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Donnerstag, 23. Februar 2023

Karl Jaspers 140. Geburtstag

Karl Jaspers


Karl Jaspers wurde vor 140 Jahren am 23. Februar 1883 in Oldenburg geboren.

Karl Jaspers war ein berühmter deutscher Philosoph des 20. Jahrhunderts. Er gilt neben Martin Heidegger und Jean-Paul Sartre als bedeutendster Vertreter der Existenzphilosophie.

Karl Jaspers begründete die deutsche Existenzphilosophie. Die Existenzphilosophie kam nach dem Ersten Weltkrieg vor allem in Deutschland und Frankreich auf und stellte die menschliche Existenz in den Mittelpunkt des Fragens.


Jean-Paul Sartre


Jaspers gilt als herausragender Vertreter der Existenzphilosophie, die er jedoch vom Existentialismus Jean Paul Sartres strikt unterschied.

Jaspers arbeitete zunächst zu theoretischen Fragen der Psychopathologie und habilitierte sich 1913 bei Professor Windelband im Fach Psychologie.

Zu seinen bevorzugtsten Autoren zählte - neben Spinoza, Kant, Schelling, Hegel und Nietzsche - der dänische Denker Sören Kirekegaard, der als Begründer der Existenzphilösoophie gilt.

Karl Jaspers wurde in seinem Denken von Max Weber beeinflußt. Max Weber war für Karl Jaspers der Prototyp eines großen Gelehrten. Weber trat für die eine wertungsfreie Forschung in der Wissenschaft ein.

Philosophie ist per se keine Lebenshilfe, sondern zeigt uns Wahrnehmungen und Wege Leben anzuschauen und zu deuten. Platon weigerte sich Philosophie in Buchform zu fassen und als Verkünden von Weisheiten zu betreiben. So steht Karl Jaspers mit seiner Philosophie - Betrachtung in der Reihe derer, die hinterfragen, was hinter dem Offensichtlichen liegt.

Weblinks:

Karl Jaspers-Biografie

Samstag, 14. Januar 2023

Das Sinnproblem in der heutigen Zeit


Häufig wird in der heutigen Zeit die Frage nach dem Sinnproblem gestellt. Die moderne Gesellschaft ist dabei auf seltsame Weise gespalten: Den Menschen scheint der Sinn für ihr Sein auszugehen, vielen erscheint die Welt immer mehr sinnentleert. Nichts ist schlimmer als eine Gesellschaft, welcher der Sinn ausgeht. Technisch gesehen erscheint sie dagegen immer fortschrittlicher. Der Fortschritt ist der Fetisch der modernen Industriegesellschaft. Auf die Frage kann man sicher die verschiedensten Antworten geben.

Das Sinnproblem liegt sicher nicht zuletzt an der Technisierung unserer Welt, denn die Technisierung der Welt bringt mit sich einen gewissen Fortschrittsglauben, mit dem unsere Väter etwa in den Ersten Weltkrieg hineingeschritten sind. Dass dieser Fortschrittsglaube von der Technik zum mindesten nahegelegt wird, ist ja ohne weiteres verständlich. Wenn man sich einmal an die Geistesgeschichte erinnert − sei es an die Geschichte der Dichtung, der Kunst oder der Philosophie −, beobachtet man ja, dass jede Generation von vorne anfangen muss.

Philosophisch gibt es heute im Prinzip keine anderen Problemsätze als bei den Vorsokratikern, und darum sind die führenden Philosophen ja im Wesentlichen auch Interpreten dessen, was etwa frühere Philosophen gesagt haben.

Jede Generation fängt von neuem an. Keiner kann von seinem Vater eine Weltanschauung erben, und selbst wenn er, sagen wir einmal, ebenfalls Christ ist wie seine Eltern, dann ist er es in einem echten Sinne doch nur, wenn er durch eigene Anfechtungen hindurchgegangen ist und jenes Richtunggebende auf seinem Weg erlitten und erfahren hat.

Jede Generation fängt − geistesgeschichtlich − von neuem an, aber technisch ist das anders: Wenn man ein Kriegsschiff sieht oder einen Düsenjäger oder ein Elektronengehirn, dann weiß man: hier sind ganze Generationen von Technikern miteinander am Werk; hier steht einer auf den Schultern des anderen. Keiner fängt neu an.

Während es in der Geistesgeschichte Rückschläge gibt und auch Epigonen und Dekadenz-Erscheinungen eintreten nach Höhepunkten, ist das in der Technik anders. Die Technik kennt keine Rückschläge in diesem Sinne. Sie schreitet voran, und es ist schlechterdings undenkbar, dass nach unseren prachtvollen Autos mit ihrer hohen PS-Zahl und ihrer guten Straßenlage noch einmal plötzlich hochrädrige, stinkende, pannenreiche Benzinkutschen die Straßen erfüllen würden.

Weblink:

Die Frage nach dem Sinn unseres Lebens - www.der-uebersee-club.de

Samstag, 5. November 2022

Musk Absolutist der freien Rede

Elon Musk Twitter

Kürzlich bezeichnete sich Musk als »Absolutist der freien Rede« - also ein Monarch auf dem Meinungsthron. Ist das Selfmade-Ich Elon Musk gar ein »Fichtianer«, wenn er die freie Rede verabsolutieren muss? - Freie Rede bedeute, dass »jemand, den man nicht mag, etwas sagen kann, das man nicht mag«. Und dies sollte auch im Leitmedium des digitalen Zeitalters möglich sein, also auf Twitter.

Elon Musk will also den politischen Dialog ausgerechent durch Twitter wieder auf gesundere Beine stellen. Das wäre mindestens so verdienstvoll wie die Neuerfindung des Elektroautos oder seine unternehmerischen Pioniertaten im Weltraum.

Musk betont, daß er mit dem Kauf von Twitter politische Ziele verfolge. Er will sich zum ersten Kaiser des neuen Amerikanischen Imperiums ausrufen lassen.Man kann sich nicht vorstellen, daß Elon Musk anders sein soll als alle anderen Globalisten auch. Was zählt ist Geld und Macht und nichts anderes.

Johann Gottlieb Fichte (1762 - 1814) wusste über das Recht der freien Rede in seiner »Rede« kundig vorzutragen:


»Da jedoch dieses Recht des freien Mittheilens sich auf kein Gebot, sondern bloss auf eine Erlaubniss des Sittengesetzes gründet, und demnach, an sich betrachtet, nicht unveräusserlich ist; da ferner zur Möglichkeit der Ausübung desselben die Einwilligung des Anderen, sein Annehmen meiner Gaben, erfordert wird: so ist es an sich wohl denkbar, dass die Gesellschaft einmal für alle diese Einwilligung aufgehoben, dass sie sich von jedem Mitgliede beim Eintritt in dieselbe hätte versprechen lassen, seine Ueberzeugungen überhaupt niemandem bedankt zu machen.«


Die freie Rede im Internet kann auch eine Illusion sein, die viel Geld kostet und nichts einbringt.
Ob die Rechnung von Musk aufgeht, wird sich in der Zukunft zeigen.

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Mittwoch, 12. Oktober 2022

Platons Höhlengleichnis

Das Höhlengleichnis ist eines der bekanntesten Gleichnisse der antiken Philosophie. Es stammt von dem griechischen Philosophen Platon.

Platons Höhlengleichnis erzählt von der Trägheit der Menschen, sich dem Licht der Erkenntnis zu stellen.

Die Menschen in der Höhle scheuen das Licht der Erkenntnis und betrachten lieber die Schatten an der Wand, die sie als natürliche Abbilder halten. Die Höhle wirft je nach subjektiver Positionierung subjektive Schatten der Handlungsbasis.


Platon beschreibt die massive Beschränkung bzw. Manipulation sehr anschaulich in seinem Höhlengleichnis und Kant weisst den Weg aus diesem Dilemma durch die Erziehung des Menschen zur Mündigkeit.


Wenn sich sog. gebildete Menschen dem Draufblick anderen Realitäten, geformt in Sozialstrukturen, die dann wohl einfältig ungebildet verdingt werden, verweigern, kommt der irrige Gedanke auf, dass es ohne Relation identische Moralnormen geben muss bzw. kann. Die Höhle wirft je nach subjektiver Positionierung eben subjektive Schatten der Handlungsbasis.

Weblinks:

Platons Höhlengleichnis

Stufen der Erziehung zur Mündigkeit

Freitag, 7. Oktober 2022

Macht Denken unglücklich?

Der Denker Skulptur

Denken ist keine beliebte oder anerkannte Kategorie. Denken macht oft unglücklich. Das klingt zwar absurd, ist aber in den Neurowissenschaften erwiesen. Das Gehirn hört niemals auf zu arbeiten, es rattert und rattert und findet keine Ruhe. Dieses Grübeln ist eng verbunden mit dem Gefühl des Unglücklichseins.

Was können wir dagegen tun? Wir können unser Gehirn durch Unterbrechung dieses Teufelskreises zur Ruhe bringen. Wir schauen uns einen Baum, eine Blume, eine Landschaft oder einen Gegenstand genau an. Diese Technik der Achtsamkeit beginnt auch dort, wo wir bewusst Musik hören oder ein Buch lesen. Viel Medienkonsum und die Präsenz von Internet und Bildern aus dem Fernsehen überfordern unser Gehirn und machen uns unglücklich.

Man ist meistens nur durch Nachdenken unglücklich.

Joseph Joubert, französischer Moralist


Aus Sicht der Hirnforschung hängt das Erleben von Glücksgefühlen sehr eng mit Motivation und Belohnung zusammen. Es gibt im Gehirn ein spezielles Zentrum, das "Belohnungs- und Motivationssystem", welches dafür sorgt, dass wir in bestimmten Situationen Glück empfinden. Wenn wir etwas Schönes erleben oder eine Aufgabe bewältigt haben, signalisiert uns dieses Zentrum: "Gut gemacht!" und es wird das Glückshormon Dopamin ausgeschüttet. Im Ergebnis fühlen wir uns stolz und glücklich und, besonders wichtig: Wir sind motiviert zu neuen Anstrengungen, um diesen Moment des Glücks wiederholen zu können.

Denn ohne viel Anstrengungen lässt sich das Glückssystem auch durch Alkohol oder Drogen stimulieren. Das heißt eine Sucht gaukelt uns Glück vor, sie bedient sich der gleichen Mechanismen wie das Glückssystem in unserem Gehirn. Um das Glückssystem anzukurbeln, müssen wir uns nicht mehr anstrengen, es reicht eine Flasche Wein, eine Zigarette oder ein Joint. Das ist das Gefährliche an der Sucht.

Manche Menschen fallen nach einem Hochgefühl des Glücks in ein Loch, was sich jedoch vermeiden lässt. Das Glückssystem ist auch dazu da, um uns zu motivieren. Wenn wir zufrieden mit einem Erlebnis sind, und das Gefühl des Glücks durchströmt uns, dann wollen wir das wiederhaben. Das spornt uns an zu neuen Leistungen oder neuer Kreativität. Die Entwicklung der Zivilisation ist nur durch dieses biologisch wichtige System vorangetrieben worden. Das Loch nach einem Hochgefühl des Glücks gibt es eigentlich nicht, weil das Gehirn diesen Glückszustand wiederholen möchte.

Mittwoch, 18. Mai 2022

Bertrand Russell 150. Geburtstag

Bertrand Russell



Bertrand Russell wurde vor 150 Jahren am 18. Mai 1872 in Trellech (Monmouthshire) in Südwales in eine adlige Familie geboren.

Bertrand Russell war Philosoph, Logiker, Mathematiker und Sozialkritiker. Er wurde in Südwales geboren, studierte Mathematik und Philosophie in Cambridge und wurde später dort Dozent für Mathematik.

Bertrand Russell

Russellr war einer der bedeutendsten britischen Mathematiker und Philosophen des 20. Jahrhunderts. Er war einer der elegantesten und radikalsten Verteidiger der Aufklärung mit einer anarchistisch-pazifistischen Grundhaltung.

Die philosophische Strömung der analytischen Philosophie, entwickelte sich in England Ende des 19. und Anfang des 20. Jahrhunderts. Bertrand Russell war einer der Initiatoren der philosophischen Strömung der analytischen Philosophie, die sich in England Ende des 19. und Anfang des 20. Jahrhunderts entwickelte.

Bertrand Russell war der Lehrer Ludwig Wittgensteins und großer Erneuerer im Bereich Sprache und Denken. Ludwig Wittgenstein, ein Schüler und Freund von Bertrand Russell, übte großen Einfluss auf ihn aus.

1917 musste Russell aufgrund seines aktiven Pazifismus für drei Monate ins Gefängnis. 1938 erhielt er eine Gastprofessur an der Uni von Chicago und New York. 1944 lehrte er wieder in England.

Für sein Buch »Ehe und Moral«, worin er den Standpunkt der freien Liebe und unkonventioneller Partnerschaften vertritt, erhielt er 1950 den Nobelpreis für Literatur verliehen.

In seiner Arbeit stützte er sich unter anderem auf Leibniz, Peano und Frege. Ludwig Wittgenstein war teils sein Schüler, teils sein Gesprächspartner. Er wurde von ihm angeregt, seine Arbeit weiter zu treiben.

Bertrand Russell

Bertrand Russell gilt als einer der Väter der Analytischen Philosophie und entwickelte eine skeptische Erkenntnistheorie. Russell wird zusammen mit George Edward Moore als Begründer der Analytischen Philosophie und einiger deren Teildisziplinen betrachtet.

Auf Russell berufen sich die Sprachphilosophie (in der Ausrichtung der Philosophie der idealen Sprache) und auch der Logische Positivismus. Die einflussreichste Periode seiner philosophischen Arbeit mündete in seiner Version des Logischen Atomismus.

Bertrand Russell Zitat

Er gilt als Vertreter des Sensualismus, einer Theorie, die alles erkennen aus Sinneseindrücken und Empfindungen ableitet. Alle Dinge bestehen nur aus wahrgenommenen Sinnesdaten, sind also nur logische Konstruktionen.

Er unterrichtete zeitweise am Trinity College in Cambridge, in Oxford, London, an der Harvard University und in Peking und war bedeutendes Mitglied der »Cambridge Apostles«.

Sein erstes Buch schrieb Bertrand Russell über die deutsche Sozialdemokratie (1896). Neben seinen mathematischen Schriften veröffentlichte er noch viele weitere gesellschaftskritische und philosophische Studien.

Zusammen mit Alfred North Whitehead schrieb er die »Principia Mathematica«, eines der wichtigsten Werke mathematischer Grundlagenforschung, nach den Erschütterungen der Mathematik Anfang des 20. Jahrhunderts.

Der Verfechter des Positivismus war Lehrer des angehenden Philosophen Ludwig Wittgenstein und trug entscheidend zur Anerkennung des Empirismus als Erkenntnistheorie bei. Wissen wird nach Russell durch unmittelbare Erfahrung gewonnen.

Mit dem Ersten Weltkrieg verschob sich sein Interesse Richtung Politik. Seit dem Ersten Weltkrieg wurde er zunehmend politisch, kam sogar ins Gefängnis, weil er entgegen der allgemeinen Kriegseuphorie die Sinnhaftigkeit des Krieges anzweifelte.


Literatur:

Philosophie des Abendlandes
Philosophie des Abendlandes
von Bertrand Russell Der Philosoph war radikaler Pazifist und setzte sich als Vorkämpfer der Friedensbewegung gegen die Atomrüstung und das amerikanische Eingreifen in Vietnam ein. Russell war ein weltweit bekannter Aktivist für Frieden und Abrüstung und galt als eine Leitfigur des Pazifismus, auch wenn er selbst kein strikter Pazifist war.

Für seine Schriften, in denen er humanistische Ideale und die Gedankenfreiheit vertat, bekam er 1950 den Nobelpreis für Literatur verliehen.

Für Russell war würdevolles Leben einzig in einer aufgeklärten Gesellschaft vorstellbar. Die Welt braucht einen furchtlosen Ausblick in die Zukunft und eine freie Intelligenz.

Bertrand Russell starb am 2. Februar 1970 in Penrhyndeudraeth (Gwynedd), Wales.

Sonntag, 7. November 2021

Albert Camus 110. Geburtstag

Albert Camus

Vor 110 Jahren wurde Albert Camus am 7. November 1913 in der Stadt Mondovi in Nordalgerien geboren. Camus war ein bedeutender französischer Schriftsteller und Philosoph des 20. Jahrhunderts. Albert Camus war ein unabhängiger, unbeirrbarer Geist, der weder Ideologien noch Intrigen oblag. Der Denker war einer der bekanntesten französischen Autoren und ein bedeutender Vertreter des Existentialismus.

Er sei kein Philosoph, betonte Albert Camus, er glaube nicht genug an die Vernunft, um an ein System zu glauben, »mich interessiert die Frage, wie man sich verhalten sollte«. - Der französische Schriftsteller und Philosoph beeinflusste nach 1945 als Schlüsselfigur des Existenzialismus maßgeblich die Entwicklung des geistigen Lebens in Europa. Camus gilt als unbestechlicher Intellektueller, der auch heute noch als einer der größten Denker des 20. Jahrhunderts gefeiert wird.


Nach dem Studium der Philosophie war Camus Schauspieler und Bühnenautor und gehörte während des Zweiten Weltkrieges der französischen Widerstandsbewegung an, der er 1942 beitrat. Im Zweiten Weltkrieg war Camus einer der Führer der französischen Résistance.

Der Fremde

Der Roman »Der Fremde« und der philosophische Essay »Der Mythos des Sisyphos« wurden 1942 veröffentlicht. Darin setzt sich Camus mit dem Sinnlosen und dem Absurden auseinander und erlangte erstmalig literarisches Ansehen. Camus wurde 1943 Mitbegründer der illegalen Zeitung "Combat". Ende 1943 arbeitete Camus als Lektor bei dem Verlag Gallimard und veröffentlichte den ersten "Brief an einen deutschen Freund".

Albert Camus-Werke

Der Fremde
Der Fremde
Die Pest
Die Pest
Der Fall
Der Fall
Der glückliche Tod
Der glück
liche Tod
Der erste Mensch
Der erste
Mensch
Der Mensch in der Revolte
Der Mensch in
der Revolte

Albert Camus

Er wurde früh sehr stark vom französischen Existenzialismus und von dem Philosophen Jean-Paul Satre geprägt, Bekanntschaft er 1944 machte. Der Existenzialismus entsprach einem Lebensgefühl, das von der Erfahrung des Zweiten Weltkriegs, des politischen Widerstands in der Résistance und des Zerfalls traditioneller Wertordnungen und Orientierungen geprägt ist. Es findet seinen Ausdruck in einer besonderen Sensibilität für die Absurdität der menschlichen Existenz, die für diese Generation von Philosophen charakteristisch ist.

Der Mensch in der Revolte


In den Nachkriegsjahren war er zusammen mit Jean-Paul Sartre - mit dem ihn kurze Zeit auch ein freundschaftliches Verhältnis verband - einer der Vordenker des Existentialismus. Sein bekanntestes philosophisches Werk aus dieser Zeit ist die Essay-Sammlung »Der Mensch in der Revolte« (1947-1951), die ihm neben viel Beifall auch vielerlei Polemik eintrug, nicht zuletzt die von Sartre, der ihm den Verrat linker Ideale vorwarf.



Die Ausgangsposition von Camus atheistischer Weltanschauung lautet: Es gibt keinen Gott. Die Existenz des Menschen ist sinnlos. Was dem Einzelnen in dieser Situation bleibt, ist die Revolte. Die "permanente Revolte" sah er als Weg zur Überwindung des Absurden an. Der Mensch muss in der Lage sein, die Last der Sinnlosigkeit zu ertragen, Selbstverantwortung übernehmen und nach Glück streben. Nur so wird er Herr seines Schicksals und kann der die Absurdität des Lebens überwinden.

Camus prägende Erfahrung war der Zweite Weltkrieg und die Besetzung Frankreichs. Wer erkannt hat, was absurd ist, muss danach handeln und leben. Er entwickelte sein Denken aus den Erfahrungen des Krieges. Camus Philosophie ohne Gott ist der Versuch, dem Leben durch bewußte Anerkennung des Absurden einen Sinn zu geben. In seinen Werken schildert die Verantwortung des Menschen in einer absurden Welt, d.h. in einer Welt, in der der Mensch ohne Gott, sich selbst überlassen ist.

Nach Ansicht von Albert Camus lebt der Mensch - wie zur Zeit des Zweiten Weltkrieges - in einer absurden Welt, welche ihm kein lebenswertes Dasein ermöglicht. Da diese Welt immer stärker als das Individuum ist, hat der Mensch auch keine Chance sich gegen dieses Schicksal aufzulehnen. Das Absurde hat nur insofern einen Sinn, als man sich nicht mit ihm abfindet. Gegen die Absurdität des Lebens hilft nur die menschliche Solidarität.



An seinem 100. Geburtstag ist Albert Camus' Denken im Namen der Freiheit und in Zeiten der Krise aktueller denn je: Mut, Mäßigung, Ehrlichkeit, Menschlichkeit, Gerechtigkeit. Camus handelte als Philosoph und philosophierte als handelnder Mensch. Er ist ein Vorbild gerade auch in schwierigen Zeiten, ein Maßstab, mit dem Leben, das ganz einfache Leben gelingen kann.

Alber Camus zum 100. Geburtstag:

Literarischer Lebensbegleiter: Albert Camus zum 100. Geburtstag - Literaturcafe - www.literaturcafe.de

Nackt in der Welt - 100. Geburtstag von Albert Camus - www.taz.de


Weblinks:

Albert Camus-Biografie - Biografien-Portal www.die-biografien.de


Albert Camus-Zitate - Zitate-Portal - www.die-zitate.de


Jean-Paul Satre-Biografie - Biografien-Portal www.die-biografien.de

Camus lebt - www.camus-lebt.de

Philosophisches Kopfkino - Was ist Existentialismus? - 3Sat - www.3sat.de/specials

Samstag, 16. Oktober 2021

Nietzsches Vermächtnis


Friedrich Nietzsche


Der Anti-Metaphysiker und Religionskritiker Friedrich Nietzsche gilt als einer der dunklen, aber neuzeitlich-fortschrittlichen Philosophen. Er stich durch seine poetische Sprachkraft hervor und beeindruckt durch die Macht seiner Paradoxien. Seine Arbeit ist aufklärerisch, positivistisch und vor allem psychologisch.

Als Verkünder der ästhetischen Daseinsform übte Nietzsche von Anfang an großen kulturellen Einfluss aus. Inzwischen hat er sich nicht nur in der Wissenschaftstheorie etabliert, sondern ist aus der globalen Popkultur ebenso wenig wegzudenken wie aus der Rhetorik.

"Wehe! Es kommt die Zeit, wo der dem Mensch nicht mehr den Pfeil seiner Sehnsucht über den Menschen hinauswirft, und die Sehne seines Bogens verlernt hat zu schwirren! Ich sage euch: man muss noch Chaos in sich haben, um einen tanzenden Stern gebären zu können. Ich sage euch: ihr habt noch Chaos in euch.
Wehe! Es kommt die Zeit, wo der Mensch keinen Stern mehr gebären wird. Wehe! Es kommt die Zeit des verächtlichsten Menschen, der sich selber nicht mehr verachten kann. Seht! Ich zeige euch den letzten Menschen."


Mit diesen großen Worten leitet Zarathustra seine Rede vom letzten Menschen ein. Der letzte Mensch ist für Nietzsche das verachtenswerteste Geschöpf der Erde. Der letzte Mensch hat es fertig gebracht, alle Sehnsucht, allen Willen zu Größerem zu verlieren.

Er ist Endpunkt der tragischen Entwicklung, die unsere Gesellschaft, laut Nietzsche, durch macht. Scheinbar völlig mit sich selbst zufrieden lebt, oder besser vegetiert, der letzte Mensch vor sich hin. Er markiert den tragischen Endpunkt der Entwicklung der Menschheit. Nietzsches Vermächtnis Kritik der Kultur Infragestellen der Moral Umwertung aller Werte Produktive Skepsis.

Sollen wir das festgegründete Reich der Vernunft verlassen und aufs offene Meer des Unbekannten hinausfahren, hatte Kant gefragt und dafür plädiert, hier zu bleiben. Nietzsche aber war hinausgefahren, mit seinem Denken kommt man nirgendwo an, es gibt kein Ergebnis, kein Resultat.

Für Habermas stellt Nietzsche einen entscheidenden Wendepunkt der Philosophiegeschichte dar (die Drehscheibe zum Eintritt in die Postmoderne), und zwar, weil er nach Kant, Hegel und Marx die Erkenntnistheorie zu einer metakritischen Auflösung von Erkenntnis überhaupt weitergetrieben habe, was die "Selbstverleugnung der Reflexion" bedeute.

Samstag, 7. August 2021

Nietzsche und die ewige Wiederkehr des Gleichen

Nietzsche-Stein


1881 verbrachte Friedrich Nietzsche seinen ersten Sommer in Sils-Maria im Oberengadin. Hier im Hochgebirge, „6000 Fuß jenseits von Mensch und Zeit“, hat er an einem hellen Augustvormittag 1881 ein Offenbarungserlebnis, das er im Rückblick immer stärker mystifizieren wird: die Erkenntnis von der ewigen Wiederkehr.

Die Ewige Wiederkunft des Gleichen ist ein zentraler Gedanke in Friedrich Nietzsches Philosophie, dem zufolge sich alle Ereignisse unendlich oft wiederholen. Dieses zyklische Zeitverständnis ist für Nietzsche die Grundlage höchster Lebensbejahung. Nietzsches Gleichnis von der ewigen Wiederkehr besagt, daß das Leben der unendlichen Kreisbewegung von Entstehen und Vergehen im ewigen Spiel der Naturkräfte folgt.

Nach buddhistischer Vorstellung befinden sich alle Lebewesen in einem fortlaufenden Kreislauf aus Geburt, Werden und Tod. Das ist das Samsara. Die Ursache dafür ist das Karma. Die Befreiung vom ewigen Kreis der Die Ursache dafür ist das Karma. Die Befreiung vom ewigen Kreis der Wiedergeburt ist nur durch Erleuchtung möglich: Dann entsteht kein neues Karma mehr. Im Nirwana gibt es keine Wiedergeburt mehr, aber auch keinen Tod.

Samsara nennen Hindus und Buddhisten den ewigen Kreislauf des Lebens. Hindus und Buddhisten glauben, dass der Geist eines jedes Lebewesens nach seinem Tod immer wieder in einem neuen Körper geboren wird. Dabei entscheiden die Gedanken und Taten eines Menschen jeweils darüber, in welchem Körper, in welcher Umgebung und unter welchen Umständen er sein nächstes Leben verbringt.

Die Konstellation der äußeren Bedingungen, die (auch) unser Er-Leben ausmachen - in sehr, sehr weit entfernter Zukunft - kehrt wieder, die immerwährende Bewegung der Materie und die Abhängigkeit des Lebens-Bewusstseins von Materie und Quantenzuständen vorausgesetzt.

Nun können wir davon ausgehen, dass die Geschichte des Universums diese Wiederholung nicht mehr hergeben wird: Es berstet auseinander, bis es uns leer erscheinen müsste. Daher werden die selben Konstellationen hier wohl nicht mehr hergestellt.


Wenn wir aber annehmen, dass schon unendlich viele ähnliche Universen wie das unsere per Urknall entstanden sind und noch unendlich viele entstehen werden, dann wird Nietzsche recht gegeben werden müssen: Der Zeitraum der Ewigkeit gibt diese Möglichkeit zwingend her.

Das Heute ist ab morgen nicht für alle Ewigkeit Gestern ist, es kommt - wie die Wellen des Meeres, allerdings in unvorstellbar langen Intervallen, immer wieder. Dieses Heute in ferner Zukunft baut sich nicht auf das Heute jetzt auf. Es gibt keine Fortsetzung des Lebens jetzt.


Diese Theorie sagt lediglich aus, dass alles was ist, schon früher so war und später wieder so sein wird. Ohne Option auf Erinnerung. Erinnerung höbe ja die Gleichheit auf.

Für das Leben bedeutet Nietzsches Lehre von der ewigen Wiederkehr: Der Tod ist zwar das Ende des Lebens. Aber dieses Leben käme wieder, so wie es war. Wenn man Nietzsche glauben darf, dann wiederholt sich das Leben in einem ewigen weltlichen Kreislauf.




Nietzsche leitet aus seiner Lehre von der ewigen Wiederkehr des Gleichen das Recht ab, sich als ersten tragischen Philosophen zu sehen, der das Gegenteil des pessimsistischen Philsosophen (also Schopenhauer) ist und damit auch die Griechen in ihrer tragischen Weisheit noch übersteigt.

Literatur:


Friedrich Nietzsche: Wanderer und freier Geist
von Sabine Appel


Videos:

Die Wiederkehr des ewig Gleichen - Nihilismus - YouTube

Die ewige Wiederkehr des immer Gleichen - YouTube

Samstag, 31. Juli 2021

Jean-Jacques Rousseau und die Freiheit in der Krise



In Corona-Zeiten wird die Freiheit im Hinblick auf die Gewährung von Rechten neu verhandelt. In der Krise sind ganz neuze Formen der Freiheit entstanden. Die Freiheit der bereits Geimpften, die Freiheit der Nichtgeimpften und der Impfunwilligen, sich nicht Impfen zu lassen.

In Debatten über das Corona-Virus werden der Erhalt der Gesundheit von möglichst vielen Menschen und die Freiheit des Einzelnen häufig als diametrale Gegensätze dargestellt. Nur Einschränkungen und Verbote könnten die Verbreitung der Krankheit aufhalten. Vor diesem Hintergrund wird nun selbst die Pflicht zum Tragen eines Mundschutzes im öffentlichen Raum, die in Deutschland ab diesem Montag gilt, von vielen als weiterer Eingriff in ihre Rechte verstanden - die nächste Stufe der staatlich verordneten Restriktionen.

Wie kann ich diese am besten schützen? Da die Pandemie noch lange nicht vorbei ist, muss der Schutz der Mitmenschen auf absehbare Zeit all unser Handeln prägen, wenn wir wieder miteinander in Kontakt treten.

Das eine ist der zwingende Abstand von zwei Metern zu allen anderen. Das andere ist das unbedingte Tragen einer Maske. Untersuchungen haben gezeigt, dass eine einfache Maske nicht viel dazu beiträgt, eine Person vor einer Ansteckung zu schützen, aber sie kann wirksam verhindern, dass jemand andere ansteckt. Effektiver Schtuz funktioniert nur wechselseitig: Eine Person schützt andere im täglichen Leben und andere wiederum schützen diese vor ihnen.

Damit der Herden-Schutz jedoch funktioniert, müssen alle mitmachen und genau hier kommt Rousseau ins Spiel. Im »Gesellschaftsvertrag«, dem »Contrat social«, seiner monumentalen Abhandlung aus dem Jahr 1762, legte der Philosoph dar, wie der einzelne einen "Souverän" legitimiert, der dann den allgemeinen Willen als Gemeinwohl durchsetzt. Aber, wie Rousseau einräumt, kann das individuelle Eigeninteresse ein ganz anders sein, als das Interesse der Gemeinschaft.

Diese individuellen Eigeninteressen sind wohl besonders hoch in Deutschland, das bisher von den hohen Opferzahlen anderer Nationen verschont geblieben ist. Viele glauben daher, das Schlimmste sei vorbei, und wollen wieder ihr altes Leben zurück. Oder sie glauben, alles sei unter Kontrolle und lassen deshalb alle Vorsicht fahren. Dort, wo ich lebe, legen die Massen von Menschen unterwegs mit unbedeckten Gesichtern, diesen Schluss jedenfalls nahe.

Regeln müssen durchgesetzt werden. Oder, um es mit Rousseaus Worten zu sagen: Wir müssen zum Gehorsam gezwungen werden, denn dies "bedeutet nichts weniger, als dass jeder Einzelne gezwungen wird, frei zu sein". Seiner Meinung nach erhöhen die von allen eingehaltenen Regeln unsere Freiheit, da sie uns vor "persönlicher Abhängigkeit" schützen. Ob nun mit mündlichen Ermahnungen, Platzverweisen oder sogar Geldstrafen - die Einschränkungen dieser nächsten Phase im Kampf gegen das Coronavirus müssen von allen eingehalten werden. Nur dann können sie jeden Menschen davor schützen, dass sein individuelles Recht - einschließlich des Rechts, von einem anderen nicht verletzt zu werden - durch die Launen eines anderen verletzt wird. Die erzwungenen Einschränkungen für alle maximieren die Rechte jedes Einzelnen in der Gesellschaft.

Samstag, 27. Februar 2021

»Eine Theorie der Gerechtigkeit« von John Rawls

Eine Theorie der Gerechtigkeit


Eine Theorie der Gerechtigkeit


John Rawls Hauptwerk "Eine Theorie der Gerechtigkeit" ist zweifellos ein Klassiker der praktischen Philosophie. Auf der Grundlage der klassischen Vertragstheorie - mit allerlei Rückgriffen auf Kant, Locke und Rousseau - entwickelt Rawls entlang der Grundgedanken der Entscheidungs- und Spieltheorie eine moderne Konzeption der Gerechtigkeit und damit der gesellschaftlichen Institutionen insgesamt. Das Werk gilt als das Standardwerk der Gerechtigkeitsforschung des 20. Jahrhunderts, auf das sich alle weiteren Entwicklungen zum Thema Gerechtigkeit im 20. Und 21. Jahrhundert beziehen.

Es gilt als Verdienst von John Rawls, dass er der klassischen politischen Theorie, in denen die Klassiker von Platon und Aristoteles nach wie vor eine dominante Rolle einnehmen, eine Wiederbelebung in der Moderne verpasst hat. Mit seiner Theorie der Gerechtigkeit gelang ihm eine Symbiose von liberalem und sozialem Denken – oder einfacher ausgedrückt von „linkem“ und „rechtem“ Gedankengut.

Denn seine Argumentation, die er in seinen bekannten zwei Gerechtigkeitsgrundsätzen zusammenfasst, zielt sowohl auf eine möglichst große Zahl von Grundrechten und trägt somit dem liberalen Denken Rechnung als auch auf die soziale Gerechtigkeit, insofern er soziale Ungleichheiten im Staat nur dann für gerechtfertigt hält, wenn sie den sozial Schwachen zugutekommen. Zur Begründung seiner Grundsätze benutzt er ein fiktives Szenario, das er Urzustand nennt. In diesem beraten Protagonisten über das Modell eines künftiges Staates, ohne ihre soziale Rolle und ihre Fähigkeiten in diesem zu kennen. Sie beraten unter dem sog. „Schleier des Nichtwissens“.

Seine politischen Vorstellungen kommen im Ganzen sehr idealistisch daher, denn es scheint klar zu sein, dass eine größtmögliche Anzahl von Freiheits- und Grundrechten leider nur dann möglich ist, wenn bestimmte andere Freiheiten eingeschränkt werden. Völlige Freiheit würde Anarchie bedeuten, das wäre dann aber überhaupt kein Staat mehr und wohl auch nicht mehr im Sinne von Rawls. Gerechtigkeit und liberales Denken stehen demnach in einem gewissen Spannungsverhältnis, da eine wirklich liberale Gesellschaft – gemäß ihrer Überzeugung – auch gewisse Abweichungen vom Recht bzw. der Gerechtigkeit in Kauf nehmen sollte.

Auch die Forderung nach Verteilungsgerechtigkeit aus dem zweiten Grundsatz scheint insofern schwierig zu sein, da es schwer zu bemessen ist, wann soziale Ungleichheiten den sozial Schwachen auch nützen und ob eine derartige Regel überhaupt mit den vorherrschenden gesellschaftlichen Kräften durchsetzbar wäre. Daneben schweift Rawls auch noch in den Bereich der Ethik ab. Der gute Mensch ist für ihn gemäß seiner politischen Philosophie der „gerechte“ Mensch, der sich um der Gerechtigkeit willen für die beiden Gerechtigkeitsgrundsätze von Rawls - hier betreibt Rawls Werbung in eigener Sache - entscheiden würde, um somit eine liberale und zugleich soziale Gesellschaft zu ermöglichen. Die Theorie der Gerechtigkeit ist ein eindrucksvolles Plädoyer für eine liberal-soziale Gesellschaft – obgleich von hohem Idealismus getragen.

Wer sich für die egalitäre Gesellschaftstheorie interessiert, kommt an diesem Werk nicht vorbei. Der detaillierte Aufbau seiner "Theorie der Gerechtigkeit" lässt Rawls zu Recht als einen hervoragenden Denker und Theoretiker verstehen. Die Kritik seitens der Libertärianer, insbesondere Nozicks mögen für Manchen von Relevanz sein, sprechen aber dieser Gesellschaftstheorie, im Sinne einer Vertragstheorie nicht die Bedeutung für eine gerechtere Gesellschaft ab.

Rawls "Theorie der Gerechtigkeit" besagt, daß in einem Urzustand der menschlichen Gesellschaft zwei Grundsätze aufgestellt würden: Die Gleichheit der Grundrechte und -pflichten und der Grundsatz, daß soziale und wirtschaftliche Ungleichheiten nur dann gerecht sind, wenn sich aus ihnen Vorteile für jedermann ergeben. Bestehende Ungerechtigkeiten sind dann noch sinvoll, wenn die Verteilung immer noch besser ist, wenn auch noch der schwächste der Gesellschaft davon profitiert.

Arg verkürzt lässt sich dies auf die Formel herunterbrechen: "Eine Gesellschaft ist dann gerecht, wenn es dem am schlechtesten Gestellten am besten geht (im Vergleich zu allen anderen möglichen Welten)." Damit stellt sich Rawls der Auffassung des klassischen Utilitarismus entgegen, wonach der höchste Grad an Gerechtigkeit erreicht wäre, wenn die größte Anzahl von Individuen das größtmögliche Maß an Glück erzielte.

"Die Grundlagen der Gerechtigkeit werden hinter dem Schleier des Nichtwissens gewählt."



Literatur:

Eine Theorie der Gerechtigkeit
Eine Theorie der Gerechtigkeit
von John Rawls


Video:

John Rawls' geniale Theorie der Gerechtigkeit einfach erklärt - Youtube

Samstag, 13. Februar 2021

Corona und der kritische Geist


Das Corona-Virus scheint auch den kritischen Geist befallen zu haben, denn viele Entscheidungen scheinen erstaunlich unzureichend fundiert zu fallen. Kritisch heißt, sich seine eigenen Meinung zu bilden. Das Subjekt ist der Träger der Erkenntis.

Von Experten empfohlene Handlungen führen in der Politik meist zu Problemen mit der Legitimation. Dabei ist doch gerade kritischer Geist nötig, um die bestehenden Zustände zu hinterfragen und die in einer Krise nötigen pragmatischen Entscheidungen fundiert treffen zu können.

Zu einem kritischen Geist, der im Gegensatz zu einem platonischen Geist steht, gehören die Kantischen Forderungen »Wage es, weise zu sein.« sowie »Habe Mut, dich deines Verstandes zu bedienen.«

Ein kritischer Geist ist für einen tiefen Blick auf den tiefen Grund, den analytischen Zugang zu Problemen, das Erkennen von Zusammenhängen, das Abwägen der Alternativen und das Abschätzen der Folgen politischer Handlungen, zur Lösung von drängenden Problemen in der Krise notwendig. Der unreflektierte Geist als sein blasser Vertreter ist dagegen für einfache Lösungen schnell zur Hand .

Ein kritischer Geist wird die Alternativen von Handlungen sorgfältig abwägen und zu einer angemessenen, ausgewogenen und (sozial) gerechten Lösung finden. Für diesen sind dabei Lösungen von vornherein (a priori) alles andere als alternativlos.


Nur vom kritischen Geist getragen, ist eine Krise zu bewältigen. Dazu gehört die Sammlung und Überprüfung der Tatsachen, die abschließende Entscheidung auf Basis der erhobenen Daten.

»Also Wage es, kritisch zu sein und die Zustände zu hinterfragen!« möchte man den politischen Akteuren in der Krise zurufen. Dann würden sie die momentane Lage womöglich anders als alternativlos einschätzen. - Übrigens: Politische Ratschläge werden vom kritischen Geist rezeptfrei erteilt.

Kant-Kritiken in vier Bänden:

Die drei Kritiken, 4 Bde.
Die drei Kritiken
4 Bände
von Immanuel Kant

Samstag, 9. Januar 2021

»Pandemie!: COVID-19 erschüttert die Welt« von Slavoj Žižek

Pandemie!: COVID-19 erschüttert die Welt


Für Hegel ist Philosophie ihre Zeit, in Gedanken gefasst und so fasst der slowenische Star-Philosoph Slavoj Žižek die heutige Zeit der Pandemie ebenfalls in essayistische Gedanken. Dabei entstanden ist sein Werk »Pandemie!: COVID-19 erschüttert die Welt« - eine Textsammlung von Slavoj Žižek zum Thema der grassierende Pandemie, die längst zum globalen Fluch geworden ist.

Der Planet wurde von einer beispiellosen globalen Pandemie erfasst, eine Erschütterung, welche die globalisierte Welt und die Menschen tief getroffen hat. Wer könnte ihre tiefere Bedeutung besser ergründen, ihre schwindelerregenden Paradoxien besser aufzeigen und über die Folgen und deren Tragweite eindringlicher spekulieren als der einflussreiche slowenische Philosoph Slavoj Žižek – und das auf atemberaubende, schweißtreibende Art und Weise.

Wir leben in einer Zeit, in welcher der größte Ausdruck von Liebe darin besteht, zum Objekt seiner Zuneigung Distanz zu halten; in der Regierungen, die für die rücksichtslose Kürzung öffentlicher Ausgaben bekannt sind, plötzlich wie von Zauberhand Milliarden bereitstellen können; in der Toilettenpapier zu einer Ware wird, die kostbar ist als Diamanten. Interessant ist seine Schlußfolgerung aus der Krise: Es ist eine Zeit, in der, so Žižek, eine neue Form des Kommunismus der einzige Weg sein wird, um den Abstieg in globale Barbarei abzuwenden.

Eine neue Form des Kommunismus der einzige Weg sein wird,
um den Abstieg in globale Barbarei abzuwenden.
Mit seinem lebendigen Schreibstil und Hang zu populärkulturellen Analogien (Quentin Tarantino und H.G. Wells treffen hier auf Hegel und Marx) liefert Žižek eine ebenso scharfsinnige wie provokative Momentaufnahme dieser Krise, die sich mehr und mehr ausbreitet und uns alle erfasst.

Literatur:

Pandemie!: COVID-19 erschüttert die Welt von Slavoj Žižek

Samstag, 2. Januar 2021

Die gesellschaftliche Bedeutung der Philosophie (E)


Die Philosophie sieht sich in Zeiten einer sich rasant verändernden Welt in der Verantworung, Beiträge für die notwendige Gestaltung der Gesellschaft zu liefern. Es gibt eine Einsicht: Nur ein verantwortungsvoller Umgang mit der Welt kann die Welt noch retten.

Es ist die Aufgabe der Philosophie, durch gedanklich Auseindersetzung mit den relevanten Themen der Zeit Diskurse anzustoßen und gesellschaftliche Debatten zu entfachen

Demokratie braucht die Möglichkeit zur Diskussion, denn dort wo diskutiert wird, können im Wettstreit der Ideen bessere Lösungen gefunden werden. Die Debatte ist die Grundlage für eine Diskussion über relevante Themen. Dort, wo keine Debatte geführt wird, gibt es keine Diskussion über notwendige Veränderungen

Die Philosophie sieht sich nicht in der Verantwortung, notwendige Debatten zur aktuellen Themen wie Klimaschutz, Energiewende, etc. anzustoßen, um einen Konsons für die notwendige Umgestaltung zu finden.

Für eine Debatte ist eine kritische Reflektion der Gesellschaft nötig.

Samstag, 28. November 2020

Friedrich Engels 200. Geburtstag

Friedrich Engels

Friedrich Engels wurde vor 200 Jahren am 28. November 1820 in Barmen in der preußischen Provinz Jülich-Kleve-Berg als Sohn eines erfolgreichen Baumwollfabrikanten geboren. Friedrich Engels war ein deutscher Philosoph, Gesellschaftstheoretiker, Historiker, Journalist und kommunistischer Revolutionär. Darüber hinaus war er ein erfolgreicher Unternehmer in der Textilindustrie. Er entwickelte gemeinsam mit Karl Marx die heute als Marxismus bezeichnete Gesellschafts- und Wirtschaftstheorie.

Trotz seiner Herkunft aus einer Unternehmerfamilie, entschied er sich, für eine andere Gesellschaft zu kämpfen, in welcher der Mensch von der Ausbeutung befreit ist. Gemeinsam mit seinem jahrelangen Freund und Genossen Karl Marx entwickelte er die marxistische Gesellschafts- und Wirtschaftstheorie. Als Mitverfasser vom »Kommunistischen Manifest« und Autor zahlreicher revolutionärer Schriften leistete er eine enorme Arbeit für den Sozialismus und verurteilte bis zu seinem Lebensende die kapitalistische Gesellschaft.

Engels beschäftigte sich schon vor Marx mit der Kritik der politischen Ökonomie. Die 1844 erschienenen Umrisse zu einer Kritik der Nationalökonomie wurden für Marx zum Ausgangspunkt seiner eigenen Arbeiten. Bereits 1845 erschien die gemeinsame Schrift Die heilige Familie, mit der Engels und Marx begannen, ihr Theorieverständnis zu formulieren. Im Jahr 1848 verfassten sie im Auftrag des Bundes der Kommunisten das »Kommunistische Manifest«.


Mit seiner einflussreichen Untersuchung »Die Lage der arbeitenden Klasse in England« (1845) gehörte Engels zu den Pionieren der empirischen Soziologie. Seine publizistische Tätigkeit trug wesentlich zur Verbreitung des Marxismus bei. Neben dem »Anti-Dühring« (1877) erfuhr vor allem die Kurzfassung »Die Entwicklung des Sozialismus von der Utopie zur Wissenschaft« (1880) starke Resonanz.

Karl Marx

Nach dem Tod von Marx übernahm Engels die führende Rolle in der internationalen Arbeiterbewegung. Nach Marx’ Tod 1883 gab Engels den zweiten und den dritten Band von dessen Hauptwerk, »Das Kapital. Kritik der politischen Ökonomie«, heraus. Darüber hinaus setzte er die Arbeit an der theoretischen Ausformung ihrer gemeinsamen Weltanschauung fort, unter anderem in »Der Ursprung der Familie, des Privateigenthums und des Staats« (1884) und »Ludwig Feuerbach und der Ausgang der klassischen deutschen Philosophie« (1888).

Neben seinen ökonomischen und philosophischen Studien befasste sich Engels auch intensiv mit der Entwicklung der Naturwissenschaften und der Mathematik und schuf damit den Grundstein für den späteren dialektischen Materialismus. Engels leistete eine enorme Arbeit für den Sozialismus und verurteilte bis zu seinem Lebensende die kapitalistische Gesellschaft.

Die Gefahr eines Weltkriegs in Europa sah er deutlich voraus und versuchte noch 1893 mit einer Artikelserie im Vorwärts einen Anstoß zur Reduzierung der stehenden Heere zu geben. Friedrich Engels starb am 5. August 1895 in London.

Videos:

Friedrich Engels - Der vergessene Wuppertaler - YouTube

Friedrich Engels. Grundsätze des Kommunismus. 1847 - Youtube


Samstag, 7. November 2020

Albert Camus und die Revolte

Albert Camus

Seinem »Mensch in der Revolte« setzte Albert Camus ein Zitat aus Hölderlins »Tod des Empedokles« voraus. Wie Camus war auch Hölderlin ein Licht- und Südensehnsüchtiger.

Empedokles hat sich in den Ätna gestürzt. Camus jedoch, von Algier nach Paris gewechselt, mit den Erfahrungen des Weltkriegs, der Résistance, des Faschismus und des Stalinismus, er setzt in so entzauberter Zeit auf die Revolte. Gegen den Selbstmord als mögliche Flucht. Gegen den (Massen-)Mord als tödliche Frucht der Ismen, der Religionen und Ideologien. Das macht diesen Camus so radikal gegenwärtig. Er ist der philosophische Dichter am Ende nicht der Geschichte, aber am Ende der Ideologien.

Im berühmten »Mythos von Sisyphos«, der wie »Der Fremde« 1942 erschien, war es die Revolte des Einzelnen, die selbst dem nie endenden Bergaufrollen des Sisyphos-Felsen die Würde des Absurden gibt. Die Verbindung von Verzweiflung und Glück. Wobei das Absurde nicht das Sinnlose ist.

In seinem Buch »Der Mensch in der Revolte« wandte sich Camus gegen alle Spielarten eines totalitären Sozialismus – und gegen Sartre, der Stalins Gulag als notwendiges Übel ansah, um die Ideale des Kommunismus zu verwirklichen. Camus entgegnete dem, «dass die menschliche Person über dem Staat steht», und rief gegen ein instrumentelles Denken und Handeln zur Revolte der Humanität auf. Deshalb engagierte er sich in der Résistance, deshalb prangerte er den Terror Stalins an. Und deshalb forderte er nur einen Tag nach den Nürnberger Prozessen 1949 die weltweite Abschaffung der Todesstrafe, während allerorten Blut mit Blut vergolten wurde. In seiner Nobelpreisrede betonte Camus 1957: »Jede Generation sieht zweifelsohne ihre Aufgabe darin, die Welt neu zu erbauen. Meine Generation jedoch weiss, dass sie sie nicht neu erbauen wird. Aber vielleicht fällt ihr eine noch grössere Aufgabe zu. Sie besteht darin, den Zerfall der Welt zu verhindern.«

Womit auch ein Klima- und Eisbärschützer am Rande der Arktis oder ein afrikanischer Brunnenbohrer, der heute scheinbar hoffnungslos gegen die Gletscherschmelze oder die Saheldürre ankämpft, seine existenzielle, tätige Würde erhält. Den Heroismus des Einzelnen aber mit der Gemeinschaft zu verbinden, dafür steht die „Revolte“. Doch ihr Wert legitimiert keinen Terror.

Weblink:

Im Licht des Mittags - www.tagesspiegel.de/kultur

Samstag, 17. Oktober 2020

Arthur Schopenhauers Pessimismus

Arthur Schopenhauer

Arthur Schopenhauer Denken wurde stark geprägt zum einen von Platon, insbesondere von dem sogenannten "Höhlen-Gleichnis". Dort zeigt sich für ihn eben das "Erkennen", das zugleich ein "anderes Sein" bedeutet. Es ging für Schopenhauer nicht mehr darum die Gegenstände besser zu sehen, sondern in der Sonne zu sein.

Arthur Schopenhauer war Pessimist und er war auch Misanthrop, beiden Einstellung sollten sein Leben prägen und seine Philosophie beeinflussen. Der Pessimismus war eine Schlussfolgerung, die Schopenhauer aus seiner Philosophie, die sehr tiefgründig und weitreichend ist, und durchaus nicht wissenschaftlichen Beweisen entbehrt, wie manche etwa behaupten mögen, gezogen hat, und bloß eine von vielen "möglichen" Schlussfolgerungen.

Was ist denn eigentlich Pessimismus? Der Pessimismus besagt ja bloß: "Der Mensch ist ein nach Glück und Freude strebendes Wesen. Er kann aber Glück und Freude nicht erreichen, weil beides bloß Illusionen sind. Das Böse und das Leid prägt unser aller Existenz, nichts ist gewisser als das Leiden. Daher steht uns von diesem Lebens nichts zu erwarten. Wir müssen uns vom Leben, von jeder Möglichkeit des Lebens befreien."

Diese Aussage gleicht auch der von Buddha, der einst gesagt hat: "Alles ist Leiden. Geburt ist Leiden, Leben ist Leiden, Alter ist Leiden, Tod ist Leiden. Das nicht bekommen, was man will, ist Leiden; dass einem das, was man vermeiden möchte, zuteil wird, ist Leiden. Von Liebendem getrennt sein ist Leiden, usw."

Es ist nichtalles Pessimismus, war trübe ercheint. Als Ausweg aus dem Leid der Menschen sah Schopenhauer, die Kunst, die Musik und Muße an.br />

Samstag, 10. Oktober 2020

»Manifest der Kommunistischen Partei« von Karl Marx und Friedrich Engels

1848 erschien das »Kommunistische Manifest« von Karl Marx. Auf das Versprechen der Französischen Revolution waren die Eroberungskriege Napoleons gefolgt und darauf die politische Restauration in
Europa. Eine neue politische Bewegung protestierte dagegen. Sie verstand sich als Avantgarde des kommenden Zeitgeistes, der die Hoffnungen der Französischen Revolution in der Zukunft einlösen sollte. In Marx‘ berühmter Einleitung verbreitet der neue Geist Angst und Schrecken unter sei
nen Feinden. Er klingt, als würde er mit den Ketten der Proletarier rasseln, die diese bald abwerfen wollten:

„Ein Gespenst geht um in Europa – das Gespenst des Kommunismus. Alle Mächte des alten Europa haben sich zu einer heiligen Hetzjagd gegen dies Gespenst verbündet, der Papst und der Zar, Metternich und Guizot, französische Radikale und deutsche Polizisten. Es ist hohe Zeit, daß die Kommunisten ihre Anschauungsweise, ihre Zwecke, ihre Tendenzen vor der ganzen Welt offen darlegen und dem Märchen vom Gespenst des Kommunismus ein Manifest der Partei selbst entgegenstellen.“

Ein Gespenst geht um in Europa - das Gespenst des Kommunismus.
Alle Mächte des alten Europa haben sich zu einer heiligen Hetzjagd gegen dies Gespenst verbündet, der Papst und der Zar, Metternich und Guizot, französische Radikale und deutsche Polizisten.

Wo ist die Oppositionspartei, die nicht von ihren regierenden Gegnern als kommunistisch verschrien worden wäre, wo die Oppositionspartei, die den fortgeschritteneren Oppositionsleuten sowohl wie ihren reaktionären Gegnern den brandmarkenden Vorwurf des Kommunismus nicht zurückgeschleudert hätte?

Zweierlei geht aus dieser Tatsache hervor.
>Der Kommunismus wird bereits von allen europäischen Mächten als eine Macht anerkannt.

Es ist hohe Zeit, daß die Kommunisten ihre Anschauungsweise, ihre Zwecke,
ihre Tendenzen vor der ganzen Welt offen darlegen und dem Märchen vom Gespenst des Kommunismus ein Manifest der Partei selbst entgegenstellen.

Zu diesem Zweck haben sich Kommunisten der verschiedensten Nationalität in London versammelt und das folgende Manifest entworfen, das in englischer, französischer, deutscher, italienischer, flämischer und dänischer Sprache veröffentlicht wird.

Bourgeois und Proletarier

Die Geschichte aller bisherigen Gesellschaft ist die Geschichte von Klassenkämpfen.
Freier und Sklave, Patrizier und Plebejer, Baron und Leibeigener, Zunftbürger und
Gesell, kurz, Unterdrücker und Unterdrückte standen in stetem Gegensatz zueinander, führten einen ununterbrochenen, bald versteckten, bald offenen Kampf, einen Kampf,
der jedesmal mit einer revolutionären Umgestaltung der ganzen Gesellschaft endete oder mit dem gemeinsamen Untergang der kämpfenden Klassen.

In den früheren Epochen der Geschichte finden wir fast überall eine vollständige Gliederung der Gesellschaft in verschiedene Stände, eine mannigfaltige Abstufung der gesellschaftlichen Stellungen. Im alten Rom haben wir Patrizier, Ritter, Plebejer, Sklaven; im Mittelalter Feudalherren, Vasallen, Zunftbürger, Gesellen, Leibeigene, und noch dazu in fast jeder dieser Klassen besondere Abstufungen.
Die aus dem Untergang der feudalen Gesellschaft hervorgegangene moderne bürgerliche Gesellschaft hat die Klassengegensätze nicht aufgehoben.
Sie hat nur neue Klassen, neue Bedingungen der Unterdrückung, neue Gestaltungen des Kampfes an die Stelle der alten gesetzt.

Unsere Epoche, die Epoche der Bourgeoisie, zeichnet sich jedoch dadurch aus,
daß sie die Klassengegensätze vereinfacht hat. Die ganze Gesellschaft spaltet sich mehr und mehr in zwei große feindliche Lager, in zwei große, einander direkt gegenüberstehende Klassen: Bourgeoisie und Proletariat.

Aus den Leibeigenen des Mittelalters gingen die Pfahlbürger der ersten Städte hervor; aus dieser Pfahlbürgerschaft entwickelten sich die ersten Elemente der Bourgeoisie.
Die Entdeckung Amerikas, die Umschiffung Afrikas schufen der aufkommenden Bourgeoisie ein neues Terrain. Der ostindische und chinesische Markt, die Kolonisierung von Amerika, der Austausch mit den Kolonien, die Vermehrung der Tauschmittel und der Waren überhaupt gaben dem Handel, der Schiffahrt, der Industrie einen nie gekannten Aufschwung und damit dem revolutionären Element in der zerfallenden feudalen Gesellschaft eine rasche Entwicklung.
Die bisherige feudale oder zünftige Betriebsweise der Industrie reichte nicht mehr aus für den mit neuen Märkten anwachsenden Bedarf. Die Manufaktur trat an ihre Stelle. Die Zunftmeister wurden verdrängt durch den industriellen Mittelstand; die Teilung der Arbeit zwischen den verschiedenen Korporationen verschwand vor der Teilung der Arbeit in der einzelnen Werkstatt selbst.
Aber immer wuchsen die Märkte, immer stieg der Bedarf.
Auch die Manufaktur reichte nicht mehr aus. Da revolutionierte der Dampf und die Maschinerie die industrielle Produktion.
An die Stelle der Manufaktur trat die moderne große Industrie, an die Stelle des industriellen Mittelstandes traten die industriellen Millionäre, die Chefs ganzer industrieller Armeen,
die modernen Bourgeois.

Die große Industrie hat den Weltmarkt hergestellt, den die Entdeckung Amerikas vorbereitete. Der Weltmarkt hat dem Handel, der Schiffahrt, den Landkommunikationen eine unermeßliche Entwicklung gegeben.
Diese hat wieder auf die Ausdehnung der Industrie zurückgewirkt, und in demselben Maße, worin Industrie, Handel, Schiffahrt, Eisenbahnen sich ausdehnten, in demselben Maße entwickelte sich die Bourgeoisie, vermehrte sie ihre Kapitalien, drängte sie alle vom Mittelalter her überlieferten Klassen in den Hintergrund.

Wir sehen also, wie die moderne Bourgeoisie selbst das Produkt eines langen Entwicklungsganges, einer Reihe von Umwälzungen in der Produktions- und Verkehrsweise ist.
Jede dieser Entwicklungsstufen der Bourgeoisie war begleitet von einem entsprechenden politischen Fortschritt. Unterdrückter Stand unter der Herrschaft der Feudalherren, bewaffnete und sich selbst verwaltende Assoziation in der Kommune, hier unabhängige städtische Republik, dort dritter steuerpflichtiger Stand der Monarchie, dann zur Zeit der Manufaktur Gegengewicht gegen den Adel in der ständischen oder in der absoluten Monarchie, Hauptgrundlage der großen Monarchien überhaupt, erkämpfte sie sich endlich seit der Herstellung der großen Industrie und des Weltmarktes im modernen Repräsentativstaat die ausschließliche politische Herrschaft.
Die moderne Staatsgewalt ist nur ein Ausschuß, der die gemeinschaftlichen Geschäfte der ganzen Bourgeoisklasse verwaltet.
                                                                                                                        

Die Bourgeoisie hat in der Geschichte eine höchst revolutionäre Rolle gespielt.

Die Bourgeoisie, wo sie zur Herrschaft gekommen, hat alle feudalen, patriarchalischen, idyllischen Verhältnisse zerstört.
Sie hat die buntscheckigen Feudalbande, die den Menschen an seinen natürlichen Vorgesetzten knüpften, unbarmherzig zerrissen und kein anderes Band zwischen Mensch und Mensch übriggelassen als das nackte Interesse, als die gefühllose "bare Zahlung".
Sie hat die heiligen Schauer der frommen Schwärmerei, der ritterlichen Begeisterung,
der spießbürgerlichen Wehmut in dem eiskalten Wasser egoistischer Berechnung ertränkt. Sie hat die persönliche Würde in den Tauschwert aufgelöst und an die Stelle der zahllosen verbrieften und wohlerworbenen Freiheiten die eine gewissenlose Handelsfreiheit gesetzt.
Sie hat, mit einem Wort, an die Stelle der mit religiösen und politischen Illusionen verhüllten Ausbeutung die offene, unverschämte, direkte, dürre Ausbeutung gesetzt.

Die Bourgeoisie hat alle bisher ehrwürdigen und mit frommer Scheu betrachteten Tätigkeiten ihres Heiligenscheins entkleidet.
Sie hat den Arzt, den Juristen, den Pfaffen, den Poeten,
den Mann der Wissenschaft in ihre bezahlten Lohnarbeiter verwandelt.

Die Bourgeoisie hat dem Familienverhältnis seinen rührend-sentimentalen Schleier abgerissen und es auf ein reines Geldverhältnis zurückgeführt.
Die Bourgeoisie hat enthüllt, wie die brutale Kraftäußerung, die die Reaktion so sehr am Mittelalter bewundert, in der trägsten Bärenhäuterei ihre passende Ergänzung fand. Erst sie hat bewiesen, was die Tätigkeit der Menschen zustande bringen kann. Sie hat ganz andere Wunderwerke vollbracht als ägyptische Pyramiden, römische Wasserleitungen und gotische Kathedralen, sie hat ganz andere Züge ausgeführt als Völkerwanderungen und Kreuzzüge.
                                                                                                                    

Die Bourgeoisie kann nicht existieren, ohne die Produktionsinstrumente, also die Produktionsverhältnisse, also sämtliche gesellschaftlichen Verhältnisse fortwährend zu revolutionieren. Unveränderte Beibehaltung der alten Produktionsweise war dagegen die erste Existenzbedingung aller früheren industriellen Klassen.
Die fortwährende Umwälzung der Produktion, die ununterbrochene Erschütterung aller gesellschaftlichen Zustände, die ewige Unsicherheit und Bewegung zeichnet die Bourgeoisepoche vor allen anderen aus.
Alle festen eingerosteten Verhältnisse mit ihrem Gefolge von altehrwürdigen Vorstellungen und Anschauungen werden aufgelöst, alle neugebildeten veralten, ehe sie verknöchern können.
Alles Ständische und Stehende verdampft, alles Heilige wird entweiht, und die Menschen sind endlich gezwungen, ihre Lebensstellung, ihre gegenseitigen Beziehungen mit nüchternen Augen anzusehen.

Das Bedürfnis nach einem stets ausgedehnteren Absatz für ihre Produkte jagt die Bourgeoisie über die ganze Erdkugel.
Überall muß sie sich einnisten, überall anbauen, überall Verbindungen herstellen.

Die Bourgeoisie hat durch ihre Exploitation des Weltmarkts die Produktion und Konsumption aller Länder kosmopolitisch gestaltet. Sie hat zum großen Bedauern der Reaktionäre den nationalen Boden der Industrie unter den Füßen weggezogen.
Die uralten nationalen Industrien sind vernichtet worden und werden noch täglich vernichtet. Sie werden verdrängt durch neue Industrien, deren Einführung eine Lebensfrage für alle zivilisierten Nationen wird, durch Industrien, die nicht mehr einheimische Rohstoffe, sondern den entlegensten Zonen angehörige Rohstoffe verarbeiten und deren Fabrikate nicht nur im Lande selbst, sondern in allen Weltteilen zugleich verbraucht werden.

An die Stelle der alten, durch Landeserzeugnisse befriedigten Bedürfnisse treten neue, welche die Produkte der entferntesten Länder und Klimate zu ihrer Befriedigung erheischen. An die Stelle der alten lokalen und nationalen Selbstgenügsamkeit und Abgeschlossenheit tritt ein allseitiger Verkehr, eine allseitige Abhängigkeit der Nationen voneinander. Und wie in der materiellen, so auch in der geistigen Produktion. Die geistigen Erzeugnisse der einzelnen Nationen werden Gemeingut. Die nationale Einseitigkeit und Beschränktheit wird mehr und mehr unmöglich, und aus den vielen nationalen und lokalen Literaturen bildet sich eine Weltliteratur.
Die Bourgeoisie reißt durch die rasche Verbesserung aller Produktionsinstrumente, durch die unendlich erleichterte Kommunikation alle, auch die barbarischsten Nationen in die Zivilisation. Die wohlfeilen Preise ihrer Waren sind sind die schwere Artillerie, mit der sie alle chinesischen Mauern in den Grund schießt, mit der sie den hartnäckigsten Fremdenhaß der Barbaren zur Kapitulation zwingt. Sie zwingt alle Nationen, die Produktionsweise der Bourgeoisie sich anzueignen, wenn sie nicht zugrunde gehen wollen; sie zwingt sie, die sogenannte Zivilisation bei sich selbst einzuführen, d.h. Bourgeois zu werden. Mit einem Wort, sie schafft sich eine Welt nach ihrem eigenen Bilde.
Die Bourgeoisie hat das Land der Herrschaft der Stadt unterworfen. Sie hat enorme Städte geschaffen, sie hat die Zahl der städtischen Bevölkerung gegenüber der ländlichen in hohem Grade vermehrt und so einen bedeutenden Teil der Bevölkerung dem Idiotismus des Landlebens entrissen. Wie sie das Land von der Stadt, hat sie die barbarischen und halbbarbarischen Länder von den zivilisierten, die Bauernvölker von den Bourgeoisvölkern, den Orient vom Okzident abhängig gemacht.
Die Bourgeoisie hebt mehr und mehr die Zersplitterung der Produktionsmittel, des Besitzes und der Bevölkerung auf. Sie hat die Bevölkerung agglomeriert, die Produktionsmittel zentralisiert und das Eigentum in wenigen Händen konzentriert.
Die notwendige Folge hiervon war die politische Zentralisation. Unabhängige, fast nur verbündete Provinzen mit verschiedenen Interessen, Gesetzen, Regierungen und Zöllen wurden zusammengedrängt in eine Nation, eine Regierung, ein Gesetz, ein nationales Klasseninteresse, eine Douanenlinie.

Die Bourgeoisie hat in ihrer kaum hundertjährigen Klassenherrschaft massenhaftere und kolossalere Produktionskräfte geschaffen als alle vergangenen Generationen zusammen. Unterjochung der Naturkräfte, Maschinerie, Anwendung der Chemie auf Industrie und Ackerbau, Dampfschiffahrt, Eisenbahnen, elektrische Telegraphen, Urbarmachung ganzer Weltteile, Schiffbarmachung der Flüsse, ganze aus dem Boden hervorgestampfte Bevölkerungen
- welches frühere Jahrhundert ahnte, daß solche Produktionskräfte im Schoß der gesellschaftlichen Arbeit schlummerten.

Wir haben also gesehen: Die Produktions- und Verkehrsmittel, auf deren Grundlage sich die Bourgeoisie heranbildete, wurden in der feudalen Gesellschaft erzeugt.
Auf einer gewissen Stufe der Entwicklung dieser Produktions- und Verkehrsmittel entsprachen die Verhältnisse, worin die feudale Gesellschaft produzierte und austauschte,
die feudale Organisation der Agrikultur und Manufaktur, mit einem Wort die feudalen Eigentumsverhältnisse den schon entwickelten Produktivkräften nicht mehr.
Sie hemmten die Produktion, statt sie zu fördern.
Sie verwandelten sich in ebensoviele Fesseln. Sie mußten gesprengt werden, die wurden gesprengt. An ihre Stelle trat die freie Konkurrenz mit der ihr angemessenen gesellschaftlichen und politischen Konstitution, mit der ökonomischen und politischen Herrschaft der Bourgeoisklasse.

Unter unsern Augen geht eine ähnliche Bewegung vor.
Die bürgerlichen Produktions- und Verkehrsverhältnisse, die bürgerlichen Eigentumsverhältnisse, die moderne bürgerliche Gesellschaft, die so gewaltige Produktions- und Verkehrsmittel hervorgezaubert hat, gleicht dem Hexenmeister, der die unterirdischen Gewalten nicht mehr zu beherrschen vermag, die er heraufbeschwor.
Seit Dezennien ist die Geschichte der Industrie und des Handels nur die Geschichte der Empörung der modernen Produktivkräfte gegen die modernen Produktionsverhältnisse, gegen die Eigentumsverhältnisse, welche die Lebensbedingungen der Bourgeoisie und ihrer Herrschaft sind.

Es genügt, die Handelskrisen zu nennen, welche in ihrer periodischen Wiederkehr immer drohender die Existenz der ganzen bürgerlichen Gesellschaft in Frage stellen.
In den Handelskrisen wird ein großer Teil nicht nur der erzeugten Produkte,
sondern der bereits geschaffenen Produktivkräfte regelmäßig vernichtet.
In den Krisen bricht eine gesellschaftliche Epidemie aus, welche allen früheren Epochen als ein Widersinn erschienen wäre - die Epidemie der Überproduktion.
Die Gesellschaft findet sich plötzlich in einen Zustand momentaner Barbarei zurückversetzt; eine Hungersnot, ein allgemeiner Vernichtungskrieg scheinen ihr alle Lebensmittel abgeschnitten zu haben; die Industrie, der Handel scheinen vernichtet, und warum?
Weil sie zuviel Zivilisation, zuviel Lebensmittel, zuviel Industrie, zuviel Handel besitzt.
Die Produktivkräfte, die ihr zur Verfügung stehen, dienen nicht mehr zur Beförderung der bürgerlichen Eigentumsverhältnisse.;
im Gegenteil, sie sind zu gewaltig für diese Verhältnisse geworden, sie werden von ihnen gehemmt; und sobald sie dies Hemmnis überwinden, bringen sie die ganze bürgerliche Gesellschaft in Unordnung, gefährden sie die Existenz des bürgerlichen Eigentums.
Die bürgerlichen Verhältnisse sind zu eng geworden, um den von ihnen erzeugten Reichtum zu fassen.

Wodurch überwindet die Bourgeoisie die Krisen?
Einerseits durch die erzwungene Vernichtung einer Masse von Produktivkräften;
anderseits durch die Eroberung neuer Märkte
und die gründlichere Ausbeutung alter Märkte.
Wodurch also? Dadurch, daß sie allseitigere und gewaltigere Krisen vorbereitet und die Mittel, den Krisen vorzubeugen, vermindert.

Die Waffen, womit die Bourgeoisie den Feudalismus zu Boden geschlagen hat,
richten sich jetzt gegen die Bourgeoisie selbst.

Aber die Bourgeoisie hat nicht nur die Waffen geschmiedet,
die ihr den Tod bringen; sie hat auch die Männer gezeugt, die diese Waffen führen werden - die modernen Arbeiter, die Proletarier.

In demselben Maße, worin sich die Bourgeoisie, d.h. das Kapital, entwickelt,
in demselben Maße entwickelt sich das Proletariat, die Klasse der modernen Arbeiter,
die nur so lange leben, als sie Arbeit finden, und die nur so lange Arbeit finden, als ihre Arbeit das Kapital vermehrt.
Diese Arbeiter, die sich stückweis verkaufen müssen, sind eine Ware wie jeder andere Handelsartikel und daher gleichmäßig allen Wechselfällen der Konkurrenz, allen Schwankungen des Marktes ausgesetzt.

Die Arbeit der Proletarier hat durch die Ausdehnung der Maschinerie und die Teilung der Arbeit allen selbständigen Charakter und damit allen Reiz für die Arbeiter verloren.
Er wird ein bloßes Zubehör der Maschine, von dem nur der einfachste, eintönigste,
am leichtesten erlernbare Handgriff verlangt wird.
Die Kosten, die der Arbeiter verursacht, beschränken sich daher fast nur auf die Lebensmittel, die er zu seinem Unterhalt und zur Fortpflanzung seiner Race bedarf.
Der Preis einer Ware, also auch der Arbeit, ist aber gleich ihren Produktionskosten.
In demselben Maße, in dem die Widerwärtigkeit der Arbeit wächst, nimmt daher der Lohn ab. Noch mehr, in demselben Maße, wie Maschinerie und Teilung der Arbeit zunehmen, indemselben Maße nimmt auch die Masse der Arbeit zu, sei es durch Vermehrung der Arbeitsstunden, sei es durch Vermehrung der in einer gegebenen Zeit geforderten Arbeit, beschleunigten Lauf der Maschinen usw.

Die moderne Industrie hat die kleine Werkstube des patriarchalischen Meisters in die große Fabrik des industriellen Kapitalisten verwandelt. Arbeitermassen, in der Fabrik zusammengedrängt, werden soldatisch organisiert.
Sie werden als gemeine Industriesoldaten unter die Aufsicht einer vollständigen Hierarchie von Unteroffizieren und Offizieren gestellt. Sie sind nicht nur Knechte der Bourgeoisie,
des Bourgeoisstaates, sie sind täglich und stündlich geknechtet von der Maschine, von dem Aufseher und vor allem von den einzelnen fabrizierenden Bourgeois selbst.
Diese Despotie ist um so kleinlicher, gehässiger, erbitterter, je offener sie den Erwerb als ihren Zweck proklamiert.

Je weniger die Handarbeit Geschicklichkeit und Kraftäußerung erheischt, d.h. je mehr die moderne Industrie sich entwickelt, desto mehr wird die Arbeit der Männer durch die der Weiber verdrängt. Geschlechts- und Altersunterschiede haben keine gesellschaftliche Geltung mehr für die Arbeiterklasse. Es gibt nur noch Arbeitsinstrumente, die je nach Alter und Geschlecht verschiedene Kosten machen.
Ist die Ausbeutung des Arbeiters durch den Fabrikanten so weit beendigt,
daß er seinen Arbeitslohn bar ausgezahlt erhält, so fallen die anderen Teile der Bourgeoisie über ihn her, der Hausbesitzer, der Krämer, der Pfandleiher usw.

Die bisherigen kleinen Mittelstände, die kleinen Industriellen, Kaufleute und Rentiers,
die Handwerker und Bauern, alle diese Klassen fallen ins Proletariat hinab, teils dadurch, daß ihr kleines Kapital für den Betrieb der großen Industrie nicht ausreicht und der Konkurrenz mit den größeren Kapitalisten erliegt, teils dadurch, daß ihre Geschicklichkeit von neuen Produktionsweisen entwertet wird. So rekrutiert sich das Proletariat aus allen Klassen der Bevölkerung.

Das Proletariat macht verschiedene Entwicklungsstufen durch. Sein Kampf gegen die Bourgeoisie beginnt mit seiner Existenz.
Im Anfang kämpfen die einzelnen Arbeiter, dann die Arbeiter einer Fabrik,
dann die Arbeiter eines Arbeitszweiges an einem Ort gegen den einzelnen Bourgeois,
der sie direkt ausbeutet.
Sie richten ihre Angriffe nicht nur gegen die bürgerlichen Produktionsverhältnisse,
sie richten sie gegen die Produktionsinstrumente selbst;
sie vernichten die fremden konkurrierenden Waren, sie zerschlagen die Maschinen,
sie stecken die Fabriken in Brand, die suchen die untergegangene Stellung des mittelalterlichen Arbeiters wiederzuerringen.

Auf dieser Stufe bilden die Arbeiter eine über das Land zerstreute und durch die Konkurrenz zersplitterte Masse. Massenhaftes Zusammenhalten der Arbeiter ist noch nicht die Folge ihrer eigenen Vereinigung, sondern die Folge der Vereinigung der Bourgeoisie,
die zur Erreichung ihrer eigenen politischen Zwecke das ganze Proletariat in Bewegung setzen muß und es einstweilen noch kann.

Auf dieser Stufe bekämpfen die Proletarier also noch nicht ihre Feinde,
sondern die Feinde ihrer Feinde, die Reste der absoluten Monarchie, die Grundeigentümer, die nichtindustriellen Bourgeois, die Kleinbürger.
Die ganze geschichtliche Bewegung ist so in den Händen der Bourgeoisie konzentriert;
jeder Sieg, der so errungen wird, ist ein Sieg der Bourgeoisie.

Aber mit der Entwicklung der Industrie vermehrt sich nicht nur das Proletariat;
es wird in größeren Massen zusammengedrängt, seine Kraft wächst, und es fühlt sie immer mehr.
Die Interessen, die Lebenslagen innerhalb des Proletariats gleichen sich immer mehr aus, indem die Maschinerie mehr und mehr die Unterschiede der Arbeit verwischt und den Lohn fast überall auf ein gleich niedriges Niveau herabdrückt.
Die wachsende Konkurrenz der Bourgeois unter sich und die daraus hervorgehenden Handelskrisen machen den Lohn der Arbeiter immer schwankender;
die immer rascher sich entwickelnde, unaufhörliche Verbesserung der Maschinerie macht ihre ganze Lebensstellung immer unsicherer; immer mehr nehmen die Kollisionen zwischen dem einzelnen Arbeiter und dem einzelnen Bourgeois den Charakter von Kollisionen zweier Klassen an.
Die Arbeiter beginnen damit, Koalitionen gegen die Bourgeois zu bilden;
sie treten zusammen zur Behauptung ihres Arbeitslohns. Sie stiften selbst dauernde Assoziationen, um sich für die gelegentlichen Empörungen zu verproviantieren. Stellenweis bricht der Kampf in Emeuten aus.

Von Zeit zu Zeit siegen die Arbeiter, aber nur vorübergehend.
Das eigentliche Resultat ihrer Kämpfe ist nicht der unmittelbare Erfolg,
sondern die immer weiter um sich greifende Vereinigung der Arbeiter.
Sie wird befördert durch die wachsenden Kommunikationsmittel, die von der großen Industrie erzeugt werden und die Arbeiter der verschiedenen Lokalitäten miteinander in Verbindung setzen.
Es bedarf aber bloß der Verbindung, um die vielen Lokalkämpfe von überall gleichem Charakter zu einem nationalen, zu einem Klassenkampf zu zentralisieren.
Jeder Klassenkampf ist aber ein politischer Kampf.
Und die Vereinigung, zu der die Bürger des Mittelalters mit ihren Vizinalwegen Jahrhunderte bedurften, bringen die modernen Proletarier mit den Eisenbahnen in wenigen Jahren zustande.

Diese Organisation der Proletarier zur Klasse, und damit zur politischen Partei, wird jeden Augenblick wieder gesprengt durch die Konkurrenz unter den Arbeitern selbst.
Aber sie ersteht immer wieder, stärker, fester, mächtiger.
Sie erzwingt die Anerkennung einzelner Interesse der Arbeiter in Gesetzesform, indem sie die Spaltungen der Bourgeoisie unter sich benutzt. So die Zehnstundenbill in England.

Die Kollisionen der alten Gesellschaft überhaupt fördern mannigfach den Entwicklungsgang des Proletariats.
Die Bourgeoisie befindet sich in fortwährendem Kampfe: anfangs gegen die Aristokratie; später gegen die Teile der Bourgeoisie selbst, deren Interessen mit dem Fortschritt der Industrie in Widerspruch geraten; stets gegen die Bourgeoisie aller auswärtigen Länder.
In allen diesen Kämpfen sieht sie sich genötigt, an das Proletariat zu appellieren, seine Hülfe in Anspruch zu nehmen und es so in die politische Bewegung hineinzureißen.
Sie selbst führt also dem Proletariat ihre eigenen Bildungselemente, d.h. Waffen gegen sich selbst, zu.

Es werden ferner, wie wir sahen, durch den Fortschritt der Industrie ganze Bestandteile der herrschenden Klasse ins Proletariat hinabgeworfen oder wenigstens in ihren Lebensbedingungen bedroht. Auch sie führen dem Proletariat eine Masse Bildungselemente zu.
In Zeiten endlich, wo der Klassenkampf sich der Entscheidung nähert, nimmt der Auflösungsprozeß innerhalb der herrschenden Klasse, innerhalb der ganzen alten Gesellschaft, einen so heftigen, so grellen Charakter an,
daß ein kleiner Teil der herrschenden Klasse sich von ihr lossagt und sich der revolutionären Klasse anschließt, der Klasse, welche die Zukunft in ihren Händen trägt.
Wie daher früher ein Teil des Adels zur Bourgeoisie überging, so geht jetzt ein Teil der Bourgeoisie zum Proletariat über, und namentlich ein Teil dieser Bourgeoisideologen,
welche zum theoretischen Verständnis der ganzen geschichtlichen Bewegung sich hinaufgearbeitet haben.

Von allen Klassen, welche heutzutage der Bourgeoisie gegenüberstehen, ist nur das Proletariat eine wirklich revolutionäre Klasse.
Die übrigen Klassen verkommen und gehen unter mit der großen Industrie, das Proletariat ist ihr eigenstes Produkt.

Die Mittelstände, der kleine Industrielle, der kleine Kaufmann, der Handwerker, der Bauer, sie alle bekämpfen die Bourgeoisie, um ihre Existenz als Mittelstände vor dem Untergang zu sichern. Sie sind also nicht revolutionär, sondern konservativ.
Noch mehr, sie sind reaktionär, sie suchen das Rad der Geschichte zurückzudrehen.
Sind sie revolutionär, so sind sie es im Hinblick auf den ihnen bevorstehenden Übergang ins Proletariat, so verteidigen sie nicht ihre gegenwärtigen, sondern ihre zukünftigen Interessen, so verlassen sie ihren eigenen Standpunkt, um sich auf den des Proletariats zu stellen.
- Das Lumpenproletariat, diese passive Verfaulung der untersten Schichten der alten Gesellschaft, wird durch eine proletarische Revolution stellenweise in die Bewegung hineingeschleudert, seiner ganzen Lebenslage nach wird es bereitwilliger sein, sich zu reaktionären Umtrieben erkaufen zu lassen.

Die Lebensbedingungen der alten Gesellschaft sind schon vernichtet in den Lebensbedingungen des Proletariats.
Der Proletarier ist eigentumslos; sein Verhältnis zu Weib und Kindern hat nichts mehr gemein mit dem bürgerlichen Familienverhältnis; die moderne industrielle Arbeit, die moderne Unterjochung unter das Kapital, dieselbe in England wie in Frankreich, in Amerika wie in Deutschland, hat ihm allen nationalen Charakter abgestreift.
Die Gesetze, die Moral, die Religion sind für ihn ebenso viele bürgerliche Vorurteile,
hinter denen sich ebenso viele bürgerliche Interessen verstecken.

Alle früheren Klassen, die sich die Herrschaft eroberten, suchten ihre schon erworbene Lebensstellung zu sichern, indem sie die ganze Gesellschaft den Bedingungen ihres Erwerbs unterwarfen.
Die Proletarier können sich die gesellschaftlichen Produktivkräfte nur erobern, indem sie ihre eigene bisherige Aneignungsweise und damit die ganze bisherige Aneignungsweise abschaffen.
Die Proletarier haben nichts von dem Ihrigen zu sichern, sie haben alle bisherigen Privatsicherheiten und Privatversicherungen zu zerstören.

Alle bisherigen Bewegungen waren Bewegungen von Minoritäten oder im Interesse von Minoritäten. Die proletarische Bewegung ist die selbständige Bewegung der ungeheuren Mehrzahl im Interesse der ungeheuren Mehrzahl.
Das Proletariat, die unterste Schicht der jetzigen Gesellschaft, kann sich nicht erheben,
nicht aufrichten, ohne daß der ganze Überbau der Schichten, die die offizielle Gesellschaft bilden, in die Luft gesprengt wird.

Obgleich nicht dem Inhalt, ist der Form nach der Kampf des Proletariats gegen die Bourgeoisie zunächst ein nationaler. Das Proletariat eines jeden Landes muß natürlich zuerst mit seiner eigenen Bourgeoisie fertig werden.
Indem wir die allgemeinsten Phasen der Entwicklung des Proletariats zeichneten,
verfolgten wir den mehr oder minder versteckten Bürgerkrieg innerhalb der bestehenden Gesellschaft bis zu dem Punkt, wo er in eine offene Revolution ausbricht und durch den gewaltsamen Sturz der Bourgeoisie das Proletariat seine Herrschaft begründet.

Alle bisherige Gesellschaft beruhte, wie wir gesehen haben, auf dem Gegensatz unterdrückender und unterdrückter Klassen.
Um aber eine Klasse unterdrücken zu können, müssen ihr Bedingungen gesichert sein, innerhalb derer sie wenigstens ihre knechtische Existenz fristen kann.
Der Leibeigene hat sich zum Mitglied der Kommune in der Leibeigenschaft herangearbeitet wie der Kleinbürger zum Bourgeois unter dem Joch des feudalistischen Absolutismus.
Der moderne Arbeiter dagegen, statt sich mit dem Fortschritt der Industrie zu heben,
sinkt immer tiefer unter die Bedingungen seiner eigenen Klasse herab.
Der Arbeiter wird zum Pauper, und der Pauperismus entwickelt sich noch schneller als Bevölkerung und Reichtum.

Es tritt hiermit offen hervor, daß die Bourgeoisie unfähig ist, noch länger die herrschende Klasse der Gesellschaft zu bleiben und die Lebensbedingungen ihrer Klasse der Gesellschaft als regelndes Gesetz aufzuzwingen.
Sie ist unfähig zu herrschen, weil sie unfähig ist, ihrem Sklaven die Existenz selbst innerhalb seiner Sklaverei zu sichern, weil sie gezwungen ist, ihn in eine Lage herabsinken zu lassen, wo sie ihn ernähren muß, statt von ihm ernährt zu werden.
Die Gesellschaft kann nicht mehr unter ihr leben, d.h., ihr Leben ist nicht mehr verträglich mit der Gesellschaft.

Die wesentliche Bedingung für die Existenz und für die Herrschaft der Bourgeoisklasse ist die Anhäufung des Reichtums in den Händen von Privaten, die Bildung und Vermehrung des Kapitals; die Bedingung des Kapitals ist die Lohnarbeit.
Die Lohnarbeit beruht ausschließlich auf der Konkurrenz der Arbeiter unter sich.
Der Fortschritt der Industrie, dessen willenloser und widerstandsloser Träger die Bourgeoisie ist, setzt an die Stelle der Isolierung der Arbeiter durch die Konkurrenz ihre revolutionäre Vereinigung durch die Assoziation. Mit der Entwicklung der großen Industrie wird also unter den Füßen der Bourgeoisie die Grundlage selbst hinweggezogen, worauf sie produziert und die Produkte sich aneignet. Sie produziert vor allem ihren eigenen Totengräber. Ihr Untergang und der Sieg des Proletariats sind gleich unvermeidlich.


II

Proletarier und Kommunisten

In welchem Verhältnis stehen die Kommunisten zu den Proletariern überhaupt?
Die Kommunisten sind keine besondere Partei gegenüber den andern Arbeiterparteien.
Sie haben keine von den Interessen des ganzen Proletariats getrennten Interessen.

Sie stellen keine besonderen Prinzipien auf, wonach sie die proletarische Bewegung modeln wollen.
Die Kommunisten unterscheiden sich von den übrigen proletarischen Parteien nur dadurch, daß sie einerseits in den verschiedenen nationalen Kämpfen der Proletarier
die gemeinsamen, von der Nationalität unabhängigen Interessen des gesamten Proletariats hervorheben und zur Geltung bringen, andrerseits dadurch,
daß sie in den verschiedenen Entwicklungsstufen, welche der Kampf zwischen Proletariat und Bourgeoisie durchläuft, stets das Interesse der Gesamtbewegung vertreten.

Die Kommunisten sind also praktisch der entschiedenste, immer weitertreibende Teil der Arbeiterparteien aller Länder; sie haben theoretisch vor der übrigen Masse des Proletariats die Einsicht in die Bedingungen, den Gang und die allgemeinen Resultate der proletarischen Bewegung voraus.
Der nächste Zweck der Kommunisten ist derselbe wie der aller übrigen proletarischen Parteien: Bildung des Proletariats zur Klasse, Sturz der Bourgeoisherrschaft, Eroberung der politischen Macht durch das Proletariat.
Die theoretischen Sätze der Kommunisten beruhen keineswegs auf Ideen, auf Prinzipien,
die von diesem oder jenem Weltverbesserer erfunden oder entdeckt sind.

Sie sind nur allgemeine Ausdrücke tatsächlicher Verhältnisse eines existierenden Klassenkampfes, einer unter unseren Augen vor sich gehenden geschichtlichen Bewegung. Die Abschaffung bisheriger Eigentumsverhältnisse ist nichts den Kommunismus eigentümlich Bezeichnendes.
Alle Eigentumsverhältnisse waren einem beständigen geschichtlichen Wandel, einer beständigen geschichtlichen Veränderung unterworfen.
Die Französische Revolution z.B. schaffte das Feudaleigentum zugunsten des bürgerlichen ab.
Was den Kommunismus auszeichnet, ist nicht die Abschaffung des Eigentums überhaupt, sondern die Abschaffung des bürgerlichen Eigentums.
Aber das moderne bürgerliche Privateigentum ist der letzte und vollendetste Ausdruck der Erzeugung und Aneignung der Produkte, die auf Klassengegensätzen, auf der Ausbeutung der einen durch die andern beruht.
In diesem Sinn können die Kommunisten ihre Theorie in dem einen Ausdruck: Aufhebung des Privateigentums, zusammenfassen.
Man hat uns Kommunisten vorgeworfen, wir wollten das persönlich erworbene, selbsterarbeitete Eigentum abschaffen; das Eigentum, welches die Grundlage aller persönlichen Freiheit, Tätigkeit und Selbständigkeit bilde.
Erarbeitetes, erworbenes, selbstverdientes Eigentum! Sprecht ihr von dem kleinbürgerlichen, kleinbäuerlichen Eigentum, welches dem bürgerlichen Eigentum vorherging?
Wir brauchen es nicht abzuschaffen, die Entwicklung der Industrie hat es abgeschafft und schafft es täglich ab.

Oder sprecht ihr vom modernen bürgerlichen Privateigentum?
Schafft aber die Lohnarbeit, die Arbeit des Proletariers ihm Eigentum?
Keineswegs. Sie schafft das Kapital, d.h. das Eigentum, welches die Lohnarbeit ausbeutet, welches sich nur unter der Bedingung vermehren kann, daß es neue Lohnarbeit erzeugt,
um sie von neuem auszubeuten.
Das Eigentum in seiner heutigen Gestalt bewegt sich in dem Gegensatz von Kapital und Lohnarbeit. Betrachten wir die beiden Seiten dieses Gegensatzes:

Kapitalist sein, heißt nicht nur eine rein persönliche, sondern eine gesellschaftliche Stellung in der Produktion einzunehmen.
Das Kapital ist ein gemeinschaftliches Produkt und kann nur durch eine gemeinsame Tätigkeit vieler Mitglieder, ja in letzter Instanz nur durch die gemeinsame Tätigkeit aller Mitglieder der Gesellschaft in Bewegung gesetzt werden.
Das Kapital ist also keine persönliche, es ist eine gesellschaftliche Macht.

Wenn also das Kapital in ein gemeinschaftliches, allen Mitgliedern der Gesellschaft angehöriges Eigentum verwandelt wird, so verwandelt sich nicht persönliches Eigentum in gesellschaftliches. Nur der gesellschaftliche Charakter des Eigentums verwandelt sich.
Er verliert seinen Klassencharakter.

Kommen wir zur Lohnarbeit:
Der Durchschnittspreis der Lohnarbeit ist das Minimum des Arbeitslohnes, d.h. die Summe der Lebensmittel, die notwendig sind, um den Arbeiter als Arbeiter am Leben zu erhalten. Was also der Lohnarbeiter durch seine Tätigkeit sich aneignet, reicht bloß dazu hin,
um sein nacktes Leben wieder zu erzeugen.
Wir wollen diese persönliche Aneignung der Arbeitsprodukte zur Wiedererzeugung des unmittelbaren Lebens keineswegs abschaffen, eine Aneignung, die keinen Reinertrag übrigläßt, der Macht über fremde Arbeit geben könnte. Wir wollen nur den elenden Charakter dieser Aneignung aufheben, worin der Arbeiter nur lebt, um das Kapital zu vermehren, nur so weit lebt, wie es das Interesse der herrschenden Klasse erheischt.
In der bürgerlichen Gesellschaft ist die lebendige Arbeit nur ein Mittel, die aufgehäufte Arbeit zu vermehren. In der kommunistischen Gesellschaft ist die aufgehäufte Arbeit nur ein Mittel, um den Lebensprozeß der Arbeiter zu erweitern, zu bereichern, zu befördern.

In der bürgerlichen Gesellschaft herrscht also die Vergangenheit über die Gegenwart, in der kommunistischen die Gegenwart über die Vergangenheit. In der bürgerlichen Gesellschaft ist das Kapital selbständig und persönlich, während das tätige Individuum unselbständig und unpersönlich ist.
Und die Aufhebung dieses Verhältnisses nennt die Bourgeoisie Aufhebung der Persönlichkeit und Freiheit! Und mit Recht. Es handelt sich allerdings um die Aufhebung der Bourgeois-Persönlichkeit, -Selbständigkeit und -Freiheit.
Unter Freiheit versteht man innerhalb der jetzigen bürgerlichen Produktionsverhältnisse den freien Handel, den freien Kauf und Verkauf.
Fällt aber der Schacher, so fällt auch der freie Schacher. Die Redensarten vom freien Schacher, wie alle übrigen Freiheitsbravaden unserer Bourgeoisie, haben überhaupt nur einen Sinn gegenüber dem gebundenen Schacher, gegenüber dem geknechteten Bürger des Mittelalters, nicht aber gegenüber der kommunistischen Aufhebung des Schachers, der bürgerlichen Produktionsverhältnisse und der Bourgeoisie selbst.
Ihr entsetzt euch darüber, daß wir das Privateigentum aufheben wollen. Aber in eurer bestehenden Gesellschaft ist das Privateigentum für neun Zehntel ihrer Mitglieder aufgehoben, es existiert gerade dadurch, daß es für neun Zehntel nicht existiert. Ihr werft uns also vor, daß wir ein Eigentum aufheben wollen, welches die Eigentumslosigkeit der ungeheuren Mehrzahl der Gesellschaft als notwendige Bedingung voraussetzt.
Ihr werft uns mit einem Worte vor, daß wir euer Eigentum aufheben wollen. Allerdings, das wollen wir.
Von dem Augenblick an, wo die Arbeit nicht mehr in Kapital, Geld, Grundrente, kurz, in eine monopolisierbare gesellschaftliche Macht verwandelt werden kann, d.h. von dem Augenblick, wo das persönliche Eigentum nicht mehr in bürgerliches umschlagen kann,
von dem Augenblick an erklärt ihr, die Person sei aufgehoben.

Ihr gesteht also, daß ihr unter der Person niemanden anders versteht als den Bourgeois,
den bürgerlichen Eigentümer. Und diese Person soll allerdings aufgehoben werden.

Der Kommunismus nimmt keinem die Macht, sich gesellschaftliche Produkte anzueignen,
er nimmt nur die Macht, sich durch diese Aneignung fremde Arbeit zu unterjochen.

Man hat eingewendet, mit der Aufhebung des Privateigentums werde alle Tätigkeit aufhören, und eine allgemeine Faulheit einreißen.
Hiernach müßte die bürgerliche Gesellschaft längst an der Trägheit zugrunde gegangen sein; denn die in ihr arbeiten, erwerben nicht, und die in ihr erwerben, arbeiten nicht.
Das ganze Bedenken läuft auf die Tautologie hinaus, daß es keine Lohnarbeit mehr gibt, sobald es kein Kapital mehr gibt.

Alle Einwürfe, die gegen die kommunistische Aneignungs- und Produktionsweise der materiellen Produkte gerichtet werden, sind ebenso auf die Aneignung und Produktion der geistigen Produkte ausgedehnt worden. Wie für den Bourgeois das Aufhören des Klasseneigentums das Aufhören der Produktion selbst ist, so ist für ihn das Aufhören der Klassenbildung identisch mit dem Aufhören der Bildung überhaupt. Die Bildung, deren Verlust er bedauert, ist für die enorme Mehrzahl die Heranbildung zur Maschine.
Aber streitet nicht mit uns, indem ihr an euren bürgerlichen Vorstellungen von Freiheit, Bildung, Recht usw. die Abschaffung des bürgerlichen Eigentums meßt. Eure Ideen selbst sind Erzeugnisse der bürgerlichen Produktions- und Eigentumsverhältnisse, wie euer Recht nur der zum Gesetz erhobene Wille eurer Klasse ist, ein Wille, dessen Inhalt gegeben ist in den materiellen Lebensbedingungen eurer Klasse.
Die interessierte Vorstellung, worin ihr eure Produktions- und Eigentumsverhältnisse aus geschichtlichen, in dem Lauf der Produktion vorübergehenden Verhältnissen in ewige Natur- und Vernunftgesetze verwandelt, teilt ihr mit allen untergegangenen herrschenden Klassen. Was ihr für das antike Eigentum begreift, was ihr für das feudale Eigentum begreift, dürft ihr nicht mehr begreifen für das bürgerliche Eigentum.-
Aufhebung der Familie! Selbst die Radikalsten ereifern sich über diese schändliche Absicht der Kommunisten.
Worauf beruht die gegenwärtige, die bürgerliche Familie? Auf dem Kapital, auf dem Privaterwerb. Vollständig entwickelt existiert sie nur für die Bourgeoisie; aber sie findet ihre Ergänzung in der erzwungenen Familienlosigkeit der Proletarier und der öffentlichen Prostitution.
Die Familie der Bourgeois fällt natürlich weg mit dem Wegfallen dieser ihrer Ergänzung, und beide verschwinden mit dem Verschwinden des Kapitals.
Werft ihr uns vor, daß wir die Ausbeutung der Kinder durch ihre Eltern aufheben wollen? Wir gestehen dieses Verbrechen ein.
Aber, sagt ihr, wir heben die trautesten Verhältnisse auf, indem wir an die Stelle der häuslichen Erziehung die gesellschaftliche setzen.
Und ist nicht auch eure Erziehung durch die Gesellschaft bestimmt?
Durch die gesellschaftlichen Verhältnisse,
innerhalb derer ihr erzieht,
durch die direktere oder indirektere Einmischung der Gesellschaft,
vermittelst der Schule usw.?
Die Kommunisten erfinden nicht die Einwirkung der Gesellschaft auf die Erziehung;
sie verändern nur ihren Charakter,
sie entreißen die Erziehung dem Einfluß der herrschenden Klasse.

Die bürgerlichen Redensarten über Familie und Erziehung, über das traute Verhältnis von Eltern und Kindern werden um so ekelhafter, je mehr infolge der großen Industrie alle Familienbande für die Proletarier zerrissen und die Kinder in einfache Handelsartikel und Arbeitsinstrumente verwandelt werden.
Aber ihr Kommunisten wollt die Weibergemeinschaft einführen, schreit uns die ganze Bourgeoisie im Chor entgegen.
Der Bourgeois sieht in seiner Frau ein bloßes Produktionsinstrument. Er hört, daß die Produktionsinstrumente gemeinschaftlich ausgebeutet werden sollen, und kann sich natürlich nichts anderes denken, als daß das Los der Gemeinschaftlichkeit die Weiber gleichfalls treffen wird.
Er ahnt nicht, daß es sich eben darum handelt, die Stellung der Weiber als bloßer Produktionsinstrumente aufzuheben.
Übrigens ist nichts lächerlicher als das hochmoralische Entsetzen unserer Bourgeois über die angebliche offizielle Weibergemeinschaft der Kommunisten. Die Kommunisten brauchen die Weibergemeinschaft nicht einzuführen, sie hat fast immer existiert.
Unsre Bourgeois, nicht zufrieden damit, daß ihnen die Weiber und Töchter ihrer Proletarier zur Verfügung stehen, von der offiziellen Prostitution gar nicht zu sprechen, finden ein Hauptvergnügen darin, ihre Ehefrauen wechselseitig zu verführen.
Die bürgerliche Ehe ist in Wirklichkeit die Gemeinschaft der Ehefrauen.
Man könnte höchstens den Kommunisten vorwerfen,
daß sie an Stelle einer heuchlerisch versteckten eine offizielle, offenherzige Weibergemeinschaft einführen wollten.
Es versteht sich übrigens von selbst, daß mit Aufhebung der jetzigen Produktionsverhältnisse auch die aus ihnen hervorgehende Weibergemeinschaft, d.h. die offizielle und nichtoffizielle Prostitution, verschwindet.

Den Kommunisten ist ferner vorgeworfen worden, sie wollten das Vaterland,
die Nationalität abschaffen. Die Arbeiter haben kein Vaterland.
Man kann ihnen nicht nehmen, was sie nicht haben. Indem das Proletariat zunächst sich die politische Herrschaft erobern, sich zur nationalen Klasse erheben, sich selbst als Nation konstituieren muß, ist es selbst noch national, wenn auch keineswegs im Sinne der Bourgeoisie.

Die nationalen Absonderungen und Gegensätze der Völker verschwinden mehr und mehr schon mit der Entwicklung der Bourgeoisie, mit der Handelsfreiheit, dem Weltmarkt, der Gleichförmigkeit der industriellen Produktion und der ihr entsprechenden Lebensverhältnisse.
Die Herrschaft des Proletariats wird sie noch mehr verschwinden machen. Vereinigte Aktion, wenigstens der zivilisierten Länder, ist eine der ersten Bedingungen seiner Befreiung.
In dem Maße, wie die Exploitation des einen Individuums durch das andere aufgehoben wird, wird die Exploitation einer Nation durch die andere aufgehoben. Mit dem Gegensatz der Klassen im Innern der Nation fällt die feindliche Stellung der Nationen gegeneinander.
Die Anklagen gegen den Kommunismus, die von religiösen, philosophischen und ideologischen Gesichtspunkten überhaupt erhoben werden, verdienen keine ausführlichere Erörterung.
Bedarf es tiefer Einsicht, um zu begreifen, daß mit den Lebensverhältnissen der Menschen, mit ihren gesellschaftlichen Beziehungen, mit ihrem gesellschaftlichen Dasein, auch ihre Vorstellungen, Anschauungen und Begriffe, mit einem Worte auch ihr Bewußtsein sich ändert?
Was beweist die Geschichte der Ideen anders, als daß die geistige Produktion sich mit der materiellen umgestaltet? Die herrschenden Ideen einer Zeit waren stets nur die Ideen der herrschenden Klasse.
Man spricht von Ideen, welche eine ganze Gesellschaft revolutionieren; man spricht damit nur die Tatsache aus, daß sich innerhalb der alten Gesellschaft die Elemente einer neuen gebildet haben, daß mit der Auflösung der alten Lebensverhältnisse die Auflösung der alten Ideen gleichen Schritt hält.
Als die alte Welt im Untergehen begriffen war, wurden die alten Religionen von der christlichen Religion besiegt. Als die christlichen Ideen im 18. Jahrhundert den Aufklärungsideen unterlagen, rang die feudale Gesellschaft ihren Todeskampf mit der damals revolutionären Bourgeoisie. Die Ideen der Gewissens- und Religionsfreiheit sprachen nur die Herrschaft der freien Konkurrenz auf dem Gebiete des Wissens aus.
"Aber", wird man sagen, "religiöse, moralische, philosophische, politische, rechtliche Ideen usw. modifizieren sich allerdings im Lauf der geschichtlichen Entwicklung.
Die Religion, die Moral, die Philosophie, die Politik, das Recht erhielten sich stets in diesem Wechsel. Es gibt zudem ewige Wahrheiten, wie Freiheit, Gerechtigkeit usw.,
die allen gesellschaftlichen Zuständen gemeinsam sind.
Der Kommunismus aber schafft die ewigen Wahrheiten ab, er schafft die Religion ab,
die Moral, statt sie neu zu gestalten, er widerspricht also allen bisherigen geschichtlichen Entwicklungen."

Worauf reduziert sich diese Anklage?
Die Geschichte der ganzen bisherigen Gesellschaft bewegte sich in Klassengegensätzen,
die in den verschiedensten Epochen verschieden gestaltet waren.
Welche Form sie aber auch immer angenommen, die Ausbeutung des einen Teils der Gesellschaft durch den andern ist eine allen vergangenen Jahrhunderten gemeinsame Tatsache.
Kein Wunder daher, daß das gesellschaftliche Bewußtsein aller Jahrhunderte,
aller Mannigfaltigkeit und Verschiedenheit zum Trotz, in gewissen gemeinsamen Formen sich bewegt, in Bewußtseinsformen, die nur mit dem gänzlichen Verschwinden des Klassengegensatzes sich vollständig auflösen.

Die kommunistische Revolution ist das radikalste Brechen mit den überlieferten Eigentumsverhältnissen; kein Wunder, daß in ihrem Entwicklungsgange am radikalsten mit den überlieferten Ideen gebrochen wird.
Doch lassen wir die Einwürfe der Bourgeoisie gegen den Kommunismus.
Wir sahen schon oben, daß der erste Schritt in der Arbeiterrevolution die Erhebung des Proletariats zur herrschenden Klasse, die Erkämpfung der Demokratie ist.

Das Proletariat wird seine politische Herrschaft dazu benutzen, der Bourgeoisie nach und nach alles Kapital zu entreißen, alle Produktionsinstrumente in den Händen des Staats,
d.h. des als herrschende Klasse organisierten Proletariats, zu zentralisieren und die Masse der Produktionskräfte möglichst rasch zu vermehren.

Es kann dies natürlich zunächst nur geschehen vermittelst despotischer Eingriffe in das Eigentumsrecht und in die bürgerlichen Produktionsverhältnisse, durch Maßregeln also, die ökonomisch unzureichend und unhaltbar erscheinen, die aber im Lauf der Bewegung über sich selbst hinaustreiben und als Mittel zur Umwälzung der ganzen Produktionsweise unvermeidlich sind. Diese Maßregeln werden natürlich je nach den verschiedenen Ländern verschieden sein.
Für die fortgeschrittensten Länder werden jedoch die folgenden ziemlich allgemein in Anwendung kommen können:
Expropriation des Grundeigentums und Verwendung der Grundrente zu Staatsausgaben.
Starke Progressivsteuer.
Abschaffung des Erbrechts.
Konfiskation des Eigentums aller Emigranten und Rebellen.
Zentralisation des Kredits in den Händen des Staats durch eine Nationalbank mit Staatskapital und ausschließlichem Monopol.
Zentralisation des Transportwesens in den Händen des Staats.
Vermehrung der Nationalfabriken, Produktionsinstrumente, Urbarmachung und Verbesserung aller Ländereien nach einem gemeinschaftlichen Plan.
Gleicher Arbeitszwang für alle, Errichtung industrieller Armeen, besonders für den Ackerbau.
Vereinigung des Betriebs von Ackerbau und Industrie, Hinwirken auf die allmähliche Beseitigung des Unterschieds von Stadt und Land.
Öffentliche und unentgeltliche Erziehung aller Kinder. Beseitigung der Fabrikarbeit der Kinder in ihrer heutigen Form. Vereinigung der Erziehung mit der materiellen Produktion usw. usw.
Sind im Laufe der Entwicklung die Klassenunterschiede verschwunden und ist alle Produktion in den Händen der assoziierten Individuen konzentriert, so verliert die öffentliche Gewalt den politischen Charakter. Die politische Gewalt im eigentlichen Sinne ist die organisierte Gewalt einer Klasse zur Unterdrückung einer andern.
Wenn das Proletariat im Kampfe gegen die Bourgeoisie sich notwendig zur Klasse vereint, durch eine Revolution sich zur herrschenden Klasse macht und als herrschende Klasse gewaltsam die alten Produktionsverhältnisse aufhebt, so hebt es mit diesen Produktionsverhältnissen die Existenzbedingungen des Klassengegensatzes, die Klassen überhaupt, und damit seine eigene Herrschaft als Klasse auf.

An die Stelle der alten bürgerlichen Gesellschaft mit ihren Klassen und Klassengegensätzen tritt eine Assoziation, worin die freie Entwicklung eines jeden die freie Entwicklung aller ist. 

III

Sozialistische und kommunistische Literatur

1. Der reaktionäre Sozialismus

a) Der feudale Sozialismus

Die französische und englische Aristokratie war ihrer geschichtlichen Stellung nach dazu berufen, Pamphlete gegen die moderne bürgerliche Gesellschaft zu schreiben.
In der französischen Junirevolution von 1830, in der englischen Reformbewegung war sie noch einmal dem verhaßten Emporkömmling erlegen. Von einem ernsten politischen Kampfe konnte nicht mehr die Rede sein. Nur der literarische Kampf blieb ihr übrig.
Aber auch auf dem Gebiete der Literatur waren die alten Redensarten der Restaurationszeit unmöglich geworden. Um Sympathie zu erregen, mußte die Aristokratie scheinbar ihre Interessen aus dem Auge verlieren und nur im Interesse der exploitierten Arbeiterklasse ihren Anklageakt gegen die Bourgeoisie formulieren.
Sie bereitete so die Genugtuung vor, Schmählieder auf ihren neuen Herrscher zu singen und mehr oder minder unheilschwangere Prophezeiungen ihm ins Ohr raunen zu dürfen.

Auf diese Art entstand der feudalistische Sozialismus, halb Klagelied, halb Pasquill, halb Rückhall der Vergangenheit, halb Dräuen der Zukunft, mitunter die Bourgeoisie ins Herz treffend durch bitteres, geistreich zerreißendes Urteil, stets komisch wirkend durch gänzliche Unfähigkeit, den Gang der modernen Geschichte zu begreifen.
Den proletarischen Bettelsack schwenkten sie als Fahne in der Hand, um das Volk hinter sich her zu versammeln. Sooft es ihnen aber folgte, erblickte es auf ihrem Hintern die alten feudalen Wappen und verlief sich mit lautem und unehrerbietigem Gelächter.
Ein Teil der französischen Legitimisten und das Junge England gaben dies Schauspiel zum besten.
Wenn die Feudalen beweisen, daß ihre Weise der Ausbeutung anders gestaltet war als die bürgerliche Ausbeutung, so vergessen sie nur, daß sie unter gänzlich verschiedenen und jetzt überlebten Umständen und Bedingungen ausbeuteten. Wenn sie nachweisen,
daß unter ihrer Herrschaft nicht das moderne Proletariat existiert hat, so vergessen sie nur, daß eben die moderne Bourgeoisie ein notwendiger Sprößling ihrer Gesellschaftsordnung war.

Übrigens verheimlichen sie den reaktionären Charakter ihrer Kritik so wenig,
daß ihre Hauptanklage gegen die Bourgeoisie eben darin besteht, unter ihrem Regime entwickle sich eine Klasse, welche die ganze alte Gesellschaftsordnung in die Luft sprengen werde.

Sie werfen der Bourgeoisie mehr noch vor, daß sie ein revolutionäres Proletariat, als daß sie überhaupt ein Proletariat erzeugt.
In der politischen Praxis nehmen sie daher an allen Gewaltmaßregeln gegen die Arbeiterklasse teil, und im gewöhnlichen Leben bequemen sie sich, allen ihren aufgeblähten Redensarten zum Trotz die goldnen Äpfel aufzulesen und Treue, Liebe, Ehre mit dem Schacher in Schafswolle, Runkelrüben und Schnaps zu vertauschen.
Wie der Pfaffe immer Hand in Hand ging mit dem Feudalen, so der pfäffische Sozialismus mit dem feudalistischen.
Nichts leichter, als dem christlichen Asketismus einen sozialistischen Anstrich zu geben.
Hat das Christentum nicht auch gegen das Privateigentum, gegen die Ehe, gegen die Staat geeifert? Hat es nicht die Wohltätigkeit und den Bettel, das Zölibat und die Fleischesertötung, das Zellenleben und die Kirche an ihrer (69) Stelle gepredigt?
Der christliche Sozialismus ist nur das Weihwasser, womit der Pfaffe den Ärger des Aristokraten einsegnet.


b) Kleinbürgerlicher Sozialismus

Die feudale Aristokratie ist nicht die einzige Klasse, welche durch die Bourgeoisie gestürzt wurde, deren Lebensbedingungen in der modernen bürgerlichen Gesellschaft verkümmerten und abstarben. Das mittelalterliche Pfahlbürgertum und der kleine Bauernstand waren die Vorläufer der modernen Bourgeoisie.
In den weniger industriell und kommerziell entwickelten Ländern vegetiert diese Klasse noch fort neben der aufkommenden Bourgeoisie. 


In den Ländern, wo sich die moderne Zivilisation entwickelt hat, hat sich eine neue Kleinbürgerschaft gebildet, die zwischen dem Proletariat und der Bourgeoisie schwebt und als ergänzender Teil der bürgerlichen Gesellschaft stets von neuem sich bildet, deren Mitglieder aber beständig durch die Konkurrenz ins Proletariat hinabgeschleudert werden, ja selbst mit der Entwicklung der großen Industrie einen Zeitpunkt herannahen sehen, wo sie als selbständiger Teil der modernen Gesellschaft gänzlich verschwinden und im Handel, in der Manufaktur, in der Agrikultur durch Arbeitsaufseher und Domestiken ersetzt werden.
In Ländern wie Frankreich, wo die Bauernklasse weit mehr als die Hälfte der Bevölkerung ausmacht, war es natürlich, daß Schriftsteller, die für das Proletariat gegen die Bourgeoisie auftraten, an ihre Kritik des Bourgeoisregimes den kleinbürgerlichen und kleinbäuerlichen Maßstab anlegten und die Partei der Arbeiter vom Standpunkt des Kleinbürgertums ergriffen. Es bildete sich so der kleinbürgerliche Sozialismus. Sismondi ist das Haupt dieser Literatur nicht nur für Frankreich, sondern auch für England.
Dieser Sozialismus zergliederte höchst scharfsinnig die Widersprüche in den modernen Produktionsverhältnissen. Er enthüllte die gleisnerischen Beschönigungen der Ökonomen.
Er wies unwiderleglich die zerstörenden Wirkungen der Maschinerie und der Teilung der Arbeit nach, die Konzentration der Kapitalien und des Grundbesitzes, die Überproduktion, die Krisen, den notwendigen Untergang der kleinen Bürger und Bauern, das Elend des Proletariats, die Anarchie in der Produktion, die schreienden Mißverhältnisse in der Verteilung des Reichtums, den industriellen Vernichtungskrieg der Nationen untereinander, die Auflösung der alten Sitten, der alten Familienverhältnisse, der alten Nationalitäten.

Seinem posititiven Gehalte nach will jedoch dieser Sozialismus entweder die alten Produktions- und Verkehrsmittel wiederherstellen und mit ihnen die alten Eigentumsverhältnisse und die alte Gesellschaft, oder er will die modernen Produktions
- und Verkehrsmittel in den Rahmen der alten Eigentumsverhältnisse,
die von ihnen gesprengt wurden, gesprengt werden mußten, gewaltsam wieder einsperren. In beiden Fällen ist er reaktionär und utopisch zugleich. Zunftwesen in der Manufaktur und patriarchalische Wirtschaft auf dem Lande, das sind seine letzten Worte.

In ihrer weiteren Entwicklung hat sich diese Richtung in einen feigen Katzenjammer verlaufen.

c) Der deutsche oder "wahre" Sozialismus

Die sozialistische und kommunistische Literatur Frankreichs, die unter dem Druck einer herrschenden Bourgeoisie entstand und der literarische Ausdruck des Kampfes gegen diese Herrschaft ist, wurde nach Deutschland eingeführt zu einer Zeit, wo die Bourgeoisie soeben ihren Kampf gegen den feudalen Absolutismus begann.
Deutsche Philosophen, Halbphilosophen und Schöngeister bemächtigten sich gierig dieser Literatur und vergaßen nur, daß bei der Einwanderung jener Schriften aus Frankreich die französischen Lebensverhältnisse nicht gleichzeitig nach Deutschland eingewandert waren. Den deutschen Verhältnissen gegenüber verlor die französische Literatur alle unmittelbar praktische Bedeutung und nahm ein rein literarisches Aussehen an.
Als müßige Spekulation über die Verwirklichung des menschlichen Wesens mußte sie erscheinen.
So hatten für die deutschen Philosophen des 18. Jahrhunderts die Forderungen der ersten französischen Revolution nur den Sinn, Forderungen der "praktischen Vernunft" im allgemeinen zu sein, und die Willensäußerungen der französischen Bourgeoisie bedeuteten in ihren Augen die Gesetze des reinen Willens, des Willens, wie er sein muß, des wahrhaft menschlichen Willens.
Die ausschließliche Arbeit der deutschen Literaten bestand darin, die neuen französischen Ideen mit ihrem alten philosophischen Gewissen in Einklang zu setzen oder vielmehr von ihrem philosophischen Standpunkte aus die französischen Ideen sich anzueignen.
Diese Aneignung geschah in derselben Weise, wodurch man sich überhaupt eine fremde Sache aneignet, durch die Übersetzung.

Es ist bekannt, wie die Mönche Manuskripte, worauf die klassischen Werke der alten Heidenzeit verzeichnet waren, mit abgeschmackten katholischen Heiligengeschichten überschrieben.
Die deutschen Literaten gingen umgekehrt mit der profanen französischen Literatur um. Sie schrieben ihren philosophischen Unsinn hinter das französische Original. Z.B. hinter die französische Kritik der Geldverhältnisse schrieben sie "Entäußerung des menschlichen Wesens", hinter die französische Kritik des Bourgeoisstaates schrieben sie "Aufhebung der Herrschaft des abstrakten Allgemeinen" usw.

Die Unterschiebung dieser philosophischen Redensarten unter die französischen Entwicklungen tauften sie "Philosophie der Tat", "wahrer Sozialismus", "deutsche Wissenschaft des Sozialismus", usw.
Die französische sozialistisch-kommunistische Literatur wurde so förmlich entmannt.
Und da sie in der Hand des Deutschen aufhörte, den Kampf einer Klasse gegen die andre auszudrücken, so war der Deutsche sich bewußt, die "französische Einseitigkeit" überwunden, statt wahrer Bedürfnisse das Bedürfnis der Wahrheit und statt der Interessen des Proletariers die Interessen des menschlichen Wesens, des Menschen überhaupt vertreten zu haben, des Menschen, der keiner Klasse, der überhaupt nicht der Wirklichkeit, der nur dem Dunsthimmel der philosophischen Phantasie angehört.

Dieser deutsche Sozialismus, der seine unbeholfenen Schulübungen so ernst und feierlich nahm und so marktschreierisch ausposaunte, verlor indes nach und nach seine pedantische Unschuld. Der Kampf der deutschen, namentlich der preußischen Bourgeoisie gegen die Feudalen und das absolute Königtum, mit einem Wort, die liberale Bewegung wurde ernsthafter.
Dem "wahren" Sozialismus war so erwünschte Gelegenheit geboten, der politischen Bewegung die sozialistische Forderung gegenüberzustellen, die überlieferten Anatheme gegen den Liberalismus, gegen den Repräsentativstaat, gegen die bürgerliche Konkurrenz, bürgerliche Preßfreiheit, bürgerliches Recht, bürgerliche Freiheit und Gleichheit zu schleudern und der Volksmasse vorzupredigen, wie sie bei dieser bürgerlichen Bewegung nichts zu gewinnen, vielmehr alles zu verlieren habe.
Der deutsche Sozialismus vergaß rechtzeitig, daß die französische Kritik, deren geistloses Echo er war, die moderne bürgerliche Gesellschaft mit den entsprechenden materiellen Lebensbedingungen und der angemessenen politischen Konstitution vorausgesetzt ,
lauter Voraussetzungen, um deren Erkämpfung es sich erst in Deutschland handelte.

Er diente den deutschen absoluten Regierungen mit ihrem Gefolge von Pfaffen, Schulmeistern, Krautjunkern und Bürokraten als erwünschte Vogelscheuche gegen die drohend aufstrebende Bourgeoisie.
Er bildete die süßliche Ergänzung zu den bitteren Peitschenhieben und Flintenkugeln,
womit dieselben Regierungen die deutschen Arbeiteraufstände bearbeiteten.

Ward der "wahre" Sozialismus dergestalt eine Waffe in der Hand der Regierungen gegen die deutsche Bourgeoisie, so vertrat er auch unmittelbar ein reaktionäres Interesse, das Interesse der deutschen Pfahlbürgerschaft. 

In Deutschland bildet das vom 16. Jahrhundert her überlieferte und seit der Zeit in verschiedener Form hier immer neu wieder auftauchende Kleinbürgertum die eigentliche Grundlage der bestehenden Zustände.

Seine Erhaltung ist die Erhaltung der bestehenden deutschen Zustände. Von der industriellen und politischen Herrschaft der Bourgeoisie fürchtet es den sichern Untergang, einerseits infolge der Konzentration des Kapitals, andrerseits durch das Aufkommen eines revolutionären Proletariats. Der "wahre" Sozialismus schien ihm beide Fliegen mit einer Klappe zu schlagen. Er verbreitete sich wie eine Epidemie.

Das Gewand, gewirkt aus spekulativem Spinnweb, überstickt mit schöngeistigen Redeblumen, durchtränkt von liebesschwülem Gemütstau, dies überschwengliche Gewand, worin die deutschen Sozialisten ihre paar knöchernen "ewigen Wahrheiten" einhüllten, vermehrte nur den Absatz ihrer Ware bei diesem Publikum. Seinerseits erkannte der deutsche Sozialismus immer mehr seinen Beruf, der hochtrabende Vertreter dieser Pfahlbürgerschaft zu sein. 


Er zog die letzte Konsequenz, indem er direkt gegen die "rohdestruktive" Richtung des Kommunismus auftrat und seine unparteiische Erhabenheit über alle Klassenkämpfe verkündete. Mit sehr wenigen Ausnahmen gehört alles, was in Deutschland von angeblich sozialistischen und kommunistischen Schriften zirkuliert, in den Bereich dieser schmutzigen, entnervenden Literatur. 2. Der konservative oder Bourgeoissozialismus
Ein Teil der Bourgeoisie wünscht den sozialen Mißständen abzuhelfen, um den Bestand der bürgerlichen Gesellschaft zu sichern.
Es gehören hierher: Ökonomisten, Philantrophen, Humanitäre, Verbesserer der Lage der arbeitenden Klassen, Wohltätigkeitsorganisierer, Abschaffer der Tierquälerei, Mäßigkeitsvereinsstifter, Winkelreformer der buntscheckigsten Art.
Und auch zu ganzen Systemen ist dieser Bourgeoissozialismus ausgearbeitet worden.

Als Beispiel führen wir Proudhons "Philosophie de la misÆre" an.
Die sozialistischen Bourgeois wollen die Lebensbedingungen der modernen Gesellschaft ohne die notwendig daraus hervor gehenden Kämpfe und Gefahren.
Sie wollen die bestehende Gesellschaft mit Abzug der sie revolutionierenden und sie auflösenden Elemente. Sie wollen die Bourgeoisie ohne das Proletariat.
Die Bourgeoisie stellt sich die Welt, worin sie herrscht, natürlich als die beste Welt vor.
Der Bourgeoissozialismus arbeitet diese tröstliche Vorstellung zu einem halben oder ganzen System aus.
Wenn er das Proletariat auffordert, seine Systeme zu verwirklichen und in das neue Jerusalem einzugehen, so verlangt er im Grunde nur, daß es in der jetzigen Gesellschaft stehenbleibe, aber seine gehässigen Vorstellungen von derselben abstreife.

Eine zweite, weniger systematische, nur mehr praktische Form dieses Sozialismus suchte der Arbeiterklasse jede revolutionäre Bewegung zu verleiden,
durch den Nachweis, wie nicht diese oder jene politische Veränderung, sondern nur eine Veränderung der materiellen Lebensverhältnisse, der ökonomischen Verhältnisse ihr von Nutzen sein könne. Unter Veränderung der materiellen Lebensverhältnisse versteht dieser Sozialismus aber keineswegs Abschaffung der bürgerlichen Produktionsverhältnisse,
die nur auf revolutionärem Wege möglich ist, sondern administrative Verbesserungen,
die auf dem Boden dieser Produktionsverhältnisse vor sich gehen, also an dem Verhältnis von Kapital und Lohnarbeit nichts ändern, sondern im besten Fall der Bourgeoisie die Kosten ihrer Herrschaft vermindern und ihren Staatshaushalt vereinfachen.

Seinen entsprechenden Ausdruck erreicht der Bourgeoisiesozialismus erst da, wo er zur bloßen rednerischen Figur wird.
Freier Handel! im Interesse der arbeitenden Klasse; Schutzzölle! im Interesse der arbeitenden Klasse; Zellengefängnisse! im Interesse der arbeitenden Klasse; das ist das letzte, das einzige ernstgemeinte Wort des Bourgeoisiesozialismus.
Der Sozialismus der Bourgeoisie besteht eben in der Behauptung, daß die Bourgeois Bourgeois sind - im Interesse der arbeitenden Klasse.
3. Der kritisch-utopistische Sozialismus oder Kommunismus
Wir reden hier nicht von der Literatur, die in allen großen modernen Revolutionen die Forderungen des Proletariats aussprach. (Schriften Babeufs etc.)
Die ersten Versuche des Proletariats, in einer Zeit allgemeiner Aufregung, in der Periode des Umsturzes der feudalen Gesellschaft direkt sein eigenes Klasseninteresse durchzusetzen, scheiterten notwendig an der unentwickelten Gestalt des Proletariats selbst wie an dem Mangel der materiellen Bedingungen seiner Befreiung, die eben erst das Produkt der bürgerliche Epoche sind.
Die revolutionäre Literatur, welche diese ersten Bewegungen des Proletariats begleitete,
ist dem Inhalt nach notwendig reaktionär. Sie lehrt einen allgemeinen Asketismus und eine rohe Gleichmacherei.

Die eigentlich sozialistischen und kommunistischen Systeme, die Systeme St.-Simons, Fouriers, Owens usw., tauchen auf in der ersten, unentwickelten Periode des Kampfes zwischen Proletariat und Bourgeoisie, die wir oben dargestellt haben. (Siehe Bourgeoisie und Proletariat.)
Die Erfinder dieser Systeme sehen zwar den Gegensatz der Klassen wie die Wirksamkeit der auflösenden Elemente in der herrschenden Gesellschaft selbst.
Aber sie erblicken auf der Seite des Proletariats keine geschichtliche Selbsttätigkeit,
keine ihm eigentümliche politische Bewegung.

Da die Entwicklung des Klassengegensatzes gleichen Schritt hält mit der Entwicklung der Industrie, finden sie ebensowenig die materiellen Bedingungen zur Befreiung des Proletariats vor und suchen nach einer sozialen Wissenschaft, nach sozialen Gesetzen, um diese Bedingungen zu schaffen.
An die Stelle der gesellschaftlichen Tätigkeit muß ihre persönlich erfinderische Tätigkeit treten, an die Stelle der geschichtlichen Bedingungen der Befreiung phantastische, an die Stelle der allmählich vor sich gehenden Organisation des Proletariats zur Klasse eine eigens ausgeheckte Organisation der Gesellschaft.
Die kommende Weltgeschichte löst sich für sie auf in die Propaganda und die praktische Ausführung ihrer Gesellschaftspläne. Sie sind sich zwar bewußt, in ihren Plänen hauptsächlich das Interesse der arbeitenden Klasse als der leidendsten Klasse zu vertreten. Nur unter diesem Gesichtspunkt der leidendsten Klasse existiert das Proletariat für sie.

Die unentwickelte Form des Klassenkampfes wie ihre eigene Lebenslage bringen es aber mit sich, daß sie weit über jenen Klassengegensatz erhaben zu sein glauben.
Sie wollen die Lebenslage aller Gesellschaftsglieder, auch der bestgestellten, verbessern.
Sie appellieren daher fortwährend an die ganze Gesellschaft ohne Unterschied,
ja vorzugsweise an die herrschende Klasse. Man braucht ihr System ja nur zu verstehen,
um es als den bestmöglichen Plan der bestmöglichen Gesellschaft anzuerkennen.

Sie verwerfen daher alle politische, namentlich alle revolutionäre Aktion, sie wollen ihr Ziel auf friedlichem Wege erreichen und versuchen, durch kleine, natürlich fehlschlagende Experimente, durch die Macht des Beispiels dem neuen gesellschaftlichen Evangelium Bahn zu brechen.
Die phantastische Schilderung der zukünftigen Gesellschaft entspringt in einer Zeit,
wo das Proletariat noch höchst unentwickelt ist,
also selbst noch phantastisch seine eigene Stellung auffaßt, seinem ersten ahnungsvollen Drängen nach einer allgemeinen Umgestaltung der Gesellschaft.

Die sozialistischen und kommunistischen Schriften bestehen aber auch aus kritischen Elementen. Sie greifen alle Grundlagen der bestehenden Gesellschaft an.
Sie haben daher höchst wertvolles Material zur Aufklärung der Arbeiter geliefert.
Ihre positiven Sätze über die zukünftige Gesellschaft, z.B. Aufhebung des Gegensatzes zwischen Stadt und Land, der Familie, des Privaterwerbs, der Lohnarbeit, die Verkündigung der gesellschaftlichen Harmonie, die Verwandlung des Staates in eine bloße Verwaltung der Produktion
- alle diese ihre Sätze drücken bloß das Wegfallen des Klassengegensatzes aus,
der eben erst sich zu entwickeln beginnt, den sie nur noch in seiner ersten gestaltlosen Unbestimmtheit kennen. Diese Sätze selbst haben daher noch einen rein utopistischen Sinn.

Die Bedeutung des kritisch-utopistischen Sozialismus oder Kommunismus steht im umgekehrten Verhältnis zur geschichtlichen Entwicklung.
In demselben Maße, worin der Klassenkampf sich entwickelt und gestaltet,
verliert diese phantastische Erhebung über denselben, diese phantastische Bekämpfung desselben allen praktischen Wert, alle theoretische Berechtigung.
Waren daher die Urheber dieser Systeme auch in vieler Beziehung revolutionär,
so bilden ihre Schüler jedesmal reaktionäre Sekten.
Sie halten die alten Anschauungen der Meister fest gegenüber der geschichtlichen Fortentwicklung des Proletariats. 


Sie suchen daher konsequent den Klassenkampf wieder abzustumpfen und die Gegensätze zu vermitteln. Sie träumen noch immer die versuchsweise Verwirklichung ihrer gesellschaftlichen Utopien, Stiftung einzelner Phalanstere, Gründung von Home-Kolonien, Errichtung eines kleinen Ikariens - Duodezausgabe des neuen Jerusalems -,
und zum Aufbau aller dieser spanischen Schlösser müssen sie an die Philanthropie der bürgerlichen Herzen und Geldsäcke appellieren.


Allmählich fallen sie in die Kategorie der oben geschilderten reaktionären oder konservativen Sozialisten und unterscheiden sich nur noch von ihnen durch mehr systematische Pedanterie, durch den fanatischen Aberglauben an die Wunderwirkungen ihrer sozialen Wissenschaft. Sie treten daher mit Erbitterung aller politischen Bewegung der Arbeiter entgegen,
die nur aus blindem Unglauben an das neue Evangelium hervorgehen konnte.

Die Owenisten in England, die Fourieristen in Frankreich
reagieren dort gegen die Chartisten, hier gegen die Reformisten.


IV

Stellung der Kommunisten zu den verschiedenen oppositionellen Parteien

Nach Abschnitt II versteht sich das Verhältnis der Kommunisten zu den bereits konstituierten Arbeiterparteien von selbst, also ihr Verhältnis zu den Chartisten in England und den agrarischen Reformern in Nordamerika. 

Sie kämpfen für die Erreichung der unmittelbar vorliegenden Zwecke und Interessen der Arbeiterklasse, aber sie vertreten in der gegenwärtigen Bewegung zugleich die Zukunft der Bewegung. In Frankreich schließen sich die Kommunisten an die sozial-demokratische Partei an gegen die konservative und radikale Bourgeoisie, ohne darum das Recht aufzugeben, sich kritisch zu den aus der revolutionären Überlieferung herrührenden Phrasen und Illusionen zu verhalten.

In der Schweiz unterstützen sie die Radikalen, ohne zu verkennen,
daß diese Partei aus widersprechenden Elementen besteht, teils aus demokratischen Sozialisten im französischen Sinn, teils aus radikalen Bourgeois.

Unter den Polen unterstützen die Kommunisten die Partei,
welche eine agrarische Revolution zur Bedingung der nationalen Befreiung macht,
dieselbe Partei, welche die Krakauer Insurrektion von 1846 ins Leben rief.


In Deutschland kämpft die Kommunistische Partei, sobald die Bourgeoisie revolutionär auftritt, gemeinsam mit der Bourgeoisie gegen die absolute Monarchie, das feudale Grundeigentum und die Kleinbürgerei.
Sie unterläßt aber keinen Augenblick, bei den Arbeitern ein möglichst klares Bewußtsein über den feindlichen Gegensatz zwischen Bourgeoisie und Proletariat herauszuarbeiten, damit die deutschen Arbeiter sogleich die gesellschaftlichen und politischen Bedingungen, welche die Bourgeoisie mit ihrer Herrschaft herbeiführen muß, als ebenso viele Waffen gegen die Bourgeoisie kehren können,
damit, nach dem Sturz der reaktionären Klassen in Deutschland,
sofort der Kampf gegen die Bourgeoisie selbst beginnt. 


Auf Deutschland richten die Kommunisten ihre Hauptaufmerksamkeit,
weil Deutschland am Vorabend einer bürgerlichen Revolution steht und weil es diese Umwälzung unter fortgeschrittneren Bedingungen der europäischen Zivilisation überhaupt und mit einem viel weiter entwickelten Proletariat vollbringt als England im 17. und Frankreich im 18. Jahrhundert, die deutsche bürgerliche Revolution also nur das unmittelbare Vorspiel einer proletarischen Revolution sein kann.

Mit einem Wort, die Kommunisten unterstützen überall jede revolutionäre Bewegung gegen die bestehenden gesellschaftlichen und politischen Zustände. 

In allen diesen Bewegungen heben sie die Eigentumsfrage, welche mehr oder minder entwickelte Form sie auch angenommen haben möge, als die Grundfrage der Bewegung hervor. Die Kommunisten arbeiten endlich überall an der Verbindung und Verständigung der demokratischen Parteien aller Länder.
Die Kommunisten verschmähen es, ihre Ansichten und Absichten zu verheimlichen. 

Sie erklären es offen, daß ihre Zwecke nur erreicht werden können durch den gewaltsamen Umsturz aller bisherigen Gesellschaftsordnung. Mögen die herrschenden Klassen vor einer kommunistischen Revolution zittern. Die Proletarier haben nichts in ihr zu verlieren als ihre Ketten. Sie haben eine Welt zu gewinnen.

Proletarier aller Länder, vereinigt euch!

Geschrieben im Dezember 1847/ Januar 1848.

 
Marx/Engels: MEW, Bd. 4, Berlin 1983



Weblink:

Manifest der Kommunistischen Partei - www.abcphil.de