Der neue Zynismus greift in der Gesellschaft munter um sich, ohne daß diesem Einhalt geboten wurde.
Zynische Denkhaltung ist eine in Politik und Wirtschaft weit verbreitete Einstellung, die auf Gehorsam und Loyalität gründet. Zynische Denkstrukturen bestimmen die Gesellschaft. Und der wirklich versierte Zyniker trägt bei seinem - im praktischen Handeln angelegten - gepflegten Zynismus natürlich ein Siegerlächeln im Gesicht.
Der neue Zyniker ist nach Peter Sloterdijk derjenige, der eine Machtposition innehat: „Dem diffusen Zynismus gehören längst die Schlüsselstellungen der Gesellschaft in Vorständen, Parlamenten, Aufsichtsräten, Betriebsführungen, Lektoraten, Praxen, Fakultäten, Kanzleien und Redaktionen.“ (S. 37). Er erinnert daran, wie Gottfried Benn, „selber einer der profilierten Sprecher der modernen zynischen Struktur“ in dieser formuliert hat: „Dumm sein und Arbeit haben, das ist das Glück.“
Natürlich gibt es auch eine Umkehrung diseer Medaille - soz. als genauer analoger Spiegeleffekt! Was in der Umkehrung eben heißt: „Intelligent sein und dennoch seine Arbeit verrichten – das ist unglückliches Bewusstsein in der modernen, aufklärungskranken Form“ (S. 40). Dabei steht einem Zynismus der Mittel ein Moralismus der Zwecke gegenüber: Um moralisch hohe Ziele zu erreichen, kann man jedes, auch das tückischste Mittel einsetzen. Und genau so hat ja seit jeher die Macht, um ihre moralisch und demokratisch maskierten Zwecke zu erreichen, nie gezögert, unschuldige Opfer niederzumachen.
die Welt so zu sehen, wie sie ist.«
Jean Genet
Der neue Zynismus kennt - besonders in der Krise - viele Gesichter: habgierige Bankmanager, welche sich Boni genehmigen nachdem sie Schrottaktien emittiert haben, und dabei nebenbei die Weltwirtschaft kollabieren lassen, und den Schaden durch Steuergeld bezahlen lassen, oder großartige Übernahmen deutscher Firmen, die solche Firmen wie Chrysler, Rover, oder Monsanto einkauften, die die eigene Firma in die roten Zahlen trieb, und sich weiterhin Boni genehmigen. Automobil-Manager, die Automobilkäufer arglistig betrogen haben, und sich weiter Boni genehmigen.
Die von dem schottischen Ökonomen Adam Smith beschworene "unsichtbare Hand" ("invisible hand") wirkt tatsächlich, allerdings ganz anders, als sich das der berühmte Ökonom aus Edinburgh vorgestellt hat, dann diese Leute sind es einfach gewohnt, Geld und Vorteile aus einem pervertierten neoliberalen Wirtschaftssystem zu ziehen, obwohl sie durch ihr Handeln Firma und die Bürger schädigen. Das hat nichts mit Neid zu tun, sondern mit Unrecht. Ich kann verstehen, daß das so manchem Niedriglöhner zynisch vorkommt.
Kritik der zynischen Vernunft
Sloterdijk analysiert die Unwuchten einer zynischen Geisteshaltung, die der westlichen, durch "Vernunft" gesteuerten Kultur zugrunde liege. Der Aufruf zur Vernunft ("Wissen ist Macht") führe zu einer künstlichen Trennung von Intellekt und Sinnlichkeit. Es gelte den Zwang der europäischen Neurose zu brechen, die durch Vernunftanstrengung Glück zu erreichen suche.
Der Zynismus geht einher mit zu wenig erzeugtem Problembewußtsein. Es ist eine Gerechtigkeitsdiskussion notwendig, um den neuen Zynismus und desesen Strukturen aufzudecken und diesem entschieden entgegenzutreten.
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