Samstag, 29. Oktober 2022

Was ist Existenzialismus?


Mit Existentialismus (auch Existenzialismus) wird im allgemeinen Sinne die überwiegend französische philosophische Strömung der Existenzphilosophie bezeichnet. Existenzialismus ist eine philosophische Strömung, welche sich auf existentielle Erfahrungen im menschlichen Leben bezieht (Tod, Angst, Freiheit, Leiden). Ihre schillerndsten Hauptvertreter sind Jean-Paul Sartre, Simone de Beauvoir und Albert Camus.

Existenzialismus ist eine Philosophie bzw. eine Weltanschauung oder Lebensweise, in der es darum geht, was es bedeutet, als Mensch zu „existieren“ in dem Sinne, dass man aktiv sein Leben und dessen Sinngebung gestaltet im Unterschied zu bloßen Dingen oder Objekten, die quasi nur passiv „vorhanden“ sind.

Der Existenzialismus sieht den Menschen nach dem Ende der absoluten Systeme zunächst in eine Leere geworfen, weil ihm die absolute Orientierung abhandengekommen ist, er bleibt dabei aber nicht stehen, sondern sieht die Erfahrung des Sinnverlustes vielmehr als Aufgabe des Individuums, die darin besteht, sein Leben aktiv mit Sinn zu füllen, indem man dem eigenen Leben Bedeutung gibt und sich an selbstgewählten Werten orientiert.

Der Existenzialismus ist nicht nihilistisch - obwohl er zunächst so erscheinen mag. Als Nihilismus wird eine philosophische Position bezeichnet, die davon ausgeht und dabei bleibt, dass es keinen Sinn, keine Werte und nichts gibt, woran man sich orientieren kann. Nach Sartre war das die geistige Grundlage der Nazi-Ideologie, in der nichts gegen die totale Vernichtung auch des eigenen Volkes spricht. Existenzialisten versuchen, angesichts des Verlusts der absoluten Werte und Orientierungen einen Weg heraus aus dem Sinnverlust zu finden. Sie meinen, dass Leben aus dem Erschaffen von Sinn, Bedeutung und Werten besteht. D.h. der Mensch beginnt mit „nichts“, aber dann erschafft er sich seine Existenz, also sein bewusst gelebtes und mit Werten und Sinn gesetztes Leben.

Der Mensch findet sich jederzeit nicht nur in einer faktischen Welt, sondern auch in einer Welt der Bedeutungen. Auch die eigene Identität ist eine solche Bedeutung, in der sich der Mensch zunächst als „geworfen“ empfindet. Er ist Weiße/r, Intellektuelle/r, Arbeitslose/r, Mutter/Vater, Partner/in, Schüler/in oder Polizist/in. Normalerweise erleben wir uns innerhalb solcher Identitäten selbstverständlich und denken nicht darüber nach. Besonders in psychischen Krisen oder auch in einer tiefgehenden Psychotherapie können wir jedoch in Kontakt damit kommen, dass all diese Selbstverständlichkeiten, die Bedeutungsnetze, ja die eigene Identität keineswegs selbstverständlich, sondern jederzeit durch eigene freie Wahl veränderbar ist.

Der Existenzialismus hat viele Künstler, die ihrem Leben immer wieder existenziellen Bedrohungen ausgesetzt waren, welche auch künstlerischen Eingang in ihr Werk gefunden haben, inspiriert und beeinflusst. Existenzialistisch orientierte Autoren und Künstler waren Pablo Picasso (1881-1973), Fjodor Dostojewski (1821-1881), Franz Kafka (1883-1924), Samuel Beckett (1906-1989), Eugène Ionesco (1909-1994), Marc Chagall (1887 - 1985) und Alberto Giacometti (1901-1966).

Samstag, 22. Oktober 2022

Leibniz Monadentheorie

Gottfried Wilhelm von Leibniz


Leibniz entwickelte die Monadentheorie als Gegenentwurf zu den zeitgenössischen Strömungen. Die Philosophen des 17. Jahrhunderts arbeiteten in der Regel entweder eine neue Substanztheorie aus oder sie entwickelten die Atomtheorie nach neuzeitlichen Maßstäben weiter. Leibniz befriedigte keine dieser Auffassungen. Er nennt die Philosophie der Atomisten eine „faule“ Philosophie, da diese Auffassung, welche die Atome als letzte Bausteine ansieht, die lebendige, sich verändernde Welt nicht tiefgründig genug analysiere. 

Entgegen atomistischen Zeit- und Raumauffassungen, die diese Existenzformen der Materie mit einem leeren Gefäß vergleichen, vertritt Leibniz eine dialektische Konzeption, in der Raum und Zeit Ordnungsbeziehungen in der materiellen Welt sind. Der Raum ist die Ordnung der zur gleichen Zeit existierenden Dinge, die Zeit die Ordnung ihrer kontinuierlichen Veränderungen.

Monade bezeichnet nach Leibniz die Abgeschlossenheit einer Sphäre von allen anderen Welten und Sphären. Ein Subjekt ist demnach eine Welt ohne Fenster zu anderen Monaden. Den Monadenbegriff griff er aus der neuplatonischen Tradition auf. Der Begriff Monade, „Einheit“, stammt aus der Stoicheiosis theologike des spätantiken Philosophen Proklos. 

Eine Monade – der zentrale Begriff der Leibniz’schen Welterklärung – ist eine einfache, nicht ausgedehnte und daher unteilbare Substanz, die äußeren mechanischen Einwirkungen unzugänglich ist. Der Terminus Monas oder Monade bezieht sich naturphilosophisch auf eine gedachte Einheit von zugleich physischer und psychischer Bedeutung. Die Monadenlehre unterscheidet sich von der Urstofflehre der Atomisten.

Leibniz Monaden unterliegen keinerlei Einwirkung von außen, da das Außen eigentlich nur eine Repäsentation der Monade ist. Nach Leibniz gibt es jeoch weder einen leeren Raum, noch sind für ihn Monaden im Raum. Er setzt den Raum aus den Vorstellungen von mehreren Monaden zusammnen.

Das gesamte Universum bildet sich in den von den Monaden spontan gebildeten Wahrnehmungen (Perzeptionen) ab. Sie sind eine Art spirituelle Atome, ewig, unzerlegbar, einzigartig. Leibniz vertritt somit eine panpsychistische Weltanschauung. Die Idee der Monade löst das Problem der Wechselwirkung von Geist und Materie, welches dem System René Descartes’ entspringt. Ebenso löst sie das Problem der Vereinzelung, welches im System Baruch Spinozas problematisch erscheint. Dort werden einzelne Lebewesen als bloß zufällige Veränderungen der einzigen Substanz beschrieben. Ein Beispiel: Eine Substanz kann ohne Denken existieren, aber das Denken nicht ohne Substanz.

Da Leibniz die Grundfrage der Philosophie idealistisch löst und die Materie für ihn nur ein „Anderssein der Seele“ ist, verwirft er den absoluten Charakter von Raum und Zeit. Raum und Zeit werden in der Leibniz’schen Metaphysik als Ordnungsbeziehungen zwischen Entitäten der materiellen Welt verstanden. Die Theorie der Substanz von Leibniz schließt die Möglichkeiten der allseitigen Entwicklungen ein.

Samstag, 15. Oktober 2022

Nietzsche - Der letzte Mensch

Friedrich Nietzsche


»Der letzte Mensch« ist ein Ausdruck des Philosophen Friedrich Nietzsche in »Also sprach Zarathustra«. Er steht für den „christlich-demokratisch-sozialistischen“ Menschen, d. h. das schwächliche Bestreben nach Angleichung der Menschen untereinander, nach einem möglichst risikolosen, langen und „glücklichen“ Leben ohne Härten und Konflikte - also letztlich für den Nihilisten.

Weil er aber kein Chaos mehr in sich trägt, kann er auch „keinen Stern mehr gebären“, das heißt, seine Kreativität ist erlahmt und er kann kein Ziel mehr fassen, das größer wäre als er selbst. Er wird daher als negatives Gegenstück zum Übermenschen vorgestellt. Im Nachlass sagt Nietzsche: „Der Gegensatz des Übermenschen ist der letzte Mensch; ich schuf ihn zugleich mit jenem.“

Nietzsche schildert in »Also sprach Zarathustra« den letzten Menschen. Hat sich Nietzsche schon in seinen früheren Werken, wie »Morgenröte«, »Menschliches Allzumenschliches« und „»Die Fröhliche Wissenschaft« als feinster Diagnostiker unserer modernen Gesellschaft erwiesen, so charakterisiert er mit dem letzten Menschen den modernen Menschen als solchen. Es ist der gegenwärtige Mensch.

"Wehe! Es kommt die Zeit, wo der dem Mensch nicht mehr den Pfeil seiner Sehnsucht über den Menschen hinauswirft, und die Sehne seines Bogens verlernt hat zu schwirren!
Ich sage euch: man muss noch Chaos in sich haben, um einen tanzenden Stern gebären zu können. Ich sage euch: ihr habt noch Chaos in euch.


Wehe! Es kommt die Zeit, wo der Mensch keinen Stern mehr gebären wird. Wehe! Es kommt die Zeit des verächtlichsten Menschen, der sich selber nicht mehr verachten kann.
Seht! Ich zeige euch den letzten Menschen."


Mit diesen großen Worten leitet Zarathustra seine Rede vom letzten Menschen ein. Der letzte Mensch ist für Nietzsche das verachtenswerteste Geschöpf der Erde. Der letzte Mensch hat es fertig gebracht, alle Sehnsucht, allen Willen zu Größerem zu verlieren. Er ist Endpunkt der tragischen Entwicklung, die unsere Gesellschaft, laut Nietzsche, durch macht. Scheinbar völlig mit sich selbst zufrieden lebt, oder besser vegetiert, der letzte Mensch vor sich hin. Er markiert den tragischen Endpunkt der Entwicklung der Menschheit.

Seinen Zarathustra lässt er über diesen weiter sagen:

"Ich sage euch: man muss noch Chaos in sich haben, um einen tanzenden Stern gebären zu können. Ich sage euch: ihr habt noch Chaos in euch.

Wehe! Es kommt die Zeit, wo der Mensch keinen Stern mehr gebären wird. Wehe! Es kommt die Zeit des verächtlichsten Menschen, der sich selber nicht mehr verachten kann.

Seht! Ich zeige euch den letzten Menschen.

»Was ist Liebe? Was ist Schöpfung? Was ist Sehnsucht? Was ist Stern« – so fragt der letzte Mensch und blinzelt.

Die Erde ist dann klein geworden, und auf ihr hüpft der letzte Mensch, der Alles klein macht. Sein Geschlecht ist unaustilgbar, wie der Erdfloh; der letzte Mensch lebt am längsten.

»Wir haben das Glück erfunden« – sagen die letzten Menschen und blinzeln."


Mit diesen Worten wird der Stillstand geschildert, den Nietzsche so fürchtet. Keine Kraft mehr in sich haben, um etwas über sich hinaus zu schaffen, die Zeit, in der „die Sehne“ des Bogens verlernt hat zu schwirren. Die Unaustilgbarkeit des letzten Menschen ist Produkt der mangelnden Sehnsucht, der letzte Mensch beraubt seine Nachfahren um eine bessere Welt, denn er hat keine Nachfahren – er ist der Nachfahre, der letzte Mensch. Hier verblasst der Sinn des Daseins für Nietzsche, der als er den „Tod Gottes“ prognostizierte, vor einem gähnenden Abgrund der Sinnlosigkeit und Leere stand. Den völligen Wertverfall zu stoppen beabsichtigte Nietzsche, als er den „Übermensch“ erschuf. Er wollte dem aufziehendem Nihilismus Einhalt gebieten und seiner Zeit wieder Sinn geben. „Der Übermensch ist Sinn der Erde. Euer Wille sage: Der Übermensch sei Sinn der Erde!“ So verkündet Zarathustra. Warum? Für Nietzsche ist der Mensch das „kranke Thier“. Wenn man dieses Tier seines Gottes, seines Sinnes beraubt, bleibt nur noch Elend. Nietzsche war nicht von Grund auf Pessimist, im Gegenteil stellt seine Philosophie ein große schicksals-bejahende Philosophie da, aber er musste die sich selbst gerissene Wunde des Todes Gottes stopfen. Dieser Stopfen heißt Übermensch. Der letzte Mensch macht Nietzsche Angst.
Wie aber schildert er diesen „letzten Menschen“?

„„Wir haben das Glück erfunden“ - sagen die letzten Menschen und blinzeln.“

Sie haben die Gegenden verlassen, wo es hart war zu leben: denn man braucht Wärme. Man liebt noch den Nachbar und reibt sich an ihm: denn man braucht Wärme.

Krankwerden und Misstrauen-haben gilt ihnen als sündhaft: man geht achtsam einher. Ein Thor, der noch über Steine oder Menschen stolpert!

Ein wenig Gift ab und zu: das macht angenehme Träume. Und viel Gift zuletzt, zu einem angenehmen Sterben.
Man arbeitet noch, denn Arbeit ist eine Unterhaltung. Aber man sorgt dafür, dass die Unterhaltung nicht angreife.

Man wird nicht mehr arm und nicht mehr reich: Beides ist zu beschwerlich. Wer will noch regieren? Wer noch gehorchen? Beides ist zu beschwerlich. Kein Hirt und Eine Herde! Jeder will das Gleiche, Jeder ist gleich: wer anders fühlt, geht freiwillig in’s Irrenhaus.

„Ehemals war alle Welt irre“ – sagen die Feinsten und blinzeln.

Weblink:

Nietzsche - Antinihilist - Antichrist - www.friedrichnietzsche.de


Mittwoch, 12. Oktober 2022

Platons Höhlengleichnis

Das Höhlengleichnis ist eines der bekanntesten Gleichnisse der antiken Philosophie. Es stammt von dem griechischen Philosophen Platon.

Platons Höhlengleichnis erzählt von der Trägheit der Menschen, sich dem Licht der Erkenntnis zu stellen.

Die Menschen in der Höhle scheuen das Licht der Erkenntnis und betrachten lieber die Schatten an der Wand, die sie als natürliche Abbilder halten. Die Höhle wirft je nach subjektiver Positionierung subjektive Schatten der Handlungsbasis.


Platon beschreibt die massive Beschränkung bzw. Manipulation sehr anschaulich in seinem Höhlengleichnis und Kant weisst den Weg aus diesem Dilemma durch die Erziehung des Menschen zur Mündigkeit.


Wenn sich sog. gebildete Menschen dem Draufblick anderen Realitäten, geformt in Sozialstrukturen, die dann wohl einfältig ungebildet verdingt werden, verweigern, kommt der irrige Gedanke auf, dass es ohne Relation identische Moralnormen geben muss bzw. kann. Die Höhle wirft je nach subjektiver Positionierung eben subjektive Schatten der Handlungsbasis.

Weblinks:

Platons Höhlengleichnis

Stufen der Erziehung zur Mündigkeit

Freitag, 7. Oktober 2022

Macht Denken unglücklich?

Der Denker Skulptur

Denken ist keine beliebte oder anerkannte Kategorie. Denken macht oft unglücklich. Das klingt zwar absurd, ist aber in den Neurowissenschaften erwiesen. Das Gehirn hört niemals auf zu arbeiten, es rattert und rattert und findet keine Ruhe. Dieses Grübeln ist eng verbunden mit dem Gefühl des Unglücklichseins.

Was können wir dagegen tun? Wir können unser Gehirn durch Unterbrechung dieses Teufelskreises zur Ruhe bringen. Wir schauen uns einen Baum, eine Blume, eine Landschaft oder einen Gegenstand genau an. Diese Technik der Achtsamkeit beginnt auch dort, wo wir bewusst Musik hören oder ein Buch lesen. Viel Medienkonsum und die Präsenz von Internet und Bildern aus dem Fernsehen überfordern unser Gehirn und machen uns unglücklich.

Man ist meistens nur durch Nachdenken unglücklich.

Joseph Joubert, französischer Moralist


Aus Sicht der Hirnforschung hängt das Erleben von Glücksgefühlen sehr eng mit Motivation und Belohnung zusammen. Es gibt im Gehirn ein spezielles Zentrum, das "Belohnungs- und Motivationssystem", welches dafür sorgt, dass wir in bestimmten Situationen Glück empfinden. Wenn wir etwas Schönes erleben oder eine Aufgabe bewältigt haben, signalisiert uns dieses Zentrum: "Gut gemacht!" und es wird das Glückshormon Dopamin ausgeschüttet. Im Ergebnis fühlen wir uns stolz und glücklich und, besonders wichtig: Wir sind motiviert zu neuen Anstrengungen, um diesen Moment des Glücks wiederholen zu können.

Denn ohne viel Anstrengungen lässt sich das Glückssystem auch durch Alkohol oder Drogen stimulieren. Das heißt eine Sucht gaukelt uns Glück vor, sie bedient sich der gleichen Mechanismen wie das Glückssystem in unserem Gehirn. Um das Glückssystem anzukurbeln, müssen wir uns nicht mehr anstrengen, es reicht eine Flasche Wein, eine Zigarette oder ein Joint. Das ist das Gefährliche an der Sucht.

Manche Menschen fallen nach einem Hochgefühl des Glücks in ein Loch, was sich jedoch vermeiden lässt. Das Glückssystem ist auch dazu da, um uns zu motivieren. Wenn wir zufrieden mit einem Erlebnis sind, und das Gefühl des Glücks durchströmt uns, dann wollen wir das wiederhaben. Das spornt uns an zu neuen Leistungen oder neuer Kreativität. Die Entwicklung der Zivilisation ist nur durch dieses biologisch wichtige System vorangetrieben worden. Das Loch nach einem Hochgefühl des Glücks gibt es eigentlich nicht, weil das Gehirn diesen Glückszustand wiederholen möchte.