Im Sommer gibt es eine unzähmbare Sehnsucht nach dem Süden. Sehnsuchtsort ist das Mittelmeer. Der Süden ist mehr als nur ein Reiseziel - er ist eine große Versprechung, denn er lockt mit Sonne, Strand und Dolce Vita: der Süden lässt den Besucher auf den Geschmack und in vielerlei Genüsse kommen, welche alle Sinne ansprechen und betören. Kein Wunder also, daß die Urlauber - von der Sehnsucht getrieben - sich im Sommer aufmachen und nach Süden in ihre Sehnsuchtsorte reisen. Schon Goethe fuhr los, um das Land der blühenden Zitronen zu genießen.
Johann Wolfgang Goethe reiste noch nach alter Sitte mit der Postkutsche an, um blühende Zitronen zu suchen, Heinrich Heine ließ als Reisezweck Vergnügen in seinen Pass eintragen, als er 1828 nach Italien fuhr. Jedes Jahr aufs Neue überkommt die Deutschen der Drang nach dem Mittelmeer vor allem dann, wenn der Sommer zu Hause auf sich warten lässt.
Wen die Sehnsucht nach dem Paradies packt und wer von ihr getrieben ist, für den ist die Zeit des Aufbruchs gekommen. Der Süden ist eine Gegend, die alle Sinne anspricht, daher das viele Reisen in diese Richtung. Das milde Licht, die wilden Strände, die üppige Natur und die duftenden Köstlichkeiten der mediterranen Küche entwickeln einen Sog, dem sich kaum jemand entziehen kann.
Philosophen und Wissenschaftler haben dieses Phänomen untersucht und sind sich einig: Das Paradies liegt im Süden. Jeder mag dort sein eigenes Paradies in seiner Vorstellung finden: Die einen glauben an die Kraft der Sonne, die einen besser macht, die anderen an die andere Lebensart - das ansteckende Laissez faire - der Südländer und ihre Gastfreundschaft. Einge finden dort tatsächlich ihre Paradies, die anderen einfach einen Ort zum Entspannen und Urlaub machen. Wer die Seele baumeln lassen möchte, ist im Süden genau richtig.
Über den Zusammenhang von Temperatur und Temperament, zwischen Kultur und Klima haben die Philosophen schon seit Jahrhunderten nachgedacht. Sie kamen dabei immer zu dem gleichen Ergebnis: Im Süden ist es schöner. Und weil es im Süden schöner ist, reisen Urlauber nur zu gerne hin.
Schon Friedrich Nietzsche fand heraus: "Das deutsche Klima allein ist ausreichend, um starke und selbst heroiich angelegte Eingeweide zu entmutigen." Denn das Tempo des Stoffwechsels stünde, so meinte er, "in einem genauen Verhältnis zur Beweglichkeit oder Lahmheit des Geistes." - Auch Montesquieu, der französische Staatstheoretiker, lag ganz auf Nietzsches Linie. Der Genießer ging davon aus, dass ein Wandel des Wetters verwandelte Menschen schafft: "In den heißen Ländern ist Hautgewebe lockerer, Nervenenden sind nach außen gewandt und der leisteste Regung winzigster Objekte ausgesetzt."
Deshalb herrscht dort die wahre Sinnlichkeit: "In den kalten Ländern wird die Genussfähigkeit für Vergnügungen gering sein. In den heißen Ländern wird sie äußerst groß sein. Man könnte das Klima, ebenso wie man es nach Breitengraden misst, gewissermaßen nach Graden der Genussfähigkeit messen." Montesquieu beschrieb also den besonderen Reiz der Sinnlichkeit im Süden. Wer will bei dieser Aussicht schon im Norden bleiben?
"Im Regen", schrieb der Nobelpreisträger Elias Canetti, "sehen die Menschen aus, als hätten sie viel vor. In der Sonne sehen die Menschen aus, als verdienten sie es zu leben."
Weblinks:
Sehnsucht nach dem Süden - www.focus.de
Literatur:
Der Süden - Geschichte einer Himmelsrichtung von Dieter Richter
Die grosse Sehnsucht nach dem Süden von Joachim Weiser
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