Samstag, 26. Februar 2011

Die Wahrheit ist die ungeschickte Tochter der Tugend

Auf den ersten Blick, ist es schöner, die Wahrheit zu verkünden als die Unwahrheit. Nicht immer lässt sie sich jedoch als durchgehendes Prinzip unrechterhalten, denn sie täuscht über etwas hinweg oder erscheint von vornherein als unzweckmäßig.

Im Lichte der Öffentlichkeit ist die Wahrheit oft unpassend und verstellt die Freude an liebgewonnen Zuständen oder Menschen. Es geht dann um Wahrheit und Lüge im außermoralischen Sinn und diee Wahrheit erscheint dann als die ungezogene Tochter der Tugend.

Im Fall Guttenberg ist eher die Wahrheit geeignet, Unfrieden im Land zu stiften und nicht die Lüge. - "Gegen feindliche Wahrheiten sind die Menschen sogar feindlich gestimmt", schrieb der Moralphilosoph Friedrich Nietzsche 1872 in seinem Aufsatz »Über Wahrheit und Lüge im außermoralischen Sinn«.

"Jener mit dem Erkennen und Empfinden verbundene Hochmut, verblendende Nebel über die Augen und Sinne der Menschen legend, täuscht sich also über den Wert des Daseins, dadurch, dass er über das Erkennen selbst die schmeichelhafteste Wertschätzung in sich trägt. Seine allgemeinste Wirkung ist Täuschung - aber auch die einzelsten Wirkungen tragen etwas von gleichem Charakter an sich."


Der Intellekt entfaltet seine Hauptkräfte in der Verstellung.
In seiner Streitschrift im außermoralischen Sinn heisst es weiter: "Der Intellekt als Mittel zur Erhaltung des Individuums", schreibt Nietzsche, "entfaltet seine Hauptkräfte in der Verstellung; denn diese ist das Mittel, durch das die schwächeren, weniger robusten Individuen sich erhalten, als welchen einen Kampf um die Existenz mit Hörnern oder scharfem Raubtier-Gebiß zu führen versagt ist."

Jenen Schwächeren, die über kein Raubtiergebiss verfügen, steht im "Kampf um die Existenz" die Sprache zur Verfügung, um sie als Kunstmittel der Verstellung ins Gefecht zu führen.

"Im Menschen kommt diese Verstellungskunst auf ihren Gipfel: hier ist die Täuschung, das Schmeicheln, Lügen und Trügen, das Hinter-dem-Rücken-Reden, das Repräsentieren, das im erborgten Glanze leben, das Maskiertsein, die verhüllende Konvention, das Bühnenspiel vor anderen und vor sich selbst, kurz das fortwährende Herumflattern um die eine Flamme Eitelkeit so sehr die Regel und das Gesetz, dass fast nichts unbegreiflicher ist, als wie unter den Menschen ein ehrlicher und reiner Trieb zur Wahrheit aufkommen konnte."

Weblink:

»Über Wahrheit und Lüge im außermoralischen Sinn« - Friedrich Nietzsche - www.textlog.de