Samstag, 24. September 2022

Heidegger und das Sein

Martin Heidegger

Martin Heidegger hat die Philosophiegeschichte rekapituliert und diese als Seinsgeschichte gedeutet. In seiner Philosophie hat Heidegger versucht, die „Geschichte des Seins“ zu rekonstruieren, um zu zeigen, wie die verschiedenen Epochen der Philosophiegeschichte von unterschiedlichen Seinsvorstellungen beherrscht wurden. Sein Ziel ist es, die ursprüngliche Erfahrung des Seins wiederzugewinnen, die im frühen griechischen Denken vorhanden war und von späteren Philosophen verdeckt wurde.

Friedrich Hölderlin

Hölderlin sei der Erste gewesen, der erkannt hatte, dass diese eine Seinsgeschichte ist. Ihm komme daher die geschichtliche Rolle zu, nach der Abkehr von der Metaphysik die „Nähe und Ferne der gewesenen und künftigen Götter zur Entscheidung gestellt“ zu haben.

Heideggers Rekapitulation der Philosophiegeschichte und ihre Deutung als Seinsgeschichte fasst den Beginn der Philosophie als Verfehlung auf. Zwar habe sich dem frühen griechischen Denken das Sein in unterschiedlicher Weise entborgen, allerdings so, dass dieses Entborgene fortan das Maß für das menschliche Denken und Handeln abgab.

Wesentlich war dabei eine Auffassung des Seins als Vorhandenheit, Gegenständlichkeit, als Objekt für ein Subjekt, welche letztlich in der technischen Herausforderung der Welt mündete.

Laut Heidegger geriet dabei die Tatsache in Vergessenheit, dass sich das Sein in dieser Weise entborgen hat. Diese Seinsvergessenheit oder auch Seinsverlassenheit bestimme als Grundzug des Denkens die abendländische Geschichte, gleichsam ihr Schicksal oder ihr Geschick: „Indes befällt die Vergessenheit als anscheinend von ihm Getrenntes nicht nur das Wesen des Seins. Sie gehört zur Sache des Seins selbst, waltet als Geschick seines Wesens.“


Literatur:

Sein und Zeit
Sein und Zeit
von Martin Heidegger

Montag, 19. September 2022

Nationalstolz von Arthur Schopenhauer


»Die wohlfeilste Art des Stolzes hingegen ist der Nationalstolz. Denn er verrät in dem damit Behafteten den Mangel an individuellen Eigenschaften, auf die er stolz sein könnte, indem er sonst nicht zu dem greifen würde, was er mit so vielen Millionen teilt. Wer bedeutende persönliche Vorzüge besitzt, wird vielmehr die Fehler seiner eigenen Nation, da er sie beständig vor Augen hat, am deutlichsten erkennen. Aber jeder erbärmliche Tropf, der nichts in der Welt hat, darauf er stolz sein könnte, ergreift das letzte Mittel, auf die Nation, der er gerade angehört, stolz zu sein. Hieran erholt er sich und ist nun dankbarlich bereit, alle Fehler und Torheiten, die ihr eigen sind, mit Händen und Füßen zu verteidigen.«

Quelle:

»Parerga und Paralipomena, Aphorismen zur Lebensweisheit«, Von dem was einer vorstellt. pp. 360

Samstag, 17. September 2022

»Die offene Gesellschaft und ihre Feinde« ist ein sozialphilosophisches Hauptwerk dieses Jahrhunderts

Karl Popper



»Die offene Gesellschaft und ihre Feinde« ist ein sozialphilosophisches Hauptwerk dieses Jahrhunderts. In Deutschland lange Zeit unterschätzt bzw. absichtsvoll missverstanden, nicht zuletzt durch Diffamierungen aus dem Umkreis der Frankfurter Schule (Adorno, Habermas u.a.), gilt das Werk des Totalitarismus heute selbstverständlich als ein Standardwerk zum Thema Totalitarismus und Geschichtsphilosophie.

Popper versteht unter offenen Gesellschaften die diversen Formen der Demokratie, vom klassisch-demokratischen Athen bis hin zu den modernen Gesellschaften der "western civilization", im Unterschied zu den geschlossenen (statischen) Gesellschaften der Stammeskulturen, der antiken Diktaturen und Tyranneien, bis hin zu den diktatorischen Regimen unseres Jahrhunderts.

Der Philosoph Karl Popper hat sein Werk »Die offene Gesellschaft und ihre Feinde« aus dem Jahr 1945 als Antwort auf den Faschismus konzipiert. Darin rechnet der Philosoph detailliert mit den Gedankensystemen von Platon, Hegel und Marx ab, die seiner Meinung nach totalitäre Systeme theoretisch begründet und praktisch befördert haben.

Das Werk ist aus seiner Zeit heraus zu verstehen, in der es entstanden ist. Von 1939 bis 1942, Anlass war der Einmarsch der Deutschen Wehrmacht in Österreich, hat Popper an den beiden Bänden der offenen Gesellschaft geschrieben: Gegen Hitler und Stalin; gegen Nazismus und Kommunismus. Vom Zauber Platons, dessen idealstaatliche Vorstellungen Popper im ersten Band seiner "offenen Gesellschaft" vehement kritisiert und als totalitäre Version des Historizismus (eine Philosophie der unangemessenen Sinnndeutung des historischen Geschehens) entlarvt, spannt er den Bogen zu den "falschen Propheten" der Neuzeit, die er vor allem in Hegel und Marx sieht, den "orakelnden Philosophen" (Popper).

»Band 2 Hegel, Marx und die Folgen« kündet von den falsche Propheten der Philosophie. Hegel ist für Popper ein philosophischer Falschspieler, der immer wieder "mit Hilfe seiner zauberkräftigen Dialektik wirkliche, physische Kaninchen aus rein metaphysischen Zylindern" holte. Gegen Ende seiner knappen, aber heftigen Ausführungen zur Hegelschen Philosophie räumt Popper allerdings ein: "Viele meiner Freunde haben mich kritisiert wegen meiner Einstellung zu Hegel und wegen meiner Unfähigkeit, Hegels Größe zu sehen. Sie hatten damit natürlich völlig recht, denn ich war wirklich unfähig, sie zu sehen. (Ich bin es noch immer.)"

Der Hauptteil dieses zweiten Bandes der offenen Gesellschaft ist Karl Marx zugedacht: Marxens Methode, Marxens Prophezeihung, Marxens Ethik. Wobei Popper, bei aller respektvollen Würdigung der marx'schen Analysen, vor allem dessen ökonomistischen Determinismus als eine besonders dogmatische Form des Historizismus kritisiert. Die darin angeführten Zitate sind teils hoch amüsant, teils erschreckend und belegen, dass auch (oder gerade) große Denker sich großen Unsinn aus den Fingern saugen können.

Literatur:

Die offene Gesellschaft und ihre Feinde
Die offene Gesellschaft und ihre Feinde
von Karl Popper

Religionen als menschengemachte Fallen

Die philosophische Hintertreppe: 34 großen Philosophen in Alltag und Denken
Die philosophische Hintertreppe:
34 großen Philosophen in Alltag und Denken

Der ehemalige Professor für Philosophie Wilhelm Weischedel (1905 - 1975), der an der Universität Tübingen und später an der FU in Berlin unterrichtete, bietet mit seiner "Philosophischen Hintertreppe" einen ungewöhnlichen Zugang zu den Werken der bekanntesten Philosophen des Abendlandes.

Statt staubtrockene Einführungen, plagiatorische Zusammenfassungen oder anbiederisch kommentierende Interpretatiönchen zu den Schriften der großen Denker zu verfassen, erstellte er lieber eine leserfreundliche Sammelung anekdotischer Daten oder witziger Merkwürdigkeiten des Privatlebens neben den monumentalen Thesen der Seinsdeutung der Herren Kant und Co. zusammen. Das Ergebnis ist ein unterhaltsames, mitunter sogar launiges Buch, das zugleich als leichte und dennoch gute Einführung in das Werk jener systematisch das vernommene Sein Deutenden dienen kann.

Religionen sind menschengemachte Fallen. Ein wahrer, wacher Philosoph darf da nicht hineintappen aus einer zwar menschlich verständlichen, aber einem freien Geist nicht zuträglichen Bedürftigkeit nach fragwürdigem Halt. Wilhelm Weischedel ergänzt das noch:"Aufgabe der Philosophie ist es, dafür zu sorgen, daß das Denken der Falle entgeht, die ihm die Sprache stellt".


Literatur:

Die philosophische Hintertreppe: 34 großen Philosophen in Alltag und Denken
Die philosophische Hintertreppe: 34 großen Philosophen in Alltag und Denken
von Wilhelm Weischedel

Dienstag, 13. September 2022

Ludwig Feuerbach 150. Todestag


Ludwig Feuerbach

Ludwig Feuerbach starb vor 150 Jahren am 13. September 1872 in Schoppershof bei Nürnberg. Ludwig Feuerbach war ein bedeutender deutscher Philosoph des 19. Jahrhunderts.

Er war ein deutscher Philosoph, dessen Religions- und Idealismuskritik bedeutenden Einfluss auf die Bewegung des Vormärz hatte und einen Erkenntnisstandpunkt formulierte, der für die modernen Humanwissenschaften, wie zum Beispiel die Psychologie, grundlegend geworden ist.

Ludwig Feuerbach war ein leidenschaftlicher Reformator der Philosophie, der nicht das reine Wissen, sondern den ganzen Menschen in das Zentrum seines Bemühens stellte. Dieser Denkansatz löste einen Erdrutsch in der geistigen Landschaft der Restaurationszeit aus. Die klassische deutsche Philosophie brach buchstäblich zusammen, und Feuerbach wurde zur intellektuellen Leitfigur des deutschen Vormärz, bevor ihn andere für sich vereinnahmten: die Marxisten, die zumeist nur interpretierten, was Marx und Engels über ihn gesagt hatten, und die Theologen, denen er der sprichwörtliche Pfahl im Fleische blieb.

Ludwig Feuerbach wurde auch bekannt als Philosoph, der eine materialistische Sicht der Welt hatte und der die Dialektik in seinen Betrachtungen als Denkmodell einführte.

1823 begann er in Heidelberg das Studium der Theologie. 1824 ging Feuerbach nach Berlin, wo er gegen den Widerstand des Vaters das Studienfach wechselte: Zwei Jahre lang hörte er sämtliche Vorlesungen, die Hegel in dieser Zeit hielt, die Logik sogar zweimal.

Im Juni 1828 promovierte er in Philosophie, am Ende desselben Jahres folgte die Habilitation. Wenige Wochen danach begann er, als unbesoldeter Privatdozent in Erlangen zu lehren.

Feuerbach griff mit einer Reihe von Rezensionen und Aufsätzen, von denen einige zu seinen wichtigsten Schriften zählen, so »Zur Kritik der positiven Philosophie« (1838) und »Zur Kritik der Hegelschen Philosophie« (1839), in die geistig-ideologischen Auseinandersetzungen der Restaurationszeit ein.

Die heftige Polemik gegen die als rückwärtsgewandt und unredlich kritisierte „Christentümelei“ der Restauration veranlasste ihn, dem Phänomen Religion auf den Grund zu gehen. Zwei Jahre lang, von 1839 bis 1841, arbeitete er am Hauptwerk »Das Wesen des Christentums«. Das Werk erschien im Frühjahr 1841 im Verlag Otto Wigand in Leipzig und machte Feuerbach schlagartig berühmt.


"Zu einem vollkommenen Menschen

gehört die Kraft des Denkens,

die Kraft des Willens,

die Kraft des Herzens."





Feuerbach deutete in seinem Werk »Das Wesen des Christentums« (1841) die Gedanken Martin Luthers, wenn auch in keineswegs gläubigen Sinn, daß der anch Gottes Ebenbild geschaffene Mensch umgekehrt das Göttliche nach seinem eigenen Ebenbild schafffe. Er erklärte die Religion für einen Traum des Menschen: Was der Mensch Gott nenne, sei das Wesen des Menschen selbst.

Durch seine in der Zeit der Restauration in breiten Kreisen als befreiend empfundene Religions- und Idealismuskritik wurde Feuerbach zur intellektuellen Leitfigur der Dissidentenbewegungen des „Vormärz“.

Ab 1842 erhielt er eine Reihe von Angeboten zur Mitarbeit an Zeitungen und Zeitschriften des oppositionellen Spektrums (so auch von der „Rheinischen Zeitung“). Er nahm keines wahr, eine Absage erteilte er 1843 auch Karl Marx, als dieser ihn für die in Paris erscheinenden (sehr kurzlebigen) "Deutsch-französischen Jahrbücher" gewinnen wollte. Marx ließ allerdings »Das Wesen des Glaubens im Sinne Luthers« im Pariser Vorwärts! abdrucken.

Durch Lektüren und die Bekanntschaft mit einem Handwerksburschen entdeckte Feuerbach auch selbst die frühkommunistische Bewegung, die ihn begeisterte.

1845 erhielt Feuerbach von seinem Verleger Otto Wigand das Angebot, seine Schriften in einer Werkausgabe zu versammeln. Bis 1866 erreichten diese »Sämmtlichen Werke« zehn Bände. Der erste erschien bereits 1846. Feuerbach überarbeitete alle seine Bücher aus den dreißiger Jahren, um der inzwischen vollzogenen Abkehr von der Hegelschen Philosophie Rechnung zu tragen. Auch das inzwischen in zweiter Auflage erschienene Wesen des Christentums unterzog er einer nochmaligen Revision.

Nach dem Ausbruch der März-Revolution 1848 wurde Feuerbach von mehreren Seiten dazu aufgefordert, für das Frankfurter Paulskirchenparlament zu kandidieren. Er unterlag zwar einem örtlichen Advokaten, ging aber dennoch als Beobachter nach Frankfurt.

Seit dem Erscheinen des »Wesen des Christentums« war Feuerbachs Privatleben wesentlich bewegter als zuvor. Er ging häufiger auf Reisen.

Der preußisch-österreichische Krieg 1866 erschütterte Feuerbach zutiefst. Anders als früher verfolgte er jetzt mit gespannter Aufmerksamkeit das politische Geschehen. Bismarcks Einigungspolitik lehnte er entschieden ab, weil sie auf Gewalt gestützt war und in seinen Augen keine Freiheit brachte, hingegen studierte er den ersten Band von Marx’ »Kapital« kurz nach dessen Erscheinen und begeisterte sich für die in Amerika aufkommende Frauenbewegung.

Feuerbach machte die Religionskritik zu seinem Hauptthema und stellte klar, dass der religiöse Glaube sich überlebt habe und des „denkenden Menschen“ unwürdig sei. Vernunft und Wissenschaft waren zu so unabweisbaren Ergebnissen gelangt, dass es zur Frage der intellektuellen Redlichkeit wurde, ob man noch an religiösen Dogmen festhält. Der Glaube hatte seine einstige Unschuld und Berechtigung verloren, er wurde zur Heuchelei vor sich selbst und der Mitwelt.

Den bedeutendsten und direktesten Einfluss übte Feuerbach auf die Herausbildung der marxschen Philosophie aus. Marx übernahm von ihm nicht nur die Religionskritik, sondern vor allem den anthropologischen Materialismus, der für ihn die theoretische Grundlage bildete.

Ludwig Feuerbach wurde am 28. Juli 1804 in Landshut als Sohn des bedeutenden Rechtsgelehrte Paul Johann Anselm von Feuerbach (1775 -1833) geboren.


Literatur:

Ludwig Feuerbach: Denker der Menschlichkeit
Ludwig Feuerbach: Denker der Menschlichkeit


Das Wesen des ChristentumsDas Wesen des Christentums


Weblinks:

Ludwig Feuerbach-Biografie - Biografien-Portal www.die-biografien.de


Ludwig Feuerbach-Zitate - Zitate-Portal www.die-zitate.de



Sonntag, 11. September 2022

»Fröhliche Wissenschaft« von Friedrich Nietzsche

Die Fröhliche Wissenschaft


»Die Fröhliche Wissenschaft« - später mit dem Untertitel »la gaya scienza« - ist ein zuerst 1882 erschienenes und 1887 ergänztes Werk Friedrich Nietzsches. Im Frühjahr 1882 entschloss er sich, angesammeltes Material unter dem Titel »Die fröhliche Wissenschaft« neu zusammenzustellen und drucken zu lassen.

Das Werk ist eine Künstlerschrift und stammt aus seiner mittleren Schaffensphase, als es ihm darum ging, in der "Sprache des Tauwinds" traditionelle Wertformen und Denkhaltungen zu überwinden und an die Stelle metaphysisch orientierter Moral und Philosophie die Selbstbestimmung des heiteren »freien Geistes« zu setzen. Eine fröhliche Wissenscaft bedarf des freien Geistes.

Nietzsche dachte wissenschaftlich-induktiv, jedoch nicht im Stil trockener Gelehrsamkeit, sondern unter den Vorzeichen des Künstlerischen. Denn der wissenschaftliche Mensch ist die Weiterentwicklung des künstlerischen, schrieb Nietzsche bereits in der ersten Unzeitgemäßen Betrachtung. In diesem Sinn will er Wissenschaft auch als »fröhliche Wissenschaft« verstanden wissen - eine, die fähig ist, über sich selbst zu lachen, getreu dem Spruch, den Nietzsche sich über die Haustürwünschte: »Ich wohne in meinnem eigenen Haus,/ habe niemanden nie nichts nachgemacht / Und - lachte noch jeden Meister aus,/ der nicht sich selber ausgelacht.«

Die »Die fröhliche Wissenschaft« ist der unmittelbarste Ausdruck seiner Konzeption des „Künstlerphilosophen“. Wie zum Beweis, betätigt sich darin Nietzsche selbst künstlerisch als origineller Sprachschöpfer.

Sanctus Januarius


Motto zum vierten Buch der »Fröhlichen Wissenschaft«

Der du mit dem Flammenspeere
meiner Seele Eis zerteilt,
ihrer höchsten Hoffnung eilt:
heller stets und stets gesunder,<
also preist sie deine Wunder,
schönster Januarius!

Genua, im Januar 1882



Nietszche wollte keine trockene und steife Wissenschaft, sondern eine heitere dem Leben zugewandete, heitere Wissenschaft zur Entfaltung des freien Geistes. Dieser "freie Geist" ist ein direkter Vorläufer des späteren Zarathustra. Für Nietzsche liegt "Übermut, Unruhe, Widerspruch" in diesem Werk, gleichzeitig ist es »ein jasagendes Buch, tief, aber hell und gütig«.

Das Werk vereint Poetik mit Moralkritik und enthält Gedanken zu unterschiedlichsten Themen in fast 400 Aphorismen verschiedener Länge. Es gilt als abschließendes Werk der „freigeistigen“ Periode Nietzsches.

»Selbst an Abgründen noch zu tanzen“, so hatte Nietzsche in der Fröhlichen Wissenschaft unser Leben bejahendes Echo aufgefasst: „Ein solcher Geist wäre der freie Geist par excellence.«

Nietzsche hat in seinem Werk »Die fröhliche Wissenschaft« die Wissenschaft von ihrer moralischen Natur her kritisiert. Nietzsche gab mit dem freigeistigen Werk den Anstoss für die Klassiker der Wissenschaftskritik wie z.B. Foucault.


» »Was taten wir, als wir diese Erde von ihrer Sonne losketteten? Wohin bewegt sie sich nun? Wohin bewegen wir uns? Fort von allen Sonnen? Stürzen wir nicht fortwahrend? Und rückwärts, seitwärts, vorwärts, nach allen Seiten? Gibt es noch ein Oben und Unter? irre werinicth wei druch ein unendliches Nichts! ... Gott ist tot!««


Ferner stellt Nietzsche hier auch die Frage nach dem Kerngehalt und dem Wert von Wissenschaft überhaupt, und das nicht in der Sprache des Wissenschaftlers.

Literatur [ >> ] :

Die Fröhliche Wissenschaft
Die Fröhliche Wissenschaft
von Friedrich Nietzsche

Morgenröte / Idyllen aus Messina / Die fröhliche Wissenschaft.
Morgenröte / Idyllen aus Messina / Die fröhliche Wissenschaft.
von Giorgio Colli und Mazzino Montinari

Samstag, 10. September 2022

Frankfurter Schule

Frankfurter Schule

Die Frankfurter Schule steht für ein Spektrum von Intellektuellen, die langfristig oder zeitweilig dem 1924 in Frankfurt am Main gegründeten Institut für Sozialforschung und dessen Projekt einer kritischen Theorie der Gesellschaft verbunden waren.

Als Frankfurter Schule wird eine Gruppe von Philosophen und Wissenschaftlern verschiedener Disziplinen bezeichnet, die an die Theorien von Hegel, Marx und Freud anknüpfte und deren Zentrum das 1924 in Frankfurt am Main eröffnete »Institut für Sozialforschung« war. Dazu gehören Max Horkheimer und Theodor W. Adorno, Walter Benjamin und Jürgen Habermas, Herbert Marcuse und Erich Fromm, Oskar Negt und Axel Honneth. Sie werden auch als Vertreter der dort begründeten »Kritischen Theorie« begriffen.


Die Bezeichnung »Kritische Theorie« geht auf den Titel des programmatischen Aufsatzes »Traditionelle und kritische Theorie« von Max Horkheimer aus dem Jahre 1937 zurück. Als Hauptwerk der Schule gilt das von Horkheimer und Theodor W. Adorno 1944 bis 1947 gemeinsam verfasste Buch »Dialektik der Aufklärung«, dessen Essay-Charakter sie mit dem zurückhaltenden Untertitel »Philosophische Fragmente« bezeichneten.


In der Frankfurter Schule versammelten sich undogmatische Marxisten, wertkritische Kapitalismuskritiker, die davon ausgingen, dass in der marxistischen Orthodoxie kommunistischer Parteien oft nur noch eine beschränkte Auswahl der Ideen von Karl Marx wiederholt werde und speziell die philosophischen Implikationen ignoriert würden. Vor dem historischen Hintergrund des Scheiterns der Revolutionen der Arbeiterbewegung nach dem Ersten Weltkrieg und des Aufstiegs des Nationalsozialismus in einer zivilisierten Nation begannen Horkheimer und Adorno die Marx'schen Gedanken daraufhin zu untersuchen, inwiefern sie zur Analyse von sozialen Verhältnissen geeignet seien, wie sie zu Marx’ Lebzeiten noch nicht bestanden hatten. Dabei griffen sie auf die Ergebnisse anderer zeitgenössischer wissenschaftlicher Disziplinen zurück. Von besonderer Bedeutung waren hierbei die Soziologie Max Webers und die Psychoanalyse Sigmund Freuds, wobei letztere als Mittler zwischen Basis und Überbau eintrat.

Die Frankfurter Schule verbindet Ideologiekritik mit Gesellschaftskritik unter Verwendung der Dialektik als Methode.

Die Betonung der kritischen Komponente der Theorie entsprang den Bemühungen, die Grenzen des Positivismus, des Dialektischen Materialismus und der Phänomenologie zu überwinden. Die Frankfurter Schule griff hierzu auf die kritische Philosophie Kants und seiner Nachfolger im deutschen Idealismus zurück. Insbesondere Hegels dialektische Philosophie mit ihrer Betonung von Negation und Widerspruch als inhärenten Eigenschaften der Realität war dabei von Bedeutung, zumal seit der Veröffentlichung der Marxschen ökonomisch-philosophischen Manuskripte und seiner Deutschen Ideologie in den 1930er Jahren, die Kontinuität seines Denkens mit Hegel offenbar wurde. Hier schlossen die Frankfurter an Georg Lukács an.

Der erste Forschungsschwerpunkt bestand in der Untersuchung sozialer Phänomene, die vom klassischen Marxismus als Teil des Überbaus oder der Ideologie angesehen werden: Persönlichkeit, Familie, Autoritätsstrukturen (die erste Veröffentlichung des Instituts trug den Titel »Studien über Autorität und Familie«) und die Bereiche Ästhetik und Massenmedien. Die Studien sahen mit Sorge auf die Möglichkeit des Kapitalismus, die Voraussetzungen eines kritischen, revolutionären Bewusstseins zu zerstören.

Die Auseinandersetzung mit dem Wesen des Marxismus selbst bestimmte den zweiten Schwerpunkt des Instituts. Diesem Zusammenhang entsprang das Konzept einer kritischen Theorie.

Die zweite Phase der kritischen Theorie der Frankfurter Schule kristallisiert sich in zwei Werken, die zu Klassikern des 20. Jahrhunderts wurden: Die »Dialektik der Aufklärung« von Horkheimer und Adorno sowie die »Minima Moralia« Adornos. Beide Werke entstanden während des Exils der Autoren in den USA zur Zeit des Nationalsozialismus. Obwohl beide an der marxistischen Analyse festhalten, zeichnet sich in den Werken eine Akzentverlagerung der Kritischen Theorie ab. Aus der Kritik des Kapitalismus, wie sie Marx leistete, wird zunehmend eine Kritik der reinen Naturbeherrschung und ihrer philosophischen Vordenker.

Horkheimer und Adorno kehrten die Aufklärung gegen sich selbst, zerlegen sie und zeigen ihre dunklen und dunkelsten Seiten. Sie sagen nicht nur, moderner Fortschrittsglaube sei kalt und würde zu Katastrophen führen, sie zeigen auch sehr genau, weshalb dem so ist und wo bereits am Anfang der Aufklärung, als sie nach und nach die Mythen ablöste, ihre Grundproblem verankert liegt.

In den 1960er Jahren erhob Jürgen Habermas die erkenntnistheoretische Diskussion in seiner Schrift »Erkenntnis und Interesse« auf eine neue Ebene. Er identifizierte kritisches Wissen als auf Prinzipien beruhend, die sich sowohl von denen der Naturwissenschaften als auch der klassischen Philologie durch ihre Orientierung an Selbstreflexion und Emanzipation unterschieden. Damit gab er den Versuch der alten Frankfurter Schule auf, diesen Momenten in der Vernunft überhaupt einen Ort zuzuweisen.

Literatur:

Dialektik der Aufklärung
Dialektik der Aufklärung
von Max Horkheimer und Theodor W. Adorno

Die Frankfurter Schule
Die Frankfurter Schule
von Rolf Wiggershaus

Geschichte der Frankfurter Schule
Geschichte der Frankfurter Schule
von Emil Walter-Busch