Freitag, 7. November 2008

»Der Mythos des Sisyphos« von Albert Camus

»Der Mythos des Sisyphos« von Albert Camus Der zentrale Gedanke des »Mythos des Sisyphos« ist der des Menschen, der die Fremdheit der Welt erfährt, und ausgehend von dieser Erfahrung versucht, eine Verhaltensregel zu finden. Um diesen Gedanken näher zu erläutern, ist es zunächst erforderlich, die drei wesentlichen Elemente, aus denen er zusammengesetzt ist, vorzustellen: Das erste Element ist die Sehnsucht des Menschen nach Einheit der Welt und somit auch nach ihrer Beherrschung. Denn um die Welt zu verstehen, muss der Mensch sie vereinen, also das Mannigfaltige ihrer Erscheinungen auf eine gemeinsame Ursache zurückführen, die Welt seinen Kategorien unterordnen. Ist dies nicht möglich, so muss er der Wirklichkeit Gewalt antun, muss Bilder und Gestalten in sie hineinlegen, die ihr eigentlich fremd sind. Das zweite Element ist dementsprechend die irrationale Welt, auf die die Sehnsucht des Menschen trifft. Das dritte Element und der eigentliche Ausgangspunkt des Mythos des Sisyphos ist das Gefühl des Absurden. Durch zufällige und eigentlich belanglose Ereignisse zerbrechen plötzlich die Schemen, mit denen sich der Mensch bis dahin in der Welt zurecht gefunden hat. Plötzlich wird er sich der Kluft zwischen sich und der Welt bewusst und ist doch nicht in der Lage sie wieder zu schließen. In diesem Moment sieht sich der Mensch dem Absurden gegenüber. „Manchmal stürzen die Kulissen ein. Aufstehen, Straßenbahn, vier Stunden Büro oder Fabrik, Essen, Straßenbahn, vier Stunden Arbeit, Essen, Schlafen, Montag, Dienstag, Mittwoch, Donnerstag, Freitag, Samstag, immer derselbe Rhythmus – das ist meist ein bequemer Weg. Eines Tages aber erhebt sich das „Warum”, und mit diesem Überdruss, in den sich Erstaunen mischt, fängt alles an.”

Durch das Gefühl des Absurden angetrieben, versucht der Mensch nun mittels der Vernunft sich die Welt erneut unterzuordnen. Er wendet sich der Wissenschaft zu und trachtet danach, mit ihrer Hilfe das Eine zu finden, das allem zugrunde liegt. Doch er scheitert erneut: „Trotzdem gibt mir alles Wissen über diese Erde nichts, was mich sicher sein ließe, dass diese Welt mir gehört. Ihr beschreibt sie mir und ihr lehrt mich, sie zu klassifizieren. Ihr zählt ihre Gesetze auf und in meinem Wissensdurst halte ich sie für wahr. Ihr zerlegt ihren Mechanismus und meine Hoffnung wächst. Schließlich lehrt ihr mich, dieses blendende und bunte Universum lasse sich auf das Atom zurückführen und das Atom wieder auf das Elektron. Das ist alles sehr schön und ich warte, dass ihr fortfahrt. Doch ihr erzählt mir von einem unsichtbaren Planetensystem, in dem die Elektronen um einen Kern kreisen. Ihr erklärt mir die Welt mit einem Bild. Jetzt merke ich, dass ihr bei der Poesie gelandet seid: Nie werde ich wirklich etwas wissen. [...] So läuft diese Wissenschaft, die mich alles lehren sollte, schließlich auf eine Hypothese hinaus, die Klarheit versinkt in einer Metapher, die Ungewissheit löst sich in einem Kunstwerk auf. Bedurfte ich so vieler Anstrengungen? Die sanften Linien des Hügels und die Hand des Abends auf meinem erregten Herzen lehren mich viel mehr.” So scheitert auch die Vernunft, und das Absurde bleibt.

Zusammenfassend könnte man also sagen, dass es eigentlich nicht drei Elemente gibt, sondern vier: Denn sowohl das Gefühl, als auch die Vernunft bezeugen für Camus die Fremdheit der Welt und somit das Absurde – ein Umstand, der später noch eine Rolle spielen wird. Von dieser Situation des Absurden ausgehend untersucht Camus nun die daraus entstehenden Handlungsmöglichkeiten.

Weblink:

Albert Camus – Marxismus und Moral - www.bruchlinien.at