Sonntag, 31. Mai 2015

»Die offene Gesellschaft und ihre Feinde« ist ein sozialphilosophisches Hauptwerk dieses Jahrhunderts

Karl Popper


»Die offene Gesellschaft und ihre Feinde« ist ein sozialphilosophisches Hauptwerk dieses Jahrhunderts. In Deutschland lange Zeit unterschätzt bzw. absichtsvoll missverstanden, nicht zuletzt durch Diffamierungen aus dem Umkreis der Frankfurter Schule (Adorno, Habermas u.a.), gilt das Werk des Totalitarismus heute selbstverständlich als ein Standardwerk zum Thema Totalitarismus und Geschichtsphilosophie.

Popper versteht unter offenen Gesellschaften die diversen Formen der Demokratie, vom klassisch-demokratischen Athen bis hin zu den modernen Gesellschaften der "western civilization", im Unterschied zu den geschlossenen (statischen) Gesellschaften der Stammeskulturen, der antiken Diktaturen und Tyranneien, bis hin zu den diktatorischen Regimen unseres Jahrhunderts.

Der Philosoph Karl Popper hat sein Werk »Die offene Gesellschaft und ihre Feinde« aus dem Jahr 1945 als Antwort auf den Faschismus konzipiert. Darin rechnet er detailliert mit den Gedankensystemen von Platon, Hegel und Marx ab, die seiner Meinung nach totalitäre Systeme theoretisch begründet und praktisch befördert haben.

Das Werk ist aus seiner Zeit heraus zu verstehen. Von 1939 bis 1942, Anlass war der Einmarsch der Deutschen Wehrmacht in Österreich, hat Popper an den beiden Bänden der offenen Gesellschaft geschrieben: Gegen Hitler und Stalin; gegen Nazismus und Kommunismus. Vom Zauber Platons, dessen idealstaatliche Vorstellungen Popper im ersten Band seiner "offenen Gesellschaft" vehement kritisiert und als totalitäre Version des Historizismus (eine Philosophie der unangemessenen Sinnndeutung des historischen Geschehens) entlarvt, spannt er den Bogen zu den "falschen Propheten" der Neuzeit, die er vor allem in Hegel 507572 und Marx sieht, den "orakelnden Philosophen" (Popper).

»Band 2 Hegel, Marx und die Folgen« kündet von den falsche Propheten der Philosophie. Hegel ist für Popper ein philosophischer Falschspieler, der immer wieder "mit Hilfe seiner zauberkräftigen Dialektik wirkliche, physische Kaninchen aus rein metaphysischen Zylindern" holte. Gegen Ende seiner knappen, aber heftigen Ausführungen zur Hegelschen Philosophie räumt Popper allerdings ein: "Viele meiner Freunde haben mich kritisiert wegen meiner Einstellung zu Hegel und wegen meiner Unfähigkeit, Hegels Größe zu sehen.

Sie hatten damit natürlich völlig recht, denn ich war wirklich unfähig , sie zu sehen. (Ich bin es noch immer.)"


Der Hauptteil dieses zweiten Bandes der offenen Gesellschaft ist Karl Marx zugedacht: Marxens Methode, Marxens Prophezeihung, Marxens Ethik. Wobei Popper, bei aller respektvollen Würdigung der marx'schen Analysen, vor allem dessen ökonomistischen Determinismus als eine besonders dogmatische Form des Historizismus kritisiert. Die darin angeführten Zitate sind teils hoch amüsant, teils erschreckend und belegen, dass auch (oder gerade) große Denker sich großen Unsinn aus den Fingern saugen können.

Literatur:

Die offene Gesellschaft und ihre Feinde
Die offene Gesellschaft und ihre Feinde
von Karl Popper

Samstag, 9. Mai 2015

Gedanken zum Ende des Zweiten Weltkrieges

Jahrestage und Gedenkveranstaltungen prägen die Erinnerungskultur der Menschen. Das gilt besonders für den 8. Mai, den Tag des Kriegsendes in Europa. Zentraler Bestandteil dieser Erinnerungskultur ist, dass Geschichte immer von den Siegern geschrieben wird. Entscheidend ist hier nicht der tatsächliche Verlauf der Geschichte, sondern deren Interpretation, in der immer auch die Möglichkeit der Lüge enthalten ist.

„Geschichte ist die Lüge,
auf die man sich geeinigt hat“

Voltaire

„Geschichte ist die Lüge, auf die man sich geeinigt hat“, schrieb einst der Aufklärer Voltaire. Aber wer hat sich auf was geeinigt? Marx und Engels helfen da weiter: „Die Gedanken der herrschenden Klasse sind in jeder Epoche die herrschenden Gedanken.“ Die herrschende Geschichtsschreibung ist die Geschichtsschreibung der Herrschenden.

„Die Gedanken der herrschenden Klasse sind in jeder Epoche die herrschenden Gedanken.“

Karl Marx


Das galt und gilt auch für die Jahrestage und Gedächtnisfeiern zum Ende des Zweiten Weltkrieges. Als Richard von Weizsäcker in seiner berühmten Rede am 8. Mai 1985 sagte der Bundespräsidnet in einer wegweisenden Rede:



„Der 8. Mai war ein Tag der Befreiung. Er hat uns alle befreit von dem menschenverachtenden System der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft.“ Und weiter „Wir dürfen nicht im Ende des Krieges die Ursache für Flucht, Vertreibung und Unfreiheit sehen. Sie liegt vielmehr in seinem Anfang und im Beginn jener Gewaltherrschaft, die zum Kriege führte“ und: „Wer seine Ohren und Augen aufmachte, wer sich informieren wollte, dem konnte nicht entgehen, das Deportationszüge rollten.“

Richard von Weizsäcker


In Richard von Weizsäcker höchst bemerkenswerten Rede - eine Rede für die Geschichtsbücher, die einen Bruch in der Kontinuität deutschen Denkens und deutscher Geschichtsauffassung darstellt - kamen nicht etwa die Gedanken der herrschenden Klasse zum Ausdruck, sondern die eines besiegten Wehrmachtsoffziers, der im Alter zu seiner eigenen Geschichtesauffasung gekommen war.

Seine Rede atmete den Geist einer höheren Vernunft. Es war die geläuterte Ausfassung und Sichtweise eines Besiegten, der zur Vernunft gekommen war - der Weltgeist hinterm Rednerpult sozusagen.

Eine höhere Vernunft, welcher der herrschenden Klasse - die sich 1945 lieber besiegen als befreien lies - bis heute immer noch fern liegt. Diese Klasse hält es mit der Geschichtsschreibnung wohl eher mit Voltaire, der das Wesen der Geschichte schon damals erkannat hatte.

Weblinks:

Das Ende des Zweiten Weltkrieges – ein Beitrag von Oskar Lafontaine zum 8.5.2015 Bundespräsident Weizsäcker Rede am 8 Mai 1985 - Youtube - www.youtube.com