Samstag, 2. November 2019

Zynische Denkhaltung

Kritik der zynischen Vernunft
Kritik der zynischen Vernunft

Zynische Denkhaltung ist eine in Politik und Wirtschaft weit verbreitete Einstellung, die auf Gehorsam und Loyalität gründet. Zynische Denkstrukturen bestimmen die Gesellschaft.


Sloterdijk zeigt in seinem Werk »Kritik der zynischen Vernunft« im Rahmen einer sorgfältigen "historischen Psychopathologie" die Entwicklungslinien der zynischen Denkhaltung vom Wilhelminismus über die Weimarer Republik und das Dritte Reich bis in die Gegenwart auf. In der Weimarer Republik habe sich der Aufklärung ein wütender Widerstand gegen das "zersetzende" Gespräch über Wahrheit entgegengestellt.

Stromlinienförmige "Loyalität", die an Kadavergehorsam erinnert, beansprucht keine Exklusivität für die Weimarer Republik, sondern ist auch für viele der heute in Staat und vor allem in Großunternehmen Machthabenden von allergrößter Bedeutung. "Aufklärung" ist nicht gefragt, sondern wird lieber unter Strafe gestellt.

Die Perspektivlosigkeit und Zerrissenheit der heutigen Gesellschaft zeige sich in drastischen Gegensätzen: Skrupellose Unternehmer und abgebrühte Systemstrategen treffen nach Sloterdijks Beobachtung auf desillusionierte Aussteiger und ideallose Verweigerer.

Die gegenwärtigen Vernunft-Zyniker seien Melancholiker, die ihre depressiven Symptome unter Kontrolle halten, um einigermaßen arbeitstüchtig bleiben. Denn dem Zynismus der Gegenwart komme es vor allem auf die Arbeitsfähigkeit seiner Träger an.

Dumm sein und Arbeit haben - das sei das Glück. Intelligent sein und dennoch seine Arbeit verrichten - das sei das Unglück. Dumm und arglos könne das aufgeklärte Bewusstsein nicht mehr werden - Unschuld sei nicht wiederherzustellen.

Da das ganze Universum von einem blinden Urwillen angetrieben ist, muß alles, was existiert, in irgendeiner Form unglücklich sein, meinte Arthur Schopenhauer. Das gesamte Sein ist eine Hölle und deshalb sollte es besser nicht sein.

Die gegenwärtig herrschenden Zyniker seien nicht dumm, so Sloterdijk - sie sähen durchaus das Nichts, zu dem alles führe. Die Naivität der anderen müsse gut geplant werden: Es sei für die Vernunft-Zyniker immer eine gute Investition, den naiven Arbeitswillen anderer zu pflegen.

Literatur:

Kritik der zynischen Vernunft
»Kritik der zynischen Vernunft«
von Peter Sloterdijk

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