Samstag, 30. Januar 2021

Gramsci und die Aufgabe des Marxismus


Der Italiener Antonio Gramsci war der Gründer der Kommunistischen Partei Italiens und stand für eine dynamische, stets in der Entwicklung befindliche Linke. Gramsci war der Vordenker einer dialektischen, dynamischen Linken, die das Gegenteil von dogmatisch und festgefahren war.

Die Linke war für ihn keine ideale, reine Form, sondern eine plastische, stets im Werden begriffene Kraft. Sein dialektischer Materialismus war weniger dem formalistischen Hegelianismus verpflichtet, als dem Energiefluss des Lebens selbst.

Gramsci entwickelte seine Theorie der Hegemonie. Gramsci formulierte sein Konzept von Hegemonie zunächst anhand von Entwicklungen in der italienischen Geschichte, insbesondere des Risorgimento.

Gramsci bemerkte, dass im Westen die kulturellen Werte der Bourgeoisie mit dem Christentum verknüpft sind. Deshalb richtet sich ein Teil seiner Kritik an der vorherrschenden Kultur auch gegen religiöse Normen und Werte. Er war beeindruckt von der Macht, die die Katholische Kirche über die Gläubigen hat, und er sah, mit welcher Sorgfalt die Kirche verhinderte, dass die Religion der Intellektuellen sich zu stark von der Religion der Ungebildeten entfernen konnte.

Gramsci glaubte, dass es die Aufgabe des Marxismus sei, die in der Renaissance durch den Humanismus geübte Kritik an der Religion mit den wichtigsten Elementen der Reformation zu vereinen. Nach Gramsci kann der Marxismus erst dann die Religion ablösen, wenn er die spirituellen Bedürfnisse der Menschen befriedigen kann, und damit dies der Fall ist, müssen sie ihn als einen Ausdruck ihrer eigenen Erfahrungen wahrnehmen.

Samstag, 9. Januar 2021

»Pandemie!: COVID-19 erschüttert die Welt« von Slavoj Žižek

Pandemie!: COVID-19 erschüttert die Welt


Für Hegel ist Philosophie ihre Zeit, in Gedanken gefasst und so fasst der slowenische Star-Philosoph Slavoj Žižek die heutige Zeit der Pandemie ebenfalls in essayistische Gedanken. Dabei entstanden ist sein Werk »Pandemie!: COVID-19 erschüttert die Welt« - eine Textsammlung von Slavoj Žižek zum Thema der grassierende Pandemie, die längst zum globalen Fluch geworden ist.

Der Planet wurde von einer beispiellosen globalen Pandemie erfasst, eine Erschütterung, welche die globalisierte Welt und die Menschen tief getroffen hat. Wer könnte ihre tiefere Bedeutung besser ergründen, ihre schwindelerregenden Paradoxien besser aufzeigen und über die Folgen und deren Tragweite eindringlicher spekulieren als der einflussreiche slowenische Philosoph Slavoj Žižek – und das auf atemberaubende, schweißtreibende Art und Weise.

Wir leben in einer Zeit, in welcher der größte Ausdruck von Liebe darin besteht, zum Objekt seiner Zuneigung Distanz zu halten; in der Regierungen, die für die rücksichtslose Kürzung öffentlicher Ausgaben bekannt sind, plötzlich wie von Zauberhand Milliarden bereitstellen können; in der Toilettenpapier zu einer Ware wird, die kostbar ist als Diamanten. Interessant ist seine Schlußfolgerung aus der Krise: Es ist eine Zeit, in der, so Žižek, eine neue Form des Kommunismus der einzige Weg sein wird, um den Abstieg in globale Barbarei abzuwenden.

Eine neue Form des Kommunismus der einzige Weg sein wird,
um den Abstieg in globale Barbarei abzuwenden.
Mit seinem lebendigen Schreibstil und Hang zu populärkulturellen Analogien (Quentin Tarantino und H.G. Wells treffen hier auf Hegel und Marx) liefert Žižek eine ebenso scharfsinnige wie provokative Momentaufnahme dieser Krise, die sich mehr und mehr ausbreitet und uns alle erfasst.

Literatur:

Pandemie!: COVID-19 erschüttert die Welt von Slavoj Žižek

Warum brauchen wir die Philosophie?


Sokrates


Philosophen sind auch nur Menschen, wie andere auch, aber sie haben durch ihre Sicht auf die Dinge Besonderes geleistest. Sie vermochten aber auf große, bedrängende Herausforderungen ihres Lebens produktiv zu antworten - sie gaben philosophische Antworten, die den Anspruch stellen, nicht nur eine Lösung für ein beliebiges, nebensächliches Problem zu sein. Groß und bedeutend sind die genannten Philosophen zu nennen, weil sie den Anspruch erheben können, das Wesentliche, den Grund, die Wurzel jedes menschlichen Lebens erkannt und entfaltet zu haben. Philosophie bedeutet gedankliche Bewältigung des Lebens.

Sokrates zum Beispiel war eine recht häßliche Natur. Sein Äußeres brachte ihn dazu, ganz auf seinen Verstand zu setzen. Er verstand sich als jemanden, der andere von der Trägheit im eigenen Denken und Handeln befreien wollte; jeder sollte lernen selbst zu denken und zu urteilen. Die Vernunft war für ihn der alleinige Maßstab der Wahrheit, nicht das gesellschaftlich Sanktionierte. Alle Aussagen und Meinungen, gerade die selbstverständlichen müssen geprüft und auf ihre Wahrheit hin befragt werden.

Der Epikureer dagegen benötigten zum Glück kein Geld, sondern Freundschaft, Freiheit und die Besinnung auf das Notwendige. Der Stoiker Seneca wieder entwickelte eine ganz andere Philosophie: Schraube deine Ansprüche herunter, um nicht enttäuscht zu werden. Wir werden weniger zornig sein, wenn wir weniger erhoffen. "Nichts gibt das Schicksal zu festem Besitz", daher wende dich dir selbst zu. Der Weise ist sich selbst genug.

DescartesDescartische Zweifel ist noch heute eine verbreitete Methode der wissenschaftlichen Erkenntnis.

Montaigne erkannte in seinem Leben wiederum, dass die Rolle der Vernunft maßlos übertrieben wird. Der Mensch besteht eben auch aus einem Leib, der animalisch ist und sein Recht verlangt.

Hegels so ausgreifender wie beweglicher Geist war Widerspruchsgeist. Denn Philosophie war für ihn gelebtes Krisenbewusstsein, Denken eines in Widersprüchen, eine ständig bewegte, in Bewegung gehaltene Reflexion. Hegel betonte ebenso ausdrücklich, daß sich das Denken, etwa nur über das Hier und das Jetzt, oder aber das Sein oder das Werden, die Freiheit und die unveräußerlichen Freiheitsrechte, über Recht, Moral oder Sittlichkeit, Religion oder Ästhetik nicht popularisieren, geschweige denn, wie Ostritsch schreibt, „plattmachen“ ließe.


Kant hatte es vorgemacht, und so war eine der wichtigen unter den eminenten Erkenntnissen Hegels die, daß er das Subjekt in die Verantwortung nahm. Der auf Hegel folgende Marx machte die materiellen Verhältnisse verantwortlich für die Umstände, unter denen sich die Menschen an der Natur und den gesellschaftlichen Verhältnissen abarbeiten. Das Sein, so offenbarte sich ein versimpelter Marxismus immer wieder dogmatisch, bestimme das Bewusstsein.

Bereits Hegel durchdachte die Frage, inwieweit die von Menschenhand geschaffenen Verhältnisse für das Schicksal des Menschen verantwortlich sind. Doch undenkbar dieser Gedanke ohne den Gedanken Hegels, wonach das Wissen von der Welt nicht von den Objekte ausgehe, sondern auf der Seite des Subjekts liege, seines Bewusstseins – mit allen Folgen für den menschlichen Verstand, seine Vernunft.

Fichte brachte es philosophisch auf den Punkt: "Was für eine Philosophie man wähle, hängt davon ab, was man für ein Mensch ist; denn ein philosophisches System ist nicht ein toter Hausrat, den man ablegen oder abnehmen könnte, sondern ist beseelt durch die Seele des Menschen, der es hat."

"Was für eine Philosophie man wähle, hängt davon ab, was man für ein Mensch ist; denn ein philosophisches System ist nicht ein toter Hausrat, den man ablegen oder abnehmen könnte, sondern ist beseelt durch die Seele des Menschen, der es hat."
Johann Gottlob Fichte


Arthur Schopenhauer



Schopenhauer war ein Pessimist, der aus Enttäuschung am Leben zum Philantrophen geworden ist und eine Philosophie des Pessimismus entwickelt hat.Sein Pessimismus war seine Art der Bewältigung des Lebens. Schopenhauer war ein Philantroph. Er begriff die Welt als Wille und Vorstellung und erhob den Willen zum bestimmenden Prinzip des Lebens.


Friedrich Nietzsche

Nietzsche ist inspirierend und wichtig als Kritik und Impuls. Er verstand sich selbst als Experimentalphilosoph, und das ist eine bleibende Leistung, Neuland zu betreten, zu analysieren und vor allem, keine Scheu zu haben vor neuen Vorschlägen.

Das Werk Nietzsches ist ebenfalls aus seinem Leben heraus verstehen. Seine grundlegende Erfahrung lautet: Wir müssen schmerzliche und bittere Erfahrungen machen und Schwierigkeiten überwinden, wenn wir Großes leisten wollen. Nietzsche verarbeitete in seiner Philosophie seine eigenen Krankheiten, seine Enttäuschungen und erlittenen Zurückweisungen, nicht indem er wie Schopenhauer mit Abscheu und pessimistisch auf das Treiben der Menschen blickt.

Vielmehr hielt er an großen Zielen fest und verstand die täglichen Mühen und Schwierigkeiten als notwendige Herausforderungen des Menschen, die ihn immer wieder zu Höchstleistungen antreiben. Das Glück und das Unglück sind zwei Geschwister, die miteinander groß werden und wachsen können. Leistung erwächst nicht auf dem Humus der Behaglichkeit.Von Schopenhauer übernahm der den Willen als bestimmendes Prinzip und deutete ihn um als Willen zur Macht. Für Nietzsche ist alles Leben Wille zur Macht.

Der »Trost der Philosophie« ist auch nur am Rande als Ratgeber zu verstehen - es ist vor allem eine originelle und auf jeder Seite lesenswerte Einführung in philosophisches Denken und Handeln.

Weblink:


Trost der Philosophie: Eine Gebrauchsanweisung
von Alain de Botton

Montag, 4. Januar 2021

Henri Bergson 80. Todestag

Henri Bergson

Henri Bergson starb vor 80 Jahren am 4. Januar 1941 in Paris. Bergson war ein französischer Philosoph und Nobelpreisträger für Literatur 1927. Er gilt neben Friedrich Nietzsche und Wilhelm Dilthey als bedeutendster Vertreter der Lebensphilosophie.

1896 publizierte er seine zweite größere Schrift »Matière et mémoire« (dt. »Materie und Gedächtnis«, 1908), in der er auch die neueste Hirnforschung berücksichtigte. 1897 wurde er als maître de conférences mit Vorlesungen an der »École Normale Supérieure« betraut, wo er kurz darauf zum Professor ernannt wurde.

Im Jahr 1900 wurde er auf den Lehrstuhl für Griechische Philosophie am Collège de France berufen, der prestigereichsten aller französischen Bildungsinstitutionen. 1901 wählte ihn die Académie des sciences morales et politiques zum Mitglied.

Bergson versuchte, eine "positive Metaphysik" zu konstruieren und aus der Philosophie eine Wissenschaft zu machen, die auf Intuition als Methode basiert, deren Ergebnisse aus Erfahrung stammen und die ebenso streng sein würde wie die auf Intelligenz basierenden Wissenschaften wie Mathematik in erster Linie. Im Gegensatz zu Platon und René Descartes, die Geometrie als Modell verwendeten, um Metaphysik zu einer Wissenschaft zu machen, nimmt Bergson als Modell Biologie, Psychologie und Soziologie, aufstrebende Wissenschaften seiner Zeit, die auf Bewegung und nicht auf konzeptueller Fixierung beruhen. und nach Bergson nicht ganz mathematisierbar.

Bergson unterschied zwischen "Intelligenz" und "Intuition". Intelligenz ist auf Materie geregelt, das heißt, sie ermöglicht Wissen, was Frédéric Worms zusammenfasste: „Intelligenz ist […] die Fähigkeit bestimmter Lebewesen (Menschen) durch Werkzeuge auf Materie einzuwirken und bestimmte Objekte durch ihre Beziehungen zu kennen, also vor allem durch den Raum."

Die Intuition hingegen wird im Laufe der Zeit reguliert. „Die Analyse arbeitet mit dem Unbeweglichen, während die Intuition in die Mobilität oder, was dasselbe bedeutet, in die Dauer gestellt wird. Dies ist die sehr klare Grenze zwischen Intuition und Analyse. »Es überschreitet die geschlossenen Rahmenbedingungen, die Intelligenz schafft, um sich die Welt anzueignen, und sucht nach einer Wissensquelle im Leben.

Bergson eröffnete damit den Weg zu einer neuen Metaphysik, indem er bestätigt, dass das Reale in seinem Ursprung erkennbar ist. „In der Erfahrung, sensibel, zeitlich, unmittelbar, muss es Intuition geben oder überhaupt nicht. Wenn jedoch Intuition gegeben ist, liefert sie die Charaktere einer Realität ohne jegliche Relativität aufgrund unserer Sinne oder unseres Wissens und erhält daher eine metaphysische Bedeutung: Das Kriterium der Dauer ist dann die intrinsische Garantie des Bereichs Metaphysik der Intuition.

In diesem Punkt widersetzt sich Bergson Kant, indem er in die "Materie" der "sensiblen Intuition" ihre Form (Zeit) zurückbringt, genau die Konzepte des Verstehens (mit Intuition) Materie, die Intelligenz begründet) und vor allem die großen metaphysischen Erfahrungen des Selbst, der Welt und sogar Gottes, die für den Philosophen als solchen unzugänglich sind, der mystischen Erfahrung.

Henri Bergson bestritt die Rolle der rationalen Erkenntnis und erklärte die voluntative Intuition, die mystische Schau als höchste Stufe der philosophischen Wirklichkeitsaneignung. Auf diesem Wege sei die Wahrheit unmittelbar, jenseits sinnlicher und rationaler Daten erkennbar.

Henri Bergson wurde am 18. Oktober 1859 in Paris geboren.

Henri Bergson

Samstag, 2. Januar 2021

Die gesellschaftliche Bedeutung der Philosophie (E)


Die Philosophie sieht sich in Zeiten einer sich rasant verändernden Welt in der Verantworung, Beiträge für die notwendige Gestaltung der Gesellschaft zu liefern. Es gibt eine Einsicht: Nur ein verantwortungsvoller Umgang mit der Welt kann die Welt noch retten.

Es ist die Aufgabe der Philosophie, durch gedanklich Auseindersetzung mit den relevanten Themen der Zeit Diskurse anzustoßen und gesellschaftliche Debatten zu entfachen

Demokratie braucht die Möglichkeit zur Diskussion, denn dort wo diskutiert wird, können im Wettstreit der Ideen bessere Lösungen gefunden werden. Die Debatte ist die Grundlage für eine Diskussion über relevante Themen. Dort, wo keine Debatte geführt wird, gibt es keine Diskussion über notwendige Veränderungen

Die Philosophie sieht sich nicht in der Verantwortung, notwendige Debatten zur aktuellen Themen wie Klimaschutz, Energiewende, etc. anzustoßen, um einen Konsons für die notwendige Umgestaltung zu finden.

Für eine Debatte ist eine kritische Reflektion der Gesellschaft nötig.