte Novalis in der kontinuierlich fortschreitenden Vernetzung der Wissenschaften, im grenzüberschreitenden Aktivismus des Jesuitenordens sowie in Fichtes Erkenntnistheorie:

»Wenn eine neue Regung des bisher schlummernden Europa ins Spiel käme, wenn Europa wieder erwachen wollte, wenn ein Staat der Staaten, eine politische Wissenschaftslehre uns bevorstände!«

Novalis

Vielleicht versteht der Dichter ja mehr von den Seelenbünden, den geheimen Wünschen und verborgenen Wirkungsmächten als ein Philosoph. Für den großen Romantiker Novalis war Europa jedenfalls eine glückliche Verheißung. Ähnlich wie in der Verfassungsvertragspräambel verrät sich in Novalis‘ Text die Ahnung, dass die Verheißung eines glücklichen Einklangs von entfesseltem bürgerlichem Expansionismus und sozialem Wertbewusstsein dem Versprechen des Unmöglichen gleichkommt. Novalis beschwört demzufolge die kommende goldene Zeit als einen ›Heiland, der wie ein echter Genius unter den Menschen einheimisch, nur geglaubt nicht gesehen werden‹, jedoch ›unter zahllosen Gestalten den Gläubigen sichtbar, als Brot und Wein verzehrt, als Geliebte umarmt, als Luft geatmet, als Wort und Gesang vernommen‹ und schlussendlich ›mit himmlischer Wollust, als Tod, unter den höchsten Schmerzen der Liebe, in das Innere des verbrausenden Leibes‹inhaliert werden kann.

»Es waren schöne glänzende Zeiten, wo Europa ein christliches Land war,
eine Christenheit diesen menschlich gestalteten Erdteil bewohnte.«


Novalis

Im 20. Jahrhundert war die große Romantik geschwunden, der Wunsch nach einem neuen Europa aber war geblieben. In die Vorstellung von Europa sind viele Geister eingegangen und was diese Geister als Inspiration eingebracht haben, ist ein Teil der europäischen Geistestradition.




Erzähl mir Europa I

Philosophen sind dazu angetan, die Welt rational, perspektivisch und reflexiv zu sehen. - In der Tradition der Europa-Essays dann eine Neubegründung durch Peter Sloterdijk.

Mit besonderem Nachdruck schließt 1994 Peter Sloterdijk an Paul Valérys Fortschrittsappelle an. In dem Essay mit dem anspielungsreichen Titel »Falls Europa erwacht«, verbindet er das Theorem von der genialen Progressivität des europäischen Geistes effektvoll mit Novalis‘ Idee einer Wiedergeburt Europas. Überall dort, so hatte Valéry zum Ende seiner Europareflexionen noch einmal bekräftigt, wo ›der europäische Geist zur Vorherrschaft‹ komme, trete ein ›Ensemble von Maxima‹ in Erscheinung: ein Maximum an Arbeit, Kapital, Macht, an ›Eingriffen in die äußere Natur‹, an ›Beziehung und Austausch‹. Sloterdijk erklärte diese Optimierungsthese zur nach wie vor ›gültige[n] Formel für die europäische Modernisierungsdynamik‹.


Sloterdijk bringt auf der Suche nach einer Antwort das ganze Arsenal europäischer Integrationsarchetypen in Stellung. Angesichts der Aufgabe, Europas politisches Selbstverständnis zu reformieren, imaginiert er Europa als ein weibliches Wesen, das das ihm Andere aus sich hervorzubringen vermöchte: ›Aus gutem Grund‹, so Sloterdijk, ›suchen die besten europäischen Intellektuellen nach subversiven Traditionen und Verfahren, die das Fremde im Eigenen, das Andere im Selben offenlegten. - Ja, wenn Europa doch ein Weib wäre.


Sowohl die Betitelung Europas als ›Weib‹ wie auch die Forderung nach einer Transzendenz genuin europäischer Wesensmerkmale zugunsten ihrer idealen Entfaltung sind Nietzsche entlehnt. Aus dem Kontakt zwischen männlicher Herrschaftslogik und weiblicher Antiautorität, der Kreuzung von ›Reich‹ und ›Nicht-Reich‹ wollte auch Sloterdijk eine neue, potente Menschheit hervorgehen sehen. Die kommenden Generationen sollen wieder Appetite für das Große entwickeln.

Daneben werden in seienr Progression Fichtes Tatphilosophie und Novalis‘ magischer Idealismus in Dienst genommen. Europa soll, um sich als Kosmos selbst quasi neu zur Welt zu bringen, in einem Akt ›rationaler Autosuggestion‹ oder des ›luziden Träumens‹ aus dem Material seiner politischen und ideellen Tradition eine Vision kreieren, an die es selbst zu glauben vermöchte und sie dann umsetzten ›wie ein alte lange inkarnierte Mission‹. In der Rebellion gegen die Misere des homo sapiens, gegen seine Endlichkeit und dem daraus geschöpften genuin europäischen Antrieb, ›Lebensformen zu schaffen, die den Menschen als ein von Grund auf reiches und zur Größe fähiges Wesen würdigen‹, erkennt Sloterdijk das Medium, durch das sich ein entsprechendes Sendungsbewusstsein auf adäquate Weise materialisieren könnte. Denn Europas historisches Recht sei ›seine große Aussage über den Menschen‹, sein Unrecht die ›Ausschließung der meisten aus dem Umfang des eigenen Besten‹. Im Sinne dieses Rechtsverständnisses erteilt er Europa das Mandat, die Welt mit Demokratie, Menschenrechten, Wissenschaft sowie mit der destillierten Güte des Lebens zu versorgen.

Ob nun Dichter, Denker oder Philosoph, ob dabei einer mythischen Geschichte folgend, mythologisch verklärt, ob als Schaumgeburt oder als Kopfgeburt oder einem aufklärerischen Impuls folgend, ob Narrativ oder Essay - Europa muß im 21. Jahrhundert neu gedacht werden - muß sich (in einem spirituellen Akt) quasi neu zur Welt bringen! - Nehmen wir dazu ein bischen von Novalis‘ magischen Idealismus, von Paul Valérys Fortschrittsappellen und von Sloterdijks genialer Progressivität und träumen wir von einem neuen Europa!

Weblinks:

Die Neue Europa - www.globkult.de/politik/europa

Novalis-Biografie - Biografien-Portal - www.die-biografien.de

Paul Valéry-Biografie - Biografien-Portal - www.die-biografien.de

Samstag, 18. Mai 2019

»Falls Europa erwacht« von Peter Sloterdijk

Peter Sloterdijk

In der Tradition der Europa-Essays eine Neubegründung durch Peter Sloterdijk. »Falls Europa erwacht« ist ein 2002 veröffentlichter Essay von Peter Sloterdijk - eine 60-seitige Niederschrift einer umfassenden Betrachtung europäisch-politischem Bewusstseins, welches heute der unmodernen Tugend des Mutes und vor allem der visionären Phantasie eine neue Herausforderung abverlangt.

Auf dem Fundament seines weitreichenden Kulturwissens zeigt Peter Sloterdijk überzeugend historische Steuerungsprozesse, die bis heute europäisches Staats- und Machtverständnis prägen und offensichtlich als imperiales Gen die Europapolitik bestimmen und formen. Ohne eine durchgreifende Mutation an dieser Erbmasse, sieht der Autor keine Zukunft für eine moderne Kultur.

"Europa, einstmals „Reich der Mitte", ist seit 1945, nach dem Zweiten Weltkrieg, aus seiner überlieferten Stellung in der Mitte der Welt herausgefallen. (Seite 7)."

Es geht Sloterdijk in seinem Essay um Europa und seinem Bewußtsein, denn dieses Bewußtsein von Europa wartet immer noch auf sein Erwachen. Sollte die politische Einbildungskraft der Europäer noch einmal offensiv anspringen, dann nur, wenn sie von dem Elan ergriffen würden, eine ganz neuartige, verfremdete Fortsetzung ihrer Geschichte zu erfinden‹.

Dieses Europa wurde 1945 durch die Alliierten von der nationalsozialistischen Diktatur befreit – zugleich aber von neuen Weltmächten im Westen und im Osten in die Zange genommen: Diese Doppelerfahrung der Befreiung und der endgültigen Aufgabe der einstigen Vormachtstellung Europas zieht sich über zwei Generationen hinweg. Erst nach der Lösung der Supermächteklammer sind die Europäer imstande, die Fragen nach den prägenden Merkmalen okzidentaler Identität mit neuer Verbindlichkeit zu stellen.

In dem Essay mit dem anspielungsreichen Titel »Falls Europa erwacht«, verbindet er das Theorem von der genialen Progressivität des europäischen Geistes effektvoll mit Novalis‘ Idee einer Wiedergeburt Europas. Überall dort, so hatte Valéry zum Ende seiner Europareflexionen noch einmal bekräftigt, wo ›der europäische Geist zur Vorherrschaft‹ komme, trete ein ›Ensemble von Maxima‹ in Erscheinung: ein Maximum an Arbeit, Kapital, Macht, an ›Eingriffen in die äußere Natur‹, an ›Beziehung und Austausch‹. Sloterdijk erklärte diese Optimierungsthese zur nach wie vor ›gültige[n] Formel für die europäische Modernisierungsdynamik‹.

Wie aber wäre Europas großes Erwachen unter den pazifistischen und postimperialen Bedingungen des späten 20. Jahrhunderts ins Werk zu setzen? Auch Sloterdijk bringt auf der Suche nach einer Antwort das ganze Arsenal europäischer Integrationsarchetypen in Stellung. Angesichts der Aufgabe, Europas politisches Selbstverständnis zu reformieren, imaginiert er Europa als ein weibliches Wesen, das das ihm Andere aus sich hervorzubringen vermöchte: ›Aus gutem Grund‹, so Sloterdijk, ›suchen die besten europäischen Intellektuellen nach subversiven Traditionen und Verfahren, die das Fremde im Eigenen, das Andere im Selben offenlegten. Ja, wenn Europa ein Weib wäre…




Es ist, so argumentiert Peter Sloterdijk, täglich bedrängender eine Situation entstanden, in der Europas Politiker aus ihrer Verwirrung nicht mehr herausfinden, wenn sie nicht geschichtsphilosophische Informationen und klare prophetische Orientierungen suchen.

Wie kann Europas Stellung heute beurteilt werden? Haben Europäer wieder gelernt, »Großes von sich zu fordern«, um einen Wiedereintritt in einen Horizont großer und größter Herausforderungen zu gewährleisten?




Europa muß neu gedacht werden! - Sloterdijk erweist - anknüpfend an die Tradition europäischer Essays - sich darin als Vordenker einer neuen Vision von Europa. Besonders faszinierend ist sein Postulat nach einer ganz eigenen und fundamental neuen Vision, die jede traditionelle Rechtfertigung politischer Macht in transzendentem göttlichen Auftrag oder irdischem Elite-Bewusstsein ablegt und ganz neue Motive und Strukturen europäischen Bewusstseins beinhaltet, die sich - ohne jede Erfahrungswerte - gegen Konservativismen und vor allem gegen "historisch erworbene Skepsis"  erst noch durchsetzen müssen.

Weblinks:

Peter Sloterdijk - Falls Europa erwacht - petersloterdijk.net


Rezensionen:

Rezension zu: P. Sloterdijk: Falls Europa erwacht - H-Soz-Kult - www.hsozkult.de

Peter Sloterdijk: Falls Europa erwacht - Begleitschreiben - www.begleitschreiben.net

Literatur:


Falls Europa erwacht: Gedanken zum Programm einer Weltmacht am Ende des Zeitalters ihrer politischen Absence
von Peter Sloterdijk

Samstag, 3. November 2018

Wie zeitgemäß ist Camus Werk »Der Mensch in der Revolte« heute?

Der Mensch in der Revolte
Der Mensch in
der Revolte


Albert Camus setzt seine Überlegungen über die Absurdität und dem Mord mit seinem Werk »Der Mensch in der Revolte« fort. Die Revolte ist die Unvernunft und das Unverständnis über das menschliche Leben. Er versucht den Mord aus philosophischen Überlegungen zu Rechtfertigen und diesen zu überprüfen. Zuerst beschreibt er die metaphysische Revolte.



Der Revoltierende ist jemand, der nein sagt zu den bestehenden Verhältnissen. Er kämpft für seine Unversehrtheit. Die metaphysische Revolte ist der Tausch zwischen dem Regime der Gnade und dem der Gerechtigkeit. Camus beschreibt die Negation Gottes an den Beispielen von Marquis de Sade, John Milton, Iwan Karamasow und Nietzsche. Der Revoltierende setzt sich mit Gott gleich. Daraus folgt, dass er eine neue Weltordnung entdecken muss. Als logische Folge beschreibt er nach der metaphysischen Revolte die historische Revolte.

Camus war ein bedeutender und einflußreicher französischer Schriftsteller und Philosoph des 20. Jahrhunderts. Albert Camus war ein unabhängiger, unbeirrbarer Geist, der weder Ideologien noch Intrigen oblag. Der Denker war einer der bekanntesten französischen Autoren und ein bedeutender Vertreter des Existentialismus.

Weblink:


Der Mensch in der Revolte


Wie zeitgemäß ist Camus Werk »Der Mensch in der Revolte« heute? Die Frage stellt sich angesichts Massenarbeitslosigkeit, Verarmung und Verelendung und sozialer Ausgrenzng ganzer Bevölkerungsschichten auf dringliche Weise. Die Absurdität besteht in das Geworfensein des Menschen in eine immer zynisch werdenden Gesellschaft, die voraussetzt, das alles klaglos hingenommen wird, was gegen ihn gerichtet ist.

Die Existenz des Menschen ist oder erscheint recht sinnlos. Was dem Einzelnen in dieser Situation bleibt, ist die Revolte. Die "permanente Revolte" sah Albert Camus als Weg zur Überwindung des Absurden an. Der Mensch muss in der Lage sein, die Last der Sinnlosigkeit zu ertragen, Selbstverantwortung übernehmen und nach Glück streben. Nur so wird er Herr seines Schicksals und kann der die Absurdität des Lebens überwinden.

Die Revolte bedeutet nicht nur Ablehnung vorgefundener Umstände, sondern sei auch immer Ausdruck für etwas, nämlich für bestimmte Werte. Die Prinzipien der Revolte verneinten die Knechtschaft, die Lüge und den Terror und äußerten sich nicht zuletzt in der Kunst.

Eine Revolte ohne klares Ziel erscheint wiederum selbst ohne Sinn. Gegen wen soll sich die Revolte richten und wie soll sie sich organisieren?

Eine Revolte braucht die Solidarität und Verständigung der Menschen untereinander. Die Revolte eines einzelnen Menschen erscheint wiederum ebenfalls recht sinnlos. Um sich Gehör zu verschaffen, muss der Mensch sich eimne Plattform suchen und sich organisieren. Nur so kann er Zuhörer und Sympathisanten für sein Anliegen finden.

Weblink:

Der Mensch in der Revolte
Der Mensch in der Revolte von Albert Camus

Samstag, 6. Oktober 2018

Vaclav Havel - ein Philosoph als Bürgerpräsident

Vaclav Havel

Vaclav Havel war ein Philosoph als Bürgerpräsident und ein Dichter, der zum Staatsmann wurde. Havel war von Natur aus ein dichterischer und unpolitischer Mensch. Erst durch die politischen Umstände in seinem Land wurde der Individualist und Nonkonformist zum Oppositionellen und schießlich zum kommunistischen Regimegegner.

Havel steht damit in der Tradition von Platon. Bekanntlich wollte Platon einen Philosophenkönig kreieren, indem entweder dem Philosophen das Regieren oder dem Regenten das Philosophieren beigebracht werden sollte.

»Ich strebe keine Machtpostion an.
Ich versuche, der Wahrheit zu dienen.
Ich bin nur der Königsmacher, nicht der König.«

Vaclav Havel
Havel war ein in seiner Jugend veräppelter Bürgersohn und später ausgestossener Bourgeouis, ein verbannter Dichter und politischer Häftling, der nie in ein vorgegebenes Raster gepaßt hat und auf diese Weise einen besonderen Blick auf die menschlichen Existenz entworfen hat: den des Aussenseiters.

Sein elemtentares Lebensgefühl war das Gefühl von Fremdheit, anders zu sein als andere.

Vaclav Havel war ein grosser politischer Visionär mit einem unkonventionellen politischen Stil. Er war von seiner Grundhaltung radikal individualistisch und unangepasst.

Vaclav Havel war kein Mensch, der vorgefertigte Lösungen präsentiert hat. Nicht in seinem philosophischen Denken, nicht in seiner politischen Auffassung und auch nicht in seinem literarischen Werk.

Havel betonte stets die Verantwortung des Individuums. Weil er auf die Selbstverantwortung des Individuums setzte, lieferte er keine (individuellen) Patentrezepte.

Der kritische Mahner und Sinnsucher hat dabei immer vorgeführt, wie sein Denken zu leben wäre.


Biografien:

In der Wahrheit leben
In der Wahrheit leben
von Michael Zantovsky

Vaclav Havel
Vaclav Havel


Blog-Artikel:

Charta 77 vor 40 Jahren veröffentlicht -

Philosoph Jan Patočka vor 40 Jahren gestorben

Samstag, 5. August 2017

Braucht Europa einen neuen Humanismus?

Jedes Zeitalter und jede Kultur gebiert ihren eigenen Humanismus. Auftretender Humanismus ist immer ein Zeichen des Aufbruchs. Der Humanismus nimmt zumeist eine Stellung gegen die herrschenden Verhältnsisse ein.

Die politischen Verhältnisse in Europa sind eine Bankrotterklärung an den Humanismus. Sie sind mit einem Humanismus nicht mehr zu vereinbaren.

Angesichts der sittenlosen politischen Zustände in den Ländern Europas, wo Zustände des üblen Manchester-Kapitalismus sich eine kleine Klasse von Besitzbügern sich immer weiter auf Kosten der breiten Bevölkerung bereichert, ist die berechtigte Frage zu stellen: Braucht Europa einen neuen Humanismus?

Den Humanismus des alten Europa ist etwas skeptisch zu betrachten, weil das lediglich eine Geisteshaltung war, die viel idealisierte und vor allem mißachtete, daß Europa in weiten Teilen eine Sklavengesellschaft war, die sich in Stände, Kasten und Klassen unterteilte.

Der Humanismus des alten Europa ist angesichts der Flüchtlingswelle und der Verelendung ganzer Bevölkerungsschichten eine Bankrotterklärung an jede zivilisierte Welt. Dieser verdient seinen Namen nicht und ist allenfalls eine verbrauchte Scheinlehre. Er ist eine Verfallserscheinung.

Der Geist des Humanismus ist die vorherrschende geistige Grundströmung seiner Zeit des Mittelalters. Er verkündet den freien, den unabhängigen Geist. Humanismus bedingt den freien Geist. Die Reformation ist aus der Lehre des Humanismus entstanden, sie hat ihre Wurzel in dieser Lehre.

Die Lehre des Humanismus hat der Reformation und damit der Erneuerung gegen restaurative Zustände den geistigen Weg geebnet. Luther leitete daraus für sich selbst das intensive Studium der Bibel ab: Humanismus hieß also für ihn vor allem Rückbesinnung auf die griechischen und hebräischen Originalschriften der Bibel - Bibelhumanismus. Beide Lehren, obwohl Brüder im Geiste, waren doch recht unterschiedlicher Natur: der Humanismus eine reine Geisteslehre und die Reformation eine religiöse Reformbewgung der Erneuerung.


Weblink:

Franziskus: „Europa muss neuen Humanismus zur Welt bringen

Samstag, 2. Juli 2016

Albert Camus und das Christentum


Der Sinn des Lebens ist das Leben selbst.

Albert Camus und das Christentum

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Weblinks:

http://www.deutschlandradio.de/text-u...

https://www.youtube.com/embed/uSIpWRToTRY - www.youtube.com





Samstag, 18. Juni 2016

Europäische Bürgersolidariät einfordern

Anegesichts der Finanzkrise steht die Europäische Union vor neuen Herausforderungen.

Die Europäische Union muss eine europäische Bürgersolidariät einfordern und gewährleiten können, wenn sie in der Krise bestehen und die Unterschiede in der EU begrenzen will.


So glaube ich nicht, dass wir als Europäer Begriffe wie Moralität und Sittlichkeit, Person und Individualität, Freiheit und Emanzipation… ernstlich verstehen können, ohne uns die Substanz des heilsgeschichtlichen Denkens jüdisch-christlicher Herkunft anzueignen.


Jürgen Habermas (1929)


Die europäische Bürgersolidariät verlangt weniger ein gleich hohes Wohlstandsniveau als vielmehr für alle gleichermaßen verbindliche Spielregeln.

Auch die Europäische Union müsse, so verlangt es Habermas, gewährleisten, was das Grundgesetz die Einheitlichkeit der Lebensverhältnisse nennt.

Albert Camus - Der Weg der Revolte

Albert Camus

Auch die biographische und politische Betrachtung lehrt einen über Camus also nur, dass seine Philosophie von ihm nicht als Ideologie konzipiert war, sondern tatsächlich seinem Leben entsprach – auch wenn er es nie theoretisierte, warum die eigene Mutter wichtiger als das Schicksal eines ganzen Volkes sei, sondern stattdessen allgemein forderte dem unmittelbaren Gefühl zu folgen. Doch es ist immer noch nicht ersichtlich, ob Camus´ Moral nun ein gangbarer Weg ist oder nicht, ob sie dem Menschen entspricht, oder ihn verhöhnt. Und so wendet man sich also wieder zurück zur Philosophie und erinnert sich des Gedankenganges des Menschen in der Revolte:

Wenn die Revolte zur Revolution wird, muss die Vernunft das unmittelbare Gefühl der menschlichen Solidarität unterdrücken und die Menschen, die sich dazu weigern, umbringen. Nach einiger Zeit sind die Revoltierenden entweder zu Leichen oder zu Sklaven geworden. Die Lösung besteht daher darin das unmittelbare Empfinden nicht zu unterdrücken, sondern frei auszuleben und so die Revolte zu erhalten.

Das erste, was bei diesem Gedanken auffällt, ist natürlich sein extremer Idealismus. Für einen Menschen, der dem Hungerstod nahe ist, stellt sich die Frage der Revolte als solche überhaupt nicht in dieser Form, denn die menschliche Solidarität begründet sich für ihn vor allem aus der Vernunft des organisierten Kampfes und der Erringung von politisch-sozialen Verhältnissen, die ihm und seinesgleichen dauerhaft etwas zu essen sichern. Doch man nimmt diese Einschränkung hin und fragt erneut: Ist für einen sattgegessenen Europäer, der zwar nicht in Luxus lebt, der aber auch nicht unmittelbar in seiner Existenz bedroht ist und der zum Menschen in der Revolte wird, Camus´ Moral ein gangbarer Weg?

Camus geht davon aus, dass sich die menschliche Natur im Sinne des Impulses der Revolte und die Vernunft gegenseitig ausschließen. Entweder die Revolte wird gelebt, oder durch die Vernunft getötet. Das Menschenbild, das Camus damit zeichnet, ist freilich eines, das diesen Namen kaum noch verdient. Für ihn muss der Mensch entweder, getrieben von der Revolte, schlimmer als jedes Tier immer wieder mit dem Kopf gegen die Wand laufen, da er ja seine Vernunft nicht gebrauchen darf, oder aber er ist nur noch reine Vernunft ohne menschliche Grundlage. Und so endet der großartige Humanismus Camus´ als ein Humanismus, dessen Liebe zum Menschen groß genug ist, um ihn in ein Tier zu verwandeln.

Camus´ Moral ist tatsächlich ein gangbarer Weg: Es ist der ideale Kompromiss für Söhne und Töchter aus gutem Hause, die den Impuls der Revolte verspüren, aber gleichzeitig ihre privilegierte gesellschaftliche Stellung behalten wollen. Der Weg der Revolte ist es jedoch nicht, denn dieser ist unzertrennlich mit der Vernunft verbunden. Die Revolte stirbt nicht wegen der Vernunft, sondern ohne sie. Zur Resignation führt es, wenn man mit einer Welt konfrontiert ist, die dem menschlichen Wesen fundamental widerspricht, die man aber nicht verändern darf. Indem man sich gegen die Vernunft entscheidet, entscheidet man sich zugleich gegen die Revolte.

Erst wenn der letzte Mensch frei atmen kann, ist das Freiheitsideal erreicht. Das jedenfalls ist die Meinung von Albert Camus.


Weblinks:

Camus lebt - www.camus-lebt.de

Albert Camus – Marxismus und Moral - www.bruchlinien.at


Literatur:

Der Mensch in der Revolte
Der Mensch in der Revolte von Albert Camus

Sonntag, 22. Mai 2016

»Der Mensch in der Revolte« von Albert Camus

Der Mensch in der Revolte
Der Mensch in
der Revolte

In seinem 1951 erschienenen zweiten philosophischen Hauptwerk »Der Mensch in der Revolte« bewegt sich Camus wiederum im Grenzland zwischen Literatur, Geschichte und Philosophie.

»Der Mensch in der Revolte« von Albert Camus ist eine Essay-Sammlung seiner grundlegenden Ideen und Thesen. Diese Sammlung von Essays gleicht einer Parforcejagd durch die Ideengeschichte der Moderne, durch die aus Geschichtsphilosophien aller Spielarten hervorgegangenen politischen Theorien und Praxen. Albert Camus entdeckt hier untergründige Verwandtschaften zwischen scheinbar gegensätzlichen Ideologien; er spitzt die einzelnen Theorien und politischen Strategien bis zum Selbstwiderspruch zu und widerlegt eingefahrene Interpretationen.

Albert Camus setzt seine Überlegungen über die Absurdität und dem Mord mit seinem Werk »Menschen in der Revolte« fort. Die Revolte ist die Unvernunft und das Unverständnis über das menschliche Leben. Er versucht den Mord aus philosophischen Überlegungen zu Rechtfertigen und diesen zu überprüfen. Zuerst beschreibt er die metaphysische Revolte.

Der Revoltierende ist jemand, der nein sagt zu den bestehenden Verhältnissen. Er kämpft für seine Unversehrtheit. Die metaphysische Revolte ist der Tausch zwischen dem Regime der Gnade und dem der Gerechtigkeit. Camus beschreibt die Negation Gottes an den Beispielen von Marquis de Sade, John Milton, Iwan Karamasow und Nietzsche. Der Revoltierende setzt sich mit Gott gleich. Daraus folgt, dass er eine neue Weltordnung entdecken muss. Als logische Folge beschreibt er nach der metaphysischen Revolte die historische Revolte.


Der Mensch in der Revolte


Zu Beginn war die Revolte eine Loslösung aus der Knechtschaft. Der Sklave wollte die Gleichheit mit seinem Herrn und damit dieselben Rechte haben. Erst die französische Revolution wollte den Bürger als Souverän des Staates haben. Danach war Hegel für die Sozialisten das Maß der Dinge. Seine Dialekt von Herr und Knecht wurde von ihnen bereitwillig aufgenommen. Der individuelle Terrorismus der russischen Nihilisten sorgt in Russland für Chaos und Revolte. Für sie war der Tod der höchste Protest. Camus Zeigt, dass jeder politische Umsturz durch ein neues Gewaltsystem ersetzt wurde. Dieser Terror fand mit dem dritten Reich und den sowjetischen Konzentrationslager seinen Höhepunkt.

Camus beantwortet seine anfängliche Frage damit, dass das Töten mit der Revolte nicht vereinbar ist. Die Freiheit des Revoltierenden endet bei der Freiheit des anderen Menschen. Die Revolte negiert die Revolution, da sie die Gewalt annimmt. Die Revolte macht der vollständigen Freiheit den Prozess. Sein Fazit lautet, dass der Mord keiner Rechtfertigung bedarf.

Jean-Paul Sartre nahm Camus »DerWerk den Mensch in der Revolte« zum Anlass zur Kritik. Er kritisierte die unterschiedliche Auffassung in Bezug auf Hegel und Marx. Camus endet mit der Überlegung, dass man in einer hellenistischen Gesellschaft leben sollte. Für Jean-Paul Sartre hat das menschliche Sein immer mit der Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft zu tun. Er fordert Engagement in der Situation, dieses bedeutet, sich auf die Zukunft hin zu entwerfen. Das vermisste er bei Camus.

In Camus' umstrittenem Werk, wegen dem sich sein langjähriger Freund Jean-Paul Sartre von ihm abwandte, vertritt er die Überzeugung, dass die gesamte Periode nach der französischen Revolution durch den Nihilismus geprägt wurde und ihn bis heute nicht überwunden hat.

Zur Unterstützung seiner Thesen führt Camus exemplarisch die zwei politischen Hauptströmungen des 20. Jahrhunderts und schließlich deren Scheitern im Nihilismus an. Zum einen den Nationalismus, der durch den "Nerobefehl" in den letzten Zügen des Dritten Reichs, den einzigen Wert, den der Rasse, verleugnete. Zum anderen den Kommunismus, der mit seiner angeblichen Liebe zum zukünftigen sozialistischen Menschen, die schlimmsten Verbrechen rechtfertigte. So unterschieden sich der sowjetische Gulag und die Konzentrationslager der Nazis nur durch theoretische Überlegungen, nicht aber in der Konsequenz.

Albert Camus


Camus entzieht sich den Dogmen der Extreme und versucht, das in unserer Zeit verloren gegangene Maß wiederzufinden. Er relativiert, indem er eines nicht relativiert, und zwar den Wert des Lebens. Er versucht dem Leben wieder einen schöpferischen Wert zu geben, doch nicht durch Religion, sondern durch Rückbesinnung auf die menschliche Schöpferkraft, dem Menschen als Künstler. Aber auch als Politiker, der in der Revolte sein Ausdrucksmaß gegen die Ungerechtigkeit in der Welt findet, aber deshalb nicht zum Misanthrop und Massenmörder wird.

Camus ist dabei zu keiner Zeit naiv, denn er weiß, dass es zu allen Zeiten Leid und Elend auf der Welt geben wird, und dass Iwan Karamasovs Schrei nach dem "Warum?" ewiglich durch die Geschichte der Menschheit hallen wird. Vielmehr versucht er Wege zu zeigen, um dieser Welt, trotz allem Leid und Elend, wieder einen Wert und eine Schönheit zu geben, die sie in unserer Zeit verloren zu haben scheint.

Albert Camus

Er wurde früh sehr stark vom französischen Existenzialismus und von dem Philosophen Jean-Paul Satre geprägt, dessen Bekanntschaft er 1944 machte. Der Existenzialismus entsprach einem Lebensgefühl, das von der Erfahrung des Zweiten Weltkriegs, des politischen Widerstands in der Résistance und des Zerfalls traditioneller Wertordnungen und Orientierungen geprägt ist. Es fand seinen gedanklichen Ausdruck in einer besonderen Sensibilität für die Absurdität der menschlichen Existenz, die für diese Generation von Philosophen charakteristisch war.


Der Mensch in der Revolte


In den Nachkriegsjahren war er zusammen mit Jean-Paul Sartre - mit dem ihn kurze Zeit auch ein freundschaftliches Verhältnis verband - einer der Vordenker des Existentialismus. Sein bekanntestes philosophisches Werk aus dieser Zeit ist die Essay-Sammlung »Der Mensch in der Revolte« (1947-1951), die ihm neben viel Beifall auch vielerlei Polemik eintrug, nicht zuletzt die von Sartre, der ihm den Verrat linker Ideale vorwarf.

Sein literarisches Schaffen bewegt sich zwischen Dichtung und Essayistik auf der Grundlage einer Philosophie von der Sinnlosigkeit des menschlichen Daseins und vom Versagen des Gewissens. Den Existenzialismus deutete er in eine Philosophie von der Sinnlosigkeit des menschlichen Daseins.



Die Ausgangsposition von Camus atheistischer Weltanschauung lautet: Es gibt keinen Gott. Die Existenz des Menschen ist sinnlos. Was dem Einzelnen in dieser Situation bleibt, ist die Revolte. Die "permanente Revolte" sah er als Weg zur Überwindung des Absurden an. Der Mensch muss in der Lage sein, die Last der Sinnlosigkeit zu ertragen, Selbstverantwortung übernehmen und nach Glück streben. Nur so wird er Herr seines Schicksals und kann der die Absurdität des Lebens überwinden.

Literatur:

Der Mensch in der Revolte
Der Mensch in der Revolte
von Albert Camus

Samstag, 13. Februar 2016

Habermas-Kritik an Europa

In seinem Essay »Zur Verfassung Europas« weiß der Autor sehr wohl, dass dem Europa-Gebilde gemeinsame "soziale und kulturelle Rechte" fehlen. Und kritisiert deshalb gründlich jene Politik, "die vorgibt, den Bürgern ein selbstbestimmtes Leben primär über die Gewährleistung von Wirtschaftsfreiheiten garantieren zu können".

Doch schon bei der Forderung nach der Präzisierung der Menschenrechte in einer zu ändernden europäischen Verfassung, gelingt im eine mediokre Formulierung von richtungsweisender Schwäche für das Gesamtwerk:

"Jede Abschiebung eines Asylbewerbers . . ., jedes kenternde Schiff mit Armutsflüchtlingen . . . ist eine weitere beunruhigende Frage an die Bürger des Westens."

Wo ein bescheidener Verstand geglaubt hätte, das diese Vorgänge eine Sauerei wären und den Menschenrechte feind, sieht der Philosoph erstmal Fragen. Es ist ein Schwanken zwischen demokratischer Vernunft und feigem Kompromiss, der die jüngste Arbeit des großen Intellektuellen prägt.

So auch, wenn er kühl und richtig sieht, das die Menschenrechtspolitik des Westens nicht selten nur ein Feigenblatt zur Durchsetzung von Großmachtinteressen ist und die "Kollateralschäden" beklagt, zum anderen aber seine Kritik mit einer sonderbaren Sorge bestückt: "Noch haben die intervenierenden Mächte in keinem Fall bewiesen, dass sie die Kraft und Ausdauer zum state-building . . . aufbringen."

Mittwoch, 23. Dezember 2015

Fehlkonstruktion einer Währungsgemeinschaft ohne politische Union

Die "Fehlkonstruktion einer Währungsgemeinschaft ohne politische Union" beklagt der Philosoph Jürgen Habermas am Dienstag in der "Süddeutschen Zeitung". Besonders an Angela Merkel übt er in der Griechenland-Frage massiv Kritik. Schon im Mai 2010 seien Merkel die "Anlegerinteressen wichtiger" gewesen "als ein Schuldenschnitt zur Sanierung der griechischen Wirtschaft", schreibt Habermas in der Zeitung.

Mit Blick auf die aktuellen Verhandlungen fährt er fort: In der Sache gehe es "um das sture Festhalten an einer Sparpolitik, die nicht nur in der internationalen Wissenschaft überwiegend auf Kritik stößt, sondern in Griechenland barbarische Kosten verursacht hat und hier nachweislich gescheitert ist."

Samstag, 7. November 2015

Albert Camus sah sich als Künstlerphilosoph

Albert Camus

Albert Camus sah sich als ein Künstlerphilosoph. Er war ein freier Denker im Gegensatz zum universitären Gelehrten.

Der Grad, in dem die Prägung des Denkens durch das Leben, bzw. des Lebens durch das Denken, sichtbar wird, ist bei Camus außergewöhnlich hoch . Denn diese Tatsache begründet seine Stärke wie auch seine Schwäche. Als Journalist, Dramatiker, Schauspieler und Autor vermochte es Camus wie kaum ein Zweiter, den Geist seiner Umgebung einzufangen und ihn als Philosoph in Begriffe zu fassen. Die Übereinstimmung, die sein Werk dadurch, nicht nur mit einem allgemein verbreiteten Empfinden, sondern auch mit seinem eigenen politischen Handeln erlangte, verhalf ihm zu seiner Größe und lässt ihn heute noch über all die reinen Theoretiker triumphieren.

Doch zugleich bedeutete es eine geradezu sklavische Bindung der Vernunft an das Gefühl – ein Problem, das Camus zugleich auch als Mittelpunkt seiner gesamten Philosophie zum Ideal hochstilisiert. Seine Philosophie wird zum direkten Ausdruck einer bestimmten Stimmung in einem bestimmten Teil der Gesellschaft zu einer bestimmten Zeit – ein Phänomen, dem zwar bis zu einem gewissen Grad alle Menschen unterliegen, das sich im Schriftsteller Camus aber besonders stark ausdrückt. An die Stelle philosophischer Beweise treten bei ihm wohlklingende aber unbegründete Behauptungen. Statt der analytischen Schärfe eines Philosophen findet sich bei ihm der Wortschwall eines Schriftstellers.

Weblinks:

Albert Camus – Marxismus und Moral - www.bruchlinien.at

Albert Camus-Zitate - Zitate-Portal - www.die-zitate.de


Literatur:

Der Mensch in der Revolte
Der Mensch in der Revolte von Albert Camus

Mittwoch, 29. Juli 2015

»Über das Unglück, ein Grieche zu sein« von Nikos Dimou

Über das Unglück, ein Grieche zu sein
Über das Unglück, ein Grieche zu sein

von Nikos Dimou


Der griechische Philosooph Nikos Dimou gilt als unter Greichenaldns Intellektuellen. Sein Buch »Über das Unglück, ein Grieche zu sein« ist eine wahre Fundgrube an Provokation. Ein Buch, in dem er mitunter die Ursachen der Griechenland-Krise beschreibt.

»Über das Unglück, ein Grieche zu sein« von Nikos Dimou ist ein buntes Panoptiklum zeitloser Ansichten über Griechenland und die Griechen. Sein berühmter Aphorismenband »Über das Unglück, ein Grieche zu sein« erschien zuerst 1975. Er wirft einen tiefen Blick in die Seele Griechenlands.

»Wenn ein Grieche von Europa spricht, schließt er Griechenland automatisch aus. Wenn ein Ausländer von Europa spricht, ist es undenkbar für uns, dass er Griechenland nicht mit einschließt.«

»Das Parkinsonsche Gesetz auf Griechisch: Zwei Griechen schaffen in zwei Stunden (wegen Streitigkeiten), was ein Grieche in einer Stunde schafft.«




Das behaupten nicht die Kontrolleure der EU, sondern einer der bekanntesten griechischen Intellektuellen, Nikos Dimou. Sein Klassiker »Über das Unglück, ein Grieche zu sein«, den jeder Grieche kennt, hat gerade wieder die Bestsellerlisten gestürmt - und liegt nun erstmals auf Deutsch vor.

Zeitlose Einsichten für alle, die Griechenland lieben und doch an ihm verzagen: »Ein Grieche tut alles, was er kann, um die Kluft zwischen Wunsch und Wirklichkeit zu vergrößern.«

»Mit Methode und System, die unserem täglichen Leben und unserer Arbeit fehlen, konzentrieren wir uns auf unsere geheime Mission: das wunderbare Land, das uns das Schicksal zugedacht hat, so effektiv wie möglich zu zerstören.«

»Ein Grieche« - so Dimou - »nimmt die Realität prinzipiell nicht zur Kenntnis. Er lebt zweifach über seine Verhältnisse. Er verspricht das Dreifache von dem, was er halten kann«.


Der Grieche als freundlicher Negierer der Realität. Natürlich übertreibt hier auch Dimou - wie sollte er - als Grieche - auch nicht? Ist dieser Hang des Griechen zur maßlosen Übertreibung eine heilbare Krankheit?

Nein, sie ist Teil der griechischen Mentalität, die ich in den 25 Jahren in denen ich Griechenland bereist habe, erleben konnte. Eine Mentalität ist nichts, was man sich aussuchen kann. Sie ist Teil der eigenen Kultur und eines erlernten Selbstverständnisses.

Was Dimou an dieser Stelle vergisst zu erwähnen ist, dass auch Herz und Seele des Griechen mindestens vier mal so groß sind wie die des durchschnittlichen Nordeuropäers.

Der Philosoph Nikos Dimou, geb. 1935 in Athen, studierte in Athen und München und ist Autor von über 60 Büchern. Bekannt wurde der streitbare Intellektuelle durch seine Fernsehtalkshows, Radiosendungen und vielbesuchten Blogs. Sein berühmter Aphorismenband »Über das Unglück, ein Grieche zu sein« erschien zuerst 1975.

Das Buch sei das meistverkaufte Sachbuch seit der Antike, heisst es ironisch - auf jeden Fall ein Bestselles. Ein tiefer Blick in die griechische Seele. <!-- Wer dieses lesenswete Buch liest, hat die Seele Griechenlands erfasst.-->Wer dieses lesenswete Buch liest, vermag die Seele Griechenlands zu erfassen.

Weblink:

Über das Unglück, ein Grieche zu sein
Über das Unglück, ein Grieche zu sein
von Nikos Dimou

Samstag, 27. Juni 2015

Habermas: Merkels Griechenland-Politik ist ein Fehler

"Nicht Banken, sondern Bürger müssen über Europa&#8236; entscheiden, das fordert der berühmte Philosoph Jürgen &#8234;Habermas&#8236;. Angela Merkel habe die Krise mitverursacht. Der Kanzlerin seien die Anlegerinteressen wichtiger als die Sanierung der griechischen Wirtschaft."

Das jüngste Urteil des Europäischen Gerichtshofes wirft ein grelles Licht auf die Fehlkonstruktion einer Währungsgemeinschaft ohne politische Union. Alle Bürger mussten im Sommer 2012 Mario Draghi dafür dankbar sein, dass er sie mit einem einzigen Satz vor den desaströsen Folgen eines unmittelbar drohenden Kollapses ihrer Währung bewahrt hat.

»Stehen Frauen an der Spitze der Regierung, so ist der Staat in Gefahr, denn sie handeln nicht nach den Anforderungen der Allgemeinheit, sondern nach zufälliger Neigung und Meinung.«

Georg Friedrich Wilhelm Hegel

Mit der Ankündigung, notfalls Staatsanleihen in unbegrenzter Höhe anzukaufen, hatte er für die Euro-Gruppe die Kastanien aus dem Feuer geholt. Er musste vorpreschen, weil die Regierungschefs unfähig waren, im europäischen Gemeininteresse zu handeln; sie blieben ihren jeweils nationalen Interessen verhaftet und verharrten in Schockstarre.

Man ist versucht zu sagen, das Recht der Europäischen Verträge muss von deren Hütern nicht direkt gebeugt, aber doch gebogen werden, um von Fall zu Fall missliche Konsequenzen jener Fehlkonstruktion der Währungsgemeinschaft auszubügeln, die - wie Juristen, Politologen und Ökonomen seit vielen Jahren immer wieder nachgewiesen haben - nur durch eine Reform der Institutionen behoben werden kann.

Weblinks:

<a href="http://www.sueddeutsche.de/kultur/europa-sand-im-getriebe-1.2532119" target="blank">Habermas: Warum Merkels Griechenland-Politik ein Fehler ist</a> - www.sueddeutsche.de/kultur

<a href="http://www.nachdenkseiten.de/?p=26499" target="blank">Kritik an Habermas‘ SZ-Artikel „Warum Merkels Griechenland-Politik ein Fehler ist“</a> - www.nachdenkseiten.de

<a title="»Zur Verfassung Europas: Ein Essay« von Jürgen Habermas" href="http://www.amazon.de/exec/obidos/ASIN/351806214/zitatenschatz-21" rel="nofollow" target="blank"><img alt="Zur Verfassung Europas: Ein Essay" src="http://ecx.images-amazon.com/images/I/310txNESwOL._SL500_PIsitb-sticker-arrow-big,TopRight,35,-73_OU03_SS115_.jpg" width="57" border="0"/><br />Zur Verfassung Europas: Ein Essay </a> von Jürgen Habermas
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Mittwoch, 25. Februar 2015

Die Griechen spüren den kalten Hauch des Turbo-Kapitalismus der Finanzwirtschaft

Griechenland ist ein Beispiel dafür, was passiert, wenn man ein Land unter den Sparvorgaben der EU zugrundegehen lässt. Am Ende ist das Land saniert und die Bevölkerung kaputtgespart.

Es sind die "Sparvorgaben seiner Gläubiger", gegen die sich Griechenland wehrt. Es sind genau diese Sparvorgaben, die die Staaten vor der Finanzwirtschaft in die Knie zwingen sollte, wie man sich Staaten einverleibt und auf demokratischer Basis die Diktatur des Kapitals weiter ausweitet und festigt.

Ob Griechenland das so sieht? Es könnte so sein. - Und wenn nicht, so ahnen und spüren die Griechen doch schon etwas von dem kalten Hauch des Turbo-Kapitalismus der Finanzwirtschaft, der Staaten sozial verwüstet und ausgebeutet zurückläßt, wenn man ihn dereguliert walten läßt.

Man sollte Griechenlands Haltung als Signal verstehen, als Signal für eine sozial-ökonomischen Schieflage, die es zu korrigieren gilt, will man den sozialen Frieden und Europa auf eine solide Grundlage stellen. Ein in die Armut entlassenes Griechenland ist eine Gefahr für die EU.

Europa ist nicht nur eine Wirtschaftsgemeinschaft und ein "Markt", sie ist vor allem eine Gemeinschaft von Menschen. Wer Europa bewahren will, muss sich den Menschen zuwenden.