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Samstag, 16. November 2019

„Gott ist tot“ – Der europäische Nihilismus

Friedrich Nietzsche

Mit dem Stichwort „Gott ist tot“ wird oft die Vorstellung verbunden, dass Nietzsche den Tod Gottes beschworen oder herbeigewünscht habe. Tatsächlich trifft dies nur in einem gewissen Sinne zu.

Nietzsche verstand sich hier vielmehr als Beobachter. Er analysierte seine Zeit, vor allem die seiner Auffassung nach inzwischen marode gewordene (christliche) Moral. Nietzsche war zudem nicht der Erste, der die Frage nach dem „Tod Gottes“ stellte. Hegel äußerte diesen Gedanken bereits 1802 und sprach von dem „unendlichen Schmerz“ als einem Gefühl, „worauf die Religion der neuen Zeit beruht – das Gefühl: Gott selbst ist tot“.

Die bedeutendste und meistbeachtete Stelle zu diesem Thema ist der Aphorismus 125 aus der Fröhlichen Wissenschaft mit dem Titel „Der tolle Mensch“. Der stilistisch dichte Aphorismus enthält Anspielungen auf klassische Werke der Philosophie und Tragödie. Dieser Text lässt den Tod Gottes als bedrohliches Ereignis erscheinen. Dem Sprecher darin graut vor der Schreckensvision, dass die zivilisierte Welt ihr bisheriges geistiges Fundament weitgehend zerstört hat:

„Wohin ist Gott? rief er, ich will es euch sagen! Wir haben ihn getötet, – ihr und ich! Wir alle sind seine Mörder! Aber wie haben wir dies gemacht? Wie vermochten wir das Meer auszutrinken? Wer gab uns den Schwamm, um den ganzen Horizont wegzuwischen? Was taten wir, als wir diese Erde von ihrer Sonne losketteten? Wohin bewegt sie sich nun? Wohin bewegen wir uns? Fort von allen Sonnen? Stürzen wir nicht fortwährend? Und rückwärts, seitwärts, vorwärts, nach allen Seiten? Gibt es noch ein Oben und ein Unten? Irren wir nicht wie durch ein unendliches Nichts? Haucht uns nicht der leere Raum an? Ist es nicht kälter geworden? Kommt nicht immerfort die Nacht und mehr Nacht? […] Gott ist tot! Gott bleibt tot! Und wir haben ihn getötet! Wie trösten wir uns, die Mörder aller Mörder?“

Dieser unfassbare Vorgang würde gerade wegen der großen Dimension lange brauchen, um in seiner Tragweite erkannt zu werden: Ich komme zu früh, sagte er dann, ich bin noch nicht an der Zeit. Dies ungeheure Ereignis ist noch unterwegs und wandert, – es ist noch nicht bis zu den Ohren der Menschen gedrungen. Und weiter wird gefragt: Ist nicht die Größe dieser Tat [Gott getötet zu haben, Anm.] zu groß für uns? Müssen wir nicht selber zu Göttern werden, um nur ihrer würdig zu erscheinen? Unter anderem aus diesem Gedanken heraus erscheint später die Idee des „Übermenschen“, wie sie vor allem im Zarathustra dargestellt wird: „Tot sind alle Götter: nun wollen wir, dass der Übermensch lebe.“

Das Wort vom Tod Gottes findet sich auch in den Aphorismen 108 und 343 der Fröhlichen Wissenschaft; das Motiv taucht auch mehrmals in Also sprach Zarathustra auf. Danach verwendete Nietzsche es nicht mehr, befasste sich aber weiter intensiv mit dem Thema. Beachtenswert ist hier etwa das nachgelassene Fragment „Der europäische Nihilismus“ (datiert 10. Juni 1887), in dem es nun heißt: „,Gott‘ ist eine viel zu extreme Hypothese.“

Nietzsche kam zu dem Schluss, dass mehrere mächtige Strömungen, vor allem das Aufkommen der Naturwissenschaften und der Geschichtswissenschaft, daran mitgewirkt haben, den christlichen Gott unglaubwürdig zu machen und damit die christliche Weltanschauung zu Fall zu bringen. Durch die Kritik der bestehenden Moral, wie Nietzsche selbst sie betrieb, würde die Moral hohl und unglaubwürdig und bräche schließlich zusammen. Mit dieser radikalisierten Kritik stand Nietzsche einerseits in der Tradition der französischen Moralisten wie etwaMontaigne oder La Rochefoucauld, die die Moral ihrer Zeit kritisierten, um zu einer besseren zu gelangen; andererseits betonte er mehrfach, nicht nur die Heuchelei von Moral, sondern die herrschenden „Moralen“ selbst – im wesentlichen immer die christliche – zu bekämpfen. Um dies in einen Begriff zu fassen, bezeichnete er sich selbst als „Immoralist“.

Es besteht heute weitgehende Übereinstimmung, dass Nietzsche sich nicht als Befürworter des Nihilismus sah, sondern ihn als Möglichkeit in der (nach-) christlichen Moral, vielleicht auch als eine geschichtliche Notwendigkeit sah. Über den Atheismus Nietzsches im Sinne des Nichtglaubens an einen metaphysischen Gott sagen diese Stellen wenig aus.

Weblink:

Friedrich Nietzsche-Biografie - Biografien-Portal - www.die-biografien.de


Literatur:

„Gott ist tot“ – Der „europäische Nihilismus“ -

Der Antichrist: Versuch einer Kritik des Christentums
von Friedrich Nietzsche

Also sprach Zarathustra
Also sprach Zarathustra
von Friedrich Nietzsche

Samstag, 1. Juli 2017

Terrorismus und die Frage der Theodizee


Terrorismus ist eine Form des radikalen Umganges mit dem Glauben, welcher jedoch die Religiösität negiert. Terroristen sind keine religiösen Menschen, sondern eher Nihilisten - dem Nihilismus und damit dem Nichts zugewandte Menschen, die auch an nichts glauben, was mit Religion zu tun hat.

Der Terrorismus wirft die Frage der Theodizee und damit auch die Leidfrage auf. Die Frage nach dem Leid war und ist die große Frage an Gott. Wenn es ihn gibt, warum lässt er all das Leid zu? Warum hat er überhaupt eine Welt mit so viel Übel und Leid erschaffen? Warum lässt er Naturkatastrophen geschehen? Warum lässt er Gewaltverbrecher gewähren?

Theodizee heißt „Gerechtigkeit Gottes“ oder „Rechtfertigung Gottes“. Gemeint sind verschiedene Antwortversuche auf die Frage, wie das subjektive Leiden in der Welt vor dem Hintergrund zu erklären sei, dass ein (zumeist christlich aufgefasster) Gott einerseits allmächtig, andererseits gut sei.

Die Erschaffung Adams

Konkret geht es um die Frage, warum ein Gott oder Christus das Leiden zulässt, wenn er doch die Omnipotenz („Allmacht“) und den Willen („Güte“) besitzen müsste, das Leiden zu verhindern. Der Begriff théodicée (später deutsch „Theodizee“) geht auf den Philosophen und frühen Vordenker der Aufklärung Gottfried Wilhelm Leibniz zurück.

Das Leiden in der Welt ist durchaus mit der Existenz Gottes als auch mit der Theodizee vereinbar, denn man kann die Theodizee als Widerspruch konstruieren, der sich aus der Annahme ergibt, dass es Übel in der Welt gibt und Gott dennoch existiert:

Gott existiert und es gibt Übel in der Welt.
Wenn Gott existiert, dann ist Gott allmächtig.
Wenn Gott allmächtig ist, dann kann Gott das Übel verhindern.
Wenn das Übel existiert, dann kann Gott das Übel nicht verhindern.
Wenn Gott existiert und das Übel existiert, dann kann Gott das Übel verhindern und nicht verhindern. (Widerspruch)
Oder: Gott existiert nicht.

Nicht-christliche Weltreligionen haben einen anderen Umgang mit der Leidfrage. Und so herrschen auch verschiedene Lösungsansätze für die anderen Weltreligionen wie den Islam, das Judentum, den Hinduismus und den Buddhismus vor.


Weblink:

Theodizee - de.wikipedia.org


Literatur:


Theodizee in den Weltreligionen: Ein Studienbuch
Theodizee in den Weltreligionen: Ein Studienbuch
von Alexander Loichinger und Armin Kreiner


Michelangelo. Das vollständige Werk
Michelangelo. Das vollständige Werk
von Frank Zoellner und Christof Thoenes


Blog-Artikel:

»Theodizee« von Gottfried Wilhelm Leibniz - Philosophenwelt-Blog - http://philosophen-welt.blogspot.com

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