Samstag, 30. Juli 2022

Geschichte Philosophie Jürgen Habermas

Auch eine Geschichte der Philosophie

Das neue Buch von Jürgen Habermas ist auch eine Geschichte der Philosophie. Das umfangreiche Kompendium in zwei Bänden gibt im Stil einer Genealogie darüber Auskunft, wie die heute dominanten Gestalten des westlichen nachmetaphysischen Denkens entstanden sind. Als Leitfaden dient ihm der Diskurs über Glauben und Wissen, der aus zwei starken achsenzeitlichen Traditionen im römischen Kaiserreich hervorgegangen ist.

Habermas zeichnet nach, wie sich die Philosophie sukzessive aus ihrer Symbiose mit der Religion gelöst und säkularisiert hat. In systematischer Perspektive arbeitet er die entscheidenden Konflikte, Lernprozesse und Zäsuren heraus sowie die sie begleitenden Transformationen in Wissenschaft, Recht, Politik und Gesellschaft.

Das neue Buch von Jürgen Habermas ist aber nicht nur eine Geschichte der Philosophie. Es ist auch eine Reflexion über die Aufgabe einer Philosophie, die an der vernünftigen Freiheit kommunikativ vergesellschafteter Subjekte festhält: Sie soll darüber aufklären, »was unsere wachsenden wissenschaftlichen Kenntnisse von der Welt für uns bedeuten – für uns als Menschen, als moderne Zeitgenossen und als individuelle Personen«.

Das Werk hat nicht den Anspruch, die Geschichte der Philosophie hinreichend zu behandeln. Man lasse sich vom Titel nicht täuschen: Trotz seiner 800 Seiten ist das Werk viel zu lückenhaft, um als Geschichte der Philosophie durchzugehen. Aristoteles, die Stoa und Epikur werden z.B. nicht explizit behandelt, nur hier und da erwähnt. Auch Darwin wird nur zweimal erwähnt, das gleiche Karl Popper. Solche Dinge interessieren den Autor nicht, er hat andere Intentionen. Dabei sind die Denker für die Philosophie elementar wichtig.

Im zweiten Band Luther, Hume, Kant, Hegel, nach Marx kommt schon nicht mehr viel. also eher Schlaglichter. Es handelt sich im Grunde um eine Religionsphilosophie von Habermas, ins historische gewendet. Wer sich beispielsweise noch nie mit Platon beschäftigt hat, wird auf die Nase fallen. Aus den wenigen Seiten von Habermas lässt sich diese Philosophie nicht erschließen.

Gut gefällt die Rezension von Jörg Später im Deutschlandfunk: "Mit Vorfreude und mit Spannung, aber auch mit den Mühen der Ebene. Es wird eine voraussetzungsvolle Lektüre, am besten hat man Philosophie studiert. Das Buch stützt sich auf ein überaus komplexes Gedankensystem wie schon Habermas‘ Hauptwerk, die »Theorie des kommunikativen Handelns«. Manche Passagen muss man zwei Mal lesen. Ein Stift in der Hand ist unentbehrlich. Die nüchterne Sprache, die wissenschaftliche Diktion verlangt große Konzentration."

Literatur:

Auch eine Geschichte der Philosophie: Band 1: Die okzidentale Konstellation von Glauben und Wissen. Auch eine Geschichte der Philosophie: Band 1: Die okzidentale Konstellation von Glauben und Wissen. von Jürgen Habermas

Samstag, 23. Juli 2022

Gedanken zum Spiel in der Philosophie

Heraklit Friedrich Nietzsche


Die Welt will spielerisch bewältigt werden. - In der Philosophie haben sich immer wieder bedeutende Denker ihre Gedanken über das Spiel und dessen Erklärung gemacht, denn die Philosophie, die ja sonst die tiefe Ernsthaftigkeit in der eigenen Sache zur größten Tugend erklärt, kann sich auch diesem Thema nicht verschließen.

Heraklit Die originellsten Denker haben das Spiel geradezu zum Welterklärungsprinzip gemacht. So finden sich seltene, aber aufschlussreiche Textstellen, gerade bei Denkern, denen man auf den ersten Blick einen tief verwurzelten Spieltrieb gar nicht zutrauen würde.

Heraklit

Dem Vorsokratiker Heraklit glich die ganze Welt als „göttliches Spiel“ und Friedrich Nietzsche deutet in seiner Interpretation des Vorsokratikers Heraklit gleich die ganze Welt als „göttliches Spiel“. Ludwig Wittgenstein, der Begründer der Sprachphilosophie, etwa entwirft in seinem Spätwerk den Begriff des „Sprachspiels“ als Medium, in dem sich alles Weltverständnis bewegen muss.

Interessant ist hier vor allem, wie die einzelnen Denker das Spiel sehen, was es für sie bedeutet. So definiert sich Nietzsches Prinzip des Spiels vor allem über die spielerische Unschuld und Freiheit, wohingegen Wittgensteins „Sprachspiel“ eher ein Korpus von Regeln meint, in dem gewisse Züge eben sinnvoll sind oder nicht. Eines haben Nietzsches und Wittgensteins Deutungen des Spiels allerdings gemeinsam: Beide Philosophen meinen es ernst.

Friedrich Nietzsche

Was Friedrich Nietzsche, der von seinem vierten bis zu seinem zehnten Lebensjahr als einziger Mann in einem Frauenhaushalt gelebt hat, in seiner frühen Kindheit gespielt hat, ist nicht klar überliefert. Unbestritten ist seine bereits früh aufgetretene philologische und philosophische Faszination für die griechische Antike. In seiner frühen Schrift „Die Philosophie im tragischen Zeitalter der Griechen“, einer durch und durch subjektiven Betrachtung der griechischen Philosophie vor Sokrates, beschäftigt sich Nietzsche besonders ausführlich mit Heraklit von Ephesos. Nietzsche verehrt Heraklit wie kaum ein anderer und nennt ihn den „göttlichen Blitzschlag“ in der vorsokratischen Philosophie.
Heraklit, wegen seiner oft rätselhaften Sprache auch „der Dunkle“ genannt, war im fünften Jahrhundert vor Christus vor allem in seiner Heimatstadt Ephesos an der kleinasiatischen Küste tätig. Wie von vielen Vorsokratikern sind von ihm nur Fragmente überliefert, die allerdings alle ein eindeutiges Thema haben. Heraklit vertritt eine Lehre des Gegensätzlichen: Jedes Ding beinhaltet seine eigene Negation, ja der gesamte Kosmos ist der ewige Widerstreit aneinandergebundener Gegensätze, der sich in stetem Werden und Vergehen äußert. Die Welt ist also nicht wie im Volksglauben stabil und unveränderlich, sondern ein steter Prozess und ein ewiges Fließen.

Samstag, 16. Juli 2022

Nietzsche und Heraklit

Heraklit Friedrich Nietzsche und Heraklit



Friedrich Nietzsche

Nietzsche ist bekannt für seine bereits früh aufgetretene philologische und philosophische Faszination für die griechische Antike. In seiner frühen Schrift „Die Philosophie im tragischen Zeitalter der Griechen“, einer durch und durch subjektiven Betrachtung der griechischen Philosophie vor Sokrates, beschäftigt sich Nietzsche besonders ausführlich mit Heraklit von Ephesos. Nietzsche verehrte Heraklit wie kaum ein anderer und nannte ihn den „göttlichen Blitzschlag“ in der vorsokratischen Philosophie.

Heraklit, wegen seiner oft rätselhaften Sprache auch „der Dunkle“ genannt, war im fünften Jahrhundert vor Christus vor allem in seiner Heimatstadt Ephesos an der kleinasiatischen Küste tätig. Wie von vielen Vorsokratikern sind von ihm nur Fragmente überliefert, die allerdings alle ein eindeutiges Thema haben.

Heraklit

Heraklit wurde um 520 v. Chr. in Ephesos geboren. Heraklit war ein vorsokratischer Philosoph aus dem ionischen Ephesos. Heraklit stammte aus einer vornehmen Familie. Der antike Denker lebte sehr zurückgezogen.

Heraklit vertritt eine Lehre des Gegensätzlichen, die auch Nietzsche übernehmen sollte: Jedes Ding beinhaltet seine eigene Negation, ja der gesamte Kosmos ist der ewige Widerstreit aneinandergebundener Gegensätze, der sich in stetem Werden und Vergehen äußert. Die Welt ist also nicht wie im Volksglauben stabil und unveränderlich, sondern ein steter Prozess und ein ewiges Fließen.

Heraklit erscheint aufgrund seiner tiefen Ernsthaftigkeit oder eben wegen des „fließenden Prinzips“ stets als weinender alter Mann. Bilder, die Heraklit selbst verwendet, um seine Lehre zu verdeutlichen, sind das Bild des Bogens oder das Bild der Leier. In beiden Fällen entsteht der Nutzen erst im Zusammenbinden des Widerstrebenden. Als Metapher für die ganze Welt als unsteten Prozess und Übergang wählt Heraklit das Feuer. Mehr noch, irgendwann, meint er, vergeht jede Welt als Ganzes im reinen Feuer, im Weltenbrand, aus dem dann eine neue Welt des Gegensätzlichen hervorgeht.

Freitag, 15. Juli 2022

Walter Benjamin 130. Geburtstag

Walter Benjamin


Walter Benjamin wurde vor 130 Jahren am 15. Juli 1892 in Berlin geboren.

Als Philosoph, Kunsttheoretiker sowie Gesellschafts- und Literaturkritiker machte sich Benjamin bald einen Namen, wobei es die „jüdischen Themen“ Sprache und Zeit waren, die seine Werke trugen. Seine Thesen „Über den Begriff der Geschichte“ zählen wohl zu den provokantesten und meist missverstandenen Texten zur Geschichtsphilosophie.

Walter Benjamin hinterlässt einen großes philosophisches Werk, indem er versuchte, rationale Wissenschaft, linke Politik und Mystik zu verbinden. Seine jüdischen Wurzeln führten ihn früh zur Kabbala.

Walter Benjamin lebte von 1920 bis 1933 als freier Schriftsteller in Berlin.

Nach dem Abitur 1912 studierte er Philosophie, deutsche Literatur und Psychologie in Freiburg im Breisgau, München und Berlin.

1921 erschien eine Übersetzung von Baudelaire-Gedichten, der er seinen selbstbewussten Aufsatz »Die Aufgabe des Übersetzers« vorwegstellt.

Walter Benjamin


Seine 1921 erschienene philosophische Schrift »Zur Kritik der Gewalt« beeinflusste viele bedeutende Denker. Nachdem sein Versuch, eine Zeitschrift mit dem Titel »Angelus Novus«, der auf ein Bild Paul Klees zurückging, herauszugeben, gescheitert war, versuchte er 1923/24, in Frankfurt am Main die philosophische oder germanistische Habilitation zu erlangen.

Er lernte hier Theodor W. Adorno und Siegfried Kracauer kennen. Seine Habilitationsschrift »Ursprung des deutschen Trauerspiels« erwies sich jedoch als zu unorthodox für den akademischen Betrieb und so zog er sein Habilitationsgesuch 1925 zurück.

1926 und 1927 hielt Benjamin sich jeweils einen großen Teil des Jahres in Paris auf, wo er, teilweise gemeinsam mit Franz Hessel, an der Übersetzung der Werke von Marcel Proust arbeitete und als Publizist tätig war.

Sein Interesse für den Kommunismus führte Benjamin für mehrere Monate nach Moskau. Zu Beginn der 1930er Jahre verfolgte Benjamin gemeinsam mit Bertolt Brecht publizistische Pläne und arbeitete für den Rundfunk.

Die Machtübernahme der Nationalsozialisten zwang Benjamin, im März 1933 ins Exil nach Paris zu gehen. Als Mitarbeiter des nach New York emigrierten Instituts für Sozialforschung ermöglichte Max Horkheimer ihm ein bescheidenes Überleben.

Am Tag vor dem Einmarsch der deutschen Truppen in Paris verließ Benjamin die Stadt und begab sich nach Lourdes. Von hier reiste er zunächst weiter nach Marseille, bevor er im September 1940 vergeblich versuchte, nach Spanien zu flüchten. Im Grenzort Portbou, wo er mit der Auslieferung an die Deutschen bedroht wurde, nahm er sich am 26. September durch Morphium das Leben.

Er war eng befreundet mit Gershom Scholem, Ernst Bloch, Bertolt Brecht, Hannah Arendt, Theodor W. Adorno, Max Horkheimer und vielen anderen heute bekannten Philosophen und Schriftsteller.

Walter Benjamin starb am 26. September 1940 in den nordspanischen Grenzort Portbou auf der Flucht vermutlich durch Suizid. Walter Benjamin war ein bedeutender deutscher Philosoph, Literaturkritiker und Übersetzer in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts.

Weblinks:

Internationale Walter Benjamin Gesellschaft - www.walter-benjamin.org

Der Philosoph Walter Benjamin - www.wbenjamin.de

Der Philosoph Walter Benjamin – Die Schatten des Fortschritts - www.swr.de


Literatur:

Denkbilder


Denkbilder von Walter Benjamin

Sprache und Geschichte. Philosophische Essays.


Sprache und
Geschichte. Philosophische Essays.


Kritiken und Rezensionen


Kritiken und
Rezensionen

Samstag, 9. Juli 2022

Mythos »Tour de France«

Tour de France Tourmalet

Jan Ullrich

Die »Tour de France« - auch »Grand Boucle« genannt - ist das bekannteste und bedeutendste Radrennen der Welt. Die »Tour de France« ist ein gewobener Mythos, der viele Geschichten hervorgebracht hat und von dem zu erzählen lohnt. Die Strecke stellt in ihrem Verlauf jeweils ganz unterschiedliche Anforderungen an die Teilnehmer der Rundfahrt und erfordert unterschiedliche Stärken der Fahrer. In diesem Jahr ist die Strecke 3.346 Kilometer lang.

Die Tour ist der ewige Kampf um das Gelbe Trikot (Maillot Jaune), das grüne und das gepunktete rote Trikot. Ein Radrennen ist das geschickte Zusammenspiel der Kräfte von Fahrer, Team und Konkurrenz im Kampf gegen die Strecke, die Hitze und die Zeit. Im Rennverlauf verteilt sich das Fahrerfeld in die Spitzengruppe, Peloton und Groupetto.

Die »Tour de France« hat Geschichte und auch ihre Geschichten geschrieben, ebenso wie die Rennfahrer, die an ihr teilgenommen haben. 25 Jahre nach dem einmaligen Tour-Sieg von Jan Ulrich im Jahr 1997 ist die Tour wieder ein gefragtes weltumspannendes Ereignis.

Tour de France Karte 2022

Die Rennfahrer, die kräftig in die Pedale treten, sind wahre Helden, die Streckenführung ist eine Bildungs- und Entdeckungsreise und die Landschaft ist die Kulisse mit ständigen Verweisen auf die französische und europäische Geschichte.

Körperliche Höchstleistungen müssen keineswegs im Widerspruch zu intellektuellen Ambitionen stehen. Der radfahrende Mensch erweist sich zuweilen auch als großer Denker, der zu klaren Einsichten fähig ist. Denn auch und gerade im (Radrenn-)Sport gilt der Leitsatz, den einst Henri Bergson formulierte, der französische Philosoph und Literaturnobelpreisträger: »Man muss wie ein denkender Mensch handeln und wie ein handelnder Mensch denken.«

Immer wieder haben sich Philosophen wie Roland Barthes, Olivier Haralambon und Peter Sloterdijk bis hin zu Guillaume Martin sich für die berühmte drei-wöchige Radrundfahrt durch ganz Frankreich interessiert und darüber ihre Artikel, Kolummnen und Kommentare geschrieben. Auch kann man sich so manchen Philosophen vorstellen, der einen sinnreichen Beitrag zur Tour verfasst haben könnte.

Peter Sloterdijk

Die stets kräftig in die Pedale tretenden Pedaleure leisten auf der Rundfahrt Übermenschliches und man begreift, dass das, was diese Männer leisten, alles übersteigt, was Normalsterbliche begreifen können“, sagte der Hobbyradler und Philosoph Peter Sloterdijk vor Jahren gegenüber dem »Spiegel«, „nämlich der »Tour de France« alles unterzuordnen, alles zu riskieren, rücksichtslos – sich selbst gegenüber, dem Leben.“



Die Rennfahrer sind als Ritter der Strasse die wahren Helden der »Tour de France«. Die »Tour de France« hat viele Rennfahrer, die an ihr teilgenommen haben, zu Helden gemacht, aber auch immer wieder Tragödien heraufbeschworen und hervorgebracht.

Guillaume Martin

In »Sokrates auf dem Rennrad« schickt Guillaume Martin die bedeutendsten Denker der Geschichte in das größte Radrennen der Welt: die »Tour de France«.

Fest im Programm der Tour sind Stationen, die längst zu Mythen geworden sind. Dazu gehören die Orte Alpe d'Huez, Meribel und die Berge Galibier, Col de la Croix de Fer, Mont Ventoux und Puy de Dome und Planche de Belphi.

Alpe d'Huez: 21 Serpentinen, eine Kirche und unzählige Dramen. Die Königsetappe der diesjährigen Tour weist über 4.500 Höhenmeter auf. Das Spektakel wartet am Ende, wenn es den 13,8 Kilometer langen Anstieg zum Skiresort Alpe d'Huez hinauf geht. Fast 14 steile Kilometer, 21 berühmte Serpentinen, mehrere Hunderttausend euphorische Fans: Mit der Bergankunft in Alpe d'Huez erreicht die 109. Tour de France am Donnerstag ihren Siedepunkt. Erstmals seit Ausbruch der Coronavirus-Pandemie steht das Skiresort in den Alpen wieder im Programm - und die Franzosen hoffen an ihrem Nationalfeiertag auf einen Heimsieg am berühmtesten Berg der Tour.

Mont Ventoux Francesco Petrarca

Es war der bereits von dem Dichter Petrarca bestiegene Mont Ventoux, der den Briten Tom Simpson im Jahr 1967 beim Anstieg in der brütenden Hitze einen jammervollen Tod sterben ließ, manche sagen soagr umgebrachte hat. "Der Ventoux ist ein Gott der Bosheit, dem Opfer dargebracht werden müssen. Er vergibt niemals Schwäche, er fordert ein schier ungerechtes Maß an Leiden", schrieb der normannische Philosoph Roland Barthes bereits im Jahr 1957, als hätte er das tragische Schicksal Simpsons schon damals vorausgeahnt.

Tour de France Karte 2022


Samstag, 2. Juli 2022

»Kritik der zynischen Vernunft« von Peter Sloterdijk

Kritik der zynischen Vernunft Peter Sloterdijk

Die »Kritik der zynischen Vernunft« ist ein 1983 erschienenes zweibändiges Werk des deutschen Philosophen Peter Sloterdijk. Das Werk behandelt den Kynismus/Zynismus als gesellschaftliches Phänomen der europäischen Geschichte. Mit diesem Werk gelang Peter Sloterdijk der Durchbruch als philosophischer Autor. Das zweibändige Werk erschien 1983 vor dem Hintergrund der atomaren Bedrohung und das NATO-Raketen-Nachrüstungsbeschlusses und stieß auf ein großes Echo.

Dieses epochale Werk ist ein Versuch der Neubewertung der Aufklärung im Zeitalter der Gegenwart ganz im Sinne Immanuel Kants. Sloterdijk betreibt darin moderne Aufklärung als Ideologiekritik. Der erste Band beinhaltet die philosophischen Grundlagen. Der zweite Band fächert darauf aufbauend eine Phänomenologie der Handlungsgeschichte auf. In beiden Bänden ist der Text-Bild-Bezug ein integraler Bestandteil des philosophischen Diskurses.



200 Jahre nach dem Erscheinen von Kants »Kritik der reinen Vernunft« sieht sich jede Kritik, die Aufklärung in der Gegenwart einlösen will, mit einer neuen Form des falschen Bewußtseins konfrontiert. Dieses falsche Bewusstsein beruht weder auf Lüge noch auf Irrtum, es ist auch nicht durch die auf eine "Kritik der politischen Ökonomie" gestützte Ideologiekritik aufzulösen.

Peter Sloterdijk






Zynismus ist das aufgeklärte falsche Bewußtsein. Es ist das modernisierte unglückliche Bewußtsein, an dem Aufklärung zugleich erfolgreich und vergeblich gearbeitet hat. Es hat seine Aufklärung gelernt, aber nicht vollzogen und wohl nicht vollziehen können. Gutsituiert und miserabel zugleich fühlt sich dieses Bewusstsein von keiner Ideologiekritik mehr betroffen, da seine Falschheit bereits reflexiv gefedert ist.

Peter Sloterdijk



Sloterdijk - ein aufgeklärter Vertreter der zynischen Vernunft - übt in seinem Werk moderne Ideologiekritik im aufgeklärten Sinne. Das Herrschaftwissen der Eliten hält sich den Schleier der Demaskierung selber vor - es ist zynisch geworden. Zeit also, sich um eine zeitgemäße Aufklärung zu bemühen. Diesem Unterfangen widmet sich Sloterdijk in seinem epochalen Werk anhand der Verfahrensweisen des antiken Kynismus.

Aufklärung erfordert heute den Mut zur Frechheit, um dem vorherrschenden Herrenzynismus zu begegnen. Für Sloterdijk bedarf moderne Aufklärung eines kynischen Impulses, d.h. der Frechheit von unten. Sloterdijks Werk ist der Kristallisationkern, um den sich eine Realphilosophie eines erneuerten Kynismus entfalten kann.

Dieses Werk ist im besten Sinne aufklärerisch, denn es legt den Finger auf eine Wunde unserer modernen Geschichte. Dass nämlich jeder aufklärerische Impuls irgendwann zu Denkfaulheit und Abgestumpftheit des Herzens verflacht und dann zynisch wird. Anders gesagt: Wer irgendwann in der Geschichte recht bekam, der kämpfte darum, recht zu behalten, und wer so oft recht behielt, dass er sich gar nicht mehr rechtfertigen musste, der wurde gar zynisch.


Literatur:

Kritik der zynischen Vernunft
Kritik der zynischen Vernunft
von Peter Sloterdijk