Das neue Buch von Jürgen Habermas ist auch eine Geschichte der Philosophie. Das umfangreiche Kompendium in zwei Bänden gibt im Stil einer Genealogie darüber Auskunft, wie die heute dominanten Gestalten des westlichen nachmetaphysischen Denkens entstanden sind. Als Leitfaden dient ihm der Diskurs über Glauben und Wissen, der aus zwei starken achsenzeitlichen Traditionen im römischen Kaiserreich hervorgegangen ist.
Habermas zeichnet nach, wie sich die Philosophie sukzessive aus ihrer Symbiose mit der Religion gelöst und säkularisiert hat. In systematischer Perspektive arbeitet er die entscheidenden Konflikte, Lernprozesse und Zäsuren heraus sowie die sie begleitenden Transformationen in Wissenschaft, Recht, Politik und Gesellschaft.
Das neue Buch von Jürgen Habermas ist aber nicht nur eine Geschichte der Philosophie. Es ist auch eine Reflexion über die Aufgabe einer Philosophie, die an der vernünftigen Freiheit kommunikativ vergesellschafteter Subjekte festhält: Sie soll darüber aufklären, »was unsere wachsenden wissenschaftlichen Kenntnisse von der Welt für uns bedeuten – für uns als Menschen, als moderne Zeitgenossen und als individuelle Personen«.
Das Werk hat nicht den Anspruch, die Geschichte der Philosophie hinreichend zu behandeln. Man lasse sich vom Titel nicht täuschen: Trotz seiner 800 Seiten ist das Werk viel zu lückenhaft, um als Geschichte der Philosophie durchzugehen. Aristoteles, die Stoa und Epikur werden z.B. nicht explizit behandelt, nur hier und da erwähnt. Auch Darwin wird nur zweimal erwähnt, das gleiche Karl Popper. Solche Dinge interessieren den Autor nicht, er hat andere Intentionen. Dabei sind die Denker für die Philosophie elementar wichtig.
Im zweiten Band Luther, Hume, Kant, Hegel, nach Marx kommt schon nicht mehr viel. also eher Schlaglichter. Es handelt sich im Grunde um eine Religionsphilosophie von Habermas, ins historische gewendet. Wer sich beispielsweise noch nie mit Platon beschäftigt hat, wird auf die Nase fallen. Aus den wenigen Seiten von Habermas lässt sich diese Philosophie nicht erschließen.
Gut gefällt die Rezension von Jörg Später im Deutschlandfunk: "Mit Vorfreude und mit Spannung, aber auch mit den Mühen der Ebene. Es wird eine voraussetzungsvolle Lektüre, am besten hat man Philosophie studiert. Das Buch stützt sich auf ein überaus komplexes Gedankensystem wie schon Habermas‘ Hauptwerk, die »Theorie des kommunikativen Handelns«. Manche Passagen muss man zwei Mal lesen. Ein Stift in der Hand ist unentbehrlich. Die nüchterne Sprache, die wissenschaftliche Diktion verlangt große Konzentration."
Literatur:
Auch eine Geschichte der Philosophie: Band 1: Die okzidentale Konstellation von Glauben und Wissen. von Jürgen Habermas
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