Samstag, 30. November 2019

Zeit der Besinnung

Adventszeit

Alle Jahre wieder, wenn wir in den vorweihnachtlichen Stress verfallen und von der der besinnlichen Zeit nicht viel zu spüren ist, ist die Zeit gekommen, um inne zu halten. In der Adventszeit geht es um den Abschluss mit dem Alten und den Aufbruch ins Neue. Das erfordert die Bereitschaft, eigene Gewissheiten zu hinterfragen, und den Mut, zu neuen Ufern aufzubrechen. Die Adventszeit ist eine Zeit der Besinnung und wie eine Aufforderung zur Besinnung zu kommen.

Die Weihnachtszeit wird gerne als die Zeit der Besinnlichkeit beschrieben. Das sagt sich so leicht, auch weil es so schön klingt. In Wirklichkeit ist diese Jahreszeit jedoch für viele eher eine Zeit der Besinnungslosigkeit, in der schon die bloße Ankündigung, der Einzelhandel könne es wagen, die Ladentüren bereits drei Stunden, bevor das Christkind kommt, zu schließen, so manche heiligabendliche Krise auslöst.

Vielen Menschen, die keine tiefe Verbundenheit zum christlichen Glauben spüren, wird die Hektik des ausklingenden Altjahres zu einer Zeit der Sinnlosigkeit, in der sie noch weniger zur Ruhe kommen als sonst. Dabei geht es bei der „Besinnlichkeit“ eigentlich tatsächlich um das Sinnige und Geistige: Sie wird in Wörterbüchern erklärt als „stimmungsvolle Zeit, in der Menschen zum Nachdenken und Innehalten kommen“.

Besinnlichkeit entsteht aus dem Umstand, daß Menschen zur Besinnung kommen. Zur Besinnugn ko9mmt der Menschg, wenn er sich Zeit für sich nimmt. Besinnlichkeit, die mehr mit Besinnung und Geist als mit Sinnlichkeit und Geistlichkeit zu tun hat, keine weitverbreitete Übung. Nicht, dass dies anderswo unbedingt anders wäre, jedoch deuten englische Begriffe für „Besinnlichkeit“, nämlich „contemplation“, „thoughtfulness“ oder „reflectiveness“, zumindest stärker auf den die Ratio mit einschließenden Ursprung des Begriffes hin.

Weblink:

- www.cicero.de

Der neue Zynismus der Gesellschaft




Kritik der zynischen Vernunft

Der neue Zynismus greift in der Gesellschaft munter um sich, ohne daß diesem Einhalt geboten wurde.
Zynische Denkhaltung ist eine in Politik und Wirtschaft weit verbreitete Einstellung, die auf Gehorsam und Loyalität gründet. Zynische Denkstrukturen bestimmen die Gesellschaft. Und der wirklich versierte Zyniker trägt bei seinem - im praktischen Handeln angelegten - gepflegten Zynismus natürlich ein Siegerlächeln im Gesicht.

Der neue Zyniker ist nach Peter Sloterdijk derjenige, der eine Machtposition innehat: „Dem diffusen Zynismus gehören längst die Schlüsselstellungen der Gesellschaft in Vorständen, Parlamenten, Aufsichtsräten, Betriebsführungen, Lektoraten, Praxen, Fakultäten, Kanzleien und Redaktionen.“ (S. 37). Er erinnert daran, wie Gottfried Benn, „selber einer der profilierten Sprecher der modernen zynischen Struktur“ in dieser formuliert hat: „Dumm sein und Arbeit haben, das ist das Glück.“

Natürlich gibt es auch eine Umkehrung diseer Medaille - soz. als genauer analoger Spiegeleffekt! Was in der Umkehrung eben heißt: „Intelligent sein und dennoch seine Arbeit verrichten – das ist unglückliches Bewusstsein in der modernen, aufklärungskranken Form“ (S. 40). Dabei steht einem Zynismus der Mittel ein Moralismus der Zwecke gegenüber: Um moralisch hohe Ziele zu erreichen, kann man jedes, auch das tückischste Mittel einsetzen. Und genau so hat ja seit jeher die Macht, um ihre moralisch und demokratisch maskierten Zwecke zu erreichen, nie gezögert, unschuldige Opfer niederzumachen.

»Zynismus ist der geglückte Versuch,
die Welt so zu sehen, wie sie ist.«

Jean Genet

Der neue Zynismus kennt - besonders in der Krise - viele Gesichter: habgierige Bankmanager, welche sich Boni genehmigen nachdem sie Schrottaktien emittiert haben, und dabei nebenbei die Weltwirtschaft kollabieren lassen, und den Schaden durch Steuergeld bezahlen lassen, oder großartige Übernahmen deutscher Firmen, die solche Firmen wie Chrysler, Rover, oder Monsanto einkauften, die die eigene Firma in die roten Zahlen trieb, und sich weiterhin Boni genehmigen. Automobil-Manager, die Automobilkäufer arglistig betrogen haben, und sich weiter Boni genehmigen.

Die von dem schottischen Ökonomen Adam Smith beschworene "unsichtbare Hand" ("invisible hand") wirkt tatsächlich, allerdings ganz anders, als sich das der berühmte Ökonom aus Edinburgh vorgestellt hat, dann diese Leute sind es einfach gewohnt, Geld und Vorteile aus einem pervertierten neoliberalen Wirtschaftssystem zu ziehen, obwohl sie durch ihr Handeln Firma und die Bürger schädigen. Das hat nichts mit Neid zu tun, sondern mit Unrecht. Ich kann verstehen, daß das so manchem Niedriglöhner zynisch vorkommt.

Kritik der zynischen Vernunft
Kritik der zynischen Vernunft


Sloterdijk analysiert die Unwuchten einer zynischen Geisteshaltung, die der westlichen, durch "Vernunft" gesteuerten Kultur zugrunde liege. Der Aufruf zur Vernunft ("Wissen ist Macht") führe zu einer künstlichen Trennung von Intellekt und Sinnlichkeit. Es gelte den Zwang der europäischen Neurose zu brechen, die durch Vernunftanstrengung Glück zu erreichen suche.

Der Zynismus geht einher mit zu wenig erzeugtem Problembewußtsein. Es ist eine Gerechtigkeitsdiskussion notwendig, um den neuen Zynismus und desesen Strukturen aufzudecken und diesem entschieden entgegenzutreten.

Samstag, 23. November 2019

Was ist Existenzialismus?


Der Existenzialismus entsprach einem Lebensgefühl, das von der Erfahrung des Zweiten Weltkriegs, des politischen Widerstands in der Résistance und des Zerfalls traditioneller Wertordnungen und Orientierungen geprägt ist. Es findet seinen Ausdruck in einer besonderen Sensibilität für die Absurdität der menschlichen Existenz, die für diese Generation von Philosophen charakteristisch ist. Sie entspringt dem Gegensatz zwischen dem selbstbewussten, von Hoffnungen erfüllten und in Handlungen sich entäußernden menschlichen Geist und der ihm gegenüberliegenden undurchdringlichen, immanenten Welt, an der sein Streben immer wieder scheitert. Diese Absurditätserfahrung wirft die Frage nach Sinn und Wert des menschlichen Lebens auf.

Existenzialismus ist eine Geistes- und Lebenshaltung auf der Frage nach dem Sinn des Lebens, wobei der Mensch an die Stelle von Gott getreten ist. Der Begriff des Existentialismus ist als Bezeichnung für eine allgemeine Geisteshaltung im Gebrauch, die den Menschen als Existenz im Sinne der Existenzphilosophie auffasst. („Der Mensch ist seine Existenz.“)

Das Staunen vor dem Dasein - des eigenen und dem der anderen - und der Versuch, ohne Transzendentallehre oder sonst was Esoterisches auszukommen und die Welt von ihrer (geringen) Relevanz zu überzeugen.

Nach Sartre ist Existenzialismus eigentlich nichts anderes als das Eingeständnis und der Versuch einer konsequent atheistischen Einstellung. Der Atheismus erschöpft sich aber nicht darin, aufzuzeigen, dass Gott nicht existieren kann.


Selbst wenn ein Gott oder eine Göttin bewiesen werden könnte - dann müsste der Mensch übrigens etwas anderes dahinter suchen - würde dies den Menschen nicht davon befreien, sich selber zu finden, d.h. zu definieren.

Der Mensch ist "zur Freiheit verurteilt", weil es keine göttliche Bestimmung mehr gibt, auf die er sich berufen oder zurückziehen kann. Es gibt auch keinen Gott anzuklagen, wenn es einem oder der Welt schlecht geht - das ist absurd.

Zuerst ist die nackte, bloße Existenz, und dann ist der Mensch aufgerufen, seinem Leben einen Sinn, eine Bestimmung zu geben, oder, wie Sartre in seinem Hauptwerk "Das Sein und das Nichts" formulierte: "Die Existenz geht der Essenz [Wesensbestimmung] voraus."


Philosophisch betrachtet erfährt der Mensch dabei folgende Rechtfertigung:

"Der Mensch ist für sich, sein Tun und Lassen selber verantwortlich. Es gibt oder braucht keine Rechtfertigung ausserhalb des Menschen. Deshalb ist der Existenzialismus ein Humanismus."

Eine der bekanntesten existentialistischen Äußerungen, die jedoch sinngemäß schon bei Schelling nachgewiesen werden kann, ist die Aussage Sartres „Die Existenz geht der Essenz (dem Wesen) voraus“ aus dem 1946 veröffentlichten Essay »Der Existentialismus ist ein Humanismus«.

Hier wird thematisch an die Wesens­bestimmung (Essenz) des Menschen in der Philosophie angeknüpft. Durch die Bestimmung des Menschen als biologisches Wesen, als Vernunft­wesen, als göttliches Wesen etc. erhält der Mensch vor seiner Existenz zunächst schon eine Bedeutung, eben biologisch, vernünftig, gottähnlich.

"Was ist das Sein?", ist Sartres Ausgangsfrage. Dem menschlichen Bewusstsein räumt er eine Sonderstellung über allem ein, was existiert: Nur das Bewusstsein ist "für sich", kann also über sich selbst, die Welt und alle Dinge darin (die bloß "an sich" sind) nachdenken. Die Steine, Pflanzen, Tiere usw. existieren grundlos und ohne jegliches Wissen über ihren Zustand. Auch der Mensch existiert grundlos - doch er weiß das. Das ist der Kern von Sartres atheistischer Philosophie. Es gibt keinen Gott und damit kein höheres Ziel des Lebens und der Existenz. Die Situation des Menschen nimmt sich nicht gerade erfreulich aus: Er ist in die sinnlose Welt geworfen, alles erscheint ihm "de trop", zu viel, unnötig und sinnlos, und letztlich ist er sogar dazu verurteilt, sich selbst zu wählen.

Neu waren Sartres Ansichten nicht. Schon Sören Kierkegaard machte die Angst als eine Grundbefindlichkeit des Menschen aus und auch Martin Heidegger stellte den Menschen als ein kontingentes Lebewesen dar, das sich der Angst geschickt zu verbergen gelernt hat, indem er sich an die Strukturen der Welt verliert. Auch sollte Heidegger mit seinem berühmten „Brief über den Humanismus“ sich indirekt wenige Jahre später auf Sartre und seine Ansichten beziehen. Faszinierend wird Sartres Konzept des Existentialismus auch weiterhin bleiben und auch die vielen Missverständnisse werden wohl weiterhin präsent bleiben, da sich der Universitätsbetrieb mittlerweile von den existentiellen Grundfragen weitestgehend verabschiedet hat.

Sartre wurde von Gegnern des Existentialismus immer wieder attackiert. Meist mit der Begründung, der Existentialismus sei eine menschenfeindliche Ideologie, eine Art abstoßender Nihilismus, vor dem die Menschen bewahrt werden müssten.

Der Existentialismus kritisiert diese der Existenz vorgängige Sinnbestimmung und setzt ihr die Existenz entgegen: Der Mensch ist als Mensch nicht zu erfassen, wenn nicht je von seiner eigenen individuellen Existenz ausgegangen wird.

Jede Wesensbestimmung enthält, so die Kritik durch den Existentialismus, immer schon einen Theorieaspekt, der sich nicht aus einer unmittelbaren Erfahrung der Existenz speist, sondern in der Existenz „nachrangig“ gebildet wird.

Einer, der nicht kämpft und der sich seinem Schicksal unterwirft - das schlimmste Verbrechen für den Existenzialisten Sartre.

Weblink:

Jean-Paul Sartre - www.jean-paul-sartre.de



Video:

Was ist Existenzialismus? - Youtube

Literatur:

Der Existentialismus ist ein Humanismus und andere philosophische Essays 1943 - 1948
Der Existentialismus ist ein Humanismus
von Jean-Paul Sartre

Donnerstag, 21. November 2019

Voltaire 325. Geburtstag

Voltaire

François Marie Voltaire - eigentlich François-Marie Arouet - wurde am 21. November 1694 als Sohn eines Notars in Paris geboren.

Voltaire war ein bedeutender französischer Philosoph und Schriftsteller des 17. Jahrhunderts. Der Humanist gilt als der bedeutendste Vertreter der französischen und der europäischen Aufklärung und einer humanistischen Ethik. Als radikaler Aufklärer verkündete er den Geist des Fortschritts in Europa.

Voltaire

Voltaire lebte in der Zeit des Absolutismus. Mit seiner Kritik an den Missständen des Absolutismus und der Feudalherrschaft sowie auch am Deutungs- und Machtmonopol der katholischen Kirche war er einer der wichtigsten Wegbereiter der Französischen Revolution.

Voltaire war auch ein bedeutender Religionskritiker seiner Zeit. Mit seinem Misstrauen gegen den Aberglauben des Pöbels wie mit seinen Polemiken gegen Juden, Mohammedaner und Katholizismus stand er für eine radikale Religionskritik.



»Alle Menschen sind klug

die einen vorher, die anderen nachher.«



Die weiteste und dauerhafteste Verbreitung fanden seine philosophischen Erzählungen (»contes philosophiques«), in welchen er zentrale Gedanken der Aufklärung auf undogmatische und unterhaltsame Weise einem breiten Publikum näher brachte.

Voltaire wirkte auch als bedeutender Philosoph der europäischen Aufklärung. In seiner Heimat begegnete dem Großmeister der Aufklärung in der Zeit des Absolutismus jedoch zunehmend religiöse Intoleranz und Zensur.

In vielen Schriften setzte sich der Aufklärer für Toleranz, Menschenwürde und Menschlichkeit ein. In seinen literarischen Werken steht immer die Menschlichkeit im Vordergrund.

Voltaire starb im Alter von 83 Jahren am 30. Mai 1778 in Paris. Die Pariser Geistlichkeit verweigerte ihm ein kirchliches Begräbnis, das er aber in der Abtei von Scellières fand, der sein Neffe vorstand. Am 11. Juli 1791 wurden die Gebeine Voltaires auf Volksbeschluss in das Panthéon überführt.


Literatur:

Candide
Candide
von Voltaire

Voltaire
Voltaire

Samstag, 16. November 2019

„Gott ist tot“ – Der europäische Nihilismus

Friedrich Nietzsche

Mit dem Stichwort „Gott ist tot“ wird oft die Vorstellung verbunden, dass Nietzsche den Tod Gottes beschworen oder herbeigewünscht habe. Tatsächlich trifft dies nur in einem gewissen Sinne zu.

Nietzsche verstand sich hier vielmehr als Beobachter. Er analysierte seine Zeit, vor allem die seiner Auffassung nach inzwischen marode gewordene (christliche) Moral. Nietzsche war zudem nicht der Erste, der die Frage nach dem „Tod Gottes“ stellte. Hegel äußerte diesen Gedanken bereits 1802 und sprach von dem „unendlichen Schmerz“ als einem Gefühl, „worauf die Religion der neuen Zeit beruht – das Gefühl: Gott selbst ist tot“.

Die bedeutendste und meistbeachtete Stelle zu diesem Thema ist der Aphorismus 125 aus der Fröhlichen Wissenschaft mit dem Titel „Der tolle Mensch“. Der stilistisch dichte Aphorismus enthält Anspielungen auf klassische Werke der Philosophie und Tragödie. Dieser Text lässt den Tod Gottes als bedrohliches Ereignis erscheinen. Dem Sprecher darin graut vor der Schreckensvision, dass die zivilisierte Welt ihr bisheriges geistiges Fundament weitgehend zerstört hat:

„Wohin ist Gott? rief er, ich will es euch sagen! Wir haben ihn getötet, – ihr und ich! Wir alle sind seine Mörder! Aber wie haben wir dies gemacht? Wie vermochten wir das Meer auszutrinken? Wer gab uns den Schwamm, um den ganzen Horizont wegzuwischen? Was taten wir, als wir diese Erde von ihrer Sonne losketteten? Wohin bewegt sie sich nun? Wohin bewegen wir uns? Fort von allen Sonnen? Stürzen wir nicht fortwährend? Und rückwärts, seitwärts, vorwärts, nach allen Seiten? Gibt es noch ein Oben und ein Unten? Irren wir nicht wie durch ein unendliches Nichts? Haucht uns nicht der leere Raum an? Ist es nicht kälter geworden? Kommt nicht immerfort die Nacht und mehr Nacht? […] Gott ist tot! Gott bleibt tot! Und wir haben ihn getötet! Wie trösten wir uns, die Mörder aller Mörder?“

Dieser unfassbare Vorgang würde gerade wegen der großen Dimension lange brauchen, um in seiner Tragweite erkannt zu werden: Ich komme zu früh, sagte er dann, ich bin noch nicht an der Zeit. Dies ungeheure Ereignis ist noch unterwegs und wandert, – es ist noch nicht bis zu den Ohren der Menschen gedrungen. Und weiter wird gefragt: Ist nicht die Größe dieser Tat [Gott getötet zu haben, Anm.] zu groß für uns? Müssen wir nicht selber zu Göttern werden, um nur ihrer würdig zu erscheinen? Unter anderem aus diesem Gedanken heraus erscheint später die Idee des „Übermenschen“, wie sie vor allem im Zarathustra dargestellt wird: „Tot sind alle Götter: nun wollen wir, dass der Übermensch lebe.“

Das Wort vom Tod Gottes findet sich auch in den Aphorismen 108 und 343 der Fröhlichen Wissenschaft; das Motiv taucht auch mehrmals in Also sprach Zarathustra auf. Danach verwendete Nietzsche es nicht mehr, befasste sich aber weiter intensiv mit dem Thema. Beachtenswert ist hier etwa das nachgelassene Fragment „Der europäische Nihilismus“ (datiert 10. Juni 1887), in dem es nun heißt: „,Gott‘ ist eine viel zu extreme Hypothese.“

Nietzsche kam zu dem Schluss, dass mehrere mächtige Strömungen, vor allem das Aufkommen der Naturwissenschaften und der Geschichtswissenschaft, daran mitgewirkt haben, den christlichen Gott unglaubwürdig zu machen und damit die christliche Weltanschauung zu Fall zu bringen. Durch die Kritik der bestehenden Moral, wie Nietzsche selbst sie betrieb, würde die Moral hohl und unglaubwürdig und bräche schließlich zusammen. Mit dieser radikalisierten Kritik stand Nietzsche einerseits in der Tradition der französischen Moralisten wie etwaMontaigne oder La Rochefoucauld, die die Moral ihrer Zeit kritisierten, um zu einer besseren zu gelangen; andererseits betonte er mehrfach, nicht nur die Heuchelei von Moral, sondern die herrschenden „Moralen“ selbst – im wesentlichen immer die christliche – zu bekämpfen. Um dies in einen Begriff zu fassen, bezeichnete er sich selbst als „Immoralist“.

Es besteht heute weitgehende Übereinstimmung, dass Nietzsche sich nicht als Befürworter des Nihilismus sah, sondern ihn als Möglichkeit in der (nach-) christlichen Moral, vielleicht auch als eine geschichtliche Notwendigkeit sah. Über den Atheismus Nietzsches im Sinne des Nichtglaubens an einen metaphysischen Gott sagen diese Stellen wenig aus.

Weblink:

Friedrich Nietzsche-Biografie - Biografien-Portal - www.die-biografien.de


Literatur:

„Gott ist tot“ – Der „europäische Nihilismus“ -

Der Antichrist: Versuch einer Kritik des Christentums
von Friedrich Nietzsche

Also sprach Zarathustra
Also sprach Zarathustra
von Friedrich Nietzsche

Heidegger und der verlorene Bezug zum Sein

Heidegger hat in seinem Werk einen Bezug des Seins zur Moral hergestellt, doch als die Zeit wenig später aus den Fugen geriet, verfiel der Philosoph in das Existenzial des "Geworfenseins" und hatte außer Anpassung an die politischen Gegebenheiten keine existenziellen Lösungen parat.

Hier ist eine gewisse Lebensentfremdung seiner Philosophie festzustellen, denn sie lieferte keine Lösung für den Sinn von Sein in einer Diktatur - aber die Anpassung an die Zeit und ihre Gegebenheiten kann auch eine durchaus philosophische Lösung sein, wenn jemand nur an seiner eigenen Existenz interessiert ist.

Das Verhältnis seines Werkes zu seinem Verhalten während der Nazi-Zeit bemisst die Fallhöhe des Philosophen. Heidegger tat während der NS-Diktatur wohl seine Pflicht, aber er hat sich darin verheddert und zu einem moralischen Fall geworden.

Die Moral ist für ihn - ganz wie bei Nietzsche - überhaupt der Maßstab des "historischen Tiers". Dieses Tier wird für ihn vor allem durch die "englisch-amerikanische Welt" mit ihrer "mit Moral übermalten händlerischen Rechenhaftigkeit" vertreten, wobei er später deren Allianz mit dem "Weltjudentum" konstatiert, das "durch die aus Deutschland hinausgelassenen Emigranten" "aufgestachelt" worden sei.



Samstag, 2. November 2019

Abschied von der Metaphysik


Gott war früher sozusagen der oberste Garant einer Werte – Ordnung: „Für Gott und Vaterland“, man erinnert sich an den Spruch; Gott ist die oberste Wahrheit; alles Erkennen geschieht in göttlichem Licht; Gott ist der Schöpfer der Welt usw.

Wenn dieser Gott der obersten Werte und vertrauten Weltbilder tot ist: Dann bricht eine Welt zusammen. Dann wird den Menschen der Boden entzogen.

Den Inhalt des "absoluten Wissens" entfaltet "Die Wissenschaft der Logik". Sie ist eine Metaphysik des absoluten Denkens und seiner grundlegenden Bestimmungen. Hegel nennt das Sichselbst als das die Totalität aller reinen Bestimmungen wissende Denken mit dem Ausdruck Platons die "absolute Idee". Und diese interpretiert er mit Plotin als den göttlichen Geist. Und weil Gott Geist ist, handelt es sich um Theologie. Diese theologische Metaphysik ist die erste Philosophie Hegels.

Unter Schmerzen hat sich die Philosophie von der Metaphysik verabschiedet. Sie hat aus guten Gründen das Denken ausgenüchtert und bei vollem Bewusstsein seine spekulative Armut in Kauf genommen – und damit riskiert, am Ende keine Sprache für das zu haben, was gleichwohl zur menschlichen Erfahrung gehört.

Die Fachschaft Philosophie hat sich der Wissenschaft untergeordnet. Das Paradoxum basiert darauf, daß Philosophie auch das Wissenschaften beinhalten muß, aber Wissenschaften keine Metaphysik beinhalten kann.

Hegels theologische Metaphysik bedeutet den Abschied von der tradierten Metaphysik der Scholastik.

Die Versachlichung, Naturalisierung und Objektivierung des Weltverständissees hat zu große Fortschritte gemacht, als das theologische Antworten länger befreidigen könnten. Für die reifere Vernunft ist diese nicht nur logisch haltlos geworden, sondern, was noch wichtiger ist, existentiell unplausibel.

Weblinks:

Hegel wurde vor 200 Jahren 1816 nach Heidelberg berufen

Hegel-Biografie - Biografie-Portal

Zynische Denkhaltung

Kritik der zynischen Vernunft
Kritik der zynischen Vernunft

Zynische Denkhaltung ist eine in Politik und Wirtschaft weit verbreitete Einstellung, die auf Gehorsam und Loyalität gründet. Zynische Denkstrukturen bestimmen die Gesellschaft.


Sloterdijk zeigt in seinem Werk »Kritik der zynischen Vernunft« im Rahmen einer sorgfältigen "historischen Psychopathologie" die Entwicklungslinien der zynischen Denkhaltung vom Wilhelminismus über die Weimarer Republik und das Dritte Reich bis in die Gegenwart auf. In der Weimarer Republik habe sich der Aufklärung ein wütender Widerstand gegen das "zersetzende" Gespräch über Wahrheit entgegengestellt.

Stromlinienförmige "Loyalität", die an Kadavergehorsam erinnert, beansprucht keine Exklusivität für die Weimarer Republik, sondern ist auch für viele der heute in Staat und vor allem in Großunternehmen Machthabenden von allergrößter Bedeutung. "Aufklärung" ist nicht gefragt, sondern wird lieber unter Strafe gestellt.

Die Perspektivlosigkeit und Zerrissenheit der heutigen Gesellschaft zeige sich in drastischen Gegensätzen: Skrupellose Unternehmer und abgebrühte Systemstrategen treffen nach Sloterdijks Beobachtung auf desillusionierte Aussteiger und ideallose Verweigerer.

Die gegenwärtigen Vernunft-Zyniker seien Melancholiker, die ihre depressiven Symptome unter Kontrolle halten, um einigermaßen arbeitstüchtig bleiben. Denn dem Zynismus der Gegenwart komme es vor allem auf die Arbeitsfähigkeit seiner Träger an.

Dumm sein und Arbeit haben - das sei das Glück. Intelligent sein und dennoch seine Arbeit verrichten - das sei das Unglück. Dumm und arglos könne das aufgeklärte Bewusstsein nicht mehr werden - Unschuld sei nicht wiederherzustellen.

Da das ganze Universum von einem blinden Urwillen angetrieben ist, muß alles, was existiert, in irgendeiner Form unglücklich sein, meinte Arthur Schopenhauer. Das gesamte Sein ist eine Hölle und deshalb sollte es besser nicht sein.

Die gegenwärtig herrschenden Zyniker seien nicht dumm, so Sloterdijk - sie sähen durchaus das Nichts, zu dem alles führe. Die Naivität der anderen müsse gut geplant werden: Es sei für die Vernunft-Zyniker immer eine gute Investition, den naiven Arbeitswillen anderer zu pflegen.

Literatur:

Kritik der zynischen Vernunft
»Kritik der zynischen Vernunft«
von Peter Sloterdijk