Montag, 27. Juni 2022

Peter Sloterdijk 75. Geburtstag

Peter Sloterdijk

Der Philosoph, Kulturwissenschaftler und Buchautor Peter Sloterdijk wurde vor 75 Jahren am 26. Juni 1947 als Sohn einer Deutschen und eines Niederländers geboren. Peter Sloterdijk gilt nicht nur als einer der wichtigsten deutschen Intellektuellen, sondern auch als ebenso risikofreudiger wie schwerverständlicher Denker am Puls der Zeit. Der Philosoph wurde 1983 mit seinem Werk »Kritik der zynischen Vernunft« zum philosophischen Shooting-Star.

Der kritisch reflektierende Denker Peter Sloterdijk gehört zu den massgeblichen intellektuellen Instanzen in Deutschland. Sloterdijk ist eine Koryphäe: rhetorisch gewandt, diskurssicher als auch feuilletonbewährt - gute Voraussetzungen für eine nachhaltige Wirkung seiner Lehre und Ansichten.

Sloterdijk ist ein grosser Stilist und Querdenker, der sich immer wieder in aktuelle Debatten einmischt oder sie auch anstösst. Der Philosoph sorgt mit seinen Wortmeldungen regelmässig für Erstaunen und Aufregung. Er ist im akademischen Betrieb genauso zu Hause wie in den Feuilletons. Mit seinen Büchern hat er eine breite Leserschicht erreicht, die weit über die philosophische Fachwelt hinausreichen und ihn populär gemacht haben. Mit seinen Beiträgen und Büchern hat der streitbare Philosoph in Deutschland zahlreiche Debatten ausgelöst und angeregt.

Von 1968 bis 1974 studierte er in München und an der Universität Hamburg Philosophie, Geschichte und Germanistik. 1971 erstellte Sloterdijk seine Magisterarbeit mit dem Titel »Strukturalismus als poetische Hermeneutik«.

In den Jahren 1972/73 folgten ein Essay über Michel Foucaults strukturale Theorie der Geschichte sowie eine Studie mit dem Titel »Die Ökonomie der Sprachspiele. Zur Kritik der linguistischen Gegenstandskonstitution«. Im Jahre 1976 wurde Peter Sloterdijk von Professor Klaus Briegleb zum Thema »Literatur und Organisation von Lebenserfahrung. Gattungstheorie und Gattungsgeschichte der Autobiographie der Weimarer Republik 1918-1933« promoviert.

Zwischen 1978 und 1980 hielt sich Sloterdijk im Ashram von Bhagwan Shree Rajneesh (später Osho) im indischen Pune auf. Seit den 1980er Jahren arbeitet Sloterdijk als freier Schriftsteller. Das 1983 im Suhrkamp Verlag publizierte Buch »Kritik der zynischen Vernunft« zählt zu den meistverkauften philosophischen Büchern des 20. Jahrhunderts.

Seit 2001 war Sloterdijk in der Nachfolge von Heinrich Klotz Rektor der Staatlichen Hochschule für Gestaltung in Karlsruhe sowie dort Professor für Philosophie und Ästhetik.

Mit streitbaren Thesen äußert er sich regelmäßig zum aktuellen Zeitgeschehen. Im Alter weist jedoch Sloterdijks Denken nicht mehr aufklärerische Impulse früherer Tage, sondern Züge eines bewahrenden und strukturellen Konservatismus auf. Sloterdijk geht es nicht mehr um Aufklärung, sondern um Bewahrung. Verschwunden ist auch der kynische Impuls seines reflektierenden Denkens.

Er bestätigt damit unfreiwillig seine eigene These, daß Herrschaftswissen, welches zu lange an der Macht ist, irgendwann zynisch wird. Niemand schreibt bekanntlich so schlecht wie die Verteidiger alternder Ideologien.


Weblink:

Peter Sloterdijk - Der Philosoph und Autor befragt von Frank A. Meyer - 3 Sat Kulturzeit


Literatur:

Kritik der zynischen Vernunft
»Kritik der zynischen Vernunft«
von Peter Sloterdijk


Was geschah im 20. Jahrhundert?: Unterwegs zu einer Kritik der extremistischen Vernunft
von Peter Sloterdijk


Blog-Artikel:


»Was geschah im 20. Jahrhundert? Unterwegs zu einer Kritik der extremistischen Vernunft«


Peter Sloterdijk ist selbst zum Zyniker geworden


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Samstag, 25. Juni 2022

Plotin - Denker und Mystiker

Plotin

Plotin, der Begründer des Neuplatonismus, gilt als Denker und Mystiker. Er ist vor allem in mystischen Zirkeln ein großer und leuchtender Name. Doch zu allererst ist dieser Denker der späten Antike des 3. Jahrhunderts ein Rehabilitierender des (neu-)platonischen Systems, das ganz von Idealismus und Transzendenz durchtränkt ist (s. Platons Ideen- und Seelenlehre).

Plotin

Die Lehre des Plotin beinhaltet folgende Standpunkte: Philosophie, Kunst oder Liebe sind Wege zum Guten, glücklich heißt, für die Sinne zu leben und den Verstand richtig gebrauchen zu können; Schmerz und Tod brauchen einen Philosophen nicht zu ängstigen, denn dessen Seele ist unerschütterlich; der Genuss besteht in der völligen Seelenruhe; nur die Gegenwart ist wahr; das Schöne und Gute ist ein und dieselbe Sache, die man auch als Gott bezeichnen kann; die Welt darf nicht verachtet werden, weil Gott in ihr wohnt.

Die eigentliche mystizistische Wirkkraft des Plotin zeigt sich in dem Seinsgehalt in den jeweiligen metaphysischen Stufen, der Ekstase (das Aussichheraustreten), das adeptische Streben zum Reich des mundus intelligibilis, die Koinzidenz des Erkennenden mit dem Erkannten.

Bereits in der Schrift "Der Abstieg der Seele in die Leibeswelt" wird Plotins Philosophie deutlich: höchstes Sein ist Göttlich-Geistiges, das (zahlenlose) eine, in Werten ist das eine also auch das absolute Schöne und Gute und Ewige. Würden wir dieses eine metaphorisch als Ozean verstehen, so wellen dessen Zungen in den Menschen hinein, "hinab" bis in das Materielle und damit Geistlose, worin auch die Potenz zur Hässlichkeit und zum Bösen inne wird. Der Mensch ist etwas Dreifaches: Leib, Seele und Geist.

Erkennen heißt Anschauung durch den Geist, "dass 'Sein und Denken dasselbe' sind." Der geformten Natur ist die Weisheit des Geistes eingelegt dem Credo nach: nature follows form. In seiner Abhandlung "Der freie Wille und das Wollen des Einen" expliziert Plotin eine Sittenlehre auf Grundlage des Einen, des Gewollten, wonach alles menschliche Streben hin zu ihm, dem Höchsten, Schönsten und Vernünftigen: "So hat denn der Geist, indem er ein Stück von sich in die Materie dargab, still und ohne Erschütterung das All gewirkt.

Es ist aber dieses Stück rationale Form [Logos], die aus dem Geiste floss; denn was aus dem Geist erfließt, ist rationale Form, und die erfließt immerdar, solange denn der Geist in der Wirklichkeit gegenwärtig ist." In diesem Satze steckt die implizite Idee vom "Weltgeist" und infolge des Logos auch vom "Weltplan", so beschreibt Plotin in "Von der Vorhersehung" das Ordnungsprinzip: "Denn da alles aus Einem herrührt, läuft es mit Naturnotwendigkeit auch wieder in Eines zusammen, daher auch das, was unterschiedlich erspross und als Gegensätzlich erstand, dennoch, weil es aus dem Einen ist, zusammengebannt wird zu einer einheitlichen Ordnung."

Plotin begriff das Leben als körperliche und sinnliche Erfahrung. Nur der "mystische Verstand" im Sinne Plotins ermöglichte diese existenzenielle Erfahrung.

Bekannt ist sein programmatischer Ausspruch, er nehme nicht am Gottesdienst teil, denn „jene (die Götter) müssen zu mir kommen, nicht ich zu ihnen“.

Literatur:

Ausgewählte Schriften Ausgewählte Schriften von Plotin

Samstag, 18. Juni 2022

Aristoteles - Glück durch Tätigsein

Aristoteles Marmorbüste im Louvre


Der Stagirit Aristoteles war der erste Philosoph, der die Frage nach dem Glück des Menschen systematisch untersucht hat und eine Glückslehre entwickelt hat. Die Glückslehre des Aristoteles ist nichts anderes als die Tugendlehre und diese wiederum ein Bestandteil der Staatslehre.

Aristoteles sieht den Menschen als Mitglied der staatlichen Gemeinschaft, der Mensch wird seine Bestimmung also nur in ihr und auch nur durch sie erreichen können. Jeder Mensch hat demnach eine Bestimmung, die er durch tugendhaftes Verhalten bis zur Vollendung bringen kann und dadurch glücklich wird

Jegliches Leben strebt laut Aristoteles nach dem Guten, ebenso der Mensch - sein höchstes Gut ist dabei die Glückseligkeit. Hier muss unterschieden werden zwischen zufälligem Glück, etwa Würfelglück, und dem allgemeinen Zustand der Glückseligkeit. Wenn Aristoteles von Glück spricht, meint er immer die Glückseligkeit - ein glückliches Leben.



Aristoteles ist der Auffassung, ein so großes Gut wie das Glück könne nur durch ein Tätigsein erreicht werden, indem Fähigkeiten und angelegte Möglichkeiten entfaltet werden. Die Entfaltung ist etwas, das Freude bereitet und zu einem guten, erfüllten Leben beiträgt.

Als das einem Menschen eigentümliche Werk (das, wozu er speziell bestimmt ist) versteht Aristoteles die mit Vernunft verbundene Tätigkeit der Seele und ein entsprechendes Handeln. Das menschliche Gut ist nach ihm der Vortrefflichkeit gemäße Tätigkeit der Seele.



Literatur:

Nikomachische Ethik


Nikomachische Ethik

Samstag, 11. Juni 2022

Derrida und seine Methode der Dekonstruktion



Jacques Derrida (1930-2004) gilt als Begründer der Philosophie der Dekonstruktion. Sein Werk ist eines der wichtigsten Philosophen des 20. Jahrhunderts. Mit der von ihm angewandten Methode der "Dekonstruktion" von Texten wollte der Philosoph die eigentliche Bedeutung philosophischer Schriften freilegen.

Das Wort Dekonstruktion (vgl. frz. déconstruction ‚Zerlegung, Abbau‘; ein Portmanteauwort aus „Destruktion“ und „Konstruktion“) bezeichnet eine Reihe von Strömungen in Philosophie, Philologie und Werkinterpretation seit den 1960er-Jahren. Dekonstruktivisten bemühen sich um den Nachweis, dass – und vor allem: wie – ein Text seine Bedeutung selbst hinterfragt, durchkreuzt und gerade mit solchen Paradoxien Sinn schafft, z. B. durch Widersprüche zwischen inhaltlicher Aussage und sprachlicher Form. Die Methode der Dekonstruktion ist ein kritisches Hinterfragen und Auflösen eines Textes im weiteren Sinn.


Historisch knüpft der Begriff der Dekonstruktion an Martin Heidegger an. Dieser hatte von einer „Destruktion“ der abendländischen Tradition der Metaphysik gesprochen:

„Die Destruktion hat ebenso wenig den negativen Sinn einer Abschüttelung der ontologischen Tradition. Sie soll umgekehrt diese in ihren positiven Möglichkeiten, und das besagt immer, in ihren Grenzen abstecken, die mit der jeweiligen Fragestellung und der aus dieser vorgezeichneten Umgrenzung des möglichen Feldes der Untersuchung faktisch gegeben sind.“
Heidegger


Auch hatte Heidegger von einer methodischen Verschränkung von Konstruktion und Destruktion gesprochen. Diese betraf drei Momente:
  1. „Erfassung des Seienden auf das Verstehen von dessen Sein (phänomenologische Reduktion)“
  2. „Entwerfen des vorgegebenen Seienden auf sein Sein und dessen Strukturen (phänomenologische Konstruktion)“
  3. „kritischer Abbau überkommener Begriffe (Destruktion)“
In Aufnahme dieser Verschränkung von Destruktion und Konstruktion meint Dekonstruktion nicht einen Angriff auf die Legitimität oder Sinnhaftigkeit von Texten oder Thesen, sondern die sinnkritische Analyse ihrer Verstehens- und Geltungsbedingungen.


Weblink:

Derrida und die Dekonstruktion - philomag.de

Samstag, 4. Juni 2022

Kierkegaard und das Selbst

Søren Kierkegaard



"Das Große ist nicht, dies oder das zu sein,

sondern man selbst zu sein."

Søren Aabye Kierkegaard (1813 - 1855),
dänischer Philosoph, Theologe und Schriftsteller


Johann Gottlieb Fichte

Kierkegaard wandelt in seinen Selbstbetrachtungen auf den Spuren Fichtes und der deutschen Romantiker, die stets das »Ich« als Ausdruck des Selbst betont haben. Die Frage ist, inwieweit man tatsächlich selbst sein darf bzw. wie die Individuation von äußeren Einflüssen abhängt.

Kierkegaards Aussage deckt sich nicht immer mit der Erfahrung des Alltags. Wer heute noch er selbst sein darf, hat einfach nur Glück.

In der Regel macht man im Alltag leider die Erfahrung, dass man nicht "Du selbst" sein kann und darf. Man muss sich maskieren und in eine "bestimmte Alltagsrolle schlüpfen". Zunehmend betrifft dies sogar Schulkinder, denn diese dürfen nicht Sie selbst sein, weil sie vom Erwartungsdruck der Eltern "erdrückt" werden.

Das "Du selbst sein dürfen" hängt auch vom politischen System ab, in dem man lebt und arbeitet. In Nordkorea beispielsweise ist es wesentlich schwieriger, sich selbst wirklich zu entfalten als in Kalifornien. Es hängt auch vom monatlichen Geldeinkommen ab, denn Armut erdrückt und knechtet.

Könnten Menschen global wirklich sie selbst sein, gäbe es kaum noch Kriege und Gewalt, denn die Menschen sind zu 99 Prozent weder gewalttätig noch destruktiv. Sie wollen lieben und geliebt werden und sich an der blühenden Natur erfreuen. Sie werden durch ihre schmerzhaften Lebensbedingungen daran gehindert und wehren sich.

Für Kant dagegen ist das Individuum das souveräne das autonome, übersittliche Individuum, das selbst sein darf. Bei Kant bedeuet Autonomie die Selbstgesetzgebung des Individuums durch seine eigene Vernunft und damit die Unabhängigkeit von fremden, emprischen und historisch tradierten Prinzipien.

Hegel nennt das Sichselbst als das die Totalität aller reinen Bestimmungen wissende Denken mit dem Ausdruck Platons die "absolute Idee". Und diese interpretiert er mit Plotin als den göttlichen Geist. Und weil Gott Geist ist, handelt es sich um Theologie. Diese theologische Metaphysik ist die erste Philosophie Hegels.

Für Nietsche ist das Ich die Entwicklung zum Willen zum Selbst hin. Der Mensch soll sich zu sich selbst hin entwickeln.

„Alle Kraft des Menschen wird erworben durch Kampf mit sich selbst und Überwindung seiner selbst." (Werke, Bd. 5, Zur Religionsphilosophie, 1796) Fichte

Menschen, die an ihrer eigene Größe scheitern, haben Kierkegaard nicht gelesen.