»Der Werk den Mensch in der Revolte« ist Camus Kritik der Geschichte, denn die anspruchsvolle Essay-Sammlung ist eine Absage an die Auffassung, dass Geschichte ein sinnvoller Ablauf sei. Camus versuchte nachzuweisen, dass die politischen Ideen von der Mitte des 18. Jahrhunderts bis heute Konstruktionen und Utopien waren, da sie das Absolute wollen, und deshalb notwendig ins Absurde, in Terror und legitimierten Mord einmünden mussten.
Zur Unterstützung seiner Thesen führt Camus exemplarisch die zwei politischen Hauptströmungen des 20. Jahrhunderts und schließlich deren Scheitern im Nihilismus an. Zum einen den Nationalismus, der durch den "Nerobefehl" in den letzten Zügen des Dritten Reichs, den einzigen Wert, den der Rasse, verleugnete. Zum anderen den Kommunismus, der mit seiner angeblichen Liebe zum zukünftigen sozialistischen Menschen, die schlimmsten Verbrechen rechtfertigte. So unterschieden sich der sowjetische Gulag und die Konzentrationslager der Nazis nur durch theoretische Überlegungen, nicht aber in der Konsequenz.
Jean-Paul Sartre nahm Camus »Der Werk den Mensch in der Revolte« zum Anlass zur Kritik. Er kritisiertedie unterschiedliche Auffassung in Bezug auf Hegel und Marx. Camus endete mit der Überlegung, dass man in einer hellenistischen Gesellschaft leben sollte. Für Jean-Paul Sartre hat das menschliche Sein immer mit der Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft zu tun. Er fordert Engagement in der Situation, dieses bedeutet, sich auf die Zukunft hin zu entwerfen. Das vermisste er bei Camus.
In Camus' umstrittenem Werk, wegen dem sich sein langjähriger Freund Jean-Paul Sartre von ihm abwandte, vertritt er die Überzeugung, dass die gesamte Periode nach der französischen Revolution durch den Nihilismus geprägt wurde und ihn bis heute nicht überwunden hat.
Literatur:
Der Mensch in der Revolte von Albert Camus
AlbertCamus
Philosophenwelt-Blog gewährt Einblicke in die Welt der Philosophie. Dieser Blog bietet Ansichten und Einsichten zum Thema Philosophie. Der Philosophenwelt-Blog ist ein Philosophie Blog und Podcast zu aktuellen, aber auch klassischen Themen der Welt. Der aufklärerische Blog folgt dabei einer Kantschen Devise: "Habe Mut, dich deines eigenen Verstandes zu bedienen." Immanuel Kant
Samstag, 10. November 2018
Samstag, 3. November 2018
Wie zeitgemäß ist Camus Werk »Der Mensch in der Revolte« heute?
Der Mensch in
der Revolte
Albert Camus setzt seine Überlegungen über die Absurdität und dem Mord mit seinem Werk »Der Mensch in der Revolte« fort. Die Revolte ist die Unvernunft und das Unverständnis über das menschliche Leben. Er versucht den Mord aus philosophischen Überlegungen zu Rechtfertigen und diesen zu überprüfen. Zuerst beschreibt er die metaphysische Revolte.
Der Revoltierende ist jemand, der nein sagt zu den bestehenden Verhältnissen. Er kämpft für seine Unversehrtheit. Die metaphysische Revolte ist der Tausch zwischen dem Regime der Gnade und dem der Gerechtigkeit. Camus beschreibt die Negation Gottes an den Beispielen von Marquis de Sade, John Milton, Iwan Karamasow und Nietzsche. Der Revoltierende setzt sich mit Gott gleich. Daraus folgt, dass er eine neue Weltordnung entdecken muss. Als logische Folge beschreibt er nach der metaphysischen Revolte die historische Revolte.
Camus war ein bedeutender und einflußreicher französischer Schriftsteller und Philosoph des 20. Jahrhunderts. Albert Camus war ein unabhängiger, unbeirrbarer Geist, der weder Ideologien noch Intrigen oblag. Der Denker war einer der bekanntesten französischen Autoren und ein bedeutender Vertreter des Existentialismus.
Weblink:
Wie zeitgemäß ist Camus Werk »Der Mensch in der Revolte« heute? Die Frage stellt sich angesichts Massenarbeitslosigkeit, Verarmung und Verelendung und sozialer Ausgrenzng ganzer Bevölkerungsschichten auf dringliche Weise. Die Absurdität besteht in das Geworfensein des Menschen in eine immer zynisch werdenden Gesellschaft, die voraussetzt, das alles klaglos hingenommen wird, was gegen ihn gerichtet ist.
Die Existenz des Menschen ist oder erscheint recht sinnlos. Was dem Einzelnen in dieser Situation bleibt, ist die Revolte. Die "permanente Revolte" sah Albert Camus als Weg zur Überwindung des Absurden an. Der Mensch muss in der Lage sein, die Last der Sinnlosigkeit zu ertragen, Selbstverantwortung übernehmen und nach Glück streben. Nur so wird er Herr seines Schicksals und kann der die Absurdität des Lebens überwinden.
Die Revolte bedeutet nicht nur Ablehnung vorgefundener Umstände, sondern sei auch immer Ausdruck für etwas, nämlich für bestimmte Werte. Die Prinzipien der Revolte verneinten die Knechtschaft, die Lüge und den Terror und äußerten sich nicht zuletzt in der Kunst.
Eine Revolte ohne klares Ziel erscheint wiederum selbst ohne Sinn. Gegen wen soll sich die Revolte richten und wie soll sie sich organisieren?
Eine Revolte braucht die Solidarität und Verständigung der Menschen untereinander. Die Revolte eines einzelnen Menschen erscheint wiederum ebenfalls recht sinnlos. Um sich Gehör zu verschaffen, muss der Mensch sich eimne Plattform suchen und sich organisieren. Nur so kann er Zuhörer und Sympathisanten für sein Anliegen finden.
Weblink:
Der Mensch in der Revolte von Albert Camus
Samstag, 27. Oktober 2018
Der Mensch ist von Natur böse
„Der Satz: der Mensch ist böse, kann nichts anderes sagen wollen als: er ist sich des moralischen Gesetzes bewusst, und hat doch die (gelegentliche) Abweichung von demselben in seine Maxime aufgenommen. Er ist von Natur böse, heißt so viel als: dieses gilt von ihm in seiner Gattung betrachtet...“
Man könne den Menschen, wie man ihn aus der Erfahrung kenne, nicht anders als von Natur aus böse bezeichnen oder
„...man kann es, als subjektiv notwendig, in jedem, auch dem besten Menschen, voraussetzen.“
Kant führt aus, dass
„...wir diesen natürlichen Hang zum Bösen, und, da er doch immer selbst verschuldet sein muss, ihn selbst ein r a d i k a l e s, angeborenes (nichts destoweniger aber uns von uns selbst zugezogenes) B ö s e s in der menschlichen Natur nennen können.“
Das radikal Böse ist ein moralisch Böses. Für Kant bedeutet das Radikale - von lat.: radix = Wurzel - des radikal Bösen, dass es in der menschlichen Natur, als zum Charakter seiner Gattung gehörend, gewurzelt ist. Das es, obgleich wir es uns als intelligible Tat, als Tat durch den Gebrauch der Freiheit, selbst gewählt, zugezogen und verschuldet haben, nicht ausgerottet werden kann.
„Dass nun ein solcher verderbter Hang im Menschen gewurzelt sein müsse, darüber können wir uns, bei der Menge schreiender Beispiele, welche uns die Erfahrung an den Taten der Menschen vor Augen stellt, den förmlichen Beweis ersparen.“
Worin kann nun der Grund dieses Bösen liegen? Er könne, so Kant, weder in der Sinnlichkeit des Menschen, noch in einer verderbten moralisch-gesetzgebenden Vernunft liegen. Die Sinnlichkeit gehöre notwendig zum Menschen, ihr Dasein sei von uns daher nicht zu verantworten. Eine boshafte Vernunft könne es nicht geben, es
„...wäre soviel, als eine ohne alle Gesetze wirkende Ursache denken...“
weil es ein Widerspruch darstelle ein frei handelnder Mensch zu sein und sich von dem moralischen Gesetz entbunden zu denken. Kant resümiert:
„Die S i n n l i c h k e i t […] macht den Menschen […] zu einem bloß T i e r i s c h e n; eine […] b o s h a f t e V e r n u n f t […] [würde] das Subjekt zu einem t e u f l i s c h e n Wesen [machen] [...]. – Keines von beiden ist aber auf den Menschen anwendbar.”
Kant lehnt die Selbständigkeit des radikalen Bösen ab, es ist nur eine Abweichung des Guten (-A). Eine Bestimmung des radikalen Bösen aus einer boshaften Vernunft, >wie es sein Zeitgenosse de Sade in seinen vorsätzlich bösen, allerdings literarischen Figuren exemplifiziert hat< kann es für Kant nicht geben. Weblink: Das radikal Böse bei Immanuel Kant - www.grin.com
Man könne den Menschen, wie man ihn aus der Erfahrung kenne, nicht anders als von Natur aus böse bezeichnen oder
„...man kann es, als subjektiv notwendig, in jedem, auch dem besten Menschen, voraussetzen.“
Kant führt aus, dass
„...wir diesen natürlichen Hang zum Bösen, und, da er doch immer selbst verschuldet sein muss, ihn selbst ein r a d i k a l e s, angeborenes (nichts destoweniger aber uns von uns selbst zugezogenes) B ö s e s in der menschlichen Natur nennen können.“
Das radikal Böse ist ein moralisch Böses. Für Kant bedeutet das Radikale - von lat.: radix = Wurzel - des radikal Bösen, dass es in der menschlichen Natur, als zum Charakter seiner Gattung gehörend, gewurzelt ist. Das es, obgleich wir es uns als intelligible Tat, als Tat durch den Gebrauch der Freiheit, selbst gewählt, zugezogen und verschuldet haben, nicht ausgerottet werden kann.
„Dass nun ein solcher verderbter Hang im Menschen gewurzelt sein müsse, darüber können wir uns, bei der Menge schreiender Beispiele, welche uns die Erfahrung an den Taten der Menschen vor Augen stellt, den förmlichen Beweis ersparen.“
Worin kann nun der Grund dieses Bösen liegen? Er könne, so Kant, weder in der Sinnlichkeit des Menschen, noch in einer verderbten moralisch-gesetzgebenden Vernunft liegen. Die Sinnlichkeit gehöre notwendig zum Menschen, ihr Dasein sei von uns daher nicht zu verantworten. Eine boshafte Vernunft könne es nicht geben, es
„...wäre soviel, als eine ohne alle Gesetze wirkende Ursache denken...“
weil es ein Widerspruch darstelle ein frei handelnder Mensch zu sein und sich von dem moralischen Gesetz entbunden zu denken. Kant resümiert:
„Die S i n n l i c h k e i t […] macht den Menschen […] zu einem bloß T i e r i s c h e n; eine […] b o s h a f t e V e r n u n f t […] [würde] das Subjekt zu einem t e u f l i s c h e n Wesen [machen] [...]. – Keines von beiden ist aber auf den Menschen anwendbar.”
Kant lehnt die Selbständigkeit des radikalen Bösen ab, es ist nur eine Abweichung des Guten (-A). Eine Bestimmung des radikalen Bösen aus einer boshaften Vernunft, >wie es sein Zeitgenosse de Sade in seinen vorsätzlich bösen, allerdings literarischen Figuren exemplifiziert hat< kann es für Kant nicht geben. Weblink: Das radikal Böse bei Immanuel Kant - www.grin.com
Mittwoch, 24. Oktober 2018
Das radikal Böse bei Immanuel Kant
Das moralisch Böse ist bei Immanuel Kant ein radikal Böses in der menschlichen Natur. Es ist somit anthropologisch fundiert.
Die Entwicklung des Begriffs des radikal Bösen bei Immanuel Kant lässt sich auf der Grundlage seiner Moralphilosophie und vor allem an Hand der Schrift: Die Religion innerhalb der Grenzen der bloßen Vernunft von 1793 beschreiben.
„Die Moral, sofern sie auf den Begriff des Menschen, als eines freien, eben darum aber auch sich selbst durch seine Vernunft an unbedingte Gesetze bindenden Wesens, gegründet ist, bedarf weder der Idee eines anderen Wesens über ihm, um seine Pflicht zu erkennen, noch einer anderen Triebfeder als des Gesetzes selbst, um sie zu beobachten. [...] Sie bedarf also zum Behuf ihrer selbst [...] keineswegs der Religion, sondern, vermöge der reinen praktischen Vernunft, ist sie sich selbst genug.“
Dies ist die einleitende Bestimmung der Moral in Immanuel Kants Schrift Die Religion innerhalb der Grenzen der bloßen Vernunft. Kant stellt in seiner Religionsschrift das Verhältnis des guten und bösen Prinzips vor, die beide für sich bestehen und als wirkende Ursachen den Menschen beeinflussen. Er erörtert in der Vorrede zur ersten Auflage von 1793 sein Vorhaben, das in der Denkmöglichkeit des Guten angesichts des Bösen in der menschlichen Natur besteht. Die Religion ist hier kein Gegenstand des Wissens, der objektiven Erkenntnis, sondern eines philosophisch begründeten Hoffens. Kant verstand seine Schrift als Versuch einer Antwort auf die Frage: Was darf ich hoffen? Die Frage nach dem, was der Mensch hoffen darf, >setzt die nach dem sittlich gesollten fort. Erst beide Fragen zusammen stecken den Bereich des menschlichen Handelns ab.<[11] Kant beschreibt den Standort seiner Abhandlung mit dem Bild von zwei konzentrischen Kreisen, bei der sich die Vernunftreligion innerhalb der Grenzen der Offenbarungsreligion befindet.[12] Er entwickelt in der Religionsschrift keine positive Religion aus reiner Vernunft, sondern zeigt, wie Religion innerhalb der Grenzen der bloßen Vernunft möglich ist. Kant ist der Auffassung, dass „...eine Religion, die der Vernunft unbedenklich den Krieg ankündigt, es auf die Dauer gegen sie nicht aushalten [wird].“ Der entscheidende Gedanke ist, dass die Moral, die uns durch das Sittengesetz als oberstes, unbedingt zu befolgendes und gebietendes Gesetz durch die Vernunft unmittelbar gegeben und einsichtig sei, keines Zweckes außer ihr bedürfe und der Religion vorangehe. Die Moral „... bedarf keines Zwecks, weder um, was Pflicht sei, zu erkennen, noch dazu, dass sie ausgeübt werde...“[14] Die Moral für sich selbst benötige folglich keine Zweck vorstellung, die der Willensbestimmung vorhergehen müsse. Die Menschen benötigten jedoch zur Willensbestimmung eine Zweck beziehung. Dies nicht als vorhergehender Grund, sondern als Folge ihrer Bestimmung. „So bedarf es zwar für die Moral zum Rechthandeln keines Zwecks, sondern das Gesetz [...] ist ihr genug. Aber aus der Moral geht doch ein Zweck hervor; denn es kann der Vernunft doch unmöglich gleichgültig sein, wie die Beantwortung der Frage ausfallen möge: w a s a u s d i e s e m u s e r e m R e c h t h a n d e l n h e r a u s k o m m e...“[15] Die Religion ist „...zwar nur eine Idee von einem Objekte, welches...“ die Zwecke, die wir haben sollen, das menschliche Streben nach Glückswürdigkeit, das unsere Pflicht ist, mit den Zwecken, die wir haben, der Glückseligkeit, vereinigt. „...diese Idee geht aus der Moral hervor, und ist nicht die Grundlage derselben...“ Die Idee vermag es die Zweckmäßigkeit der Freiheit und die Zweckmäßigkeit der Natur zu verbinden. Die Verbindung gestattet die Denkmöglichkeit der Moral und die Umsetzung der Handlung in die Praxis. Sie ist „...die Idee eines höchsten Guts in der Welt, zu dessen Möglichkeit wir ein höheres, moralisches, heiligstes und allvermögendes Wesen annehmen müssen...“ Kant führt aus, dass diese Idee nicht leer sei, weil sie unserem natürlichen Bedürfnisse entspräche, uns bei all unseren Handlungen einen von der Vernunft gerechtfertigten Endzweck zu denken. Das Fehlen eines Endzweckes beschreibt Kant als ein „...Hindernis der moralischen Entschließung.“ Es geht darum, dass sich die Moral einen Begriff von einem Endzweck aller Dinge mache, „...weil dadurch allein der Verbindung der Zweckmäßigkeit aus Freiheit mit der Zweckmäßigkeit der Natur, deren wir gar nicht entbehren können, objektiv praktische Realität verschafft werden kann.“[20] Der Endzweck sei derjenige Zweck, der die unumgängliche und gleichzeitig zureichende Bedingung aller übrigen Zwecke enthalte. Eigene Glückseligkeit sei der subjektive Endzweck, den jeder aufgrund seiner Natur habe, er sei jedoch nicht derjenige, den wir haben sollen. Der Endzweck, den sich jedermann machen solle, sei das höchste in der Welt mögliche Gut und „...an diesem Zwecke nun, [...] sucht der Mensch etwas, was er l i e b e n kann..." Für die Menschen sei dieser Endzweck durch die Moral bewirkt und folge, zusätzlich zu seinen Pflichten, dem Bedürfnisse des Erfolges derselben als Gedanken. Kant resümiert: „Moral also führt unumgänglich zur Religion, wodurch sie sich zur Idee eines machthabenden moralischen Gesetzgebers außer dem Mensch erweitert, in dessen Willen dasjenige Endzweck (der Weltschöpfung) ist, was zugleich der Endzweck des Menschen sein kann und soll.“ Das kann nur in dem Sinne gemeint sein, der nicht die Eigenständigkeit der Moral beeinträchtigt, sondern nur so, „...dass zwischen Vernunft und Religion nicht bloß Verträglichkeit, sondern auch Einigkeit anzutreffen sei.“ Weblink: Das radikal Böse bei Immanuel Kant - www.grin.com
Samstag, 20. Oktober 2018
»Also sprach Zarathustra« von Friedrich Nietzsche
In der Anthroposophie wird gelehrt, dass Zarathustra der große Lehrer in der persischen Kulturepoche war. Den ursprünglichen Zarathustra muss man sich nicht einige Jahrhunderte vor Christus lebend denken, sondern rund achttausend Jahre vorher.
Das Buch »Also sprach Zarathustra« erzeugt jene erste Berührung mit der kosmische Achse seines sonnenartigen Zentralgedankens, jener Vorhalle zu seiner Philosophie.
„Also sprach Zarathustra“ ist ein dichterisch-philosophisches Werk, das „den Übermenschen“ thematisiert. Die Lehre des Antichrist Zarathustra ist kein Vorschreiten der Kategorien in innerer Folgerichtigkeit und Notwendigkeit, welche die Sehweise des Daseins erhöht, sondern ein gewaltsamer Rückschritt der Vernunft hinter sich selbst. Zarathustra scheidet noch immer zwischen Gut und Böse, zwischen Dekadenz und Gesundheit – auch das ist noch Moral, eine Instinkt-Moral der Gegensätze, in deren Dienst die Vernunft über Wert und Unwert des Daseins richten soll.
Zarathustra zieht sich in die Berge und damit in die Einsamkeit zurück, um über das Leben nachzudenken. Nach einer geraumen Zeit kehrt er zu den Menschen zurück und versucht ihnen seine Gedanken zum „Übermenschen“ und der Überwindung des Nihilismus näher zu bringen. Dabei stößt er jedoch auf viel Ablehnung.
Nachdem er zehn Jahre als Einsiedler in den Bergen verbracht hat, versucht der mittlerweile vierzigjährige Zarathustra, seine Weisheit mit den Menschen zu teilen. Er predigt der Menge auf dem Marktplatz einer Stadt vom Übermenschen, erfährt aber von seinen Zuhörern nur Hohn und Spott. Von nun an meidet Zarathustra Ansammlungen von Menschen und begibt sich auf die Suche nach verwandten Geistern.
Aus Sicht Zarathustras waren vor Gott alle Menschen gleich. Mit dem Tod Gottes aber sind nur noch vor „dem Pöbel“ alle Menschen gleich. Darum ist der Tod Gottes eine Chance für den Übermenschen.
In seinem Werk »Also sprach Zarathustra. Ein Buch für Alle und Keinen« fasst Friedrich Nietzsche die drei zentralen Formeln seiner Philosophie zusammen: der Wille zur Macht, die ewige Wiederkehr des Gleichen und der Übermensch.
Das Buch entstand vor dem Hintergrund der Umbrüche in Philosophie und Wissenschaften in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts, die zum Verlust des Glaubens an Gott führten. Nietzsche bezieht sich im Titel auf den persischen Religionsstifter aus dem 6. Jahrhundert v. Chr., und deutet damit auf die Funktion seines Zarathustra hin: Ausgehend vom Diktum »Gott ist tot« soll dieser den aufgekommenen Nihilismus (Stichwort R S. 818) besiegen, indem er einen neuen Glauben stiftet.
Das Werk besteht aus einer Vorrede und den Reden des Titelhelden. Der Prophet Zarathustra, der den Tod Gottes diagnostiziert und den Grund dafür im christlich-griechischen Denken sieht, leidet an den nihilistischen Folgen dieser Entwicklung. Mit 30 Jahren zieht er sich auf eine einsame Berghöhle zurück und entwirft dort seine Lehre vom Übermenschen, der den lähmenden Nihilismus überwindenden soll. Dieser zeichnet sich dadurch aus, dass er durch seinen Willen zur Macht befähigt ist, die Umwertung der tradierten moralischen Werte zu vollziehen, um in vollkommener Freiheit seine eigenen Wertvorstellungen wie Selbsterhaltung und Vermehrung von Lebensgefühl zu schaffen. Während die schwachen Menschen sich noch den Geboten eines toten Gottes unterordnen, sucht der Übermensch in seiner Ausrichtung auf die Erde Macht, Vitalität und Stärke zu erlangen, um der Welt einen neuen Sinn zu verleihen. In den ersten beiden Teilen entwickelt und verkündet Zarathustra die Lehre vom Übermenschen.
Literatur:
Also sprach Zarathustra von Friedrich Nietzsche
Weblink:
Das Böse in der Lehre des Zarathustra - www.miekemosmuller.com
Samstag, 13. Oktober 2018
Nietzsche sah sich als Künstlerphilosophen
Friedrich Nietzsche war tief beeindruckt von dem Bild des Künstlerphilosophen. Der Philosoph als Künstler war eine Vorstellung, die ihn faszinierte. In Nietzsches Werk taucht daher der Begriff früh auf und setzt sich bis in die späten Tage fort, so auch in seiner Schrift »Der Wille zur Macht«.
Was aber versteht Nietzsche unter einem Künstlerphilosophen? Er versteht darunter das genaue Gegenteil eines (angestellten) Universitätsphilosophen und Gelehrten, z. B. Schopenhauer versus Hegel. Hinter dem Bild des Künstlerphilosophen steckt stets auch der Gegensatz Freigeist versus gelehrter Akademiker.
Schopenhauer war auch Philosophieprofessor an einer Universität, aber eher wider Willen. Hegel hingegen war der Prototyp eines akademischen Theoretikers und unfähig, Werk und Leben in Beziehung zu setzen.
Was ist die Kunst eines Künstlerphilosophen? Bei einem Künstlerphilosophen steht Leben und Werk in Einklang und beeinflussen sich gegenseitig. Ein Dichterphilosoph bringt sein Leben in sein Werk ein und sein Werk in sein Leben oder er versucht es wengistens.
Das Modell für einem solchen Philosophen bildet deshalb weniger der Mathematiker, der mit seinen Begrifflichkeiten arbeitet, als vielmehr der Künstler, der erfindet, indem er erschafft und erschafft, indem er erfindet. Nietzsche steht mit diesem Begriff in der Tradition der Vorsokratiker und Schopenhauers.
Der Künstlerphilosoph will dabei sein Leben zum Kunstwerk machen: Er will sein Leben zur künstlerischen Existenz machen. Er will daraus ein Unikat machen, etwas nie Dagewesenes, Neues, Überraschendes. Nietzsche führte gewiss das Leben eines solchen Dichterphilosophen.
Nietzsche wollte um keinen Preis Philosoph sein, wenn das Ausüben der Disziplin ihn zu Wortspielen, dem Arbeiten mit Begrifflichkeiten und akademischen Fachjargon zwang. Der Freigeist wollte seine philosophischen Untersuchungen selbst von künstlerischen Darstellungspraxen Gebrauch machen.
Der Dichterphilosoph praktiziert Philosophie nicht um der Philosophie willen,, sondern der Kunst willen. Vielmehr praktiziert er praktische Existenzphilosophie, also das Gegenteil der existenzialistischen Philosophie.
Erstere nahm ihren Anfang bei den antiken Philosophen, die sich über das gute, philosophische Leben, über eine praktische Erfahrung der Wesiheit Gedanken machten. Letzere hat ihren Ursprung in der mittelalterlichen Scholastik und deren universitärer Weiterentwicklung.
Nietzsche schwebte als Philosophen das Leben eines Künstlers und einer künstlerischen Existenz vor. Sein Leben ist eher Ausdruck der Kunst, denn der Philosophie. Nietzsche ist der Künstlerphilosoph auf dem Wege zum Übermenschlichen.
Die französische Moralistik von Montaigne bis La Rochefoucauld regte den Aphoristiker Nietzsche an; die französische Aufklärung, besonders Voltaire, formierte die für seinen Denkhabitus maßgebende Konzeption des „freien Geistes“.
„Selbst an Abgründen noch zu tanzen“, so hatte Nietzsche in der Fröhlichen Wissenschaft unser Leben bejahendes Echo aufgefasst: „Ein solcher Geist wäre der freie Geist par excellence.“
Seine Ansichten zu dem Leben eines Philosophen als Künstler hat er in seiner Schrift »Die Fröhliche Wissenschaft« unterbreitet.
Nietzsche hat in seinem Werk »Die fröhliche Wissenschaft« die Wissenschaft von ihrer moralischen Natur her kritisiert. Nietzsche gab damit den Anstoss für die Klassiker der Wissenschaftskritik wie z.B. Foucault.
Ferner stellt Nietzsche hier auch die Frage nach dem Kerngehalt und dem Wert von Wissenschaft überhaupt, und das nicht in der Sprache des Wissenschaftlers.
Weblink:
Friedrich Nietzsche
Literatur [ >> ] :
<;br>Die Fröhliche Wissenschaft von Friedrich Nietzsche
Morgenröte / Idyllen aus Messina / Die fröhliche Wissenschaft. von Giorgio Colli und Mazzino Montinari
Samstag, 6. Oktober 2018
Vaclav Havel - ein Philosoph als Bürgerpräsident
Vaclav Havel war ein Philosoph als Bürgerpräsident und ein Dichter, der zum Staatsmann wurde. Havel war von Natur aus ein dichterischer und unpolitischer Mensch. Erst durch die politischen Umstände in seinem Land wurde der Individualist und Nonkonformist zum Oppositionellen und schießlich zum kommunistischen Regimegegner.
Havel steht damit in der Tradition von Platon. Bekanntlich wollte Platon einen Philosophenkönig kreieren, indem entweder dem Philosophen das Regieren oder dem Regenten das Philosophieren beigebracht werden sollte.
Ich versuche, der Wahrheit zu dienen.
Ich bin nur der Königsmacher, nicht der König.«
Havel war ein in seiner Jugend veräppelter Bürgersohn und später ausgestossener Bourgeouis, ein verbannter Dichter und politischer Häftling, der nie in ein vorgegebenes Raster gepaßt hat und auf diese Weise einen besonderen Blick auf die menschlichen Existenz entworfen hat: den des Aussenseiters.
Sein elemtentares Lebensgefühl war das Gefühl von Fremdheit, anders zu sein als andere.
Vaclav Havel war ein grosser politischer Visionär mit einem unkonventionellen politischen Stil. Er war von seiner Grundhaltung radikal individualistisch und unangepasst.
Vaclav Havel war kein Mensch, der vorgefertigte Lösungen präsentiert hat. Nicht in seinem philosophischen Denken, nicht in seiner politischen Auffassung und auch nicht in seinem literarischen Werk.
Havel betonte stets die Verantwortung des Individuums. Weil er auf die Selbstverantwortung des Individuums setzte, lieferte er keine (individuellen) Patentrezepte.
Der kritische Mahner und Sinnsucher hat dabei immer vorgeführt, wie sein Denken zu leben wäre.
Biografien:
In der Wahrheit leben von Michael Zantovsky
Vaclav Havel
Blog-Artikel:
Charta 77 vor 40 Jahren veröffentlicht -
Philosoph Jan Patočka vor 40 Jahren gestorben
Samstag, 29. September 2018
Politik ist auf den Hund gekommen
Wer regt sich eigentlich gerade nicht über Politiker auf? Grölendes Motzen und Meckern scheint aber so Mode geworden zu sein, dass wir aufgehört haben, darüber zu nachzudenken. Leute, welche meckern, können sich dabei auf ein antikes Vorbild berufen.
Kynismus ist die zeitgemäße Protesthaltung der Antike, benannt nach dem Begriff kynos für Hund. In der Antike stand der Hund für eine bestimmte philosophische Richtung - Leute, die an gar nichts glaubten, weil die Wahrheit eh nur manipuliert und von den Mächtigen gesetzt und missbraucht wird. Kein schlechter Standpunkt - hilft er uns doch noch heute, wo Politik auf den Hund gekommen ist, die Dinge nicht zu ernst zu nehmen, auch nicht Politiker und schon gar nicht Putin oder Orban.
Diogenes war Anarchist, ein friedlicher, einer, der der Welt den Spiegel vorhielt, indem er zynische Reden hielt. Im Gegensatz zu Antisthenes ziehen sich Diogenes und die anderen Kyniker nicht völlig aus der Öffentlichkeit der Polis zurück, sondern provozieren und gehen in Opposition zu der bestehenden Ordnung, von der sie ahnen, dass sie dem Untergang geweiht ist.Kynisch, würde Peter Sloterdijk sagen, damit es nicht so negativ klingt. denn wir finden Kyniker toll, Zyniker nicht.
Weblink:
Diogenes - www.famousphilosophers.org
Video:
Kynismus - www.youtube.com
Samstag, 22. September 2018
»Der Sinn des Denkens« von Markus Gabriel
Markus Gabriel, geboren 1980, studierte in Bonn, Heidelberg, Lissabon und New York. Seit 2009 hat er den Lehrstuhl für Erkenntnistheorie und Philosophie der Neuzeit an der Universität Bonn inne und ist dort Direktor des Internationalen Zentrums für Philosophie. Längst gilt er als einer der wichtigsten deutschsprachigen Philosophen der Gegenwart, dessen unverwechselbar leichtfüßiger Stil klassische und moderne Theoretiker sowie die Popkultur zusammenführt. Akademisch kommt er aus der Tradition des Deutschen Idealismus und der Antike, also von Schelling und der antiken Skepsis.
Das Denken kann durchaus Sinn machen - das zumindest behauptet Markus Gabriel. Wir werden die Welt und den Menschen völlig neu denken müssen, das legt Markus Gabriel in seinem neuen Buch »Der Sinn des Denkens« nahe. Jahrhundertelang seien Philosophen dem fundamentalen Irrtum aufgesessen, "es gäbe einen kategorialen Unterschied zwischen Subjekt und Objekt". Immanuel Kant zum Beispiel habe "völlig falsch gelegen", als er behauptete, dass wir nicht "Dinge an sich" erkennen können, sondern dass die Wirklichkeit uns immer nur indirekt zugänglich sei: gefiltert durch vorgegebene Kategorien unserer Wahrnehmung.
Philosophiehistorisch sind Gabriels Ausführungen vor allem gegen Kant gewandt, der in seiner »Kritik der reinen Vernunft« eine radikale Begrenzung der menschlichen Vernunftkapazitäten vorgeschlagen hatte. Gabriel löst Kants Denken aus seiner Subjekt-Objekt-Beziehung.
Als Urvater eines Konstruktivismus, der Wahrheit grundsätzlich als menschliche Hervorbringung betrachtet, ist ihm Kant so suspekt wie die Metaphysik als Theorie eines vollständig erfassbaren Ganzen, in dem alles mit allem zusammenhängt. Gabriels spektakulär inszenierte, aber hochgradig unspektakuläre Behauptung, dass es die Welt nicht gibt, meint genau das, will sich aber auch nicht auf Kants Vorschlag einer "regulativen Idee" einlassen. Die Welt existiert tatsächlich immer nur als Teil der wirklichen Welt - als Ausschnitt, also im Plural.
Gabriel, der an der Universität Bonn Erkenntnistheorie lehrt, hält das Denkvermögen für "ein Sinnesorgan" wie Auge und Ohr: So wie wir Farben wahrnehmen, indem wir sehen, und Töne, indem wir hören, gebe es andere Aspekte der Wirklichkeit, die wir als Denkende erfassen: zum Beispiel die Anzahl von Gegenständen, die wir vor uns haben, oder die Tatsache, dass diese sich nach bekannten Naturgesetzen verhalten, indem sie etwa von oben nach unten fallen und nicht umgekehrt. Im Namen eines "Neuen Realismus" betrachtet Gabriel Gedanken daher ebenso als Teil der wirklichen Welt wie Komponisten, Elementarteilchen oder wilde Tiere:
Der erkenntnisfreudige und -hungrige Philosoph will, daß Denken einfach mehr Spaß macht, denn Denken macht durchaus Sinn.
Literatur:
Der Sinn des Denkens von Markus Gabriel
Weblinks:
"Der Mensch ist das Tier, das keines sein will" - www.deutschlandfunkkultur.de
Warum es die Welt nicht gibt - Radialke Mitte - www.zeit.de
derstandard.at/1376535386929/Mogelpackung-eines-Erkenntnisoptimisten Mogelpackung eines Erkenntnisoptimisten - derstandard.at
Samstag, 15. September 2018
Diogenes als Begründer der Lehre des Kynismus
Im 4. Jahrhundert vor Christus wirbelte ein Philosoph namens Diogenes die selbstsichere Bürgerlichkeit in Athen und Korinth auf. Seine bissige Kritik an Gesellschaft und Politik brachte ihm den Spitznamen ‚kyon’ (der Hund) ein.
Aus Diogenes’ Spitznamen leitet sich jedenfalls der Begriff Kyniker her, der eine philosophische Bewegung bezeichnet, die von Diogenes ihren Ausgang nahm.
Diogenes von Sinope gilt als Begründer der Lehre des Kynismus. Sein Existenzialismus des Diogenes. Sein Existenzialismus geht nicht in erster Linie durch den Kopf: er empfindet die Welt nicht tragisch und nicht absurd.
Das Leben des Diogenes von Sinope
Diogenes hat — wie sein Lehrer Antisthenes — die grundsätzliche Ansicht vertreten, dass richtig glücklich nur der sein kann, der sich erstens von überflüssigen Bedürfnissen freimacht und zweitens unabhängig von äußeren Zwängen ist. Ein zentraler Begriff ist dabei auch die daraus resultierende Selbstgenügsamkeit.
Diogenes war ein Philosoph der Bedürfnislosigkeit. Er erkannte ausschließlich die Elementarbedürfnisse nach Essen, Trinken, Kleidung, Behausung und Geschlechtsverkehr an. Alle darüber hinausgehenden Bedürfnissen solle man ablegen.
Seine Methoden sind der Spott und des spöttische Auftreten. Er benutzte seine philosophische Kompetenz, um die ernsten Kollegen zu verspotten. Der antike Diogenes ironisierte seine Philosophenkollegen, indem er ihre Problemwälzerei ebenso auf den Arm nimmt wie ihre Begriffsgläubigkeit.
Als Antitheoretiker, Antidogmatiker, Antischolastiker sendete er einen Impuls aus, der überall wiederkehrte, wo Denker sich um eine Erkenntnis für freie Menschen bemühten, und damit eröffnete er eine Reihe, in der Namen wie Montaigne, Voltaire, Nietzsche u.a. auftauchten.
Als Moralist tritt Diogenes in der Rolle des Gesellschaftsarztes auf.
Der antike Kynismus war philosophisch betrachtet, eine plebejische Antithese gegen den Idealismus des Athener Bürgertums. Der antike Kynismus ist eine erste Replik auf den athenischen Herrenidealisimus. Er redet nicht gegen den Idealismus, er lebt gegen ihn. Doch damit nicht genug, der Kynismus gibt der Frage, wie man die Wahrheit sagt, eine neue Wendung.
Der antike Kynismus ist prinzipiell frech. In seiner Frechheit liegt seine Methode. Der antike Kynismus begann mit einem Prozeß der nackten Argumente aus der Opposition, getragen von der Macht, die von unten kommt. Der Kyniker furzt, scheißt, pißt, masturbiert auf offener Straße vor den Augen des athenischen Marktes. Er verachtet den Ruhm. Er liegt in der Sonne, scherzt mit den Huren und sagt zu Alexander dem Großen, er möge ihm aus der Sonne gehen.
Literatur:
Das Leben des Diogenes von Sinope von Diogenes Laertios
Leben und Lehre der Philosophen von F. Juerss und Diogenes Laertios
Weblink:
Diogenes - www.famousphilosophers.org
Samstag, 8. September 2018
Sokrates - der Ahnherr der Philosophen
Sokrates (470 - 399 v. Chr.) - ein Schuster von Beruf - war ein für das abendländische Denken grundlegender griechischer Philosoph, der in Athen zur Zeit der Attischen Demokratie lebte und wirkte.
Sokrates verstand Philosophie als Streben nach Weisheit. Er entwickelte eine eigene Methodik der Erkenntnis. Zur Erlangung von Menschenkenntnis, ethischen Grundsätzen und Weltverstehen entwickelte er die philosophische Methode eines strukturierten Dialogs, die er Maieutik („Hebammenkunst“) nannte.
Sokrates war Lehrer des Platon und gilt als der Ahnherr vieler Philosophen. "Niemand ist weiser als Sokrates", befand das antike Orakel in Delphi. Sokrates selbst meinte eher bescheiden: "Ich weiß, dass ich nichts weiß".„Ich weiß, dass ich nicht weiß“, lautet eine bekannte, aber stark verkürzende Formel, mit der verdeutlicht wird, was Sokrates seinen Mitbürgern voraushatte.
Die Einsicht des Sokrates in sein philosophisches Nichtwissen (Aporie) ist zugleich der Schlüssel zu Gegenstand und Methode Sokratischer Philosophie: Im Sokratischen Reden und Denken liegt erzwungener Verzicht, ein Verzicht, ohne den es keine Sokratische Philosophie gäbe.
Diese entsteht nur, weil Sokrates im Bereich des Wissens nicht weitergekommen ist und die Flucht in den Dialog angetreten hat. Sokratische Philosophie ist in ihrem Wesen dialogisch geworden, weil das forschende Entdecken unmöglich schien.
Angeregt durch den Philosophen Anaxagoras hat Sokrates sich ursprünglich besonders für die Naturforschung interessiert und sich wie dieser mit der Ursachenfrage auseinandergesetzt. Er sei allerdings verunsichert worden, wie Platon im Dialog Phaidon ebenfalls überliefert, weil es keine eindeutigen Antworten gab.
Die menschliche Vernunft hingegen, durch die alles, was wir über die Natur wissen, vermittelt werde, konnte Anaxagoras nicht erklären. Daher habe Sokrates sich von der Suche nach Ursachen ab - und dem auf Sprache und Denken beruhenden Verstehen zugewandt.
Der Tod seines guten Freundes Sokrates im Jahr 399 v. Chr. infolge einer Verurteilung wegen angeblicher Asebie (Gottlosigkeit) und des Verderbens der Jugend durch einen athenischen Gerichtshof war ein für Platon erschütterndes Ereignis.
Weblinks:
Sokrates-Biografie - Biografien-Portal - www.die-biografien.de
Sokrates-Zitate - Zitate-Portal - www.die-zitate.de
Socrates - www.famousphilosophers.org
Samstag, 18. August 2018
Demokratischer Sozialismus 1968 gescheitert
Der demokratische Sozialismus war der Sonderweg in der Entwicklung des Sozialismus in der Tschechoslowakei - ein Modell der Vereinbarkeit von Sozialismus und Demokratie. Das Land entwickelte sich 1968 zu einem sozialen Reformlabor.
Demokratischer Sozialismus ist eine Gesellschaftsform, die in der Geschichte nur einmal praktiziert wurde: 1968 in der Tschechoslowakei während der Zeit des "Prager Frühlings".
Unter Dubcek entwickelte sich eine für den Ostblock bislang beispiellose Liberalisierung. Die Reformbewegung in der damaligen Tschechoslowakei wurde von breiten Teilen der Bevölkerung unterstützt.
Die Reformbewegung in der damaligen Tschechoslowakei hatte einen "Sozialismus mit menschlichem Antlitz" zum Ziel. Obwohl Alexander Dubček den Sozialismus weiterhin für die beste Gesellschaftsform hielt, wollte er das sozialistische Modell der Tschechoslowakei reformieren. Seine Vision des "Sozialismus mit menschlichem Antlitz" nahm im Aktionsprogramm der KPČ vom April 1968 konkrete Formen an.
Der demokratische Sozialismus ist nach nur acht Monaten gescheitert. Der "Prager Frühling" wurde durch die Niederschlagung im August 1968 durch den Einmarsch der Truppen des Warschauer Paktes gewaltsam beendet. Im August 68 beendeten sowjetische Panzer jäh die Freiheitsbewegung.
Der "Prager Frühling" hat vor allen Dingen eines bewiesen: der Sozialismus ist durch reformierbar, wenn politische Kräfte sich für eine gesellschaftliche Veränderung durchringen können.
Philosophisch betrachtet ist der "Prager Frühling" an der Orthodoxie der kommunistischen Politbürokratie gescheitert. Mut zur Veränderung resp. Alternative und Reformwillen trafen hier acht Monate lang auf Orthodoxie. Orthodoxie ist eine geistige Grundhaltung, die Züge einer strenggläubige Beharrung aufweist und einen Beharrungszustand erzeugt. Die Orthodoxen mögen keine Veränderung.
Die Idee des demokratischen Sozialismus als alternative Gesellschaftsform ist jedoch mit der Niederschlagung des "Prager Frühlings" nicht aus der Welt verschwunden. Der Blick auf den demokratischen Sozialismus ist heute nicht mehr verstellt durch dogmatische Denkmuster und durch die gescheiterten Modelle und Parteien eines autoritären Staatssozialismus.
Weblinks:
Prager Frühling - www.planet-wissen.de
50 Jahre Prager Frühling - www.zdf.de
Alexander Dubček-Biografie - Biografien-Portal - www.die-biografien.de
Blog-Artikel:
»Die Alternative« von Rudolf Bahro
Samstag, 11. August 2018
»Nikomachische Ethik« von Aristoteles
Die ethika nicomacheia stellt das bekannteste ethische Werk, neben der eudemischen Ethik und der magna moralia, von Aristoteles dar. In ihr findet sich auch das berühmte Kapitel 4 in Buch I, in dem Aristoteles die Ideenlehre (eidos/idea) seines Lehrmeisters Plato kritisierte.
In der Nikomachischen Ethik selbst schildert Aristotels in zehn Büchern, übersichtlich unterteilt in einzelne Punkte, seine Auffassungen, Gedanken und Abhandlungen zur Ethik. Jedes der Bücher kann als eigene Einheit bearbeitet werden, was gerade für Schüler überaus praktisch ist, aber gehen die Kapitel auch deutlich in einander über. Aristoteles Leitgedanke ist die Frage "Was heißt gut handeln?", er beschäftigt sich in Hinsicht darauf mit dem Guten, den Tugenden, der Gesellschaft und dem Wissen.
Nikomachische Ethik
In diesem Werk, das vermutlich ursprünglich zur Vorlesung im peripatos gedacht war, erfährt der Leser, dass nicht Reichtum, noch Lust sondern eudaimonia (Glückseligkeit) das höchste Endziel aller Tätigkeiten darstellt. Weder Tier noch Pflanze sondern nur der Mensch ist "von Natur aus" zu dieser fähig, sie ist ihm also "eingeboren". Diese unterscheidet sich aber stark von eutychia, welche nur zufallsbedingtes Glück darstellt. Sie ist für Aristoteles eine der Tugend gemäße Tätigkeit der menschlichen Seele. Eudaimonia (urprüngliche griechische Bedeutung als "einen guten Geist besitzend") ist von Dauer, wenn sie einmal erreicht wurde.
Doch wie kann man diesen Zustand erlangen? Die Antwort ist, dass dieser Zustand wesentlich durch unsere tugendhaften Handlungen konstituiert ist. Diese müssen die rechte Mitte (mesotes) treffen z.B. muss man achtgeben, dass eine Handlung weder in die Tollkühnheit noch in die Hasenfüßigkeit (wobei hier wohl eher keine Handlung stattfindet) führen würde. Die "goldene" Mitte wäre die Tapferkeit. Da der Mensch, nach Aristoteles, ein zoon politikon (Staatenbildendes Lebewesen)ist, soll dieser Zustand in der gesamten polis verwirklicht werden.
Diese Weise zu handeln muss durch eine lebenslange Gewöhnung (askesis) erreicht werden um zuletzt als glückseliger Mensch gelten zu können.
Weblink:
Die Ethik des Aristoteles - weltderkultur.wordpress.com
Literatur:
Nikomachische Ethik von Aristoteles
In der Nikomachischen Ethik selbst schildert Aristotels in zehn Büchern, übersichtlich unterteilt in einzelne Punkte, seine Auffassungen, Gedanken und Abhandlungen zur Ethik. Jedes der Bücher kann als eigene Einheit bearbeitet werden, was gerade für Schüler überaus praktisch ist, aber gehen die Kapitel auch deutlich in einander über. Aristoteles Leitgedanke ist die Frage "Was heißt gut handeln?", er beschäftigt sich in Hinsicht darauf mit dem Guten, den Tugenden, der Gesellschaft und dem Wissen.
In diesem Werk, das vermutlich ursprünglich zur Vorlesung im peripatos gedacht war, erfährt der Leser, dass nicht Reichtum, noch Lust sondern eudaimonia (Glückseligkeit) das höchste Endziel aller Tätigkeiten darstellt. Weder Tier noch Pflanze sondern nur der Mensch ist "von Natur aus" zu dieser fähig, sie ist ihm also "eingeboren". Diese unterscheidet sich aber stark von eutychia, welche nur zufallsbedingtes Glück darstellt. Sie ist für Aristoteles eine der Tugend gemäße Tätigkeit der menschlichen Seele. Eudaimonia (urprüngliche griechische Bedeutung als "einen guten Geist besitzend") ist von Dauer, wenn sie einmal erreicht wurde.
Doch wie kann man diesen Zustand erlangen? Die Antwort ist, dass dieser Zustand wesentlich durch unsere tugendhaften Handlungen konstituiert ist. Diese müssen die rechte Mitte (mesotes) treffen z.B. muss man achtgeben, dass eine Handlung weder in die Tollkühnheit noch in die Hasenfüßigkeit (wobei hier wohl eher keine Handlung stattfindet) führen würde. Die "goldene" Mitte wäre die Tapferkeit. Da der Mensch, nach Aristoteles, ein zoon politikon (Staatenbildendes Lebewesen)ist, soll dieser Zustand in der gesamten polis verwirklicht werden.
Diese Weise zu handeln muss durch eine lebenslange Gewöhnung (askesis) erreicht werden um zuletzt als glückseliger Mensch gelten zu können.
Weblink:
Die Ethik des Aristoteles - weltderkultur.wordpress.com
Literatur:
Nikomachische Ethik von Aristoteles
Samstag, 4. August 2018
Europa ist noch nicht zur Vernunft gekommen
Europa ist mit Hegel noch nicht zur Vernunft gekommen - der Weltgeist hat Europa noch nicht erreicht. Das autoritäre und bürokratische Europa droht, straft, demütigt, und egal, was das Volk sagt. Europa ist weder vernunftig noch demokratisch. Der autoritäre Geist und die kompromisslose institutionelle Vernunft haben Europa und seine überbordende Bürokratie fest im Griff.
Brüssel setzt allgemeine Regeln durch, ohne Rücksicht auf die besondere gesellschaftliche Lage, in der diese zur Anwendung kommen. Die EU serviert den unterschiedlichsten Nationen eine neoliberale Einheitsmagerkost, bei der selbst Wirtschaftsexperten übel wird. "Denk ich an Europa in der Nacht, / Dann bin ich um den Schlaf gebracht."
Geschichte wiederholt sich nicht, aber es kann nicht schaden, aus ihr zu lernen. Der autoritäre Geist und die kompromisslose institutionelle "Vernunft" helfen vielleicht für den Augenblick und lassen die Wankelmütigen und Abtrünnigen noch einmal widerwillig strammstehen. Aber das bleibt nicht so.
Entweder kommt Europa zur Vernunft und wird wahrhaft demokratisch – oder die Geschichte wiederholt sich doch, und dann kommt das Volk, "der große Lümmel" (Heinrich Heine), und baut seine Barrikaden.
Weblink:
Weltgeist Schäuble - www.zeit.de
Brüssel setzt allgemeine Regeln durch, ohne Rücksicht auf die besondere gesellschaftliche Lage, in der diese zur Anwendung kommen. Die EU serviert den unterschiedlichsten Nationen eine neoliberale Einheitsmagerkost, bei der selbst Wirtschaftsexperten übel wird. "Denk ich an Europa in der Nacht, / Dann bin ich um den Schlaf gebracht."
Geschichte wiederholt sich nicht, aber es kann nicht schaden, aus ihr zu lernen. Der autoritäre Geist und die kompromisslose institutionelle "Vernunft" helfen vielleicht für den Augenblick und lassen die Wankelmütigen und Abtrünnigen noch einmal widerwillig strammstehen. Aber das bleibt nicht so.
Entweder kommt Europa zur Vernunft und wird wahrhaft demokratisch – oder die Geschichte wiederholt sich doch, und dann kommt das Volk, "der große Lümmel" (Heinrich Heine), und baut seine Barrikaden.
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Weltgeist Schäuble - www.zeit.de
Samstag, 28. Juli 2018
Die kantische System-Philosophie
Der Philosoph Immanuel Kant hat seine eigene Theorie entwickelt, wie er zur Erkenntnis und zu welchen Erkenntnissen er kam.
Die kantische Philosophie ist, wie die Begriffskompositionen der auf Kant folgenden Idealisten, eine Systemphilosophie. Kant hat seine drei Kritiken aus einer Systemidee entwickelt, die diesen Kritiken ihren Inhalt und ihre Form gibt.
Diese Systemidee ist nicht nur der Gedanke der Unterscheidung zwischen praktischer und theoretischer Philosophie, die in einem dritten Teil des Systems nach Vermittlung und Versöhnung streben, sondern auch eine bestimmte Anschauung des Menschen, der durch die Beschaffenheit der Vermögen seines Gemüts und seiner Erkenntnisvermögen den Grund für die Gliederung der Philosophie in die verschiedenen Systemteile bildet.
Schon Kant blickt mit unübersehbarer Deutlichkeit auf den Menschen, wenn er philosophiert, auch wenn sein Blick durch die unausgesprochenen Subreptionen seines Denkens das Wesen des Menschen nicht mit letzter Klarheit zu erfassen vermag. Nicht in der ersten der erschienenen Kritiken, der Kritik der reinen Vernunft, sondern erst in der 1790 veröffentlichten Kritik der Urteilskraft, hat Kant sich über die seiner Systemidee zugrundeliegende Anschauung vom Menschen ausgesprochen.
Kant unterscheidet am menschlichen Erkenntnisvermögen, insofern dieses ein reines ist, also frei von Inhalten, die es aus der sinnlichen Erfahrungswelt gezogen haben könnte, drei unterschiedliche Fähigkeiten: den Verstand, die Vernunft und die Urteilskraft, die zwischen den beiden ersteren in der Mitte steht. Dem Verstand gesteht er die Fähigkeit zu, die allgemeinen Gesetze zu erkennen, die in der reinen Naturwissenschaft zur Anwendung gelangen, der Vernunft das Vermögen, nicht für die Erkenntnis, sondern für den Willen Gesetze zu geben und die Aufgabe der Urteilskraft besteht in einer Vermittlung des Allgemeinen und des Besonderen, auf das Verstand und Vernunft in unterschiedlicher Weise bezogen sind.
Während für Kant der Verstand das reine Vermögen des Allgemeinen ist und es nur mit diesem Allgemeinen zu tun hat, vermag die Vernunft, das Besondere durch das Allgemeine zu bestimmen. Sie ist also nicht nur auf das Allgemeine bezogen, sondern bestimmt durch die Gesetze, die sie dem Handeln gibt, das Besondere, eben das empirisch handelnde Subjekt. Der Urteilskraft scheint Kant eine ähnlich vermittelnde Funktion, wie der Vernunft zuschreiben zu wollen, insofern sie imstande ist, das Besondere unter das Allgemeine, das der Verstand hervorgebracht hat, zu subsumieren.
In Wirklichkeit ist es aber nur die Urteilskraft, die sich zwischen der Sphäre des Allgemeinen und des Besonderen hin und her zu bewegen vermag, denn sie empfängt aus der Sinnlichkeit das Besondere und aus dem Verstand das allgemeine Gesetz. Nur weil sie an beiden teilhat, vermag sie das Besondere unter das Allgemeine zu subsumieren. Wie sie dies tut, untersucht die Kritik der Urteilskraft. Die Vernunft vermag nicht wirklich, Allgemeines und Besonderes zu versöhnen, sie ist keine dienende, sondern eine herrschende Vernunft.
Die Kantsche Vernunft beugt sich nicht zum empirischen Subjekt herunter und verlockt seine Neigungen mit den Liebkosungen der Idee. Die Kantsche Vernunft setzt sich mit imperialer Gebärde über das ephemere Einzelsubjekt hinweg und kümmert sich nicht um die situativen Divergenzen, denen das handelnde Subjekt gegenübersteht. Sie beschränkt sich, wie in der Kritik der praktischen Vernunft entwickelt wird, auf die Aufstellung eines formalen Gesetzes des menschlichen Handelns. Die Umsetzung dieses Gesetzes überläßt die imperiale Vernunft dem jenseits der Sphäre der Kritik stehenden empirischen Individuum.
Weblink:
Moralische Intuition, moralische Phantasie, moralische Technik - www.anthroweb.info
Die kantische Philosophie ist, wie die Begriffskompositionen der auf Kant folgenden Idealisten, eine Systemphilosophie. Kant hat seine drei Kritiken aus einer Systemidee entwickelt, die diesen Kritiken ihren Inhalt und ihre Form gibt.
Diese Systemidee ist nicht nur der Gedanke der Unterscheidung zwischen praktischer und theoretischer Philosophie, die in einem dritten Teil des Systems nach Vermittlung und Versöhnung streben, sondern auch eine bestimmte Anschauung des Menschen, der durch die Beschaffenheit der Vermögen seines Gemüts und seiner Erkenntnisvermögen den Grund für die Gliederung der Philosophie in die verschiedenen Systemteile bildet.
»Der praktische Philosoph,
der Lehrer der Weisheit durch Lehre und Beispiel,
ist der eigentliche Philosoph.«
Immanuel Kant
Schon Kant blickt mit unübersehbarer Deutlichkeit auf den Menschen, wenn er philosophiert, auch wenn sein Blick durch die unausgesprochenen Subreptionen seines Denkens das Wesen des Menschen nicht mit letzter Klarheit zu erfassen vermag. Nicht in der ersten der erschienenen Kritiken, der Kritik der reinen Vernunft, sondern erst in der 1790 veröffentlichten Kritik der Urteilskraft, hat Kant sich über die seiner Systemidee zugrundeliegende Anschauung vom Menschen ausgesprochen.
Kant unterscheidet am menschlichen Erkenntnisvermögen, insofern dieses ein reines ist, also frei von Inhalten, die es aus der sinnlichen Erfahrungswelt gezogen haben könnte, drei unterschiedliche Fähigkeiten: den Verstand, die Vernunft und die Urteilskraft, die zwischen den beiden ersteren in der Mitte steht. Dem Verstand gesteht er die Fähigkeit zu, die allgemeinen Gesetze zu erkennen, die in der reinen Naturwissenschaft zur Anwendung gelangen, der Vernunft das Vermögen, nicht für die Erkenntnis, sondern für den Willen Gesetze zu geben und die Aufgabe der Urteilskraft besteht in einer Vermittlung des Allgemeinen und des Besonderen, auf das Verstand und Vernunft in unterschiedlicher Weise bezogen sind.
Während für Kant der Verstand das reine Vermögen des Allgemeinen ist und es nur mit diesem Allgemeinen zu tun hat, vermag die Vernunft, das Besondere durch das Allgemeine zu bestimmen. Sie ist also nicht nur auf das Allgemeine bezogen, sondern bestimmt durch die Gesetze, die sie dem Handeln gibt, das Besondere, eben das empirisch handelnde Subjekt. Der Urteilskraft scheint Kant eine ähnlich vermittelnde Funktion, wie der Vernunft zuschreiben zu wollen, insofern sie imstande ist, das Besondere unter das Allgemeine, das der Verstand hervorgebracht hat, zu subsumieren.
In Wirklichkeit ist es aber nur die Urteilskraft, die sich zwischen der Sphäre des Allgemeinen und des Besonderen hin und her zu bewegen vermag, denn sie empfängt aus der Sinnlichkeit das Besondere und aus dem Verstand das allgemeine Gesetz. Nur weil sie an beiden teilhat, vermag sie das Besondere unter das Allgemeine zu subsumieren. Wie sie dies tut, untersucht die Kritik der Urteilskraft. Die Vernunft vermag nicht wirklich, Allgemeines und Besonderes zu versöhnen, sie ist keine dienende, sondern eine herrschende Vernunft.
Die Kantsche Vernunft beugt sich nicht zum empirischen Subjekt herunter und verlockt seine Neigungen mit den Liebkosungen der Idee. Die Kantsche Vernunft setzt sich mit imperialer Gebärde über das ephemere Einzelsubjekt hinweg und kümmert sich nicht um die situativen Divergenzen, denen das handelnde Subjekt gegenübersteht. Sie beschränkt sich, wie in der Kritik der praktischen Vernunft entwickelt wird, auf die Aufstellung eines formalen Gesetzes des menschlichen Handelns. Die Umsetzung dieses Gesetzes überläßt die imperiale Vernunft dem jenseits der Sphäre der Kritik stehenden empirischen Individuum.
Weblink:
Moralische Intuition, moralische Phantasie, moralische Technik - www.anthroweb.info
Sokrates als Philosoph der Antike
Sokrates war ein griechischer Philosoph, der von circa 469 bis 399 v. Chr. in Athen gelebt hat. Sokrates war ein für das abendländische Denken grundlegender griechischer Philosoph, der in Athen zur Zeit der Attischen Demokratie lebte und wirkte.
Sokrates’ herausragende Bedeutung zeigt sich vor allem in seiner nachhaltigen Wirkung innerhalb der Philosophiegeschichte, aber auch darin, dass die griechischen Denker vor ihm heute als Vorsokratiker bezeichnet werden. Die Bedeutung der Person und des Philosophen Sokrates wird dadurch unterstrichen, dass alle griechischen Denker vor ihm heutzutage „Vorsokratiker“ genannt werden.
Zu seinem Nachruhm trug wesentlich bei, dass er, nachdem er wegen angeblich verderblichen Einflusses auf die Jugend sowie Missachtung der Götter verurteilt worden war, das Todesurteil akzeptierte und eine Fluchtmöglichkeit aus Respekt vor den Gesetzen nicht wahrnahm.
Nahezu alle bedeutenden philosophischen Schulen der Antike haben sich auf Sokrates berufen. Michel de Montaigne nannte ihn im 16. Jahrhundert den „Meister aller Meister“ und noch Karl Jaspers schrieb: „Sokrates vor Augen zu haben ist eine der unerlässlichen Voraussetzungen unseres Philosophierens.“
Sokrates hatte seine eigene Methode der Gelehrsamkeit: Durch Fragen also und nicht durch Belehren des Gesprächspartners - wie es die Sophisten gegenüber ihren Schülern praktizierten – sollte Einsichtsfähigkeit geweckt werden, eine Methode, die Sokrates, so Platon, als Maieutik bezeichnet hat: eine Art „geistige Geburtshilfe“. Er setzte bei den Fragen auf den Erkenntnisfortschritt in den Sokratischen Dialogen.
Bis zu seiner Hinrichtung durch den Schierlingsbecher beschäftigten ihn und die zu Besuch im Gefängnis weilenden Freunde und Schüler philosophische Fragen.
Die Schriften, die über Sokrates überliefert sind, zeigen, daß er seine Umgebung unbarmherzig mit Fragen quälte, bis die festgefügten Weltbilder in Scherben lagen. Sie zeigen aber auch den Spaß, mit dem der Grieche die Wahrheitssuche betrieb. Die Söhne der reichsten Athener Familien waren seine glühenden Veerhrer. Sokrates galt als Verführer der Jugend.
Sokrates war einer der Ersten, der sich nicht "Weiser", sondern "Freund der Weisheit" nannte. Sokrates machte sich zudem mit seiner Ideenlehre einen Namen, in der er sich mit der Vorstellung des Dualismus, einer zweigeteilten Wirklichkeit auseinandersetzte.
Sokrates starb daran, ein wahrer Philosoph gewesen zu sein. Er starb am 27. Juli 399 v. Chr. den Gifttod durch das Leeren des Schierlingsbechers in Athen.
Weblinks:
Sokrates – der Philosoph und seine Bedeutung - weltderkultur.wordpress.com
Sokrates-Biografie - Biografien-Portal - www.die-biografien.de
Sokrates-Zitate - Zitate-Portal - www.die-zitate.de
Socrates - www.famousphilosophers.org
Donnerstag, 19. Juli 2018
Herbert Marcuse 120. Geburtstag
Herbert Marcuse wurde vor 120 Jahren am 19. Juli 1898 in Berlin geboren. Herbert Marcuse war ein deutsch-amerikanischer Sozialphilosoph des 20. Jahrhunderts. Herbert Marcuse war der Vordenker der Neuen Linken, Vertreter der frühen Kritischen Theorie und »Mentor« der 68er-Bewegung.
Als einer der Hauptvertreter der Frankfurter Schule befasste sich Marcuse mit der marxistisch geprägten Analyse der westlichen Industriestaaten des Zwanzigsten Jahrhunderts. Sein Ziel, die bestehenden sozialen Verhältnisse zu verändern, verband er mit literarischen und künstlerischen Reflexionen ("Der deutsche Künstlerroman", 1923) und der kritischen Interpretation der modernen Gesellschaft.
Marcuse schloss sich 1922 dem Institut für Sozialforschung an und emigrierte nach der Machtergreifung Hitlers in die USA, wo er an der Columbia University lehrte und die amerikanische Staatsbürgerschaft annahm.
Während und kurz nach dem Zweiten Weltkrieg arbeitete er für die amerikanische Regierung, bis er 1951 seine Lehrtätigkeit unter anderem an der Columbia University und Harvard wieder aufnahm.
Zu seinen Hauptwerken gehören "Der eindimensionale Mensch" aus dem Jahr 1964 und die 1972 veröffentlichte Schrift "Konterrevolution und Revolte".
Der Sozialphilosoph lehrte zuletzt an der University of California.
Herbert Marcuse starb 1979 während eines Deutschland-Besuchs bei Jürgen Habermas in Starnberg an den Folgen eines Hirnschlags.
Literatur:
Der eindimensionale Mensch: Studien zur Ideologie der fortgeschrittenen Industriegesellschaft von Herbert Marcuse
Der eindimensionale Mensch: Studien zur Ideologie der fortgeschrittenen Industriegesellschaft von Herbert Marcuse
Samstag, 14. Juli 2018
Philosophisches Tackling im Fussball
Tackling (englisch für bekämpfen, attackieren) bedeutet beim Fußball, einen Gegner robust, aber fair vom Ball zu trennen; dazu gehört der Grätschschritt oder das gezielte Rutschen über das Spielfeld (engl. sliding tackling), um den Ball zu blockieren, zur Seite wegzuspitzeln oder ihn dem ballführenden Gegenspieler regelkonform abzunehmen.
Nicht herummäkeln soll man, sondern sich erfreuen, wenn der Fußballer zum Tackling aufläuft und mental alles in den Sand setzt. "Bei mir weiß man immer, woran ich bin." Günter Netzer
Die verbalen Tacklings erreichen nur selten philosophische Spitzen, häufig fehlt der verbale Pass in die Tiefe. Ein schwacher Text kann durch einen guten Fussballspieler ungeahnte Tiefen gewinnen.
Nur die ganz Großen laufen dabei zum echten philosophischen Tackling auf. Johan Cruyff mit einer unwiderlegbaren Logik: "Fussballer von der Straße sind wichtiger als studierte Trainer."
Samstag, 7. Juli 2018
Albert Camus und der Fussball
Philosophie und Fussball sind durch das Leben miteinander verbunden: Fussball ist praktisch angewandte Lebensphilosophie. Auch Philosophen können sich für Fussball begeistern, wenn sie dadurch etwas für das Leben lernen können. Und einer von ihnen war Albert Camus, der schon früh begriff, worum es im Fussball ging: Im Fussball geht es um Moral, nämlich die einer Mannschaft."Alles was ich im Leben über Moral oder Verpflichtungen des Menschen gelernt habe, verdanke ich dem Fußball." Das sagte einmal Literaturnobelpreisträger Albert Camus.
Albert Camus war der Anziehungskraft des Fussballs erlegen. Er schaute während seiner Zeit in Paris gern dem Fussball zu und war oft im Prinzenparkstadion. Ein einzigartiges Dokument aus französischen Fernsehen-Archiven zeigt ein Erstligaspiel vom 23. Oktober 1957 im Prinzenpark zwischen Racing Paris und AS Monaco. Unter den 35.000 Zuschauern steht Albert Camus, genau eine Woche nachdem er von der königlichen Akademie in Stockholm zum Literaturnobelpreisträger erklärt worden war. Der Fan des Hauptstadtclubs – die obligatorische Zigarette im Mundwinkel, mit Trenchcoat, Krawatte und dem Flair eines Humphrey Bogart – kommentiert als ehemaliger Torwart der Jugendmannschaft von Universitätsclub Racing Algier einen Fehler des Pariser Torwarts:
merkt man, wie schwer es ist. Ich war selbst Torhüter bei RUA in Algier.
Die hatten übrigens dieselben Farben wie Racing Paris."
Camus war dem Fussball verbunden, seitdem er als Junge in den Strassen von Algier mit dem Ball spielte. In den Jahren 1929 und 1930 stand Camus als Jugendlicher bei Racing Universitaire Algeruios (RUA) zwischen den Pfosten. Bei dem Halbwaisen aus ärmlichsten Verhältnissen mit einer Mutter, die weder schreiben noch lesen konnte, wurde Tuberkulose diagnostiziert. Doch die wenigen Jahre in zwei Fussballmannschaften Algiers, die teils auf dem Truppenübungsplatz der Stadt spielten, sollten in Camus' Augen stets eine Schule fürs Leben bleiben. Sie begann damit, dass er Torwart wurde, weil er so sein einziges Paar Schuhe am wenigstens abnutzte und den Ochsenziemer der strengen Grossmutter weniger zu fürchten hatte.
1953 hatte der fussballverrückte Camus, der sich über seinen geliebten Sport nie theoretisch geäussert hat, sondern stets nur seine Fussballeidenschaft ausleben wollte, für die Vereinszeitung seines ehemaligen Clubs RUA einige Erinnerungen aufgeschrieben:
"Jeden Sonntag fieberte ich dem Donnerstag entgegen, wenn wir Training hatten und an jeden Donnerstag dem Sonntag, an dem gespielt wurde. Das Spielfeld hatte mehr Schrammen, als das Schienbein eines Mittelfeldspielers der gegnerischen Mannschaft. Ich begriff sofort, dass der Ball nie so auf einen zukommt, wie man es erwartet. Das war eine Lektion fürs Leben, vor allem für das Leben in der Hauptstadt, wo die Menschen nicht ehrlich und gerade heraus sind. Mir war nicht klar, dass ich mit diesem Verein eine Bindung einging, die Jahre lang halten sollte und nie zu Ende ging. Ich ahnte nicht, dass mich noch 20 Jahre später in den Straßen von Paris oder von Buenos Aires – das ist mir tatsächlich passiert – das dämlichste Herzklopfen überkommen würde, wenn ein Freund oder Bekannter das Wort des Clubs RUA aussprach."
In seinen Pariser Zeiten, als er schon weltberühmt war, blieb das Fussballstadion für Camus ein Ort, den er gerne mit dem Theater verglich und wohin er, wie auch an jenem Oktobertag 1957, dem linksintellektuellen Milieu von Saint Germain des Pres und den Pariser Salons entfliehen konnte. Das hinderte ihn nicht daran, von der Stadiontribüne aus sehr selbstbewusst seinen Nobelpreis zu kommentieren:
Weblinks:
Der Philosoph und der Fussball - www.deutschlandfunk.de
Camus lebt - www.camus-lebt.de
Samstag, 30. Juni 2018
Mit Kant am Ball - eine philosophische Ästhetik
Fußball ist ein ergebnisorientierter Sport, bei dem die erzielten Tore ausschlaggebend für den Erfolg sind und letztlich nur das Ergebnis zählt. Schöner - weil für das Auge der Zuschauer recht ansehnlich - ist es jedoch, wenn der Sieg mit schönem und attraktivem Fußball erzielt worden ist. Wer schön und offensiv spielt, gewinnt zueist auch das Spiel.
So hat auch der Fußball hat seine Ästhetik und seine gefeierten Helden, welche schönen Fußball spielen und im besten Falle zelebrieren. Sowohl für den Spieler als auch den Zuschauer ist der Fußball eine ästhetische Erfahrung.
Eine philosophische Ästhetik, die sich zur Beschreibung der Schönheiten des Fußballs besonders eignet ist die kantische Ästhetik, denn Kant betont darin vor allem das freie Spiel der Einbildungskräfte. Dies spielt beim Fußball eine große Rolle.
Gerade wenn Abläufe eingebildet, im Sport würde man sagen, antizipiert werden, um dann doch ganz anders einzutreten. Außerdem betont Kants Ästhetik das spielerische Moment einer Zweckmäßigkeit ohne Zweck. Das ist für Mannschaftssportarten besonders wichtig.
Ein Spiel besteht ja auch wesentlich aus lauter extrem zweckmäßigen Handlungen: Pässen, Grätschen, Sprints … Nur: Das alles hat gar keinen Zweck, jedenfalls keinen, der außerhalb des Spieles selbst läge! Das Tor bedeutet nur, dass es 1:0 steht. Das führt dann auch auf den kantischen Begriff des interesselosen Wohlgefallens in der ästhetischen Erfahrung.
Das heutige Kurzpassspiel, vor allem der Spanier, erfährt seine Schönheit aus der unglaublichen Beherrschung des Balles, die er zur Schau stellt, aber auch der räumlichen Beherrschung des Gegners.
Natürlich heften sich an den Fußball heute jede Menge Interessen, vor allem wirtschaftlicher Art. Aber der Grundimpuls funktioniert zunächst einmal als Spiel. Die zweckmäßigen Fußball-Handlungen erzeugen im Betrachter wie im Athleten - im freien Spiel der Einbildungskräfte - ein Wohlgefallen, und damit auch gewaltige Emotionen: So ließe sich das mit Kant erklären .
Samstag, 23. Juni 2018
»Mit Nietzsche im Stadion. Der Fußball der Gesellschaft« von Martin Gessmann
Mit Nietzsche im Stadion. Der Fußball der Gesellschaft
»Mit Nietzsche im Stadion. Der Fußball der Gesellschaft« von Martin Gessmann weht der Geist der Philosophie in den Fussball, aber was hat das mit Nietzsche zu tun? Das Spiel ist durchaus Nietzsches Element, aber der Freigeist gar als Interpret des modernen Fussballs? Nietzsche ist als Stadiongänger kaum je vorstellbar. Der Philosoph, welcher tatsächlich ein Stadion besucht hat, war nicht Nietzsche, sondern Camus.
Das Buch klärt auf, was Nietzsche und alle Philosophen - die Musik, die Wirtschaft, das ganze hohe Intellektuelle - mit Fussball zu tun hat. - Was lässt sich aus dem Buch lernen? - Fussball ist ein Spiegel der Gesellschaft, in der die Vertreter der Moderne mit neuen Techniken jonglieren. Fussball ist die Lehre vom flexiblen Menschen in schnellen Systemanpassungen.
Lässt sich mit dem Kulturphilosophen Nietzsche das Phänomen Fussball erklären und kann diese Erklärung auch gelingen? Alle Kulturkritik ist ihm ästhetisch fundiert und umgekehrt ist alle Ästhetik nicht ohne eine fundamentale kulturkritische Dimension. Friedrich Nietzsche hat sich wie zahlreiche andere Philosophen mit der Frage „Was ist schön?“, auseinandergesetzt. Gemäß Nietzsche ist Schönheit die Spiegelung menschlicher Lebenskraft.
Es lassen sich mit der Kunstfigur zwar Zusammenhänge konstruieren, eine schlüssiges Erklärungsmodell wird daraus jedoch nicht. Andererseits: Ein kluger Mann wie Nietzsche musste sich dessen bewusst sein, dass seine Texte auch von anderen Geistern entfremdet und missbraucht werden können. Dennoch liefert das Buch einige recht gute Ansätze zu Verständnis des Fussballs: Im Zentrum des Republikanismus eines Rousseau dagegen sieht Gessmann die Idee der Emanzipation des Einzelnen und die Bildung eines allgemeinen Willens in der volonté générale.
Fussballerisch bedeutet das ein radikales Abschleifen von Hierarchien und das Verinnerlichen eines Gemeinschaftsmodells, das sich vor allem im freien Spiel manifestiert: Ballbesitz als Selbstzweck, bei dem sogar der Torschuss eigentlich den Aufbau immer neuer Anspielstationen in Dreiecken und Rauten stört. Es ist das Modell Pep Guardiola, das Modell FC Bayern München.
"Das Wesen von derart spielvarianten Mannschaften ist es demnach, in der ständigen Veränderung ihrer Grundeinstellung sich von allen anderen zu unterscheiden. Ihr Wesen ist es, immer auf der Kippe zu stehen."
Wie von Ferne grüsst shon die Postmoderne: Es ist der Ästhetizismus der Postmoderne, in dem es darum geht, die Statik bürgerlicher Gesellschaften durch kreative Interventionen oder politische Avantgarden zu durchbrechen. Der Ahnherr ist Friedrich Nietzsche, der gesagt hat: "Ich bin kein Mensch, ich bin Dynamit."
Sein Dynamit wird hier quasi auf dem Spielfeld zur Explosion gebracht. Auf dem Spielfeld ist die zündemde Idee das Dynamit.
Mit Nietzsche im Stadion. Der Fußball der Gesellschaft
Aber diese stürmisch assoziative Interpretation der Avantgarde hat auch ihre Mängel. Der Autor scheint nur einige wenige Trainer und Mannschaften ausschließlich im Profi-Fussball zu kennen, immer wieder bemüht er seine drei Archetypen von Trainern, die er durch die Mühle seiner platt gewalzten philosophischen Ansätze und drei Gesellschaftstypen dreht - als gäbe es nur diese.
Eine Reise vom Elfenbeinturm der universitären VIP-Lounges auf die Äcker der Bezirksligen dieser Republik wäre dem Autor zu gönnen, um sich mit der vielleicht eher autokratisch-despotischen Verfassung des modernen Fussballs auf dem Lande vertraut zu machen - wenigstens aber mit der Anarchie in der Kreisklasse suburbaner Fussballwelten.
Literatur:
Mit Nietzsche im Stadion. Der Fußball der Gesellschaft von Martin Gessmann
Fußball: Eine Kulturgeschichte
von Klaus Zeyringer
Samstag, 16. Juni 2018
Was Fussball und Philosophie verbindet
Die Philosophie im Fussball gesucht. - Die Kulturkritik hat lange Zeit den Eindruck verbreitet, was so populär ist wie Fussball, kann mit Hochkultur oder gar Philosophie nichts zu tun haben. Ein gängiges Vorurteil, denn es gibt durchaus verbindende Elemente.
Heute kann jedoch schon der aufmerksame Betrachter einer WM lernen, dass es sich in Wahrheit geradezu umgekehrt verhält und der Zeitgeist, frei nach Hegel, im Fussball eine für alle fassliche Gestalt angenommen hat. Wer einmal im Stadion war, hat erfahren, daß Fussball ein besonderes Erlebnis ist.
Was verbindet Fussball und Philosophie? Fussball ist wie das Leben eine verbindende Lebensform und ein massentauglicher Sport. Fussball ist ein kollektiver Sport, welcher als Gemeinschaftserlebnis in der Lage ist, Identität zu stiften. Zudem ist Fussball ein gelebter Sport, welcher sportliche Menschen dazu bringt, dem Leben einen Sinn zu geben und somit ihrem Leben einen Sinn stiftet.
Fussball passt zum Ästhetizismus der Postmoderne, in dem es darum geht, die Statik bürgerlicher Gesellschaften durch kreative Interventionen oder andere Avantgarden zu durchbrechen. Die Vertreter der Moderne jonglieren ja stets mit neuen Techniken. Spielsysteme sind hier Strukturelemente der Postmoderne, in der nur die Avantgarde zum Erfolg führt.
Fussball hat als Variation der Moderne durchaus seinen eigenen Ästhetizismus, welcher auf Innovation auf dem Spielfeld drängt: Die Spanier spielen den modernsten Fußball, die Engländer im Grunde immer noch Rugby und die Deutschen mußten den Libero erfinden. - Es ist im Grunde genau wie bei Peter Pan: Wer im Fussball gewinnen will, muss sich stets neu erfinden.
Literatur:
Philosophie des Fußballs von Martin Gessmann
Weblink:
Die Philosophie im Fußball gesucht - www.deutschlandfunk.de
Samstag, 9. Juni 2018
Sozialismus in der DDR: Alternative Gesellschaftskonzepte von Robert Havemann und Rudolf Bahro
Jede Gesellschaftsform ist es wert, im Spannungsfeld von Egalität und Freiheit Alternativen für eine bessere Welt bereitzustellen. Kein Gesellschaftskonzept sollte ohne Alternative sein, da eine gesellschaftliche Weiterentwicklung immer eine Alternative eines bestehenden Gesellschaftskonzeptes ist. Der Fortschritt bedingt die Alternative und entwickelt sich aus ihr heraus.
Fortschrittliche Denker des Sozialismus betonen im Allgemeinen die Grundwerte Gleichheit, Gerechtigkeit, Solidarität und in einigen Strömungen auch die Verwirklichung negativer und positiver Freiheit. Sie heben oft die enge Wechselbeziehung zwischen praktischen sozialen Bewegungen und theoretischer Gesellschaftskritik hervor, wobei sie das Ziel verfolgen, mit Blick auf eine sozial gerechte Wirtschafts- und Sozialordnung beide zu versöhnen.
Robert Havemann und Rudolf Bahro waren die wohl bekanntesten oppositionellen Intellektuellen der DDR. Dogmatismus befreit nicht von der Möglichkeit alternativen Denkens. Sie kritisierten den »real existierenden Sozialismus« und entwarfen alternative Sozialismus-Konzeptionen, aber sie waren keine Gegner der sozialistischen Idee, vielmehr plädierten sie für systemimmanente Veränderungen, mit dem Ziel der Verwirklichung einer freiheitlichen Gesellschaft. Der Blick ihres Denkens ist nicht mehr verstellt durch dogmatische Denkmuster und durch die gescheiterten Modelle und Parteien eines autoritären Staatssozialismus.
Robert Havemann galt als Staatsfeind Nummer eins der DDR. Nach kritischen Äußerungen in einer West-Zeitung über die DDR wurde der Chemie-Professor 1964 aus der SED ausgeschlossen und 1965 mit einem Berufsverbot belegt. 1976 wurde er wegen weiterer im Westen veröffentlichter SED-kritischer Schriften unter Hausarrest gestellt. Havemanns Isolation wurde gelockert, es gab keine Strafverfahren mehr gegen ihn. 1982 starb Havemann im Alter von 72 Jahren.
Rudolf Bahro (1935-1997) war 1978 nach der West-Veröffentlichung seines Buches „Die Alternative. Zur Kritik des realexistierenden Sozialismus“ wegen „Nachrichtenübermittlung“ und „Geheimnisverrats“ zu acht Jahren Freiheitsentzug verurteilt worden. Im Oktober 1979 wurde Bahro zum 30. Jahrestag der Gründung der DDR amnestiert und konnte mit seiner Familie in die Bundesrepublik ausreisen.
Sozialismus in der DDR: Alternative Gesellschaftskonzepte
von Robert Havemann und Rudolf Bahro
Institutionalisiert gerät der Marxismus stets in dogmatische Verhärtung und erlahmt als "lebendige politische Kraft". Marxistisch beeinflußte Bewegungen sozialdemokratischer Spielart wird andererseits attestiert, zwar kein Dogma, aber eben auch nur Atem für die jeweils nächsten Ziele zu haben.
Die Kapitalisten hängen aus gutem Grund am moskowitischen Totalbild von Marxismus. Bald gewinnen sie jedoch Geschmack an der verworrenen Wahrheit: daran etwa, daß Marxismus über den zu befreienden Menschen kaum Erkenntnisse vermittelt außer ökonomischen. Daran, daß er dem "praktischen Immoralismus selbsternannter elitärer Vorhuten der Arbeiterklasse Vorschub leistet". Daran besonders, daß jeder unter Marxismus mit Fug was anderes verstehen darf.
Ines Weber analysiert die von Havemann und Bahro entwickelten Sozialismus-Konzeptionen aus politiktheoretischer und ideenhistorischer Perspektive und diskutiert kritisch, inwiefern es den beiden Autoren gelungen ist, Freiheit und Sozialismus zu versöhnen. Sie gibt zugleich einen Überblick zur Biografie und zum Werk der beiden Theoretiker.
Literatur:
Sozialismus in der DDR: Alternative Gesellschaftskonzepte von Robert Havemann und Rudolf Bahro von Ines Weber
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