Samstag, 20. April 2019

Menschen und ihre Angst vor der Zerstörung


Zu den menschlichen Ängsten gehört auch die Angst vor der Zerstörung. Durch einen Brand in Teilen zerstört wurde nun die römisch-katholische Kathedrale »Notre-Dame de Paris«. Die weltberühmte Kathedrale Notre-Dame stand stundenlang in Flammen und ist schwer beschädigt.

Kathedrale »Notre-Dame de Paris« ist eine Ikone der mittelalterlichen Baukunst, ein Symbol für die Nation, für die Menschen und ihren Glauben und ein Monument der Identifikation. Nichts verbindet die Franzosen mehr wie die Kathedrale Notre Dame auf der Ile de Seine - das geistig-kulturelle Zentrum von Frankreich, nahe der Universität Sorbonne und dem Quartier Latin. Der gotische Baustil ist eine französische Schöpfung. Die wichtigsten Merkmale sind: Spitzbogen, Rippengewölbe, Strebewerk (Strebepfeiler und Strebebogen am Außenbau zur Entlastung des Gewölbes), Maßwerk, Triforium (Zwischengeschoß zwischen Bogenreihe und Fenstergeschoß). Im Allgemeinen: schmal und hoch, aufsteigend.

Mit dem verheerenden Brand ist auch ein Symbol zerstört worden. Der Mensch unterscheidet sich vom Tier unter anderem dadurch, dass er bedeutungs- und sinntragende Symbole entwickelt hat, die Menschen über ihren Individualismus oder die Familie hinweg verstehen können. Katastrophen haben, ganz besonders, wenn sie solch gemeinsame Symbole betreffen, eine einigende, positive Wirkung auf den Zusammenhalt.

Je tiefer und verankerter die Symbolik eines Objektes in einem Volk oder bei Menschen ist, desto größter ist die Anteilnahme im Falle einer Zerstörung oder eines auftretenden Schadens. Das dürfte für viele Franzosen ein nicht zu verachtender Effekt der Katastrophe sein, ganz besonders in Zeiten, wo der Blick auf das Gemeinsame mehr und mehr verlorenzugehen droht.


Die römisch-katholische Kirche »Notre-Dame de Paris« (»Unsere Liebe Frau von Paris«) ist die Kathedrale des Erzbistums Paris. Die Unserer Lieben Frau, also der Gottesmutter Maria, geweihte Kirche wurde in den Jahren von 1163 bis 1345 errichtet und ist somit eines der frühesten gotischen Kirchengebäude Frankreichs.

»Fluctuat net mergitur« - das ist der Wahlspruch im Wappen von Paris. Die brennende Kathedrale mag schwanken, aber sie wird nicht untergehen.

Die Architekturgeschichte bedeutender Baudenkmäler lehrt, daß diese niemals architektonisch und baulich vollendet sein werden. Weder der Kölner Dom, noch der Petersdom, noch ein neu aufgebautes Notre Dame werden so gesehen jemals fertig werden. Derartige Bauwerke werden immer "Baustellen der Ewigkeit" sein. Was die Menschen dann auch an die Ewigkeit erinnern sollte ist, wie vergänglich diese Bauten sein können.

Bauwerke sind nicht für die Ewigkeit erschaffen, sondern vom Verfall bedroht.

Die Kathedrale ist ein Monument der Ewigkeit, ihre Zerstörung erinnert jedoch an die Vergänglichkeit der Welt, denn Bauwerke sind nicht für die Ewigkeit erschaffen. Kunst und auch Bauwerke überdauern die Zeit nicht. Der Brand der Kathedrale Notre-Dame macht deutlich, daß von Menschen erschaffene Bauwerke und Gebäude keine Werke für die Ewigkeit, sondern alle Bauwerke von durchaus vergänglicher Natur und Dauer sind. Auch die Vorstellungen von Ewigkeit sind einem steten Wandel unterzogen und haben sich heute durchaus verändert. Solche "Ewigkeitswerte" scheinen heute aber leider in großen Teilen der Bevölkerung zunehmend von anderen, ebenso kurzlebigen wie fragwürdigen "Werten" verdrängt zu werden, so dass sich viele ihrer echten Werte oft gar nicht mehr richtig bewusst sind.

Der Mensch und die Welt, in der er lebt und die er - auch mit seinen Bauwerken erschafft - beide sind vergänglich wie die Zeit. Beide unterliegen dem ewigen Kreislauf des Lebens: Geburt, Heranwachsen, Erwachsenwerden und Tod. Dieser Zyklus schließt auch die Wiedergeburt mit ein. Im Zyklus eines Bauwerkes folgen dem Aufbau die Blüte und der Verfall - und einer Zerstörung folgt der Wideraufbau. Diese Erkenntnis spendet Trost auch in Zeiten der Not oder Katastrophe wie dem Brand von Notre Dame.

Zu den menschlichen Ängsten gehört auch die Angst vor dem Verfall - und von Gebäuden im Besonderen.
Deren Verfall droht, wenn man nicht genügend Anstrengungen unternimmt, Geschichte zu achten und zu bewahren, und sie für kommende Generationen in materiellem Wert und immatiellem Wesen zu erhalten.

Zu Napoleon Bonapartes und Victor Hugos Zeiten am Beginn des 19. Jahrhunderts war die Kathedrale Notre Dame aufgrund von Geldmangel durch Revolutions- und Kriegseinflüße akut vom Verfall bedroht - ein Grund um dem drohenden Vorfall vorzubeugen.



Im Jahr 1831 schrieb Victor Hugo seinen historischen Roman »Der Glöckner von Notre Dame« (»Notre Dame de Paris«), der als sein Meisterwerk gilt. Der historische Roman verdankt seine Entstehung dem drohenden Verfall der Kathdrale Notre Dame. Mit diesem Roman wollte Victor Hugo durch einen patriotischen Akt für den Erhalt von »Notre-Dame de Paris« einstehen. Durch das Erscheinen seines erfolgreichen Romans konnte das Bauwerk damals vor dem Verfall gerettet werden und so wird die Notre Dame auch nach dem verheerenden Brand durch gemeinschaftliche Anstrengung schon bald wiederaufgebaut werden. Diese Anstrengungen sind immer aller Mühen wert. - »Fluctuat net mergitur«.

Marcel Proust hat 1904 - wie Victor Hugo 70 Jahre zuvor - den "Tod der Kathedralen" beklagt. In einem Zeitungsartikel schrieb er: "Ach, es ist immer noch besser, eine Kirche zu verwüsten, als sie ihrem Zweck zu entfremden. Wenn das Opfer von Christi Fleisch und Blut nicht mehr in den Kirchen zelebriert wird, werden sie ohne Leben sein."


Blog-Artikel:

Die Kathedrale Notre Dame von Paris - Kulturwelt-Blog

»Der Glöckner von Notre Dame« von Victor Hugo - Literatenwelt-Blog


Literatur:

Kathedralen
Kathedralen
von Uwe Toman


Die großen Kathedralen. Gotische Baukunst in Europa
von Uwe A. Oster

Samstag, 6. April 2019

Descartes Denken gilt als »Cartesianische Wende«


René Descartes



Descartes Philosophie und sein Denken gilt als »cartesianische Wende« in der Geistesgeschichte der abendländischen Welt. Descartes hat mit seiner Sichtweise des Denkens den Bezugsrahmen und das Koordinatensystem des bis dahin gültigen Denkens so verändert, da man von einer »Cartesianische Wende« spricht. Das scholastische und das dualistische Weltbild wurden abgelöst durch eine völlig neue Selbstbestimmung des Menschen. Descartes' berühmter Satz „Cogito ergo sum - Ich denke also bin ich" konzentriert dieses neue Denken in einem Punkt. Im Mittelpunkt steht jetzt das

Eine Wende von „kopernikanischer“ Tragweite trat im europäischen Kulturkreis mit der Neuzeit im 17. Jahrhundert ein; sie ist mit dem Namen René Descartes unlösbar verbunden. Es ist die »cartesianische Wende« in der Geistesgeschichte der abendländischen Welt. Das scholastische und das dualistische Weltbild wurden abgelöst durch eine völlig neue Selbstbestimmung des Menschen. Descartes berühmter Satz „Cogito ergo sum – ich denke also bin ich“ konzentriert dieses neue Denken in einem Punkt.

René Descartes

Descartes Denken ist der Ausdruck der Selbstgewissheit des Ich-Bewußtseins.
Im Mittelpunkt steht jetzt das Ich des Menschen, und dieses seiner selbst bewusste Ich ist die Grundlage und Voraussetzung aller Realität. Die Wirklichkeit des Menschen entspringt seinem Ich, seinem Selbstbewusstsein. So unterscheidet Descartes grundlegend zwischen res cogitans und res extensa, zwischen dem denkenden Selbst und allen außerhalb des Ich liegenden Dingen, d.h. allem, was sich in Raum und Zeit ausdehnt. Man könnte von der Entdeckung des Subjektes sprechen, das die Welt der Objekte aus sich heraus setzt oder auch außerhalb seiner selbst vorfindet und sie sich gegenüberstellt. Nicht mehr Materie und Geist, Dunkel und Licht sind die bestimmenden Gegensätze, sondern das absolute Ich, das seiner Welt gegenübertritt.

Schon Leibniz fragte grundsätzlich: „Warum ist überhaupt etwas und nicht vielmehr nichts?“ Descartes antwortet: Indem ich mich selbst denkend erkenne, ist erst etwas, nämlich alles das, was meinem Ich als Objekt gegenüber tritt. Es ist etwas, weil ich denke: Cogito ergo sum ergo est mundus. Indem ich mich denke, gibt es mich und die Welt um mich herum. Die eigene Vernunft wird nun zum alles bestimmenden Werkzeug der Welterklärung und der Welteroberung; sie ist das entscheidende Organ aller Welterkenntnis des Menschen. Zwar ist sie begrenzt, aber innerhalb dieser Grenzen allgemein gültig und zuverlässig.

Descartes hatte mit seinen Überlegungen auch Gott abgeschafft. Und noch während er schrieb „Cogito, ergo sum" stellte er auf einmal fest, daß er soeben über die gedankliche Autonomiebezeugung des Menschen Gott abgeschafft habe, was man heute als »Cartesianische Wende« bezeichnet. Er war so irritiert darüber, daß er sofort entschied, diese Gedanken nur unter einem Pseudonym zu veröffentlichen.

In seiner »Abhandlung über die Methode« ermuntert Descartes jene, die sich in einem Wald verlaufen haben, „so geradewegs wie möglich immer in derselben Richtung zu laufen“. Es geht darum, entschlossen eine Linie beizubehalten, selbst wenn man im Zweifel ist.

Descartes ist zu verdanken, daß der Zweifel zu einer Methode der Erkenntnis geworden ist. Mit den Mitteln radiklen Skepsis gab René Descartes der Philosophie ein neues Fundament und wurde zum Vater der neuzeitlichen Philosophie.

Dort wo der Zweifel Einzug hält, ist die Gewißheit einer Aussage nur so lange haltbar, solange sie nicht wiederlegt worden ist. Erkenntnistheoretisch hat er den Skeptizismus begründet.

So ist auch Cartesius ganzes Werk ist der Ausdruck radikalen Zweifelns und der zugrundeliegenden Methodik.

Das cartesianische Denken stellt in der Geschichte der Philosophie die größte Neuerung des Denkens vor Kant (1724 - 1804) und eine Wende philosophischer Betrachtung und in den Grundlagen des Denkens in der Philosophie dar, welcher im Nachhall der Skepsis bis heute spürbar ist.


Weblinks:

René Descartes-Biografie - Biografien-Portal.- www.die-biografien.de

René Descartes-Zitate - Zitate-Portal - www.die-zitate.de

Literatur:

Rene Descartes
Rene Descartes
von Dominik Perler

Descartes zur Einführung
Descartes zur Einführung
von Peter Prechtl




Samstag, 30. März 2019

René Descartes 425. Geburtstag

René Descartes


René Descartes wurde vor 425 Jahren am 31. März 1596 in La Haye in der Touraine geboren. Er entstammte einer aristokratischen altfranzösischen Familie in der Touraine. Descartes war ein bedeutender französischer Philosoph der Aufklärung und Begründer der neuzeitlichen Philosophie.

Descartes markiert die Wende der Philosophie des Mittelalters zur Philosophie der Neuzeit. Mit ihm begann das Denken der Neuzeit. Mit den Mitteln radiklen Skepsis gab René Descartes der Philosophie ein neues Fundament und wurde zum Vater der neuzeitlichen Philosophie. Die cartesianische Philosophie umfasst sowohl erkenntnistheoretische Aspekte als auch empirische und naturwissenschaftliche Forschungen von Descartes.


Nur für kurze Zeit nahm er am üblichen gesellschaftlichen Treiben seiner Gesellschaftsschicht in Paris teil, dann zog er sich für zwei Jahre zurück, um sich ganz dem Studium der Mathematik hinzugeben. Anschließend ging er als Soldat in den Dreißigjährigen Krieg, weil er die Welt und Menschen in ihrer Abgründigkeit studieren wollte.

Der Militärzeit folgten jahrelange Reisen durch ganz Europa, dann wieder Phasen der Zurückgezogenheit und der wissenschaftlichen Arbeit. Königin Christine, die Descartes Werke studiert hatte, berief in daraufhin nach Schweden. Dort verstarb er nach kurzem Aufenthalt, weil er das ungewohnte Klima nicht vertrug.

Rene Descartes
Rene Descartes


Descartes lebenslanges Thema war die Überwindung der scholastisch geprägten aristotelischen Philosophie. Der Franzose forderte als Ausgangspunkt und Methode philosophischen Denkens die Gültigkeit eine Aussage in Zweifel zu ziehen, so lange diese nicht zureichend begründet sei. Und so war der Zweifel bei Descartes der Philosophie Anfang.

René Descartes gilt als der Vater des modernen Denkens, denn er hat den Menschen aus seinem tiefen Dämmer herausgeholt und ihn zum erkennenden Objekt gemacht, wobei er stellte den Menschen in den Mittelpunkt der Erkenntnis. Sein berühmter Satz "Cogito, ergo sum" ("Ich denke, also bin ich") steht für das Selbstbewusstsein des neuzeitlichen Individuums.

Das Diktum des Cartesius »Ich denke, also bin ich« machte das menschliche Bewußtsein zum Ausgangspunkt wahrer Welterkenntnis. Das vernünftig denkende Objekt wird zum Maßstab allen Wissens.


Blog-Artikel:

Descartes Denken gilt als »Cartesianische Wende« - Philosophenwelt-Blog


Literatur:

Rene Descartes
Rene Descartes
von Dominik Perler

Descartes zur Einführung
Descartes zur Einführung
von Peter Prechtl

Samstag, 16. März 2019

Die neuen Massen auf der Straße

Gelbwesten demonstrieren zum zehnten Mal

Die jüngsten gesellschaftlichen und politischen Entwicklungen, der „neue Populismus“ und die neuen „Massenbewegungen“ der "Gelbwesten" (den "Gillet Jaunes") in Frankreich und "Fridays for Future"-Jugend-Bewegung in Europa haben die Massen wieder ins kollektive Gedächtnis gebracht.

Das Problem der Massen kannte man bereits, kaum hatte man mit der Bildung des Staates begonnen - also bereits in der Frühantike. Allerdings war das Problem damals vollkommen unter Kontrolle. Bis in das Hohe Mittelalter sind die Massen absolut bewusstlos gewesen, also leicht zu lenken. Erst im Mittelalter ergab der hohe Bauernstand in der europäischen Kultur, verbunden mit der ersten nennenswerten Bildung unter den Massen, die in diesem Fall durch Kirche und noch mehr Kloster erfolgte, zu ersten Aufständen gegen die Macht und Obrigkeit.



Goebbels Rede im Sportpalast am 18.02.1943

Wichtige Aspekte der Masse sind Regierbarkeit, Lenkbarkeit, Verführbarkeit und potentielle bzw. latente Gewaltbereitschaft. Der wesentliche Punkt ist jedoch die Mobilisierbarkeit der Massen für politische Ziele - ein Aspekt, den jede Bewegung, gewiefte Aktivist, Populist, Propagandist oder anderer Träger auf seine Weise zu nutzen weiß, wenn er von den anderen Aspekten fest überzeugt ist - und der aktuell nun auch wieder deutlich zum Tragen kommt.

Ein wichtiges Instrument zur Beeinflussung hierzu sind Propaganda-Reden, basierend auf dem Prinzip "Zustimmung per direkter Akklamation". Verführerische Redner vor Massenpublikum aufretend - dabei die hohe rhetorische Kunst der Manipulation vorführend - werden hier zu geschickten Manipulatoren der Masse, denn die gerade Verführbarkeit birgt ein ungemeines Poential:

Von der Gloriole eines propagandistischen Erwachens mit zartem Licht beschienen, zeigt sich der Himmel in all seinen leichten Farben und im Licht des erwachenden Morgens lässt sich mit verführten Massen politisch buchstäblich alles anstellen , bei Verführung und Erwachen ist der Unterschied zwischen Heil und Unheil ist oft nur ein schmaler Grat - Ein erwachtes Volk ist zugleich auch ein verführtes Volk.

In der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts waren die Massen ein beherrschendes Thema der Politik und Gesellschaft Europas. Im Zeitalter des Individualismus scheinen sie ihre Anziehungskraft und Gefährlichkeit verloren zu haben. Ein Irrtum. Von neuem bewegen Massen große Teile der Gesellschaft. Sie entstehen mit Hilfe moderner Medien in der Popkultur, in Sport und Konsum, in Protestbewegungen und Revolten, in neuen politischen Formationen und in Flüchtlingsströmen.

Im Unterschied zu den Massen der Vergangenheit bieten sie den Individuen die Möglichkeit, sich eine imaginäre Größe, ihren Äußerungen und Schicksalen eine Öffentlichkeit zu geben. Heute sind die Massen praktisch nicht mehr zu regieren und eben das ist der Unterscheid zwischen den Massen von früher und von heute.

In seinem Werk »Two Treatises of Government« argumentiert Locke, dass eine Regierung nur legitim ist, wenn sie die Zustimmung der Regierten besitzt und die Naturrechte Leben, Freiheit und Eigentum beschützt. Wenn diese Bedingungen nicht erfüllt sind, haben die Untertanen ein Recht auf Widerstand gegen die Regierenden.

Die Kulturgeschichte der Massen ist eine Geschichte der Emanzipation der Massen und reicht an das Ende des 19. Jahrhunderts zurück. Elitäre Denker und Philosophen haben ihre Skepsis vor der Demokratisierung und dem zunehmenden Einfluß der Massen bekundet und vor einer Demokratisierung der Gesellschaft vor dem Hintergrund sich dabei ändernder Herrschaftsstrukturen und -formen gewarnt. Zu den klaren Analytikern der Massen und ihrer Macht gesellten sich Soziologen, Schriftsteller und Vertreter anderer Berufsgruppen.


Als erster beschäftigte sich der französische Arzt Gustave Le Bon 1895 unter dem Eindruck des Zeitalters beginnend mit der Französischen Revolution bis zum Ende des 19. Jahrhunderts mit dem Phänomen der Massen. Damals wurden die Massen noch als Pöbel und Plebs - vor dem es sich zu fürchten galt und als gefährlich für die Gesellschaft empfunden. Er verfasste das Grundlagenwerk der Sozialpsychologie »Psychologie der Massen«. Wer die Psychologie der Massen versteht, kann diese zu seinen Zwecken beeinflussen. Gustave Le Bon beeinflusste nicht nur Sigmund Freud, sondern wurde auch von Politikern und Diktatoren des 20. Jahrhunderts für die Ausarbeitung ihrer Propaganda-Techniken benutzt. Le Bons Wirkung auf die Nachwelt, wissenschaftlich auf Sigmund Freud und Max Weber, politisch insbesondere auf den Nationalsozialismus und seine Protagonisten, war groß.

Nach dem Ende des Ersten Weltkrieges entdeckte Politker in Europa die Massen und versuchten sie, für ihre politischen Ziele zu vereinnahmen. Ihr politischer Erfolg hing von der Verführbarkeit der Massen ab. Politiker, welche die Massen hinter sich gebracht haben, sind durch die Ansprache der Massen zu Diktatoren geworden - unter deren Regime die Techniken widerum verfeinert wurden.

Elias Canetti soziologisches Hauptwerk »Masse und Macht« erschien im Jahr 1960. Ein Buch, das anthropologische, psychologische, politische und historische (die Aufzählung erhebt keinen Anspruch auf Vollständigkeit) Aspekte des Phänomens „Masse“ zu integrieren beabsichtigt, führt wohl beinahe zwangsläufig zur Verwirrung des Lesers.

Seit 1925 befasste Canetti sich mit dem Phänomen der Masse, die ihn ängstigte und faszinierte. Ein Schlüsselerlebnis war der Brand des Wiener Justizpalastes am 15. Juli 1927 für ihn, in dessen Folge blutige Auseinandersetzungen zwischen Polizei und Studenten ge­schahen.

Die Forscher Gunter Gebauer und Sven Rücker lösen in ihrem neu erschienenen Buch den Begriff der Masse aus dem Korsett der alten Ideologien und rehabilitieren ihn damit als Erklärungsmodell für sehr aktuelle Phänomene gesellschaftlichen Wandels.

Literatur:


Psychologie der Massen
von Gustave Le Bon

Masse und Macht
Masse und Macht
von Elias Canetti

Vom Sog der Massen und der neuen Macht der Einzelnen
Vom Sog der Massen und der neuen Macht der Einzelnen
von Gunter Gebauer, Sven Rücker


Samstag, 9. März 2019

Angst gehört zur Grundausstattung der menschlichen Existenz

Der Schrei Munch-Museum in Oslo
»Der Schrei« - Edvard Munch

Angst ist ein existenzielles Grundgefühl und gehört zur Grundausstattung der menschlichen Existenz, die unsere Flucht- und Überlebensimpulse steuert. Angst kennt viele Gesichter: Existenzangst, Angst um den Arbeitsplatz, Zukunftsangst, Terrorangst, Angst vor Digitalisierung - und dann auch noch Urangst - die Angst aller Ängste.

Das Bewusstsein von der eigenen Sterblichkeit und die Unfassbarkeit unseres unvermeidlichen Todes führt zur Todesangst als Kern aller menschlichen Ängste. Der eigene Tod oder auch der eines geliebten Menschen bei gleichzeitiger Weiterexistenz der Menschheit, des Lebens an sich, sind so schwer vorstellbar, dass sie an Fantasien von wie auch dem Wunsch nach einem allgemeinen Untergang und dem Verschwinden der menschlichen Spezies überhaupt gekoppelt werden.

Der eigene Tod ist die unvermeidliche persönliche Apokalypse, bedarf des Trostes und der Erklärung. Das Bewusstsein der Begrenztheit des eigenen Daseins zwischen Geburt und Sterben, die Fragen nach Warum und Wohin, was war zuvor und was wird danach sein, sind die Quellen aller Religionen.

Angst ist im Denken Kierkegaards einer der zentralen Begriffe, an dem sich nicht zuletzt zeigt, was es bedeutet, ein Mensch zu sein. Er möchte sie allerdings sofort von der Furcht unterscheiden, die einen Gegenstand hat, während Angst gegenstandslos ist. Man fürchtet sich „vor“ etwas, aber man „hat“ Angst.

Die Angst, von der hier die Rede ist, ist mehr als nur Angst, sie führt direkt zu dem Begriff der Freiheit. An beiden Begriffen - Angst und Freiheit - wird deutlich, daß ein Mensch nicht ohne weiteres er selbst ist, sondern es in entscheidender Weise erst noch werden muß.

Søren Kierkegaards Schrift »Der Begriff Angst«, 1844 erstmals veröffentlicht, hat in der Folgezeit Philosophie und Theologie maßgeblich beeinflußt.



Samstag, 2. März 2019

Die Gelbwesten in Frankreich sind Menschen in der Revolte

Albert Camus

Die Gelbwesten in Frankreich sind Menschen in der Revolte, die in Paris auf die Straße gehen, um gegen die Verhältnisse und die soziale Ungerechtigkeit im Land zu protestieren  Sie sind Revoltierende - vereint im Zorn gegen eine ungerechte Gesellschaft. Gemeinsam sind sie stark. Die Revoltierenden sind jemand, die Nein sagen zu den bestehenden Verhältnissen. Sie kämpfen für eine bessere Gesellschaft, dabei bei ihrem Protest auf Unversehrtheit hoffend. Über eines sind sie sich einig: Erst die Masse verleiht ihnen Macht, sie sie sonst nicht haben.

Ist eine tief gespaltene, ungerechte Gesellschaft - gemessen an den Möglichkeiten - nicht eine Absurdität, gegen die angekämpft werden muß? Was treibt Menschen in die Revolte gegen soziale Ungerechtigkeit? - Für Albert Camus ist die Revolte die Unvernunft und das Unverständnis über das menschliche Leben - diese Haltung kann man sowohl den Demonstranten wie auch den Politikern unterstellen.

Die physische Revolte ist der Kampf gegen die bestehenden Verhältnisse. Die metaphysische Revolte ist der Tausch zwischen dem Regime der Gnade und dem der Gerechtigkeit. Camus beschreibt die Negation Gottes an den Beispielen von Marquis de Sade, John Milton, Iwan Karamasow und Nietzsche. Der Revoltierende setzt sich mit Gott gleich. Daraus folgt, dass er eine neue Weltordnung entdecken muss. Als logische Folge beschreibt er nach der metaphysischen Revolte die historische Revolte.

Der Mensch in der Revolte

Zu Beginn war die Revolte eine Loslösung aus der Knechtschaft. Der Sklave wollte die Gleichheit mit seinem Herrn und damit dieselben Rechte haben. Erst die französische Revolution wollte den Bürger als Souverän des Staates haben. Danach war Hegel für die Sozialisten das Maß der Dinge. Seine Dialekt von Herr und Knecht wurde von ihnen bereitwillig aufgenommen. Der individuelle Terrorismus der russischen Nihilisten sorgt in Russland für Chaos und Revolte. Für sie war der Tod der höchste Protest. Camus zeigt, dass jeder politische Umsturz durch ein neues Gewaltsystem ersetzt wurde. Dieser Terror fand mit dem dritten Reich und den sowjetischen Konzentrationslager seinen Höhepunkt.

"Was ist ein Mensch in der Revolte?
Ein Mensch, der nein sagt. Aber wenn er ablehnt, verzichtet er doch nicht,
er ist auch ein Mensch, der ja sagt aus erster Regung heraus."

Albert Camus aus: »Der Mensch in der Revolte«

Camus beantwortet seine anfängliche Frage damit, dass das Töten mit der Revolte nicht vereinbar ist. Die Freiheit des Revoltierenden endet bei der Freiheit des anderen Menschen. Die Revolte negiert die Revolution, da sie die Gewalt annimmt. Die Revolte macht der vollständigen Freiheit den Prozess. Sein Fazit lautet, dass der Mord keiner Rechtfertigung bedarf.

Jean-Paul Sartre nahm Camus »Der Werk den Mensch in der Revolte« zum Anlass zur Kritik. Er kritisiertedie unterschiedliche Auffassung in Bezug auf Hegel und Marx. Camus endete mit der Überlegung, dass man in einer hellenistischen Gesellschaft leben sollte. Für Jean-Paul Sartre hat das menschliche Sein immer mit der Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft zu tun. Er fordert Engagement in der Situation, dieses bedeutet, sich auf die Zukunft hin zu entwerfen. Das vermisste er bei Camus.

In Camus' umstrittenem Werk, wegen dem sich sein langjähriger Freund Jean-Paul Sartre von ihm abwandte, vertritt er die Überzeugung, dass die gesamte Periode nach der französischen Revolution durch den Nihilismus geprägt wurde und ihn bis heute nicht überwunden hat.

Zur Unterstützung seiner Thesen führt Camus exemplarisch die zwei politischen Hauptströmungen des 20. Jahrhunderts und schließlich deren Scheitern im Nihilismus an. Zum einen den Nationalismus, der durch den "Nerobefehl" in den letzten Zügen des Dritten Reichs, den einzigen Wert, den der Rasse, verleugnete. Zum anderen den Kommunismus, der mit seiner angeblichen Liebe zum zukünftigen sozialistischen Menschen, die schlimmsten Verbrechen rechtfertigte. So unterschieden sich der sowjetische Gulag und die Konzentrationslager der Nazis nur durch theoretische Überlegungen, nicht aber in der Konsequenz.

Camus entzieht sich den Dogmen der Extreme und versucht, das in unserer Zeit verloren gegangene Maß wiederzufinden. Er relativiert, indem er eines nicht relativiert, und zwar den Wert des Lebens. Er versucht dem Leben wieder einen schöpferischen Wert zu geben, doch nicht durch Religion, sondern durch Rückbesinnung auf die menschliche Schöpferkraft, dem Menschen als Künstler. Aber auch als Politiker, der in der Revolte sein Ausdrucksmaß gegen die Ungerechtigkeit in der Welt findet, aber deshalb nicht zum Misanthrop und Massenmörder wird.

Camus ist dabei zu keiner Zeit naiv, denn er weiß, dass es zu allen Zeiten Leid und Elend auf der Welt geben wird, und dass Iwan Karamasovs Schrei nach dem "Warum?" ewiglich durch die Geschichte der Menschheit hallen wird. Vielmehr versucht er Wege zu zeigen, um dieser Welt, trotz allem Leid und Elend, wieder einen Wert und eine Schönheit zu geben, die sie in unserer Zeit verloren zu haben scheint.

Albert Camus

Er wurde früh sehr stark vom französischen Existenzialismus und von dem Philosophen Jean-Paul Satre geprägt, dessen Bekanntschaft er 1944 machte. Der Existenzialismus entsprach einem Lebensgefühl, das von der Erfahrung des Zweiten Weltkriegs, des politischen Widerstands in der Résistance und des Zerfalls traditioneller Wertordnungen und Orientierungen geprägt ist. Es findet seinen Ausdruck in einer besonderen Sensibilität für die Absurdität der menschlichen Existenz, die für diese Generation von Philosophen charakteristisch ist.
Für Albert Camus ist die Revolte die Unvernunft und das Unverständnis über das menschliche Leben
Der Mensch in der Revolte

In den Nachkriegsjahren war er zusammen mit Jean-Paul Sartre - mit dem ihn kurze Zeit auch ein freundschaftliches Verhältnis verband - einer der Vordenker des Existentialismus. Sein bekanntestes philosophisches Werk aus dieser Zeit ist die Essay-Sammlung »Der Mensch in der Revolte« (1947-1951), die ihm neben viel Beifall auch vielerlei Polemik eintrug, nicht zuletzt die von Sartre, der ihm den Verrat linker Ideale vorwarf.

Sein literarisches Schaffen bewegt sich zwischen Dichtung und Essayistik auf der Grundlage einer Philosophie von der Sinnlosigkeit des menschlichen Daseins und vom Versagen des Gewissens. Den Existenzialismus deutete er in eine Philosophie von der Sinnlosigkeit des menschlichen Daseins.

Die Ausgangsposition von Camus atheistischer Weltanschauung lautet: Es gibt keinen Gott. Die Existenz des Menschen ist sinnlos. Was dem Einzelnen in dieser Situation bleibt, ist die Revolte. Die "permanente Revolte" sah er als Weg zur Überwindung des Absurden an. Der Mensch muss in der Lage sein, die Last der Sinnlosigkeit zu ertragen, Selbstverantwortung übernehmen und nach Glück streben. Nur so wird er Herr seines Schicksals und kann der die Absurdität des Lebens überwinden.

Literatur:

Der Mensch in der Revolte
Der Mensch in der Revolte
von Albert Camus


Weblinks:

Camus lebt - www.camus-lebt.de

Ich revoltiere, also leben wir - www.camus-lebt.de

Samstag, 16. Februar 2019

Wann ist die Revolte gerechtfertigt?


"Das Leben ist eine missliche Sache", sagte einst der junge Schopenhauer zu dem 78-jährigen weisen Dichter Wieland in Weimar. Ja, Schopenhauer hatte Recht, das Leben ist wirklich für viele zu einer misslichen Sache geworden.

Wird die strukturelle Gewalt der Staatsmacht unkontroliert gegen die Demonstanten angewendet, ist dies ein deutlicher Ausdruck der Jakobiner-Herrschaft unter Robespierre ab 1793.- Ist Macron gar ein Jakobiner?

Obwohl Macron Armeen von Polizisten, in der Regel wird einem demonstrierenden Bürger ein Polizist zur Seite gestellt, mobilisiert, gehen wieder Tausende mutiger Demokraten auf die Straße. Die mutigen Bürger und Menschen in der Revolte werden mit Tränengas und Gummigeschossen bedroht. Die Demonstranten riskieren bei ihrer Revolte auf der Straßen von Paris ihre Gesundheit für das durch die Politik gefährdete Allgemeinwohl.

Es gibt unterschiedliche Betrachtungsweisen der Rechtfertigung der Revolte. Sozial gerechtfertigt ist die Revolte bei politisch gewollter, immer mehr zunehmender sozialer Ungerechtigkeit, welche zur Spaltung der Geesellschaft führt, aber ist das Ausmaß der sozialen Ungerechtigkeit nicht schon jetzt ein Ausdruck von Absurdität?

Der Mensch in der Revolte

Für Albert Camus ist die Revolte die Unvernunft und das Unverständnis über das menschliche Leben. Camus stellte in seinem Essay »Der Mensch in der Revolte« die Sinnfrage und versuchte, dem Leben eines Menschen auch in krisenhaften Situationen einen Sinn zu geben, um seine Existenz zu rechtfertigen. Bei der Frage »Wann ist die Revolte gerechtfertigt?« geht es auch um die Frage der politischen Philosophie, ob der Mensch zum Gehorsam verpflichtet ist gegenüber seinen Eltern, seinen Vorgesetzten, dem Staat), oder ob jeder Einzelne ein unveräußerliches Recht auf Ungehorsam hat.

Dabei stellt sich in erster Linie die Frage nach dem "immer" oder dem "niemals", denn wer danach fragt, wann der Ungehorsam zulässig ist, räumt ein, dass er es unter Umständen sein kann - aber eben auch nicht immer. Fernab von radikalen Positionen lässt sich hieraus eine im Wesentlichen gemäßigte Maxime des Ungehorsams, einen "goldenen Mittelweg" entwickeln , der sich ebenso vom totalen Widerstand wie vom extremen Konservativismus abhebt.



Literatur:

Empört euch« von Stéphane Hessel
Empört euch
von Stéphane Hessel

Der Mensch in der Revolte
Der Mensch in der Revolte
von Albert Camus


Weblinks:

Camus lebt - www.camus-lebt.de

Ich revoltiere, also leben wir - www.camus-lebt.de

Samstag, 2. Februar 2019

Moral muß man sich leisten können

Greta Thunberg auf dem Weltwirtschaftsforum in Davos

Es wird Zeit für deutliche Worte, findet Greta Thunberg. Die 16-Jährige Umweltaktivistin hat Topmanagern und Spitzenpolitikern beim Weltwirtschaftsforum in Davos Versagen beim Klimaschutz vorgeworfen. Ihr Klima-Appell in Davos: "Ich will, dass ihr in Panik geratet."

Ein ehrbares Ansinnen, obwohl Panik nicht gerade rationelles Handeln begründet - das Kleben am Mammon tut das auch nicht - auch wenn die Klassische Ökonomie etwas anderes vorgaukelt. Aber die Technophilen, die unser Schicksal von Innovationen abhängig machen, vom bloßen Wandel des Brennstoffzyklus, denken nicht weit genug.

Dass sich nun 14 bis 18-jährige Schülerinnen und Schüler mit klaren Worten dazu aufstellen, ist ein Beweis dafür, dass es ein neues Bewußtsein in der Jugend gibt, weil deren Leben in der Zukunft eindeutig bedroht ist.

Doch soviel Moral muß man sich erst einmal leisten können. Nur aus einer privilierten Sicht ist es möglich, moralische Wertungen vorzunehmen, aber auf welcher Grundlage will sich eine 16-jährige ein Urteil bilden? Und braucht man ein Kind, um auf gravierende Mißstände hinzuweisen und das auszusprechen, was Erwachsenen versagt ist?



Samstag, 26. Januar 2019

»Denken heilt!: Philosophie für ein gesundes Leben« von Albert Kitzler


Denken heilt!: Philosophie für ein gesundes Leben

»Denken heilt!: Philosophie für ein gesundes Leben« von Albert Kitzler ist ein philosophischer Ratgeber für Menschen, die ihre Mitte, Gesundheit und ein erfülltes Leben suchen. Albert Kitzler, selbst Philosoph, versteht es wie kein Zweiter, einen Zugang zur Philosophie der Antike zu schaffen und die Weisheit der antiken Philosophen mit dem modernen Leben zu verknüpfen.

Albert Kitzler geht in seinem Buch von der schon seit Jahrhunderten von Philosophen in Ost und West propagierten These aus, dass geistiges Wohlbefinden auch das körperliche beeinflusst, dass also seelisches Ungleichgewicht, geistige Belastungen wie Ängste, Sorgen, das Gefühl der Überanstrengung, heftiger Zorn, Trauer deutliche Auswirkungen auf das körperliche Wohlbefinden haben.

Nach und nach nimmt er sich alle negativen Geisteshaltungen vor, analysiert sie und gibt anhand der klassischen Philosophielehren von Ost und West (Seneca, Platon, Konfuzius - um nur einige zu nennen) Anregungen, wie diese nicht unterdrückt sondern an der Entstehung gehindert werden sollen. Er weist ausdrücklich darauf hin, dass es sich bei diesen Schritt für Schritt erklärten, individuell auf das negative Gefühl angepassten Strategien nicht um Sofortmaßnahmen handelt,sondern dass die erstrebten Ziele ähnlich wie bei körperlicher Ertüchtigung nur durch kontinuierliche, möglichst tägliche Übung zu erreichen sind.

Albert Kitzler ist überzeugt: Das Weisheits-Wissen von antiken Philosophen wie Seneca, Buddha, Konfuzius und anderen Denkern der Antike ist ein wirkungsvolles Heilmittel, um mit diesen Lebensfragen fertigzuwerden. In seinem neuen Sachbuch übersetzt er das Gesundheits-Wissen antiker Philosophen und Denker aus Ost und West anschaulich in unsere Lebenswirklichkeit und macht ihre philosophische Weisheit als Therapeutikum nutzbar – als Weg zu Ausgeglichenheit und Daseinsfreude und zum Wohl unserer Seele.

Albert Kitzler versteht es dabei sehr gut, das antike Denken in unsere Zeit zu übersetzen. So erstrahlen die Gedanken von Seneca, Laotse und Konfuzius in neuem Glanz und es macht Freude, ihren Einsichten zu verfolgen. Am Ende jeden Kapitels gibt es eine Übersicht über die Heilmittel gegen Überlastung und Co., die einfach zu verstehen sind und doch zeigen, wie klar und tiefgründig die Denker schon vor 2000 Jahren dachten. Auch Platons Mitmenschen litten unter Burnout, deshalb ist die antike Philosophie für ein gesundes Leben so aktuell wie nie zuvor.

In seinem Buch stellt der Autor die antiken Heilmethoden gegen solche krankmachenden Eigenschaften und Angewohnheiten vor. Denn auch Platon, Konfuzius und Buddha haben über die Ursachen von Überlastung, Stress und Hochmut nachgedacht und nach Rezepten dagegen gesucht. Noch heute sind die Gedanken der Philosophen aus West und Ost lesenswert. Inzwischen konnten anhand neuer Forschungsergebnisse zahlreiche Erkenntnisse der Antike sogar wissenschaftlich belegt werden.

In diesem Buch geht es um die Gesundheit: Der Alltag fordert den Menschen viel ab - Stress, Unruhe, Erschöpfung und manchmal sogar Angst sind die Folge und belasten die Psyche. Wir tun viel, um gesund zu bleiben. Wir treiben regelmäßig Sport und ernähren uns ausgewogen. Häufig übersehen wir aber den großen Einfluss, den Gedanken und Einstellungen auf unsere Gesundheit haben: So kann Eifersucht zu Bluthochdruck führen, ein Burnout das Herzinfarktrisiko begünstigen und Hass und Neid uns alt aussehen lassen. Das wussten schon die Philosophen der Antike. Wer Gefühle wie Neid und Eifersucht oder Symptome wie Stress hinterfragen möchte, macht mit diesem Buch einen guten Griff.

Literatur:

Denken heilt!: Philosophie für ein gesundes Leben
Denken heilt!: Philosophie für ein gesundes Leben
von Albert Kitzler

Samstag, 19. Januar 2019

Konfuzius - der grosse Gelehrte Chinas

Konfuzius

Vor 2.500 Jahren wurde ein Mann geboren, dessen Ideen das Leben von Milliarden Menschen prägten - und das Denken einer ganzen Nation. Seine Heimat war China. Sein Name war Kong-tse. Der Westen kennt ihn als Konfuzius. Doch wer war der Gelehrte? Was ist sein Erbe? Und inwieweit ist sein Gedankengut noch heute aktuell?

Die Lehren des Konfuzius sind jedem ein Begriff. Doch außerhalb Asiens weiß man nur wenig von ihm. Wer war Konfuzius? Wie hat er gelebt? Und inwiefern wurde seine Philosophie von den geschichtlichen Ereignissen seiner Zeit beeinflusst? Die Lehren des berühmten Philosophen sind mit prägenden Ereignissen seines Lebens verknüpft: Seine mysteriöse Geburt auf einem heiligen Berg, seine Wanderjahre durch die chinesischen Provinzen der kriegsgeschüttelten Vorkaiserzeit und die Gründung seiner Schule kurz vor seinem Tod. Seine ergebensten Schüler verpflichteten sich, seine Weisheiten weiterzugeben, welche die Geistesgeschichte weltweit beeinflussen sollten.

"Wer ständig glücklich sein möchte, muss sich oft verändern."

Konfuzius

Konfuzius' Geschichte ist eng mit der seines Landes verbunden. Der Philosoph starb 479 vor Christus, wurde aber erst Jahrhunderte später zu der historischen Figur, die er heute ist. Seine Lehren spiegeln ihre unruhige Entstehungszeit wider und drehen sich um menschliche Grundwerte: Familie, Freundschaft, Bildung, Staatsführung und das schwierige Gleichgewicht zwischen egoistischem Verlangen und sozialer Verantwortung.

"Tugend ist, die Menschen zu lieben,
Weisheit, sie zu verstehen."


Konfuzius

Um 100 vor Christus machten die chinesischen Kaiser diese Ideen zur Grundlage der chinesischen Kultur und Bildung - angefangen bei Ahnenkult und staatlichen Feierlichkeiten bis hin zum Gao Kao, der jährlichen Abschlussprüfung der chinesischen Gymnasiasten.

"Menschen stolpern nicht über Berge, sondern über Maulwurfshügel."

Konfuzius

Im ersten Jahrhundert nach Christus wurde Konfuzius zur nationalen Kultfigur. Noch heute wird er in prunkvollen Zeremonien gefeiert, nicht nur in China, sondern auch in Vietnam, Südkorea und Japan. Konfuzius und seine Philosophie ist in Asien lebendiger denn je. Und er ist bis heute ein geschätzter Ratgeber für viele Alltagssituationen.

Konfuzius hasste Unruhestifter, denn er lebte in einer unruhigen Zeit. Die wichtigste politische Idee ist die der grossen Harmonie.

Konfuzius, eigentlich Kongzi, verstand sich nicht als Philosoph, sondern als Lehrer der Werte, die sich im öffentlichen wie privaten Leben bewähren: Nächstenliebe, Gewissenhaftigkeit und Ehrfurcht vor der Hierarchie des Staates. Seine Lehrsätze, in Harmonie mit den Gesetzen des Kosmos gedacht, prägten Politik und Kultur in China, dann in ganz Ostasien. Die praktische Moral des Konfuzius kommt ohne Metaphysik aus, sie wendet sich dem Alltag zu.

Aus seinen Lehren entstand der Konfuzianismus, der Begriff für Philosophien und politische Vorstellungen, die sich in die Tradition des Konfuzius und seiner Schüler stellen - eine Religion, die in Ostasien etwa 300 Millionen Anhänger hat. Die Bedeutung von Konfuzius Lehre liegt in der praktischen Lebensphilosophie und in der Lehre der Weisheit des Gelehrten. Im Zentrum der Lehre steht der Mensch als Teil der Gesellschaft. Dieser soll nach moralisch-ethischer Vervollkommnung streben und sich hierfür an den fünf Konstanten bzw. Kardinaltugenden orientieren.


Weblinks:

Konfuzius-Biografie - www.die-biografien.de

Konfuzius-Zitate - www.die-zitate.de



Literatur:

Konfuzius
Konfuzius
von Volker Zotz

Konfuzius
Konfuzius
von Heiner Roetz


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Samstag, 5. Januar 2019

Was ist das Erbe der Aufklärung?

Ein grosser Aufklärer und Liberaler: Immanuel Kant Gemälde um 1790. (PD)

Wie keine andere Denkrichtung will die Aufklärung durch bloße Anleitung zur Vernunft, Demokratie, Diskurs und Achtung von Anderen (durch Toleranz, Gleichbehandlung und Solidarität) niemandem eine Weltsicht aufzwingen, sondern ganz im Gegenteil vor dem Hereinfallen auf Dogmen bewahren. Stellvertretend dafür steht Immanuel Kants Leitspruch der Aufklärung: „Habe Mut, dich deines eigenen Verstandes zu bedienen!“ Zugleich zielen diese Werte unzweifelhaft auf ein friedliches Zusammenleben in geordneten Bahnen. Sodann bleibt Raum für aufgeklärte Religiosität, Atheismus oder auch politischen Pluralismus auf dem Boden der Demokratie.

"Aufklärung ist der Ausgang des Menschen aus seiner selbst verschuldeten Unmündigkeit. Unmündigkeit ist das Unvermögen, sich seines Verstandes ohne Leitung eines anderen zu bedienen. Selbstverschuldet ist diese Unmündigkeit, wenn die Ursache derselben nicht am Mangel des Verstandes, sondern der Entschließung und des Mutes liegt, sich seiner ohne Leitung eines anderen zu bedienen. Sapere aude! Habe Mut dich deines eigenen Verstandes zu bedienen! ist also der Wahlspruch der Aufklärung."

Immanuel Kant: "Was ist Aufklärung", Einleitung.

Die Aufklärung setzt die Begabung und Fähigkeit des Menschen zur Vernunft voraus, welche zwingend benötigt wurd, um die selbst verschuldete Unmündigkeit zu überwinden. Aufklärung und Vernunft bedingen sich einander und sind wechselseitig nötig, um zu wirken. Was für die Aufklärung noch fehlt, ist reflexives Bewußtsein, denn ohne dieses ist jene nicht möglich.

Die aufklärerische Vernunft wird mit Kritik angereichert und dadurch reflexiv eingeholt. Nur die über ihre eigene Geschichte und ihre blinden Flecke aufgeklärte Vernunft kann der ursprünglichen Intention einer Emanzipation durch Kritik unter den komplexen Bedingungen der Gegenwart gerecht werden.

Aufklärung wird zunächst immer durch die Gegenmacht betrieben, da die Herrschenden kein Interese an einer Veränderung haben, sondern ihren status quo zu erhalten suchen, haben sie auch kein Interesse an der Aufklärung über bestehende gesellschaftlichen Zustände mit der Folge, daß aufgeklärte kluge Geister werden als Ketzer gebrandmarkt werden.

Die Aktualität einer notwendigen Thematisierung von Aufklärung angesichts des sich im Kontext allgemeiner Globalisierung vollziehenden kulturellen Wertewandels und der Radikalisierung grundsätzlicher Menschheitsfragen durch die Möglichkeiten moderner Bio- und Gentechniken und allgemeiner medialer und digitaler Vernetzungen aller Kultur- und Wissensprozesse, eine Problematik, die unter dem Stichwort von der "Zukunft des Humanen" tief in die menschliche Lebenspraxis hineinreicht und zu verhandeln ist.

Denis Diderot, David Hume, Laurence Sterne, Jean-Jacques Rousseau und viele andere Denker des 18. Jahrhunderts streiten um eine zeitgemäße Philosophie, die die Religion hinter sich lässt und allein auf die Kraft des Verstandes setzt, aber auch den Leidenschaften angemessenen Platz einräumt. Kants Aufklärung verfolgte einen metaphysischen Ansatz und war eine Aufklärung der reinen Anschauung.

Rousseau habe in Wirklichkeit ein zutiefst pessimistisches Menschenbild vertreten und mit seiner Philosophie die Fundamente einer repressiven und brutalen Gesellschaftsordnung gelegt. Er habe nur das christliche Menschen- und Weltbild übernommen und es in eine neue Philosophie verpackt. Daraus seien u.a. der Große Terror unter Robespierre und die totalitären Ideologien des 20. Jahrhunderts entstanden. Beide Philosophien werden von Blom ausführlich beschrieben. Kritik wird auch an Voltaire geübt, da dieser nach Blom viel mehr am eigenen Wohlstand interessiert gewesen sei und unbedingt als Aushängeschild der Aufklärung dienen wollte. Deshalb habe er sich nicht gegen die Kirche, sondern gegen Teile der radikalen Aufklärer gewandt.

Bis heute bestimme dieses alt-christliche und nur in neuer Form verpackte Weltbild von Rousseau unser Denken. So würden wir immer noch in Kategorien wie „Erlösung“ und „Verdammnis“ verweilen und Angst vor scheinbar unlösbaren Problemen haben, wie etwa dem Klimawandel, nuklearen Kriegen oder zerstörerischen Asteroiden. Auch deshalb seien wir so anfällig für Ideen wie dem Sozialismus, dem vollkommenen Markt oder Science-Fiction, da dies als eine Art Ersatzhimmel wirke. Dieses Verständnis spiegele sich u.a. in der Sexualmoral, der Werbung, dem Gesundheits- und Jugendkult, der Filmbranche sowie in der Ablehnung radikaler Wissenschaft wie Stammzellenforschung und Gentechnik wider.

Aufgeklärte kluge Geister wie Diderot und Holbach hingegen werden als radikale Atheisten und Religions- sowie Kirchenkritiker beschrieben, welche die Ideen von Naturalismus, Materialismus, Sensualismus, Pragmatismus, Relativismus sowie jede Form von Gleichberechtigung und Feminismus teilten. Sie seien Vordenker der Evolutionstheorie gewesen, hätten schon theoretische Erkenntnisse über die DNA, die Natur der Atome, psychologische Erklärungsmodelle und vielem mehr gehabt, was erst Jahrhunderte später wissenschaftlich bewiesen wurde. Sie glaubten nicht an einen Sinn des Lebens, außer dem des Überlebens, Linderung von Schmerzen und Förderung des Genusses. Sie entwickelten eine Moral von Freiheit und Leidenschaft, deren einziges Prinzip sei; alles ist gut, was dem Menschen langfristig gut tut und umgekehrt. Dies solle zu einer Gesellschaft führen, welche von gegenseitigem Respekt getragen wird.

Die Gründe für das weitgehende Scheitern der Philosophie der radikalen Aufklärer und deren Unbekanntheit gegenüber Philosophen wie Voltaire, Kant oder Rousseau sei gewesen, dass sowohl zunächst die Vertreter der Französischen Revolution, als auch später die europäischen Monarchen insbesondere infolge des Imperialismus viel mehr an ihrer eigenen Macht sowie an der Ausbeutung der Kolonien und deren Bewohnern durch Sklaverei interessiert gewesen seien. Eine Gleichwertigkeit aller Menschen und Kulturen, wie sie von Diderot und Holbach vertreten wurde, hätte dem Imperialismus die Legitimität entzogen.

Blom kommt zu dem Schluss, unser Festhalten am vermeintlichen Sinn des Lebens sei nichts weiter als Narzissmus. Die Philosophen um Holbach und Diderot hätten dieses Prinzip umgekehrt: Nur aus der Sinnlosigkeit entstehe Ethik. Und aus dieser Einsicht entstehe das, was schon Epikur gefordert habe: Der ständige Versuch, die eigenen Leidenschaften zu verfeinern und zu lenken, statt sie zu verleumden, das eigenen Glück in dieser Welt zu finden, der eigenen Umwelt so wenig wie möglich zu schaden und so viel Gutes wie möglich zu schaffen.

Literatur:

Vernunft der Aufklärung - Aufklärung der Vernunft
Vernunft der Aufklärung - Aufklärung der Vernunft
von Konstantin Broese und Andreas Hütig

Kritik der zynischen Vernunft
Kritik der zynischen Vernunft
von Peter Sloterdijk


Weblinks:

Böse Philosophen. Das vergessene Erbe der Aufklärung

Was ist das Erbe der Aufklärung? - www.nzz.ch

Sonntag, 30. Dezember 2018

Robert Spaemann gestorben

Robert Spaemann

Der Philosoph und Autor Robert Spaemann ist im Alter von 91 Jahren in Stuttgart gestorben. Er war ein kluger und tiefschürfender Kopf mit einem umfassenden philosophiegeschichtlichen Horizont. Der konservative Denker beschäftigte sich mit der Ideengeschichte der Neuzeit, mit Naturphilosophie, Problemen der Ethik, der Politischen Philosophie und der Religionsphilosophie.

Robert Spaemann studierte Philosophie, Theologie, Geschichte und Romanistik in Münster, München, Fribourg und Paris. 1952 promovierte er in Münster bei Joachim Ritter und habilitierte sich dort 1962, nach einem Intermezzo als Lektor beim Stuttgarter Kohlhammer Verlag, mit einer Studie über den französischen Theologen und Schriftsteller François Fénelon. Er lehrte dann Philosophie in Stuttgart (bis 1968), Heidelberg (bis 1972).

Spaemann war ordentlicher Professor für Philosophie an den Universitäten Stuttgart (bis 1968), Heidelberg, wo er Hans-Georg Gadamer nachfolgte (1969 bis 1972), und München, wo er 1992 emeritiert wurde. 1962 habilitierte er in den Fächern Philosophie und Pädagogik und war bis 1992 ordentlicher Professor an den Universitäten Stuttgart, Heidelberg und München.


Die Thematiken Spaemanns ergeben sich organisch aus seiner denkerischen Wachsamkeit für das "was in Wahrheit ist". Die ausführlich dargestellten Arbeiten über de Bonald und Fénelon führen weiter zur Entdeckung des teleologischen Denkens, einer Neuformulierung des Natur-Begriffs, einer praktischen Philosophie "über Glück und Wohlwollen" (in Nachbarschaft zu Kant) und schließlich zum Band »Personen. Versuche über den Unterschied zwischen 'etwas' und 'jemand'«, der sich jedem Utilitarismus und jeder Verzweckung des Menschen widersetzt. Spaemann war wie kein anderer ein Philosoph der Ökologie nicht nur der Umwelt, sondern auch des Menschen selbst. So lehnte er entschieden Atomwaffen, Kernenergie und Genmanipulationen ab.

In seinem wissenschaftlichen Werk beschäftigte sich Spaemann mit der Ideengeschichte der Neuzeit, mit Naturphilosophie, Problemen der Ethik, der Politischen Philosophie und der Religionsphilosophie. Beachtet wurde sein Engagement in zeitgenössischen Debatten in Gesellschaft und Kirche. Seine Hauptwerke – »Glück und Wohlwollen« (1989) und »Personen« (1996) – wären ohne diese Auseinandersetzungen kaum zu denken.

Betrachtet man Spaemanns literarisches Werk, dann fällt auf, dass er stets zweigleisig gefahren ist. Es gibt die philosophischen Bücher wie etwa »Glück und Wohlwollen – Versuch über Ethik« (1989) oder »Personen – Versuche über den Unterschied zwischen ‚etwas‘ und ‚jemand‘« (1996), von denen die meisten bei Klett-Cotta in Stuttgart erschienen sind. Sie richten sich an die Gebildeten unter den Verächtern der Religion. Und es gibt die „Christlichen Reden“ für die schon Überzeugten, veröffentlicht in einem katholischen Verlag in der Schweiz.

Spaemann war ein enger Berater der Päpste Johannes Paul II. und Benedikt XVI., deren Ansichten er besonders in Fragen der Bedeutung der Naturrechtslehre für die Ethik nahestand. Er schrieb zeitkritische Beiträge zu ethischen, politischen und religiösen Fragen für überregionale Zeitungen und internationale Fachzeitschriften. Seine Positionen, insbesondere zur Ökologie und zur Bioethik, werden über die Grenzen verschiedener Weltanschauungen und Parteien hinaus beachtet.


Literatur:

Personen – Versuche über den Unterschied zwischen ‚etwas‘ und ‚jemand‘
Personen – Versuche über den Unterschied zwischen ‚etwas‘ und ‚jemand‘
von Robert Spaemann

Freitag, 21. Dezember 2018

Halkyonische Tage

Die Halkyon ist ein antiker literarischer Dialog in altgriechischer Sprache, der dem Philosophen Platon zugeschrieben wurde, aber sicher nicht von ihm stammt. Die Unechtheit wurde schon in der Antike erkannt. Der unbekannte Verfasser, der angeblich Leon hieß, lebte anscheinend in der hellenistischen Zeit.

Der Dialog spielt sich zu Lebzeiten des Sokrates († 399 v. Chr.) ab, noch vor der Machtergreifung des oligarchischen Rats der Dreißig („Dreißig Tyrannen“) im Jahr 404 v. Chr., die Chairephon zwang, ins Exil zu gehen. Der historische Chairephon war ein Altersgenosse, Schüler und Freund des Sokrates.

Eine Rahmenhandlung fehlt, das Gespräch setzt unvermittelt ein. Die beiden Gesprächspartner befinden sich auf einem Spaziergang am Meerufer bei Phaleron in der Nähe von Athen. Es ist die Zeit der vierzehn „halkyonischen Tage“ im Dezember um die Wintersonnenwende.

Die halkyonischen Tage wurden im antiken Griechenland wegen des in diesem Zeitraum gewöhnlich heiteren Wetters und der Windstille geschätzt. Sie wurden nach der Halkyon, dem Eisvogel, benannt, denn man nahm an, dass das Eisvogel-Weibchen um diese Zeit nistet und brütet.

Samstag, 1. Dezember 2018

Kirchenleere wegen Kirchenlehre

Die herrschende Kirchenleere ist nicht zu übersehen wie auch die allgemeine Konzeptlosigkeit, dagegen etwas zu tun. Es mutet etwas hilflos an, wenn die Evangelische Kirche meint, mit dem Versand von Bierdeckeln Christen an ihre Kirche zu erinnern. Warum tun Bischöfe und Pfarrer nicht das, was ihre Vorvorgänger, die Apostel Petrus und Paulus getan haben?

Diese beiden Aposteln haben bei ihren Missionsreisen in den jüdischen Synagogen gepredigt, und sind danach in die Öffentlichkeit gegangen, um dort den Menschen, wie fromme Leute es ausdrücken: „ Die frohe Botschaft von Jesus Christus“ zu verkündigen. Hätten sie nur in Synagogen gepredigt, gäbe es wahrscheinlich keine christlichen Kirchen.

Wenn Bischöfe und Pfarrer in den Fußgängerzonen den Kontakt zu den Bürgern suchen würden, und das Neue Testament verteilen, dann erfahren sie auch, was der Bürger von der Kirche erwartet. Dabei könnten sie auch, wie Martin Luther es ausdrückt, dem Menschen aufs Maul schauen, und erfahren, was er denkt. Wenn die Hirten der Herde vorangehen, dann folgen auch die Schäfchen. Vergleiche ökumenischer Kreuzweg in der Karwoche.

Zum Schluss ein Zitat des Theologen Klaus Harms, (1778 - 1855) „Die herrschende Kirchenleere, kommt von der herrschenden Kirchenlehre“.

Samstag, 24. November 2018

Dostojewski und die Schuld

Dostojewski

In seinen leidenschaftlichen, abgründigen Romanen begegnet man Ausgestoßenen, Schwachsinnigen, exaltierten Spielern – und vor allem Mördern. Als Meister des metaphysischen Krimis lässt uns der russische Schriftsteller Dostojewski in die Abgründe der menschlichen Natur blicken.

Wir erscheinen darin als gespaltene Wesen, hin- und hergerissen von gegensätzlichen Kräften: Liebe und Hass, Wahrheit und Lüge, Gut und Böse – stets gefangen in Versuchung. Jedes Verbrechen, ob mit oder ohne Gewissensbisse begangen, zieht in der Realität notwendigerweise eine Strafe nach sich. Dostojewski geht sogar noch weiter: Ihm zufolge sind wir alle schuldig. Das Gefühl der Schuld ist nichts Zufälliges, sondern die Grundlage aller Existenz.

Der russische Schriftsteller Dostojewski kannte den Sumpf der Schuld wie seine Westentasche. Er ist 17 Jahre alt, als er vom Tod seines Vaters erfährt – einem niederen Adligen und Alkoholiker, der seine Umgebung gern schikanierte. Vermutlich wurde er von seinen Leibeigenen ermordet; das juristische Verfahren dazu wird jedoch eingestellt. Angesichts dieser symbolischen Leere musste der junge Dostojewski sich fragen, wer die größere Schuld trug: der adelige Vater, der seine Bauern tyrannisierte, oder die Untergebenen, die ihren Herrn hassten? Hat nicht auch er den Tod seines Vaters herbeigewünscht? In einem Brief, in dem er die Ermordung seines Vaters erwähnt, kommt er zu dem Schluss: „Der Mensch ist ein Geheimnis (…) Ich beschäftige mich mit diesem Geheimnis, denn ich will ein Mensch sein.“

In den folgenden Jahren steht Dostojewski den utopischen Sozialisten nahe und empört sich über die Ungerechtigkeit der Leibeigenschaft, der Zensur und der Willkür des Zaren. Doch seine Überzeugungen werden mit Strafen quittiert. 1849 wird er schließlich verhaftet und zum Tode verurteilt. Am Tage der Hinrichtung selbst wird seine Strafe umgewandelt in vier Jahre Arbeitslager und anschließend sechs Jahre Verbannung nach Sibirien. Am selben Abend schreibt er seinem Bruder: „Noch nie sind mir so reichhaltige und gesunde Vorräte an geistigem Leben aufgekeimt wie jetzt.“ Er hat seine Rettung in dieser Prüfung gefunden, als ob das Verbüßen einer Strafe ihn von einer noch grundlegenderen Schuld befreien würde.

Dostojewskis gesamtes Werk ist durchzogen von der Suche nach einer Antwort auf die Frage der Schuld: Woher kommt sie? Und vor allem: Wie damit umgehen? In „Schuld und Sühne“ stellt Dostojewski die (seiner Ansicht nach vergeblichen) Versuche dar, sich ihrer zu entledigen. Der Protagonist Raskolnikow ist ein stolzer Student, der versucht, „ohne Kasuistik“ und ohne Gewissensbisse zu töten. Er ermordet eine Wucherin und deren Schwester, um ein wenig Geld zu stehlen. Der Roman zeigt Raskolnikows langsamen Weg zur Anerkennung der eigenen Schuld. Dostojewski stellt dabei einige „entschuldigende“ Ideologien seiner Zeit an den Pranger. Eine davon, die sogenannte „Milieutheorie“, spricht jede schlechte Handlung im Namen gesellschaftlichen Leides frei. Doch Dostojewski zufolge müsse „das Laster immer noch Laster genannt“ werden. Er kritisiert auch die Psychiatrie seiner Zeit, die Verbrecher für nicht schuldfähig erklärt mit der Begründung eines „plötzlichen Wahnsinnsanfalls“. Der junge Mörder Raskolnikow hingegen, der sich der Polizei gestellt hat, versucht gar nicht zu entkommen! Dostojewski lehnt jene Theorien ab, die Schuld als situativen Automatismus verstehen, und sieht in der Schuld mehr als nur eine situationsbedingte Verirrung.

Als Dostojewski zehn Jahre später aus Sibirien zurückkehrt, ist er sich seines Erfahrungsschatzes bewusst. Anders als die großen Schriftsteller seiner Zeit hatte er Umgang mit dem einfachen Volk, hat dessen Abgründe und Schönheiten studiert. Er ist davon überzeugt, den Charakter des Verbrechers verstanden zu haben, und spricht von nun an nur noch über den Unterschied zwischen der Unschuld vor dem Gesetz und der inneren Schuld, wenn er in seinen Romanen über intellektuelle Mörder schreibt („Schuld und Sühne“), über Mörder aus Leidenschaft („Der Idiot“), über Menschen, die aus politischen Gründen töten („Die Dämonen“), und schließlich über Vatermörder („Die Brüder Karamasow“). Hatte Dostojewski selbst sich etwas vorzuwerfen? Er hatte einen schwierigen Charakter und seine Feinde haben sich bemüht, ihm die scheußlichsten Verbrechen anzuhängen. Dostojewski, den der Schriftsteller Iwan Turgenew „unseren Sade“ nannte, war Gegenstand hartnäckiger Gerüchte über angebliche sexuelle Gewalt an Minderjährigen.

http://philomag.de/dostojewki-und-die-schuld-schriftsteller/ Dostojewski und die Schuld

Mittwoch, 21. November 2018

Friedrich Schleiermacher 250. Geburtstag

Friedrich Schleiermacher

Friedrich Schleiermacher wurde vor 250 Jahren am 21. November 1768 in Breslau, Schlesien geboren. Friedrich Schleiermacher war ein deutscher evangelischer Theologe, Altphilologe, Philosoph, Publizist, Staatstheoretiker, Kirchenpolitiker und Pädagoge. Der Theologe gilt als protestantischer Kirchenvater des 19. Jahrhunderts.

Schleiermacher wurde von der Tradition des Pietismus der Herrnhuter Brüdergemeinde geprägt. Er gehörte zum "Schlegelkreis" und gilt als einer der wichtigsten Vertreter des deutschen Idealismus.

1799 entstand sein Frühwerk "Über die Religion. Reden an die Gebildeten unter den Verächtern". Vorübergehend als Universitätsprediger an der Universität Halle wurde Schleiermacher 1810 zum Professor der Theologie der neuen Berliner Universität ernannt.

Wegen der kriegsbedingten zeitweiligen Schließung der Universität Halle nach der Schlacht bei Jena und Auerstedt begab er sich 1807 nach Berlin, wo er ab 1809 als bedeutender und einflussreicher Prediger an der Dreifaltigkeitskirche wirkte und in einem der beiden Pfarrhäuser wohnte. Er trat mit seiner Frau im selben Jahr in Carl Friedrich Zelters Sing-Akademie zu Berlin ein, die sich zu einem geistig kulturellen Zentrum Berlins zu entwickeln begann und der er bis zu seinem Tode angehörte.

Schleiermacher wurde 1810 erster Dekan der Theologischen Fakultät der neugegründeten Berliner Universität. Zugleich wird er Mitglied der »Sektion für den öffentlichen Unterricht« im »Departement für den Kultus und das Unterrichtswesen« des preußischen Innenministeriums.

Schleiermacher wurde 1811 zum Mitglied der »Königlichen Akademie der Wissenschaften« ernannt.

Unter dem Einfluss des Freiherrn vom Stein und Wilhelm von Humboldts setzte er sich für die Gründung der »Friedrich-Wilhelms-Universität« ein, an der er ab 1810 ebenfalls bis zu seinem Lebensende als ordentlicher Professor der Theologie lehrte.

Philosophisch wurde er von Platon beeinflusst, dessen Werk er übersetzte. Mit seinem Werk ("Dialektik", 1811) entwickelte er eine neue philosophische Hermeneutik, die er als "Kunstlehre des Verstehens" bezeichnete.

Der Theologe Schleiermacher lehrte, daß die Religion Einssein des Einzelnen mit dem Unendlichen ist. Religion, so Friedrich Schleiermacher, kommt von Innen. "Religion ist ein Gefühl" - www.deutschlandfunk.de

Genialer Denker der Unendlichkeit - www.evangelisch.de
Reihe zum Theologen Friedrich Schleiermacher - www.pro-medienmagazin.de

Samstag, 17. November 2018

»Jena 1800 - Republik der freien Geister« von Peter Neumann

Jena 1800



Peter Neumann, geboren 1987, lebt als freier Schriftsteller in Weimar und lehrt Philosophie mit Schwerpunkt Deutscher Idealismus an der Friedrich-Schiller-Universität Jena.

Der Autor entwirft ein äußerst lebendiges Bild von Jena - von jenem Jena, welches in Aufbruchstimmung ist.

Jena ist um 1800 eine kleine Studentenstadt in Thüringen mit der höchsten Geniedichte in Deutschland. Im November 1799 ist Jena so etwas wie der geistig-kulturelle Mittelpunkt Deutschlands. Es ist die Zeit der Frühromantik.

Die ersten "freien Geister" sind längst da. Johann Gottlieb Fiche kam schon 1794. Der Autor bezeichnet Fichte als Kants Messias in Jena, er ist ein glühender Anhänger der neuen, kritischen Philoosophie. Noch vor Fichte war Schiller bereits in Jena. Schelling war aus Richtung Dresden im Anmarsch.

Zusammen mit August Schlegel und seiner Frau Caroline Schlegel, seinem Bruder Friedrich und dessen Frau Dorothea chlegel, Johann Gottlieb Fichte, später auch Novalis Tieck prägten die neue „romantische Schule“. Von ihrem unerschütterlichen Glauben an die eigene Mission angetrieben, die Welt zu Romamtisieren.

Mit den Ideen der Französischen Revolution geraten nicht nur die politischen Verhältnisse in Europa ins Wanken. Eine ganze Generation von jungen Dichtern und Philosophen beschließt, die Welt neu zu denken. Die führenden Köpfe – darunter die Brüder Schlegel mit ihren Frauen, der Philosoph Schelling und der Dichter Novalis – treffen sich in der thüringischen Universitätsstadt an der Saale, um eine „Republik der freien Geister“ zu errichten.

Sie stellen nicht nur gesellschaftliche Traditionen in Frage, sie revolutionieren mit ihrem Blick auf das Individuum und die Natur zugleich auch unser Verständnis von Freiheit und Wirklichkeit – bis heute. Farbig und leidenschaftlich erzählt Peter Neumann von dieser ungewöhnlichen Denkerkommune, die nicht weniger vorbereitete als den geistigen Aufbruch in die Moderne.




Literatur:


Jena 1800: Die Republik der freien Geister
von Peter Neumann

Weblink:

Frühromantik

Karl Marx und die Hegelsche Dialektik


Ein wesentliches Anliegen von Marx und Engels war, den Sozialismus von der Utopie zur Wissenschaft zu erheben, damit er nicht bloß geglaubt oder ersehn» werden muss, sondern rational begründet werden kann. Auch seine historisch-materiellen Voraussetzungen sollten benannt werden können. Kurz: Eine Reflexion der Methode wissenschaftlicher Forschung und Darstellung war nötig.

Insbesondere Karl Marx wurde durch Hegels Philosophie geprägt, die ihm durch die Vorlesungen Eduard Gans' bekannt wurde. Marx bezeichnet seine Methode als dialektisch und stellt sich damit bewusst in die Tradition der Hegelschen Philosophie. An ihrem Kern hält er fest, kritisiert aber ihre mystifizierte Form.

Laut Marx ist die Dialektik «dem Bürgertum [...] ein Gräuel, weil sie in dem positiven Verständnis des Bestehenden zugleich auch das Verständnis [...] seines notwendigen Untergangs einschließt, jede gewordene Form [...] auch nach ihrer vergänglichen Seite auffasst, sich durch nichts imponieren lässt, ihrem Wesen nach kritisch und revolutionär ist.» (MEW: 23, 28)

Hegel war der Lehrer von Marx und es war Lenin, der gesagt hatte, daß Marxens »Kapital« ohne Studium der »Phänomenologie Hegels nicht verstanden werden könne.

Weblink:

Marx und die Hegelsche Dialektik - www.rosalux.de