Donnerstag, 1. Juli 2021

Gottfried Wilhelm Leibniz 275. Geburtstag

Gottfried Wilhelm Leibniz

Gottfried Wilhelm von Leibniz wurde vor 275 Jahren am 1. Juli 1646 als Sohn eines Rechtsgelehrten in Leipzig geboren.
Gottfried Wilhelm von Leibniz war ein bedeutender Philosoph und Gelehrter des 17. Jahrhunderts und der universellste Denker seiner Zeit. Der adelige Wissenschaftler Leibniz gilt als der letzte grosse Universalgelehrte, als markantester Vertreter der deutschen Frühaufklärung und als eine große Schöpfergestalt deutschen Geistes.

Er gilt als der universale Geist seiner Zeit und war einer der bedeutendsten Philosophen des ausgehenden 17. und beginnenden 18. Jahrhunderts. Leibniz sagte über sich selbst: „Beim Erwachen hatte ich schon so viele Einfälle, dass der Tag nicht ausreichte, um sie niederzuschreiben.“


Gottfried Wilhelm Leibniz war Mathematiker, Philosoph, Diplomat, Ingenieur, Historiker - und ersann den Urahn des modernen Computers. Leibniz gilt als letzter Universalgelehrter und hatte starken Einfluss auf die nachfolgenden Aufklärer, die klassische deutsche Philosophie, den deutschen Idealismus und die Literatur der Klassik. Er wirkte auch als politischer Berater an euopäischen Fürsten- und Königshäusern.

Auf seine Zeitgenossen wirkte der früh Hochbegabte immer etwas befremdlich, denn er hatte mindestens so viele Begabungen wie der nach ihm benannte Butterkeks Zähne. Leibniz sagte über sich selbst: „Beim Erwachen hatte ich schon so viele Einfälle, dass der Tag nicht ausreichte, um sie niederzuschreiben.“

Gottfried Wilhelm von Leibniz

Gottfried Wilhelm Leibniz wurde am 21. Juni - nach gregorianischem Kalender am 1. Juli - 1646 in Leipzig als Sohn des Professors der Moral Friedrich Leibniz geboren. Nach dem Besuch der Nicolai­schule in Leipzig studierte er an den Universitäten Leipzig und Jena Philosophie und Jurisprudenz. 1667 erwarb er an der Universität Altdorf den juristischen Doktorgrad. Das Angebot, eine Professur zu übernehmen, schlug er aus.

Mit seinen mehr als 1.000 Briefpartnern schuf Leibniz an der Wende vom 17. zum 18. Jahrhundert ein weltumspannendes intellektuelles Netzwerk. Eine unerwünschte Nebenwirkung: die ersten Plagiatsvorwürfe. Der prominente englische Naturforscher Isaac Newton behauptete, die Differential- und Integralrechnung vor Leibniz entdeckt zu haben. Unumstritten dagegen, dass Leibniz die erste mechanische Rechenmaschine für alle vier Grundrechenarten konstruierte und ein binäres Zahlensystem entwickelte, das noch heute die Grundlage für die digitale Datenverarbeitung bildet.


Dem Philosophen Leibniz verdanken wir die Behauptung, dass unsere Welt "unter allen möglichen die beste" sei. Wie aber lassen sich dann Kriege und Katastrophen erklären? Diesen scheinbaren Widerspruch versucht Leibniz in seinem Theodizee-Argument aufzulösen. Schließlich ist Gott für ihn der größte Rechenkünstler überhaupt.

Im Bestreben, nicht nur theoretisch zu arbeiten, sondern praktische Wirksamkeit zu entfalten (sein Wahlspruch war: „Theoria cum praxi“), wählte er die Stellung eines fürstlichen Beraters, die im Zeitalter des Absolutismus am ehesten die Möglichkeit politischer Einflussnahme bot. Er trat zunächst in den Dienst des
Mainzer Kurfürsten Johann Philipp von Schönborn. 1672 gelangte er in diplomatischer Mission nach Paris, wo er vier prägende Jahre verbrachte erst hier konnte er die Grenzen der zeitgenössischen deutschen
Universitätsausbildung überschreiten und den neuesten Stand der Wissenschaften kennen lernen.

1673 stellte er der Royal Society ein Modell seiner Rechenmaschine vor, der ersten mit mechanischen Vorrichtungen nicht nur für Addition und Subtraktion, sondern auch für Multiplikation und Division. In den folgenden Jahren entwickel­te er in Paris die Differential- und Integralrechnung. Aus finanziellen Gründen verließ er 1676 Paris und wurde Hofrat und Bibliothekar des Herzogs Johann Friedrich in Hannover. Den Kontakt mit der gelehrten Welt hielt er durch eine umfang­reiche Korrespondenz (1.100 Briefpartner) aufrecht.


Im Jahre 1700 wurde er der erste Präsident der auf seinen Vorschlag gegründeten Berliner Akademie der Wissenschaften. Aus den philosophischen Gesprächen, die er während seiner Besuche in Berlin mit der preußischen Königin Sophie Charlotte führte, entstand die »Theodicée« (1710 veröffentlicht), in der Leibniz eine Rechtfertigung Gottes ange­sichts des Übels und der Leiden in der Welt versucht. In der Auseinandersetzung mit dem englischen Philosophen John Locke verfasste Leibniz die »Nouveaux Essais sur l'entendement humain« (»Neue Abhandlungen über den menschlichen Verstand«), die jedoch erst ein halbes Jahrhundert nach seinem Tod im Druck erschienen.

Seine letzten Lebensjahre wurden vom Prioritätsstreit mit Isaac Newton um die Erfindung der Differential- und Integralrechnung überschattet. Leibniz starb am 14. November 1716 in Hannover. Sein Grab befindet sich in der Neustädter Kirche. "Wer meine Werke liest, der kennt mich nur zum Teil", sagte Leibniz über sich. Zu seinen Lebzeiten veröffentlichte er nur ein Drittel seiner Schriften. Sein umfangreicher wissenschaftlicher Nachlass, der von der Gottfried Wilhelm Leibniz-Bibliothek in Hannover aufbewahrt wird, ist noch immer nicht vollständig veröffentlicht.

Weblinks:

Gottfried Wilhelm Leibniz-Biografie - Biografien-Portal www.die-biografien.de


Gottfried Wilhelm Leibniz-Zitate - Zitate-Portal www.die-zitate.de

Gottfried Wilhelm Leibniz - www.hannover.de


Blog-Artikel:

Leibniz oder die beste der möglichen Welten - Philosophenwelt-Blog - philosophen-welt.blogspot.com

Samstag, 26. Juni 2021

Platos Höhlengleichnis – Die Welt als Spiel der Schatten

Platos Höhlengleichnis – Die Welt als Spiel der Schatten


Das Höhlengleichnis Platos ist eines der bekanntesten Gleichnisse der antiken Philosophie. Es stammt von dem griechischen Philosophen Platon (428/427–348/347 v. Chr.), der es am Anfang des siebten Buches seines Dialogs »Politeía« von seinem Lehrer Sokrates erzählen lässt.

Das Höhlengleichnis von Platon ist eines der bedeutendsten Gleichnisse der antiken Philosophie. Es zeigt den Weg des Philosophen zu echter Einsicht: Den Weg von den Schattenbildern in der dunklen Höhle hin zum Licht der Erkenntnis. Von den unklaren Vorstellungen der Welt hin zu den wirklichen Ideen hinter der Existenz. Ziel ist es, den Unterschied zwischen Schein und wahrer Wirklichkeit zu erkennen.

Platos Höhlengleichnis ist eine Metapher für die Dunkelheit und Schattenhaftigkeit menschlicher Erkenntnis. Die Welt erscheint dabei ind er Warhnehumg der Menschen als Spiel der Schatten.

In einer höhlenartigen Behausung leben seit ihrer Geburt Menschen. Hinter ihnen befindet sich ein breiter Weg nach oben, von dort aus wird die Höhle durch ein Feuer mit Licht gespeist. Zwischen dem Feuer und dem Weg nach oben ist eine Mauer.

Es geht bei dem Höhlengleichnis um die Wahrnehmung der Menschen und die Trübung der Sinne und die Frage, was Menschen erkennen und für Realität halten.

Platos Höhlengleichnis ist nicht die rosigste Annahme der Realität. Man könnte sogar „düster“ sagen, denn unsere Erfahrungen sind nichts weiter als Schatten auf einer Wand. Plato schrieb diese Allegorie als ein Gespräch zwischen seinem Mentor Sokrates und Glaukon.

Darin fordert Sokrates Glaukon zu einem Gedankenexperiment auf, in dem er sich folgende Situation vorstellen sollte: Menschen, die zeitlebens in einer unterirdischen Höhle wohnen, von der aus ein breiter Gang zur Erdoberfläche führt. Sie sind alle mit Ketten an Nacken und Beinen gefesselt, sodass sie weder ihren Kopf zur Seite bewegen, geschweige denn sich umdrehen können.

Samstag, 19. Juni 2021

»Utilitarismus« in Zeiten der Pandemie

In Zeiten der Pandemie hat das größte Glück - verstanden als Gesundheit aller Menschen - klaren Vorrang gegenüber dem Glück Einzelner - verstanden als Freiheit des einzelnen Menschen, um die umgehinderte Ausbreitung der Pandemie und eine ansteckende Infektion einer immer größer werdenden Zahl der Bevölkerung zu verhindern.

Es kann in der Pandemie nicht um das Glück Einzelner (Freiheit) gehen, sondern um das größte Glück (Gemeinwohl und Gesundheit) aller Menschen gehen. Die Regierungen haben es den Menschen überlassen in Eigenverantwortung diese Pandemie in den Griff zu bekommen. Das Resultat war der jeweils nächste Lockdown.Ein konkretes Beispiel für bestehende Spannungen zwischen Freiheit und Gemeinwohl, zwischen Eigenverantwortung und Verantwortung anderen gegenüber, ist es daher, sich impfen zu lassen.

Die Gesundheit der Bevölkerung erfordert jedoch zwingend die Einhaltung von vorgeschriebenen Verhaltensregeln durch die jedem einzelnen. Regeln einzuhalten scheint in einer Gesellschaft, wo Individualität und Egoismus beinahe schon beliebig austauschbare Begriffe geworden sind, extrem schwer zu sein. Es ist eine Sache der Disziplin. Die Nachlässigkeit gegenüber den AHA-Regeln zur Bekämpfung der Corona-Pandemie zeugt von einer Ignoranz der moralischen Verantwortung gegenüber der Gemeinschaft. Daher sind mehr Rücksicht und Verantwortung der Menschen und der ganzen Bevölkerung zur Erhaltung der Gesundheit in dieser schweren Zeit erforderlich.

Der überwiegende Anteil der Neuinfizierten - und vor allem der Menschen, die auf Intensivstationen liegen - sind weiterhin Ungeimpfte! Die meisten Ungeimpten gehören keiner Risikogruppe an. Tatsache ist, daß auch Geimpfte das Virus weitergeben können. Aber Schnelltests sind nur bedingt geeignet weil zu ungenau - vor allem bei Geimpften ist es wahrscheinlicher dass eher der Schnelltest falsch-positiv war als der Geimpfte tatsächlich infiziert ist. Eine Impfung ist zum Eigenschutz absolut notwendig. Eine Impfung sollte zum Selbstschutz aus utilitaristischen Gründen dringend empfohlen werden.

In diesem Zusammenhang ist auf die Ethik hinzuweisen, welche die Moralität von Handlungen danach bewertet, ob sie das Glück der Menschen maximieren oder reduzieren. Diesem auf Nützlichkeit basierenden ethischen Prinzip, dem wir alle verpflichtet sind, hat Jeremy Bentham (1748 bis 1832) den Namen »Utilitarismus« gegeben. Es bezeichnet die zweckorientierte Ethik: Das größte Glück für die größte Anzahl.

In Zeiten der Pandemie gilt für die Freiheit im Verhältnis des einzelnen zur Allgemeinheit die klare Regel: »Die Freiheit des einzelnen hört dort auf, wo die Freiheit des anderen beginnt.«

Samstag, 12. Juni 2021

»Theorie des kommunikativen Handelns« von Jürgen Habermas

Theorie des kommunikativen Handelns
Theorie des kommunikativen Handelns

Die Theorie des kommunikativen Handelns, das Hauptwerk von Jürgen Habermas, thematisiert die praktische und theoriekritische Bedeutung des kommunikativen Handelns für das soziale Leben der (post-)modernen Gesellschaft. Das 1981 erstmals veröffentlichte Werk setzt zunächst bei mythischen Weltbildern an, problematisiert das Sinnverstehen und untersucht Formen der Rationalisierung.

Das umfangreiche Werk enthält mit starken Bezügen auf Talcott Parsons, Thomas A. McCarthy und Niklas Luhmann eine geltungskritische Interpretation moderner Kommunikationstheorie, legt mit mehrfachen Bezügen auf Immanuel Kant, Georg W. F. Hegel und Ludwig Wittgenstein die begründende Funktion der kommunikativen Vernunft dar.


"Zwischen Kapitalismus und Demokratie besteht 
ein unauflösliches Spannungsverhältnis; 
mit beiden konkurrieren nämlich zwei entgegengesetzte 
Prinzipien der gesellschaftlichen Integration um den Vorrang."

Theorie des kommunikativen Handelns


Mit der Theorie des kommunikativen Handelns hat Jürgen Habermas den imposanten Versuch unternommen, die kritische Gesellschaftstheorie neu zu begründen. Vom Ziel der Emanzipation geleitet, will Habermas ihre normativen Grundlagen deutlicher herausarbeiten, als es die frühen Vertreter der Kritischen Theorie (v.a. Theodor W. R Adorno und Max R Horkheimer) vermochten bzw. als sie es sich wegen ihres tiefen Pessimismus noch zutrauen wollten. Diese normativen Grundlagen eines »nachmetaphysischen Zeitalters« findet Habermas in der Sprache, in den Grundvoraussetzungen und Implikationen kommunikativen Handelns.

Zwei Bände beinhalten auf weit über 1.000 Seiten kritische Auseinandersetzungen mit den Problemen u. a. der Rationalität, der Modernisierung sowie der Handlungs- und Systemtheorie. Habermas entwickelt seine eigene Theorie in kritischer Auseinandersetzung mit einigen Klassikern der Soziologie, u. a. Max Weber, George Herbert Mead (1863–1931) und Talcott Parsons (1902–79). Auf diesem Weg systematisiert er das kommunikative Handeln durch eine Universalpragmatik, die über jene Regeln und Voraussetzungen belehrt, die wir beim Sprechen automatisch und immer befolgen.

Wenn wir uns mit anderen verständigen wollen, so greifen wir auf einen vertrauten Hintergrund und Erfahrungsschatz zurück, den wir in der sog. Lebenswelt erlernt und eingeübt haben. Als wichtige Unterscheidung bestimmt Habermas die zwischen strategischem und echtem kommunikativen Handeln: das erste dient der Durchsetzung egoistischer Interessen und der Beeinflussung anderer und ist erfolgsorientiert; das zweite ist verständigungsorientiert und weiß sich den Ansprüchen auf Wahrheit, Richtigkeit und Wahrhaftigkeit verpflichtet.

Habermas bringt diese Sprechakttheorie mit einer Theorie moderner Gesellschaften zusammen. Die moderne Gesellschaft ist u. a. dadurch gekennzeichnet, dass sich in ihr Systeme ausdifferenzieren, die durch entsprachlichte Medien wie Geld und Macht gesteuert werden, was ihre Effizienz enorm erhöht. Die Gesellschaft bleibt gleichwohl auf die Reproduktionsprozesse der Lebenswelt angewiesen.

Wird die Lebenswelt durch die systemischen Medien zu stark beeinflusst (»kolonialisiert«), z. B in Gestalt von Verrechtlichungstendenzen, dann droht die kommunikativ strukturierte Lebenswelt samt ihres aufklärerischen, demokratischen und menschlichen Potenzials gleichsam zu verdorren. Aufgabe kritischer Gesellschaftstheorie muss es sein, solche Prozesse kenntlich zu machen und zu kritisieren.

Weblink:

Theorie des kommunikativen Handelns
Theorie des kommunikativen Handelns
von Jürgen Habermas

Hegels absoluter Geist

Georg Wilhelm Friedrich Hegel

Hegel war ein Philosoph des Geistes und der bedeutendste Vertreter des deutschen Idealismus. Viele halten den deutschen Idealismus und allen voran Hegel für den Gipfelpunkt der Philosophie. Die Bewunderung für Hegel entstammt nicht nur der aus heutiger Sicht geradezu abenteuerlich erscheinenden Vorstellung, wahre Philosophie müsse einem Systemanspruch gerecht werden, also einen umfassenden Welterklärungscharakter besitzen, sondern auch der Überzeugung, Philosophie solle in einem christlichen Sinne religiös sein.



Hegel vertritt eine idealistische Lehre vom in dialektischen Entwicklungschritten zu sich selbst kommenden absoluten Geist. Hegels Lehre wurde von Schopenhauer aufs hetigste angegriffen.

Nach Hegel müssen wir uns dem »Absoluten« einfach stellen, in den Strom des Bewusstseins eintauchen, in die verschiedenen Formen des Wissens – und sehen, wie weit wir dabei kommen. Erkenntnis ist eben kein Instrument, wie ein Spiegel, mit dem wir die Welt lediglich erfassen, sondern eine Tätigkeit, und die führt über Fehler und Missverständnisse – oder, wie Hegel sagt, über den »Weg der Verzweiflung«. Denn das »Absolute«, also die Realität, ist in ständigem Wandel, die Welt steckt voller Widersprüche.

Wahrheit bedeutet nicht einfach Übereinstimmung mit den Tatsachen. Unsere Begriffe gehören vielmehr selbst zur Welt. An das Absolute kommen wir heran, indem wir es begrifflich erfassen – und zugleich erkennen, dass es unsere Begriffe selbst sind, die die Welt bestimmen.

Nach Hegel kommt es also darauf an, »das Wahre nicht als Substanz, sondern ebenso sehr als Subjekt aufzufassen und auszudrücken«. Das ist sein zentraler, schwieriger Gedanke: Die Realität ist nicht einfach eine objektive Tatsache. Das Absolute und der Geist, also das Subjekt, sind ein und dasselbe. Doch diese Identität kann der Geist nicht schnell mal so erkennen. Um zu seiner Einheit zurückzukehren, muss er ein »Drama von Gegensatz und Versöhnung« durchlaufen, wie der kanadische Philosoph und Hegel-Interpret Charles Taylor schreibt.

Das Absolute ist wesentlich »Resultat«: Erst am Ende dieses Prozesses ist es das, was es in Wahrheit ist – nämlich Geist. In den Worten Hegels: »Das Wahre ist das Ganze. Das Ganze aber ist nur das durch seine Entwicklung sich vollendende Wesen.«

Aber ist die Welt nicht ganz anders beschaffen als der Geist? Und warum ist sie überhaupt so, wie sie ist? Hegels zentraler Gedankengang ist nun: Die Welt kann nur so sein, wie sie ist, weil sie ein Produkt des Geistes ist. Ihre Struktur folgt aus ihrer vernünftigen Notwendigkeit.

Diese Notwendigkeit ist allerdings weder eine rein kausale noch eine logische Notwendigkeit, die auf Wortbedeutungen basiert – wie etwa jene, dass Junggesellen unverheiratet sind. Gemeint ist vielmehr eine „teleologische« Notwendigkeit – eine Notwendigkeit, um ein bestimmtes Ziel zu erreichen. Auch im Leben denken wir oft, dass wir bestimmte Erfahrungen machen »mussten«, um uns weiterzuentwickeln. Das bedeutet nicht, dass wir diese Erfahrungen notwendiger weise machen mussten. Es hätte ja auch anders kommen können. Aber hätten wir diese Erfahrungen nicht gemacht, hätten wir uns anders entwickelt. Insofern war es »notwendig«, dass wir sie gemacht haben.

Weblink:

Rittmeister des Geistes - www.hoheluft-magazin.de

Samstag, 29. Mai 2021

David Hume und sein gesunder Skeptizismus

David Hume


David Hume gilt als einer der einflussreichsten Denker des 18. Jahrhunderts. Als radikaler Empirist wandte er sich kritisch gegen den Rationalismus und die metaphysischen Spekulationen seiner Zeitgenossen und plädierte stattdessen für eine „experimentelle“, allein auf Beobachtung und Erfahrung gegründete Methode.

Der Schotte David Hume gilt als der Begründer eines gesunden Skeptiszimus, die Grundlage einer kritischen und hinterfragenden Philosophie. Er verband äußersten Skeptizismus und Pragmatismus zu einer nüchternen, aber menschenfreundlichen Philosophie. Einen Weg aber, aus ihr heraus die Religion positiv zu werten, sah er nicht. Schopenhauer hat Hume immer als einen seiner wichtigsten philosophischen Verbündeten betrachtet, den Skeptizismus und die Vernunftkritik des schottischen Aufklärers geschätzt .

Hume war in der Tradition von Descartes der Auffassung, daß Skepsis die Grundlage aller neuen Erkenntnis ist, denn gerade die Skepsis führt zu neuen Wegen der Erkenntnis durch Hinterfragen der bestehenden Zusammenhänge. Wer skeptisch ist, der reflektiert die Welt und ihre Zusammenhänge. Er vermag die Welt kritisch zu sehen und zu erkennen und daraus neue Schlüsse zu ziehen. Gesunder Skeptiszimus bringt also die Wissenschaft und Forschung voran.

Er ging schlicht davon aus, dass der durchschnittliche Mensch ein durchschnittlich guter Mensch ist und dass der unebene Boden der Tatsachen, beschritten mit dem Bedacht des gesunden Menschenverstandes, immer noch den besten Grund für ein leidliches Zusammenleben der Menschen darstellt. Alle metaphysische Spekulation aber gefährdet nach ihm das labile Gleichgewicht von Mensch und Gesellschaft.



Der erkenntnistheoretische Skeptizismus, der zu einer undogmatischen Bescheidenheit aufruft, ist philosophiegeschichtlich nicht neu. Er lässt sich bis in die Antike zurückverfolgen und spielte auch in der neuzeitlichen Philosophie eine große Rolle. So erhob René Descartes den Zweifel sogar zu einem methodischen Prinzip - um ihn freilich mit Hilfe (allerdings nicht überzeugender) "Gottesbeweise" wieder außer Kraft zu setzen.

Viel konsequenter und auch bescheidener war da ein anderer Philosoph, einer der wichtigsten: David Hume. Gegen metaphysische Spekulationen hatte er eine sehr kritische Einstellung. Er plädierte für eine allein auf Erfahrung und Beobachtung gegründete Methode und wurde damit zu einem der einflussreichsten Denker des 18. Jahrhunderts und bis heute.

Skeptizismus ist eine gesunde Grundhaltung der Erkenntnis gegenüber fremden Erscheinungen, aber sie schützt vor Irrtümern nicht. Ist die Skepsis größer als die Vernunft, so führt diese zu Fehleinschätzungen bei der Erkenntnis der Wahrheit.

Skeptiker ist eine Tochter des Mißtrauens und der Skeptiker ist ein Gefangener des Mißtrauens.

Das war sein letztes Wort. Sein Wahlspruch war immer gewesen: "Bleib nüchtern und vergiss nicht, skeptisch zu sein." Er starb friedlich und gefasst, ohne geistlichen Beistand, in seinem Haus in Edinburgh, im August des Jahres 1776. Er bleibt in Erinnerung als einer der Philosophen, die dem freien Denken in Europa Bahn geschaffen haben, die das Christentum und ihre Theologie durch - nun ja - ein Fegefeuer getrieben haben, auf das viele Christen heute stolz sind.

Literatur:

David Hume: Der Philosoph und sein Zeitalter
David Hume: Der Philosoph und sein Zeitalter
von Gerhard Streminger

Ich weiß, dass ich nicht weiß

Die Feststellung „Ich weiß, dass ich nicht weiß“ geht wahrscheinlich auf die Stelle in Platons Verteidigungsrede des Sokrates zurück:

„Denn es mag wohl eben keiner von uns beiden etwas tüchtiges oder sonderliches wissen, allein dieser doch meint zu wissen, da er nicht weiß, ich aber wie ich eben nicht weiß, so meine ich es auch nicht, ich scheine also um dieses wenige doch weiser zu sein als er, daß ich, was ich nicht weiß, auch nicht glaube zu wissen.“

„Ich weiß, dass ich nichts weiß“ ist eine falsche Übersetzung. Sokrates sagte "Ich weiß, dass ich nicht weiß." Sonst wäre der Satz logisch falsch. Wenn man weiß, dass man nichts weiß, weiß man anscheinend doch etwas. Nämlich, dass man nichts weiß.

Samstag, 22. Mai 2021

»Die Kraft der Verantwortung: Über eine Haltung mit Zukunft« von Ina Schmidt

Die Kraft der Verantwortung: Über eine Haltung mit Zukunft


Ina Schmidt ist Philosophin und Publizistin. Sie promovierte 2004 und gründete 2005 die »denkraeume«. Seither bietet sie Seminare, Vorträge und Gespräche zur Philosophie als eine Form der Lebenspraxis an. Ina Schmidt ist Mitglied der Internationalen Gesellschaft für philosophische Praxis (IGPP), Teil des Ideenrates am Zentrum für gesellschaftlichen Fortschritt sowie des Expertennetzwerks der Liechtenstein Academy. Außerdem ist Schmidt Lehrbeauftragte an der Professional School der Leuphana Universität, Referentin des Netzwerks »Ethik heute« und für das Projekt »Gedankenflieger« am Literaturhaus Hamburg tätig. Ina Schmidt veröffentlichte zahlreiche philosophische Sachbücher, zuletzt erschien in der Edition Körber »Über die Vergänglichkeit. Eine Philosophie des Abschieds« (2019).
Verantwortung ist eine Haltung mit Zukunft.


»Die Kraft der Verantwortung: Über eine Haltung mit Zukunft« von Ina Schmidt ist das Buch zur Krise und ein mutiges Plädoyer zur Übernahme von Verantwortung und zur Gestaltung der Zukunft. Für die Autorin ist Zukunft eine Frage von Übernahme von Verantwortung. Die Autorin betont die Verantwortung als grundlegende Haltung und will Menschen in die Pflicht für die verantwortungsvolle Gestaltung der Zukunft nehmen.

Ein Buch, das gerade in dieser merkwürdigen Zeit von "Querdenken" zu eigener Verantwortung und positivem Denken und Handeln auffordert, dabei aber auch den gesellschaftlichen Aspekt zur Verantwortungsübernahme betont. Es zeigt die Möglichkeiten eines Dialoges und nicht des Beharrens auf die eigene "richtige Denkweise".

Ob es um das Klima, um Politik, Arbeit oder um Beziehung geht: In allen Lebenszusammenhängen ist verantwortungsvolles Handeln gefordert. Doch was bedeutet das, wie ist ein solches Handeln motiviert und warum stehen wir überhaupt in der Verantwortung? Und was ist zu tun, wenn unsere Verantwortlichkeiten uns überfordern oder miteinander in Konflikt geraten?

Verantwortung ist eine uns innewohnendes Streben, das Gute zu wollen
und zu tun und eine soziale Praxis.


Die Philosophin Ina Schmidt setzt diesen Verunsicherungen den Versuch einer Klärung entgegen. Sie begreift Verantwortung als ein uns innewohnendes Streben, das Gute zu wollen und zu tun, als eine soziale Praxis. Ihre Voraussetzung ist Freiheit – und ein zugeneigtes Verhältnis zur Welt und zu den Menschen. Damit wird Verantwortung zur Kraftquelle für das Individuum und die Gesellschaft.

Wie wir im Zusammenspiel von kritischem Denken, guten Gründen und emotionalem Spürsinn die Kraft der Verantwortung nutzen können, um für eine gelingende Gegenwart und Zukunft Sorge zu tragen, zeigt Ina Schmidt in diesem so klugen wie lebensnahen Buch.

Literatur

Die Kraft der Verantwortung: Über eine Haltung mit Zukunft

Die Kraft der Verantwortung: Über eine Haltung mit Zukunft von Ina Schmidt

Samstag, 15. Mai 2021

Ad hoc Empfehlung des Ethikrates zur Corona-Krise

Deutscher Ethikrat


Die gegenwärtige Pandemie ist eine tiefe Krise, welche die Gesellschaft vor ungewohnte und nie gekannte Herausforderungen in ganz unterscheilichen Bereichen stellt. In der jüngeren Geschichte hat es keine solche vergleichbare Herausforderung im Hinblick auf die gesundheitlichen Gefahren gegeben. Gleiches gilt für die aktuellen rigorosen, massiv und flächendeckend freiheitsbeschränkenden staatlichen Maßnahmen. Sie sollen dazu dienen, den exponentiellen Anstieg der Zahl infizierter und erkrankter Personen zu verhindern. Andernfalls könnte das Gesundheitssystem an seine Kapazitätsgrenzen gelangen. Bei rascher Zunahme schwerer Erkrankungsfälle könnte es zu einer Unterversorgung behandlungsbedürftiger Personen kommen – unabhängig davon, ob diese an der durch das neuartige Coronavirus verursachten Lungenerkrankung Covid-19 oder einer anderen Krankheit leiden. Allerdings haben die bereits ergriffenen Maßnahmen schon jetzt unvermeidliche Nebenfolgen für die wirtschaftliche und psychosoziale Lage, und bei besonders vulnerablen Personengruppen auch für deren gesundheitliche Situation.

Der ethische Kernkonflikt besteht in Folgendem: Ein dauerhaft hochwertiges, leistungsfähiges Gesundheitssystem muss gesichert und zugleich müssen schwerwiegende Nebenfolgen für Bevölkerung und Gesellschaft durch die Maßnahmen abgewendet oder gemildert werden. Garantiert bleiben muss ferner die Stabilität des Gesellschaftssystems. Hinzu kommt, dass noch unsicher ist, wannImpfstoffe, Medikamente, Therapien und Testverfahren zur Verfügung stehen werden, die eine nachhaltige Lösung ermöglichen. Das erfordert eine gerechte Abwägung konkurrierender moralischer Güter, die& auch Grundprinzipien von Solidarität und Verantwortung einbezieht. Eine besondere Spannung ergibt sich hierbei aus der unterschiedlichen primären Risikoverteilung:

Einerseits ist nach heutigem Wissensstand bei vielen (vor allem Jüngeren) nur ein relativ milder Krankheitsverlauf zu erwarten; Kinder scheinen sogar kaum gefährdet. Andererseits besteht für bestimmte Risikogruppen (z. B. ältere Personen, Menschen mit Begleiterkrankungen bzw. chronisch Kranke) ein deutlich erhöhtes Mortalitätsrisiko. Dennoch nehmen die Infektionen unter den Kindern und Jugendlichen mit zunehmender Dauer der Pandemie deutlich zu.

Mit Blick auf die Spezifika des neuen Erregers, die Risikoverteilung und die zu erwartenden Belastungen des Gesundheits- und insbesondere des Krankenhaussystems erscheint eine Strategie des „Laufenlassens“ unverantwortlich, die in der Hoffnung, die Epidemie werde zum Stillstand kommen, sobald genügend Personen die Infektion überstanden hätten (Gemeinschaftsschutz, auch „Herdenimmunität“), allein auf die rasche Verbreitung des Virus setzte. Anders zu beurteilen ist möglicherweise ein Vorgehen, das eine solche Strategie mit einem weitreichenden abschirmenden Schutz vulnerabler Gruppen verbindet. Aber auch dabei ist zu bedenken, dass es gleichwohl zu einer Überlastung des Gesundheitssystems mit Gefahren für Leib und Leben aller kommen kann.

Aus ethischer Sicht sind – ungeachtet der hier nicht zu erörternden, durchaus strittigen Frage, ob hinreichende verfassungs- und einfachgesetzliche Grundlagen existieren – damit jedenfalls zur Zeit Freiheitsbeschränkungen vertretbar. Auch erheblich belastende Begleitschäden sind zumutbar. Je länger die Pandemie andauert, desto stärker sind allerdings nicht nur die unmittelbaren, sondern auch die vielfältigen, über den nationalen Kontext hinausweisenden Folgelasten sozialer und ökonomischer Art zu berücksichtigen.


Weblink:

Ad hoc Empfehlung zur Corona-Krise - www.ethikrat.org

Wird die freiheitliche westliche Gesellschaft überleben?

Das Glücksversprechen des Westens ist das Geschenk der Freiheit. Die größte Leistung der freien Gesellschaften des Westens und der westlichen Moderne besteht darin, dass Menschen ihr Leben frei nach bestem Wissen und Gewissen gestalten können und ihnen ein breites Spektrum von Lebensformen zur Verfügung steht.

Dies bedeutet aber auch, die Menschen existentielle Fragen selbst beantworten, ihrem Leben selbst einen Sinn geben und ihre Identität selbst finden müssen. Dies setzt Ausdauer, Mut und Anstrengungen voraus – und selbst dann ist der Erfolg nicht garantiert. Das wird von Vielen als bedrohlich empfunden; sie flüchten sich in kollektive Identitäten wie dem fundamentalistischen Islam oder sie verlieren sich in sinnlosem Konsum.

Zur Einlösung des Glücksversprechens gehört, daß der Einzelne diese Freiheit auch wertschätzt. Wo diese Wertschätzung nicht stattfindet, führt diese häufig zur Ablehnung der Gesellschaft. Dies führt zu der Frage, ob angesichts der Radikalisierung vieler Muslime und des Aufstiegs der radikalen Rechten die Bürger der westlichen Welt realisieren, dass sie in einem politischen und gesellschaftlichen System leben, für dessen Erhalt sie kämpfen müssten.

Die westliche Gesellschaft wird allerdings kaum überleben, wenn die Bevölkerung des Westens die persönliche Freiheit nicht wertschätzt und sie verteidigt. Diese Wertschätzung wird jedoch durch die nicht einlösbaren Glücksversprechen der Wohlstandsgesellschaft unterminiert und durch fundamentalistische Bewegungen aller Art bedroht wird. Stengers Narrativ läßt wenig Raum für eine optimistische Prognose über die Zukunft des Westens.

Samstag, 8. Mai 2021

Das Recht zum Widerstand

Das Recht zum Widerstand kann moralisch zur Pflicht werden, wenn die Macht von Despoten mißbraucht wird. Um Widerstand zu üben, bedarf es mutiger Personen.

Das Recht zum Widerstand ist nicht natürlich in der Gesellschaft verankert. Das Widerstandsrecht ist ein sittliches Gebot zur Abwehr von Terror, Leid und Gewalt.

Luther und Kant erkannten angeblich kein Widerstandsrecht an und pflanzten somit eine fatale Neigung zur Anpassung in den deutschen Nationalcharakter ein.

Samstag, 1. Mai 2021

Nietzsches Gedanken über Luther

Nietzsche, der Sohn eines lutherischen Pfarrers und ehemalige Student der Theologie macht mit
seiner Kritik am Christentum vor Luther nicht halt, dessen Reformation er in "Die fröhliche
Wissenschaft" als ,,Bauernaufstand des Geistes" bezeichnet. Einige der schönsten Polemiken:


Luther ließ seine Wuth gegen die vita contemplativa
aus, nachdem ihm das Mönchsleben rnißrathen war
und er sich zum Heiligen unfähig tühlte, rachsüchtig
und rechthaberisch, wie er war, trat er auf die Seite
der vita practica, der Ackerbauer und Schmiede.

"Nachgelassene Fragmente", Sommer 1880 4 [59] (KSA 9, S. 113)

Luther, der grosse Wohlthäter. - Das Bedeutendste, was Luther gewirkt hat,
liegt in dem Misstrauen, welches er gegen die Heiligen und die ganze christliche vita
contemplativa geweckt hat: seitdem erst ist der Weg zu einer unchristlichen vita contemplativa
in Europa wieder zugänglich geworden und der Verachtung der weltlichen
Thätigkeit und der Laien ein Ziel gesetzt. Luther, der ein wackerer Bergmannssohn
blieb, als man ihn in's Kloster gesperrt hatte und hier, in Ermangelung anderer Tiefen
und "Teufen", in sich einstieg und schreckliche dunkle Gänge bohrte, - er merkte endlich,
dass ein beschauliches heiliges Leben ihm unmöglich sei und dass seine angeborene
"Activität" in Seele und Leib ihn zu Grunde richten werde. Allzulange versuchte er
mit Kasteiungen den Weg zum Heiligen zu finden, - endlich fasste er seinen Entschluss
und sagte bei sich: ,,es giebt gar keine wirkliche vita contemplativa! Wir haben uns
betrügen lassen! Die Heiligen sind nicht mehr werth gewesen, als wir Alle." - Das war
freilich eine bäuerische Art, Recht zu behalten, - aber für Deutsche jener Zeit die
rechte und einzige: wie erbaute es sie, nun in ihrem Lutherischen Katechismus zu lesen:
"ausser den zehn Geboten giebt es kein Werk, das Gott gefa1len könnte, - die
gerühmten geistiichen Werke der Heiligen sind selbsterdachte."

"Morgenröthe", Erstes Buch 88 (KSA 3, S. 82-83)


Der geistliche Überfall. - Das musst du mit dir selber ausmachen, denn es gilt dein Leben," mit diesem Zurufe springt Luther
heran und meint, wir flihlten uns das Messer an den Hals gelegt. Wir aberwehren ihn mit den Worten eines Höheren und Bedachtsameren
von uns ab: ,,Es steht bei uns, über Diess und Das keine Meinung zu bilden und so unsrer Seele die Unruhe zu ersparen. Denn die Dinge selbst
können ihrer Natur nach uns keine Urtheile abnöthigen."

"Morgenröthe", Erstes Buch 82 (KSA 3, S. 78-79)


Luther giebt wieder die Grundlogik des Christenthums, die Unmöglichkeit der Moral und folglich der Selbstzufriedenheit,
die Nothwendigkeit der Gnade und folglich der Wunder und auch der Prädestination. Im Grunde ein Eingeständniß des
Überwundenseins und ein Ausbruch von Selbst-Verachtung.

"Nachgelassene Fragmente", Herbst 1885-Frühjahr 1886 1 [5] (KSA 12, S' 12)

Ich glaube ganz und gar nicht daran, daß ein Mensch aufEin Mal ein hoher wertvoller Mensch wird; der Christ ist mir ein
ganz gewöhnlicher Mensch mit ein paar anderen Worten und Werthschätzungen. Auf die Dauer wirken freilich diese Worte und Werke und schaffen vielleicht einen Typus: der Christ als die verlogenste Art Mensch. Daßermoralisch redet, das verdirbt ihn durch und durch: man sehe Luther. Ein greulicher Anblick, weichlich-sentimental, furchtsam, aufgeregt - - - komisch! wie der,,Wahrheitssinn"
erwacht und gleich wieder einschläft!

"Nachgelassene Fragmente", Frühjahr 1884 25 [499] (KSA 11, s. 145)

Persönliche Auszeichnung, - das ist die antike
Tugend. Sich unterwerfen, folgen, öffentlich
oder in der Verborgenheit, - das ist deutsche
Tugend. Lange vor Kant und seinem kategorischen
Imperativ hatte Luther aus der selben
Empfindung gesagt: es müsse ein Wesen geben,
dem der Mensch unbedingt vertrauen
könne, - es war sein Gottesbeweis, er
wollte, gröber und volksthümlicher als Kant, dass
man nicht einem Begriff, sondern einer Person
unbedingt gehorche und schliesslich hat auch
Kant seinen Umweg um die Moral nur desshalb
genommen, um zum Gehors am ge gen die
P e r s o n zu gelangen: das ist eben der Cultus
des Deutschen, je weniger ihm gerade vom Cultus
in der Religion übrig geblieben ist.

"Morgenröthe", Drittes Buch 207 (KSA 3, S. 188)


Literatur:

Morgenröthe
Morgenröthe
von Friedrich Nietzsche
Weblinks:

Martin Luther-Biografie - Biografien-Portal - www.die-biografien.de

Martin Luther-Zitate - Zitate-Portal - www.die-zitate.de


Das philosphische Verständnis von der Religion

Samstag, 24. April 2021

Nietzsches Philosophie der Gegensätzlichkeit

Friedrich Nietzsche (1844–900) ist wohl die berühmteste Gestalt der deutschen Philosophiegeschichte am Ausgang des 19. Jahrhunderts. Mit seiner Kritik an Christentum und idealistischer Philosophie und dem Projekt einer ›Umwertung aller Werte‹ ist Nietzsche zu einem der radikalsten, freilich heftig umstrittenen und vielfach falsch verstandenen Vordenker der Moderne geworden.

Nietzsches Philosophie lebt von Gegensätzen und Feindbildern. Sie ist in ihrer Ausprägung dichotomisch.

Sonntag, 28. März 2021

René Descartes und der Zweifel

René Descartes


Der Zweifel war für René Descartes (1596–1650) nicht nur Methode der Erkenntnis, sondern auch einer der wichtigsten Zugänge zur Transzendalphilosphie. In Bezug auf das Erlangen von zumindest halbwegs tragfähigen Erkenntnissen ist er in der Tat eine der wahrscheinlich unverzichtbarsten Voraussetzungen.

»Zweifel ist der Weisheit Anfang.

René Descartes


»Der Zweifel ist doch des Fortschritts liebstes Kind, denn ohne Zweifel gibt es keinen Fortschritt im Denken und der Erkenntnis« - Zweifel ist wohl auch in Bezug auf machtförmige und darum bedrohliche Menschen angemessen; warum solchen, in letzter Zeit beunruhigend oft, in Wahlen zum Sieg verholfen wird, ist unbegreiflich: Beschwören diejenigen, welche allzu selbstsicher behaupten, Schutz und Sicherheit zu geben, auch im Privatleben, Verdacht und Unbehagen nicht geradezu herauf?



Der Zweifel ist sich nie einer anderen Möglichkeit bewusst, als die, alles in Frage zu stellen. Gutwillige und friedliebende Menschen hingegen sollten nicht zu viel und zu tief aneinander zweifeln, denn das könnte die „Grundangst, nicht zu genügen" (Max Frisch) ins Unermessliche treiben und würde den Zugang zu zwei der wichtigsten Antriebskräfte fortlaufend gefährden: Lebensmut und Lebensfreude.

Was wäre eine Welt ohne Zweifel? Nur wer zweifelt, denkt auch nach, stellte bereits Descartes fest. - Erst der Zweifel am Bestehenden bringt die Welt voran, aber nur was wirkliche Substanz hat, wird sich auf Dauer durchsetzen, alles andere nicht.


Blog-Artikel:

Descartes Denken gilt als »Cartesianische Wende« - Philosophenwelt-Blog


Literatur:

Rene Descartes
Rene Descartes
von Dominik Perler

Descartes zur Einführung
Descartes zur Einführung
von Peter Prechtl

Samstag, 27. März 2021

Wie Philosophie durch Beobachtung zu Erkenntnissen führt

deutsche Philosophen

Die Philosophen sind den Phänomenen auf den Leib gerückt und kannten nur den traditionellen Weg zum Erkenntnisgewinn, den phänomenologischen: Aus Beobachtungen des Geschehens im Alltag unter Einsatz herausragender analytischer Fähigkeiten Erkenntnisse zu gewinnen und diese zu kommunizieren. Von Sokrates über Epikur, Feuerbach oder Kant bis zum heutigen Tag.

Die Phänomenologie ist ein Zweig der Philosophie. Einer der wichtigen – neben der sprachanalytischen Philosophie, der Hermeneutik (Theorie des Verstehens), der Transzendentalphilosophie (nach Kant) und der Dialektik (Adorno, Horkheimer, Habermas). Die Phänomenologie befasst sich mit den Erscheinungen und deren Deutung, nicht mit ewigen Wahrheiten, sondern mit Erfahrungen. Begründer ist Edmund Husserl, bekannte Vertreter sind Heidegger und Sartre.


Werke, die sich mit der Phänomenologie beschäftigt haben. Die »Phänomenologie des Geistes« von Georg Friedrich Wilhelm Hegel stellt den Höhepunkt der philosophischen Entwicklung des deutschen Idealismus dar. Hegel beschreibt darin die Bildungsgeschichte des Bewusstseins und entfaltet programmatisch drei Stufen der Wissensbildung: Ausbildung der persönlichen Welterfahrung, individuelle Selbsterfahrung und Verständnis für die Geschichte.

Hegel vertraut auf die Sinne: Sinnliche Gewißheit ist die niedrigste Stufe der Erkenntnis in Hegels »Phänomenologie des Geistes«, der Punkt, von dem alles ausgeht, all der Fortschritt, das Schreiten des Weltgeistes.

Literatur:

Phänomenologie des Geistes
Phänomenologie des Geistes
von Georg Friedrich Wilhelm Hegel

Samstag, 20. März 2021

Ein Gespenst geht um in Europa – das Gespenst des Populismus (K)

Angst vor Veränderung

Ein Gespenst geht um in Europa – das Gespenst des Populismus, könnte man frei nach Karl Marx im Jahr 2019 formulieren. Der Populismus ist ein in Europa umgehendes Gespenst, verschworen gegen die alten Mächte Europas und ihre Parteien, hat es sich aufgemacht zu einer Hetzjagd gegen die liberalen Werte der Demokratie. So etwa ließen sich die berühmten Anfangssätze des »Kommunistischen Manifests« aus dem 1848 auf die politischen Diskurse unserer Zeit kaprizieren.

Gedankliche Fundierung des Populismus. In gedanklicher Sicht ist Populismus ist kein Substanz-, sondern ein Relationsbegriff. Versteht man seit Aristoteles unter Substanz etwas, das zu seiner Existenz keines anderen Dinges bedarf, so hat der Populismus keine Substanz im Sinne eines zentralen, nur ihm eigenen Wertesystems. Der Politikwissenschaftler Paul Taggart definiert den Populismus daher als "inhärent unvollständig". Er habe ein "leeres Herz", was seine Schwäche, aber auch seine Flexibilität ausmache. Als zyklisches Phänomen, das oft mit einem Chamäleon verglichen wird, passt er sich permanent neuen Bezugssystemen an und setzt sich zu ihnen in eine Anti-Beziehung.

Was David Hume über die Seele gesagt hat, gilt auch für den Populismus: Er ist ein "bloßes Bündel von Vorstellungen" ohne einen beharrenden Träger (Substanz) seiner Akzidenzien, die gleichwohl eine beharrliche Gleichförmigkeit aufweisen. Populismus lässt sich daher nicht essentialistisch definieren und auf eine kohärente Doktrin festlegen. Seine programmatische Variationsbreite hat dazu geführt, ihn lediglich als eine Strategie des Machterwerbs zu definieren. Versteht man indessen unter Strategien Verfahrensweisen zur Erreichung beliebiger Ziele, so ist Populismus keine bloße Strategie, sondern ein Set von bestimmten (nicht beliebigen) Merkmalsbestimmungen, die aber nicht substanziell determiniert werden, sondern sich erst in unterschiedlichen Kontexten aktualisieren.

Auch wenn sich Populismus nur in Relation zu einem akuten Gegner bestimmen lässt, verfügt er über ein ideologisches Minimum, das auf einer vertikalen Achse von "Volk" und "Elite" beruht. Um diese Achse gruppiert sich ein Bündel nicht variabler Vorstellungen, die nicht politisch, sondern moralisch verankert sind. Der Populismusforscher Cas Mudde definiert Populismus daher als "eine Ideologie, die davon ausgeht, dass die Gesellschaft in zwei homogene, antagonistische Gruppen getrennt ist, das 'reine Volk' und die 'korrupte Elite', und die geltend macht, dass Politik ein Ausdruck der volonté générale oder des allgemeinen Volkswillens sein soll".

Aber worum geht es heute? Mit einer geschichtsbedingten Verzögerung hat der populistische Diskurs nun mit voller Wucht auch Deutschland erreicht. Eine heftige Auseinandersetzung ist entbrannt. Die neue Polarisierung prägt die politische Auseinandersetzung, und sie beginnt die politische Kultur des Landes zu verändern. Die Debatte spaltet Deutschland. So, wie sie dies in Italien, Österreich, Frankreich, Ungarn, Polen, ja sogar Schweden schon getan hat.


Der Rechtspopulismus ist ein politisches Programm und eine Strategie, die sich der „dünnen Ideologie“ des Populismus bedient und mit ideologisch rechten Inhalten auflädt. Ihr Zentrum ist die angebliche Dichotomie von „korrupten Eliten“ und dem „reinen Volk“.

Volk wird im Rechtspopulismus vor allem als eine ethnische Kategorie konstruiert, als gäbe es nicht das demokratische Konzept einer republikanischen Nation. Der Rechtspopulismus greift zurück auf ein ethnisches Volksverständnis, das insbesondere in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts eine Blutspur durch Europa gezogen hat.

Der Populismus ist eine Versuchung, welche Menschen erliegen, die Angst vor der Zukunft und
Angst vor Veränderung haben. Die populistische Versuchung ist die Feder des

Weblink:

Die populistische Versuchung - www.tagesspiegel.de/politik

Geschichte der deutschen Philosophie

Deutschland gilt als das Land der Dichter und Denker und darum ist interessant, was diese Nation einstmals auf dem Gebiet der Philosophie geleistet hat.

Die deutsche Philosophie hatte unbestritten ihre große Zeit. Die Werke, die in dieser Zeit entstanden sind, sind unbestritten immer noch ein „unerschöpfliches Reservoir philosophischer Gedanken“.

Gibt es überhaupt eine Geschichte der deutschen Philosophie? Die Philosophie kann nicht das Eigentum einer einzelnen Nation sein. Philosophie ist nicht die Heimat einer Nation. Für die Philosophie gebe es kein anderes Vaterland als die Wahrheit.

„In der Tat ist Nikolaus von Kues ohne den Katalanen Ramon Llull, Leibniz ohne den Franzosen Descartes und den Niederländer Spinoza, Kant ohne den Schotten Hume und den Welschschweizer Rousseau nicht zu verstehen.“

Es gibt also stets die nationenübergreifenden Anregungen in der Philosophie.

Der Weg über die christliche Prägung der deutschen Philosophie hinaus beginnt mit Schopenhauer, führt dann in Abgrenzung zur bürgerlichen Welt zu Feuerbach und Marx bis hin zur „Revolte gegen die universalistische Moral“ bei Nietzsche.

Freitag, 12. März 2021

"Kant in unserer Zeit" - Rede von Helmut Schmidt

Ein erstaunlicher Kontrast! Fast zur gleichen Zeit, da eine Welle von Demonstrationen über die Bundesrepublik hinwegrollte, die den bayerischen Ministerpräsidenten Strauß zum Vergleich mit der „Endphase der Weimarer Republik“ veranlaßte, machte Bundeskanzler Helmut Schmidt auf dem Kongreß „Kant in unserer Zeit“ in kühl-akademischer Umgebung „Bemerkungen zu Moral, Pflicht und Verantwortung des Politikers“. Und wo am Wochenende auf der Straße und in manchen Amtsstuben die Emotion herrschte, hielt der Kanzler ein Plädoyer für abwägende politische Vernunft. Es war fast eine Bitte um Verständnis für die Entscheidungs- und Erklärungsschwierigkeiten moderner Politik.

Sehr viel davon ist sympathisch oder doch verständlich. Etwa daß Schmidt sich dagegen wehrt, zum „Vorphilosophierer“ zu werden, daß er es fast als Neubelebung des Obrigkeitsdenkens empfindet, wenn er nicht nur für eine ordentliche Politik, sondern für Sinnstiftung in Anspruch genommen wird. Oder wenn es ihn ärgert, daß er bei seiner Rede in der Haushaltsdebatte ein ziemlich genaues Bild der Regierungspolitik, ihrer Ziele und Handlungsmargen lieferte, aber dies ohne erkennbare Reaktion hingenommen wurde – außer eben der, es mangele an Führung.

Bemerkungen zu Moral, Pflicht und Verantwortung des Politikers : Rede des Bundeskanzlers auf dem Kant-Kongreß ; Bundeskanzler Helmut Schmidt hielt auf dem philosophisch-politischen Kongreß "Kant in unserer Zeit" der Friedrich-Ebert-Stiftung in Bonn am 12. März 1981 zum Thema "Bemerkungen zu Moral, Pflicht und Verantwortung des Politikers" folgende Rede:

Text

Samstag, 6. März 2021

Der Staat in seiner Reaktion auf Gefahren


Heinrich Kleist


"Jede große und umfassende Gefahr gibt, wenn ihr wohl begegnet wird,
dem Staat, für den Augenblick, ein demokratisches Ansehen."


Heinrich Kleist



Das Wesen eines Staates zeigt sich darin, wie er auf Gefahren reagiert. Der Staat hat einen recht variablen Spielraum in der Anwendung von Recht und Gesetz. Er hält sich nur dann an Recht und Gesetz, wenn seine eigenen Interessen nicht gefährdet sind, geht aber rigoros und mit beängstiegender Bedrängung gegen Personen vor, welche die Interessen des Staates durch investigative Ermittlungen gefährden und schreckt dabei vor Folter, Verfolgung und Manipulation von Beweisen und unberchtigten Vorwürfen nicht zurück.

Voltaire

»Es ist gefährlich Recht zu haben, wenn die Regierung falsch liegt.«

Voltaire

Samstag, 27. Februar 2021

»Eine Theorie der Gerechtigkeit« von John Rawls

Eine Theorie der Gerechtigkeit


Eine Theorie der Gerechtigkeit


John Rawls Hauptwerk "Eine Theorie der Gerechtigkeit" ist zweifellos ein Klassiker der praktischen Philosophie. Auf der Grundlage der klassischen Vertragstheorie - mit allerlei Rückgriffen auf Kant, Locke und Rousseau - entwickelt Rawls entlang der Grundgedanken der Entscheidungs- und Spieltheorie eine moderne Konzeption der Gerechtigkeit und damit der gesellschaftlichen Institutionen insgesamt. Das Werk gilt als das Standardwerk der Gerechtigkeitsforschung des 20. Jahrhunderts, auf das sich alle weiteren Entwicklungen zum Thema Gerechtigkeit im 20. Und 21. Jahrhundert beziehen.

Es gilt als Verdienst von John Rawls, dass er der klassischen politischen Theorie, in denen die Klassiker von Platon und Aristoteles nach wie vor eine dominante Rolle einnehmen, eine Wiederbelebung in der Moderne verpasst hat. Mit seiner Theorie der Gerechtigkeit gelang ihm eine Symbiose von liberalem und sozialem Denken – oder einfacher ausgedrückt von „linkem“ und „rechtem“ Gedankengut.

Denn seine Argumentation, die er in seinen bekannten zwei Gerechtigkeitsgrundsätzen zusammenfasst, zielt sowohl auf eine möglichst große Zahl von Grundrechten und trägt somit dem liberalen Denken Rechnung als auch auf die soziale Gerechtigkeit, insofern er soziale Ungleichheiten im Staat nur dann für gerechtfertigt hält, wenn sie den sozial Schwachen zugutekommen. Zur Begründung seiner Grundsätze benutzt er ein fiktives Szenario, das er Urzustand nennt. In diesem beraten Protagonisten über das Modell eines künftiges Staates, ohne ihre soziale Rolle und ihre Fähigkeiten in diesem zu kennen. Sie beraten unter dem sog. „Schleier des Nichtwissens“.

Seine politischen Vorstellungen kommen im Ganzen sehr idealistisch daher, denn es scheint klar zu sein, dass eine größtmögliche Anzahl von Freiheits- und Grundrechten leider nur dann möglich ist, wenn bestimmte andere Freiheiten eingeschränkt werden. Völlige Freiheit würde Anarchie bedeuten, das wäre dann aber überhaupt kein Staat mehr und wohl auch nicht mehr im Sinne von Rawls. Gerechtigkeit und liberales Denken stehen demnach in einem gewissen Spannungsverhältnis, da eine wirklich liberale Gesellschaft – gemäß ihrer Überzeugung – auch gewisse Abweichungen vom Recht bzw. der Gerechtigkeit in Kauf nehmen sollte.

Auch die Forderung nach Verteilungsgerechtigkeit aus dem zweiten Grundsatz scheint insofern schwierig zu sein, da es schwer zu bemessen ist, wann soziale Ungleichheiten den sozial Schwachen auch nützen und ob eine derartige Regel überhaupt mit den vorherrschenden gesellschaftlichen Kräften durchsetzbar wäre. Daneben schweift Rawls auch noch in den Bereich der Ethik ab. Der gute Mensch ist für ihn gemäß seiner politischen Philosophie der „gerechte“ Mensch, der sich um der Gerechtigkeit willen für die beiden Gerechtigkeitsgrundsätze von Rawls - hier betreibt Rawls Werbung in eigener Sache - entscheiden würde, um somit eine liberale und zugleich soziale Gesellschaft zu ermöglichen. Die Theorie der Gerechtigkeit ist ein eindrucksvolles Plädoyer für eine liberal-soziale Gesellschaft – obgleich von hohem Idealismus getragen.

Wer sich für die egalitäre Gesellschaftstheorie interessiert, kommt an diesem Werk nicht vorbei. Der detaillierte Aufbau seiner "Theorie der Gerechtigkeit" lässt Rawls zu Recht als einen hervoragenden Denker und Theoretiker verstehen. Die Kritik seitens der Libertärianer, insbesondere Nozicks mögen für Manchen von Relevanz sein, sprechen aber dieser Gesellschaftstheorie, im Sinne einer Vertragstheorie nicht die Bedeutung für eine gerechtere Gesellschaft ab.

Rawls "Theorie der Gerechtigkeit" besagt, daß in einem Urzustand der menschlichen Gesellschaft zwei Grundsätze aufgestellt würden: Die Gleichheit der Grundrechte und -pflichten und der Grundsatz, daß soziale und wirtschaftliche Ungleichheiten nur dann gerecht sind, wenn sich aus ihnen Vorteile für jedermann ergeben. Bestehende Ungerechtigkeiten sind dann noch sinvoll, wenn die Verteilung immer noch besser ist, wenn auch noch der schwächste der Gesellschaft davon profitiert.

Arg verkürzt lässt sich dies auf die Formel herunterbrechen: "Eine Gesellschaft ist dann gerecht, wenn es dem am schlechtesten Gestellten am besten geht (im Vergleich zu allen anderen möglichen Welten)." Damit stellt sich Rawls der Auffassung des klassischen Utilitarismus entgegen, wonach der höchste Grad an Gerechtigkeit erreicht wäre, wenn die größte Anzahl von Individuen das größtmögliche Maß an Glück erzielte.

"Die Grundlagen der Gerechtigkeit werden hinter dem Schleier des Nichtwissens gewählt."



Literatur:

Eine Theorie der Gerechtigkeit
Eine Theorie der Gerechtigkeit
von John Rawls


Video:

John Rawls' geniale Theorie der Gerechtigkeit einfach erklärt - Youtube

John Rawls gilt als Begründer der egalitären Gesellschaftstheorie

John Rawls


Aristoteles Marmorbüste im Louvre

John Rawls gilt als Begründer der egalitären Gesellschaftstheorie. Es gilt als Verdienst von John Rawls, dass er der klassischen politischen Theorie, in denen die Klassiker von Platon und Aristoteles nach wie vor eine dominante Rolle einnehmen, eine Wiederbelebung in der Moderne verpasst hat. Mit seiner Theorie der Gerechtigkeit gelang ihm eine Symbiose von liberalem und sozialem Denken – oder einfacher ausgedrückt von „linkem“ und „rechtem“ Gedankengut.

Denn seine Argumentation, die er in seinen bekannten zwei Gerechtigkeitsgrundsätzen zusammenfasst, zielt sowohl auf eine möglichst große Zahl von Grundrechten und trägt somit dem liberalen Denken Rechnung als auch auf die soziale Gerechtigkeit, insofern er soziale Ungleichheiten im Staat nur dann für gerechtfertigt hält, wenn sie den sozial Schwachen zugutekommen.

Zur Begründung seiner Grundsätze benutzt er ein fiktives Szenario, das er Urzustand nennt. In diesem beraten Protagonisten über das Modell eines künftiges Staates, ohne ihre soziale Rolle und ihre Fähigkeiten in diesem zu kennen. Sie beraten unter dem sogenannten „Schleier des Nichtwissens“.



Unter diesen Bedingungen, schließt Rawls, würden seine Bedingungen ähnlich einem „Überlegungsgleichgewicht“ angenommen werden, da die Akteure des Urzustandes somit die Gewissheit hätten, unabhängig von ihrer zukünftigen sozialen Position nicht allzu schlecht dazustehen. Diese Folgerung ist jedoch nicht unumstritten, denn ob die Akteure des Urzustandes, wie Rawls sich das vorstellt, wirklich maximal risikoscheu entscheiden würden, kann nicht als sicher gelten. Risikofreudige Menschen würden eventuell anders entscheiden. Trotzdem ist das Szenario, das Rawls zur Begründung seiner Grundsätze entwickelt, überzeugend und ein stabiles Fundament zur Begründung seiner Argumentation.

Eine Theorie der Gerechtigkeit


Seine politischen Vorstellungen kommen im Ganzen sehr idealistisch daher, denn es scheint klar zu sein, dass eine größtmögliche Anzahl von Freiheits- und Grundrechten leider nur dann möglich ist, wenn bestimmte andere Freiheiten eingeschränkt werden. Völlige Freiheit würde Anarchie bedeuten, das wäre dann aber überhaupt kein Staat mehr und wohl auch nicht mehr im Sinne von Rawls. Gerechtigkeit und liberales Denken stehen demnach in einem gewissen Spannungsverhältnis, da eine wirklich liberale Gesellschaft – gemäß ihrer Überzeugung – auch gewisse Abweichungen vom Recht bzw. der Gerechtigkeit in Kauf nehmen sollte. Auch die Forderung nach Verteilungsgerechtigkeit aus dem zweiten Grundsatz scheint insofern schwierig zu sein, da es schwer zu bemessen ist, wann soziale Ungleichheiten den sozial Schwachen auch nützen und ob eine derartige Regel überhaupt mit den vorherrschenden gesellschaftlichen Kräften durchsetzbar wäre. Daneben schweift Rawls auch noch in den Bereich der Ethik ab. Der gute Mensch ist für ihn gemäß seiner politischen Philosophie der „gerechte“ Mensch, der sich um der Gerechtigkeit willen für die beiden Gerechtigkeitsgrundsätze von Rawls - hier betreibt Rawls Werbung in eigener Sache - entscheiden würde, um somit eine liberale und zugleich soziale Gesellschaft zu ermöglichen. Die Theorie der Gerechtigkeit ist ein eindrucksvolles Plädoyer für eine liberal-soziale Gesellschaft – obgleich von hohem Idealismus getragen.

Wie sollen starke und schwache soziale Interessen in Beziehung treten (Eigenverantwortung), wie soll gegenseitige Rücksichtnahme organisiert werden (Solidarität), und wer bzw. was darf nicht "unter die Räder" kommen (Subsidiarität)? Dem Dilemma, dass Wertvorstellungen immer weiter auseinander gehen und sich teilweise gegenseitig neutralisieren, versuchen Theoretiker dadurch zu entgehen, dass sie Verfahrensgrundsätze formulieren, mit deren Hilfe innerhalb einer Gesellschaft Vorstellungen von Gerechtigkeit gemeinsam entwickelt werden können. Hierbei wird darauf Wert gelegt, dass insbesondere Ungleichgewichte bei der Interessenartikulation und der Durchsetzung von Interessen aufgehoben werden. Ein herrschaftsfreier Dialog, der alle Stimmen und Interessen einer Gesellschaft gleichberechtigt berücksichtigt, gilt aus dieser Sicht als ideales, nicht machtbesetztes Verfahren, um gemeinsame Werte zu bestimmen.

John Rawls hat einen derartigen Verfahrensgrundsatz entwickelt. Danach seien soziale und wirtschaftliche Ungleichheiten so zu regeln, "daß sie sowohl a) den am wenigsten Begünstigten die bestmöglichen Aussichten bringen als auch b) mit Ämtern und Positionen verbunden sind, die allen gemäß der fairen Chancengleichheit offenstehen". Mit Gerechtigkeit ist hier ein Beziehungsverhältnis zwischen allen Mitgliedern einer Gesellschaft gemeint, das von allen Beteiligten als fair angesehen wird. Fairness steht für Nichtbenachteiligung und zufriedenstellende Beteiligung aller an der Wohlstandsmehrung, ohne dass dieses Gleichheit bedeutet.


Literatur:

Eine Theorie der Gerechtigkeit
Eine Theorie der Gerechtigkeit
von John Rawls


Video:

John Rawls' geniale Theorie der Gerechtigkeit einfach erklärt - Youtube

Mittwoch, 24. Februar 2021

»Eine Theorie der Gerechtigkeit« von John Rawls

Eine Theorie der Gerechtigkeit


Eine Theorie der Gerechtigkeit


John Rawls Hauptwerk "Eine Theorie der Gerechtigkeit" ist zweifellos ein Klassiker der praktischen Philosophie. Auf der Grundlage der klassischen Vertragstheorie - mit allerlei Rückgriffen auf Kant, Locke und Rousseau - entwickelt Rawls entlang der Grundgedanken der Entscheidungs- und Spieltheorie eine moderne Konzeption der Gerechtigkeit und damit der gesellschaftlichen Institutionen insgesamt. Das Werk gilt als das Standardwerk der Gerechtigkeitsforschung des 20. Jahrhunderts, auf das sich alle weiteren Entwicklungen zum Thema Gerechtigkeit im 20. Und 21. Jahrhundert beziehen.

Es gilt als Verdienst von John Rawls, dass er der klassischen politischen Theorie, in denen die Klassiker von Platon und Aristoteles nach wie vor eine dominante Rolle einnehmen, eine Wiederbelebung in der Moderne verpasst hat. Mit seiner Theorie der Gerechtigkeit gelang ihm eine Symbiose von liberalem und sozialem Denken – oder einfacher ausgedrückt von „linkem“ und „rechtem“ Gedankengut.

Denn seine Argumentation, die er in seinen bekannten zwei Gerechtigkeitsgrundsätzen zusammenfasst, zielt sowohl auf eine möglichst große Zahl von Grundrechten und trägt somit dem liberalen Denken Rechnung als auch auf die soziale Gerechtigkeit, insofern er soziale Ungleichheiten im Staat nur dann für gerechtfertigt hält, wenn sie den sozial Schwachen zugutekommen. Zur Begründung seiner Grundsätze benutzt er ein fiktives Szenario, das er Urzustand nennt. In diesem beraten Protagonisten über das Modell eines künftiges Staates, ohne ihre soziale Rolle und ihre Fähigkeiten in diesem zu kennen. Sie beraten unter dem sog. „Schleier des Nichtwissens“.

Seine politischen Vorstellungen kommen im Ganzen sehr idealistisch daher, denn es scheint klar zu sein, dass eine größtmögliche Anzahl von Freiheits- und Grundrechten leider nur dann möglich ist, wenn bestimmte andere Freiheiten eingeschränkt werden. Völlige Freiheit würde Anarchie bedeuten, das wäre dann aber überhaupt kein Staat mehr und wohl auch nicht mehr im Sinne von Rawls. Gerechtigkeit und liberales Denken stehen demnach in einem gewissen Spannungsverhältnis, da eine wirklich liberale Gesellschaft – gemäß ihrer Überzeugung – auch gewisse Abweichungen vom Recht bzw. der Gerechtigkeit in Kauf nehmen sollte.

Auch die Forderung nach Verteilungsgerechtigkeit aus dem zweiten Grundsatz scheint insofern schwierig zu sein, da es schwer zu bemessen ist, wann soziale Ungleichheiten den sozial Schwachen auch nützen und ob eine derartige Regel überhaupt mit den vorherrschenden gesellschaftlichen Kräften durchsetzbar wäre. Daneben schweift Rawls auch noch in den Bereich der Ethik ab. Der gute Mensch ist für ihn gemäß seiner politischen Philosophie der „gerechte“ Mensch, der sich um der Gerechtigkeit willen für die beiden Gerechtigkeitsgrundsätze von Rawls - hier betreibt Rawls Werbung in eigener Sache - entscheiden würde, um somit eine liberale und zugleich soziale Gesellschaft zu ermöglichen. Die Theorie der Gerechtigkeit ist ein eindrucksvolles Plädoyer für eine liberal-soziale Gesellschaft – obgleich von hohem Idealismus getragen.

Wer sich für die egalitäre Gesellschaftstheorie interessiert, kommt an diesem Werk nicht vorbei. Der detaillierte Aufbau seiner "Theorie der Gerechtigkeit" lässt Rawls zu Recht als einen hervoragenden Denker und Theoretiker verstehen. Die Kritik seitens der Libertärianer, insbesondere Nozicks mögen für Manchen von Relevanz sein, sprechen aber dieser Gesellschaftstheorie, im Sinne einer Vertragstheorie nicht die Bedeutung für eine gerechtere Gesellschaft ab.

Rawls "Theorie der Gerechtigkeit" besagt, daß in einem Urzustand der menschlichen Gesellschaft zwei Grundsätze aufgestellt würden: Die Gleichheit der Grundrechte und -pflichten und der Grundsatz, daß soziale und wirtschaftliche Ungleichheiten nur dann gerecht sind, wenn sich aus ihnen Vorteile für jedermann ergeben. Bestehende Ungerechtigkeiten sind dann noch sinvoll, wenn die Verteilung immer noch besser ist, wenn auch noch der schwächste der Gesellschaft davon profitiert.

Arg verkürzt lässt sich dies auf die Formel herunterbrechen: "Eine Gesellschaft ist dann gerecht, wenn es dem am schlechtesten Gestellten am besten geht (im Vergleich zu allen anderen möglichen Welten)." Damit stellt sich Rawls der Auffassung des klassischen Utilitarismus entgegen, wonach der höchste Grad an Gerechtigkeit erreicht wäre, wenn die größte Anzahl von Individuen das größtmögliche Maß an Glück erzielte.

"Die Grundlagen der Gerechtigkeit werden hinter dem Schleier des Nichtwissens gewählt."



Literatur:

Eine Theorie der Gerechtigkeit
Eine Theorie der Gerechtigkeit
von John Rawls


Video:

John Rawls' geniale Theorie der Gerechtigkeit einfach erklärt - Youtube

»Eine Theorie der Gerechtigkeit« von John Rawls - eine Theorie eines gerechten Staates

Eine Theorie der Gerechtigkeit



John Rawls gilt als Begründer der egalitären Gesellschaftstheorie. Sein Hauptwerk »Eine Theorie der Gerechtigkeit« (»A Theory of Justice«) aus dem Jahr 1971 gilt als eines der einflussreichsten Werke der politischen Philosophie des 20. Jahrhunderts und gilt als das Standardwerk der Gerechtigkeitsforschung des 20. Jahrhunderts, auf das sich alle weiteren Entwicklungen zum Thema Gerechtigkeit im 20. Und 21. Jahrhundert beziehen. Wer sich für die egalitäre Gesellschaftstheorie interessiert, kommt an diesem Werk nicht vorbei. Der detaillierte Aufbau seiner "Theorie der Gerechtigkeit" lässt Rawls zu Recht als einen hervoragenden Denker und Theoretiker verstehen.

Unter Rückgriff auf die klassische Vertragstheorie von Locke, Rousseau, vor allem aber Kant, und mit Hilfe eines in den modernen Wissenschaften zunehmend bedeutsamen Denk- und Sprachrahmens, dem der Entscheidungs- und Spieltheorie, entwickelt Rawls zwei Prinzipien der Gerechtigkeit und wendet sie dann auf die Grundinstitutionen moderner Gesellschaften an. Dabei geht es (u.a. auch) um das politisch aktuelle Problem, ob und unter welchen Bedingungen man auch einer demokratisch gewählten Regierung Widerstand leisten dürfe.

Wie sollen starke und schwache soziale Interessen in Beziehung treten (Eigenverantwortung), wie soll gegenseitige Rücksichtnahme organisiert werden (Solidarität), und wer bzw. was darf nicht "unter die Räder" kommen (Subsidiarität)? Dem Dilemma, dass Wertvorstellungen immer weiter auseinander gehen und sich teilweise gegenseitig neutralisieren, versuchen Theoretiker dadurch zu entgehen, dass sie Verfahrensgrundsätze formulieren, mit deren Hilfe innerhalb einer Gesellschaft Vorstellungen von Gerechtigkeit gemeinsam entwickelt werden können. Hierbei wird darauf Wert gelegt, dass insbesondere Ungleichgewichte bei der Interessenartikulation und der Durchsetzung von Interessen aufgehoben werden. Ein herrschaftsfreier Dialog, der alle Stimmen und Interessen einer Gesellschaft gleichberechtigt berücksichtigt, gilt aus dieser Sicht als ideales, nicht machtbesetztes Verfahren, um gemeinsame Werte zu bestimmen.

John Rawls hat einen derartigen Verfahrensgrundsatz entwickelt. Danach seien soziale und wirtschaftliche Ungleichheiten so zu regeln, "daß sie sowohl a) den am wenigsten Begünstigten die bestmöglichen Aussichten bringen als auch b) mit Ämtern und Positionen verbunden sind, die allen gemäß der fairen Chancengleichheit offenstehen". Mit Gerechtigkeit ist hier ein Beziehungsverhältnis zwischen allen Mitgliedern einer Gesellschaft gemeint, das von allen Beteiligten als fair angesehen wird. Fairness steht für Nichtbenachteiligung und zufriedenstellende Beteiligung aller an der Wohlstandsmehrung, ohne dass dieses Gleichheit bedeutet.

Rawls "Theorie der Gerechtigkeit" ist einfach. Er meint, daß in einem Urzustand der menschlichen Gesellschaft zwei Grundsätze aufgestellt würden: 1. "die Gleichheit der Grundrechte und -pflichten"; 2. der "Grundsatz, daß soziale und wirtschaftliche Ungleichheiten [...] nur dann gerecht sind, wenn sich aus ihnen Vorteile für jedermann ergeben"

Rawls "Theorie der Gerechtigkeit" besagt, daß in einem Urzustand der menschlichen Gesellschaft zwei Grundsätze aufgestellt würden: Die Gleichheit der Grundrechte und -pflichten und der Grundsatz, daß soziale und wirtschaftliche Ungleichheiten nur dann gerecht sind, wenn sich aus ihnen Vorteile für jedermann ergeben.
Bestehende Ungerechtigkeiten sind dann noch sinvoll, wenn die Verteilung immer noch besser ist, wenn auch noch der schwächste der Gesellschaft davon profitiert.

So verband Rawls als Vertreter eines egalitären Liberalsimus individuelle Freiheit mit sozialer Gerechtigkeit.

Literatur:

Eine Theorie der Gerechtigkeit Eine Theorie der Gerechtigkeit von John Rawls

Samstag, 20. Februar 2021

John Rawls 100. Geburtstag

John Rawls


John Rawls wurde vor 100 Jahren am 21. Februar 1921 in Baltimore, Maryland, geboren.

John Rawls war ein amerikanischer Philosoph, der als Professor an der »Harvard University« lehrte. Rawls gilt als wesentlicher Vertreter des egalitären Liberalismus und Begründer der egalitären Gesellschaftstheorie. Sein Hauptwerk »A Theory of Justice« (1971) gilt als eines der einflussreichsten Werke der politischen Philosophie des 20. Jahrhunderts.

Rawls schloss die berühmte episkopalischen Privatschule in Kent im Jahr 1939 ab und machte vier Jahre später seinen »Bachelor of Arts« an der »Princeton University«. Darauf folgte die Promotion in Philosophie und seine Lehrzeit in Princeton.

Von 1952 bis 1953 erhielt er ein Fulbright Stipendium für die Universität Oxford in England. Danach arbeitete er als assistant- und associate-Professor an der Cornell-Universität in Ithaca, New York, bevor er ab 1962 dort ordentlicher Professor wurde.

John Rawls hat schon Anfang der 70er Jahre des 20. Jahrhunderts - damals bereits Professor an der Harvard University - mit diesem Werk eine erste ausführliche Darlegung seiner Theorie der politischen Gerechtigkeit entworfen, die noch heute als Klassiker der zeitgenössischen politischen Ethik gelten kann. Als Vorarbeiten zu dem ausführlichen Werk können seine Veröffentlichungen "Ein Entscheidungsverfahren für die normative Ethik" (1951), "Gerechtigkeit als Fairness" (1958) und "Distributive Justice" (1967) gelten. Bis in die Gegenwart war dann diese erste ausführliche Darlegung die Basis für viele weitere Diskussionen bis in die Gegenwart.

An den Grundgedanken hat Rawls aber bis zuletzt festgehalten, so etwa an dem Modell, wie ein gerechter Rahmen für die politischen Institutionen einer Gesellschaft vrnünftig begründbar sei.

Von 1970 bis 1972 war er Präsident der »American Association of Political and Social Philosophers«.
In dieser Zeit entstand sein Hauptwerk »A Theory of Justice«, das Standardwerk der Gerechtigkeitsforschung des 20. Jahrhunderts, auf das sich alle weiteren Entwicklungen zum Thema Gerechtigkeit im 20. Und 21. Jahrhundert beziehen. .

Ab 1979 lehrte er Philosophie an der Harvard Universität in Cambridge.

Rawls stellte die Frage nach der normativen Grundlage der Gesellschaft und verhalf damit der politischen Philosophie zum Durchbruch. In seinem Buch »A Theory of Justice« (1971) entwarf er einen Gegenentwurf zum Utilitarismus. Gerechtigkeitsprinzipien richten sich an Individuen aus.
Unter Rückgriff auf die klassische Vertragstheorie von Locke, Rousseau, vor allem aber Kant, und mit Hilfe eines in den modernen Wissenschaften zunehmend bedeutsamen Denk- und Sprachrahmens, dem der Entscheidungs- und Spieltheorie, entwickelt Rawls zwei Prinzipien der Gerechtigkeit und wendet sie dann auf die Grundinstitutionen moderner Gesellschaften an. Dabei geht es (u.a. auch) um das politisch aktuelle Problem, ob und unter welchen Bedingungen man auch einer demokratisch gewählten Regierung Widerstand leisten dürfe.

Es gilt als Verdienst von John Rawls, dass er der klassischen politischen Theorie, in denen die Klassiker von Platon und Aristoteles nach wie vor eine dominante Rolle einnehmen, eine Wiederbelebung in der Moderne verpasst hat. Mit seiner Theorie der Gerechtigkeit gelang ihm eine Symbiose von liberalem und sozialem Denken – oder einfacher ausgedrückt von „linkem“ und „rechtem“ Gedankengut. Denn seine Argumentation, die er in seinen bekannten zwei Gerechtigkeitsgrundsätzen zusammenfasst, zielt sowohl auf eine möglichst große Zahl von Grundrechten und trägt somit dem liberalen Denken Rechnung als auch auf die soziale Gerechtigkeit, insofern er soziale Ungleichheiten im Staat nur dann für gerechtfertigt hält, wenn sie den sozial Schwachen zugutekommen. Zur Begründung seiner Grundsätze benutzt er ein fiktives Szenario, das er Urzustand nennt.

Rawls setzte auf Gerechtigkeit und Fairness der Verteilung von Grundgütern. Als Prämisse seines Werkes setzt er die Gerechtigkeit als maßgebliche Tugend sozialer Institutionen, die aber die Freiheit des Einzelnen nicht verletzen darf.

Rawls wurde durch ein Gedankenexperiment zu Verteilung von Gütern berühmt. Dazu fragt er: Auf welche politischen Grundregeln für eine Gesellschaft würden sich vernünftige Personen im Voraus einigen, wenn sie nicht wüssten, welchen Status sie selbst in dieser Gesellschaft haben werden. Dies ist das Gedankenspiel des "Urzustandes vor dem Schleier des Nichtwissens".

Eine Theorie der Gerechtigkeit


Sein Hauptwerk "Eine Theorie der Gerechtigkeit" ist zweifellos ein Klassiker der praktischen Philosophie. Auf der Grundlage der klassischen Vertragstheorie - mit allerlei Rückgriffen auf Kant, Locke und Rousseau - entwickelt Rawls entlang der Grundgedanken der Entscheidungs- und Spieltheorie eine moderne Konzeption der Gerechtigkeit und damit der gesellschaftlichen Institutionen insgesamt.

Arg verkürzt lässt sich dies auf die Formel herunterbrechen: "Eine Gesellschaft ist dann gerecht, wenn es dem am schlechtesten Gestellten am besten geht (im Vergleich zu allen anderen möglichen Welten)." Damit stellt sich Rawls der Auffassung des klassischen Utilitarismus entgegen, wonach der höchste Grad an Gerechtigkeit erreicht wäre, wenn die größte Anzahl von Individuen das größtmögliche Maß an Glück erzielte.

"Die Grundlagen der Gerechtigkeit werden hinter dem Schleier des Nichtwissens gewählt."


Rawls "Theorie der Gerechtigkeit" besagt, daß in einem Urzustand der menschlichen Gesellschaft zwei Grundsätze aufgestellt würden: Die Gleichheit der Grundrechte und -pflichten und der Grundsatz, daß soziale und wirtschaftliche Ungleichheiten nur dann gerecht sind, wenn sich aus ihnen Vorteile für jedermann ergeben.

Bestehende Ungerechtigkeiten sind dann noch sinvoll, wenn die Verteilung immer noch besser ist, wenn auch noch der schwächste der Gesellschaft davon profitiert.

So verband Rawls als Vertreter eines egalitären Liberalismus individuelle Freiheit mit sozialer Gerechtigkeit.

John Rawls starb am 24. November 2002 in Lexington, Massachusetts.

Literatur:

Eine Theorie der Gerechtigkeit
Eine Theorie der Gerechtigkeit
von John Rawls

John Rawls

Samstag, 13. Februar 2021

Corona und der kritische Geist


Das Corona-Virus scheint auch den kritischen Geist befallen zu haben, denn viele Entscheidungen scheinen erstaunlich unzureichend fundiert zu fallen. Kritisch heißt, sich seine eigenen Meinung zu bilden. Das Subjekt ist der Träger der Erkenntis.

Von Experten empfohlene Handlungen führen in der Politik meist zu Problemen mit der Legitimation. Dabei ist doch gerade kritischer Geist nötig, um die bestehenden Zustände zu hinterfragen und die in einer Krise nötigen pragmatischen Entscheidungen fundiert treffen zu können.

Zu einem kritischen Geist, der im Gegensatz zu einem platonischen Geist steht, gehören die Kantischen Forderungen »Wage es, weise zu sein.« sowie »Habe Mut, dich deines Verstandes zu bedienen.«

Ein kritischer Geist ist für einen tiefen Blick auf den tiefen Grund, den analytischen Zugang zu Problemen, das Erkennen von Zusammenhängen, das Abwägen der Alternativen und das Abschätzen der Folgen politischer Handlungen, zur Lösung von drängenden Problemen in der Krise notwendig. Der unreflektierte Geist als sein blasser Vertreter ist dagegen für einfache Lösungen schnell zur Hand .

Ein kritischer Geist wird die Alternativen von Handlungen sorgfältig abwägen und zu einer angemessenen, ausgewogenen und (sozial) gerechten Lösung finden. Für diesen sind dabei Lösungen von vornherein (a priori) alles andere als alternativlos.


Nur vom kritischen Geist getragen, ist eine Krise zu bewältigen. Dazu gehört die Sammlung und Überprüfung der Tatsachen, die abschließende Entscheidung auf Basis der erhobenen Daten.

»Also Wage es, kritisch zu sein und die Zustände zu hinterfragen!« möchte man den politischen Akteuren in der Krise zurufen. Dann würden sie die momentane Lage womöglich anders als alternativlos einschätzen. - Übrigens: Politische Ratschläge werden vom kritischen Geist rezeptfrei erteilt.

Kant-Kritiken in vier Bänden:

Die drei Kritiken, 4 Bde.
Die drei Kritiken
4 Bände
von Immanuel Kant

Der Narr hält der Gesellschaft einen Spiegel vor


Der Narr dient dazu, der Gesellschaft einen Spiegel vorzuhalten. Der Narr lupft die Maske und bringt Spott zum Vorschein. Die Mächtigen sind eine beliebte Zielscheibe von Satire und Spott und werden im Karneval aufs Korn genommen.

Im Glanz des Karnevals drehen sich die Verhältnisse um, eine kleine Revolution. Karneval ist die hohe Zeit der Satire und des Spotts, eine Zeit der närrischen Ausgelassenheit. Narrentum und heitere Widerspenstigkeit auf Zeit als vorherrschendes Gefühl, beruhend auf einer Tradition.


Beim Karneval im Mittelalter wählte man einen Narrenkönig, der für einen Tag und eine Nacht über eine prinzipiell verkehrte Welt regierte. In ihr erwachten die die Armen und Ordentlichen zum Leben ihrer Träume, als kostümierte Rabauken und Bacchanten, frech, geil, turbulent und lästerlich.



Literatur:

Tyll
Tyll
von Daniel Kehlmann

Rezension:

Tyll Rezension
»Tyll« von Daniel Kehlmann - Rezension
von Joachim Weiser