Samstag, 27. September 2025

Was ist Existentialismus? (K)


Mit Existentialismus (auch Existenzialismus) wird im allgemeinen Sinne die überwiegend französische philosophische Strömung der Existenzphilosophie bezeichnet. Existenzialismus ist eine philosophische Strömung, welche sich auf existentielle Erfahrungen im menschlichen Leben bezieht (Tod, Angst, Freiheit, Leiden). Ihre Hauptvertreter sind Jean-Paul Sartre, Simone de Beauvoir und Albert Camus.

Existenzialismus ist eine Philosophie bzw. eine Weltanschauung oder Lebensweise, in der es darum geht, was es bedeutet, als Mensch zu „existieren“ in dem Sinne, dass man aktiv sein Leben und dessen Sinngebung gestaltet im Unterschied zu bloßen Dingen oder Objekten, die quasi nur passiv „vorhanden“ sind.

Der Existenzialismus sieht den Menschen nach dem Ende der absoluten Systeme zunächst in eine Leere geworfen, weil ihm die absolute Orientierung abhandengekommen ist, er bleibt dabei aber nicht stehen, sondern sieht die Erfahrung des Sinnverlustes vielmehr als Aufgabe des Individuums, die darin besteht, sein Leben aktiv mit Sinn zu füllen, indem man dem eigenen Leben Bedeutung gibt und sich an selbstgewählten Werten orientiert.

Der Existenzialismus ist nicht nihilistisch (obwohl er zunächst so erscheinen mag). Als Nihilismus wird eine philosophische Position bezeichnet, die davon ausgeht und dabei bleibt, dass es keinen Sinn, keine Werte und nichts gibt, woran man sich orientieren kann. Nach Sartre war das die geistige Grundlage der Nazi-Ideologie, in der nichts gegen die totale Vernichtung auch des eigenen Volkes spricht. Existenzialisten versuchen, angesichts des Verlusts der absoluten Werte und Orientierungen einen Weg heraus aus dem Sinnverlust zu finden. Sie meinen, dass Leben aus dem Erschaffen von Sinn, Bedeutung und Werten besteht. D.h. der Mensch beginnt mit „nichts“, aber dann erschafft er sich seine Existenz, also sein bewusst gelebtes und mit Werten und Sinn gesetztes Leben.

Der Mensch findet sich jederzeit nicht nur in einer faktischen Welt, sondern auch in einer Welt der Bedeutungen. Auch die eigene Identität ist eine solche Bedeutung, in der sich der Mensch zunächst als „geworfen“ empfindet. Er ist Weiße/r, Intellektuelle/r, Arbeitslose/r, Mutter/Vater, Partner/in, Schüler/in oder Polizist/in. Normalerweise erleben wir uns innerhalb solcher Identitäten selbstverständlich und denken nicht darüber nach. Besonders in psychischen Krisen oder auch in einer tiefgehenden Psychotherapie können wir jedoch in Kontakt damit kommen, dass all diese Selbstverständlichkeiten, die Bedeutungsnetze, ja die eigene Identität keineswegs selbstverständlich, sondern jederzeit durch eigene freie Wahl veränderbar ist.

Der Existentialismus ist eine in den 1940er Jahren aufgekommene philosophische Strömung des 20. Jahrhunderts und sein Vater der französische Intellektuelle Jean-Paul Sartre. Obwohl man mehrere Denker aufzählen kann, die im Existentialismus von Bedeutung waren, und jeder Einzelne unterschiedliche Akzente setzte in dieser Denkrichtung, steht Sartre im Mittelpunkt.

Sartre, Camus, Simone de Beauvoir, der Ekel, die Existenz, das Absurde, Sisyphos, das Café de Flore, die Angst und vieles mehr. Das Verbindende all dieser Variablen? – Der Existentialismus. Doch worum ging es Sartre, Camus und Co, die ihre Thesen während und nach dem Zweiten Weltkrieg vor allem in Paris verbreiteten?

„Die Existenz geht der Essenz voraus.“ ist einer der wichtigsten Sätze dieser Schule. Sartre schrieb ihn in seinem Essay „Der Existentialismus ist ein Humanismus“ nieder und goss damit den Ausgangspunkt seines Denkens in Form.

Jahrhunderte-, ja Jahrtausendelang hatte man sich in der Philosophie um die Essenz des Menschen gestritten, man wollte ihn definieren, indem man ihm ein Wesen zuschrieb. Einen kleinsten gemeinsamen Nenner zwischen den Menschen, wenn man es mathematisch ausdrückt, wurde gesucht, oder auch ein Telos (ein Ziel), auf das alle Menschen zustreben, wenn wir in der Philosophie bleiben. Die Naturwissenschaften, die Religion, die Philosophie, die Anthropologie, … sie alle haben verschiedene Wesensbestimmungen für den Menschen gefunden.

Wenn Sartre nun sagt, dass die Existenz der Essenz vorausgehe, schmeißt er die Wesensbestimmungen des Menschen aus vielen Jahrhunderten der Ideengeschichte in den Müll. Was den Menschen ausmacht, ist seine Existenz. Er ist das einzige Lebewesen, dass sich seiner Existenz bewusst ist. Und diese Existenz ist vollends subjektiv, beginnt mit dem Leben des Einzelnen und endet mit dem Tod des Einzelnen. Wir werden in diese Welt hineingeworfen, was wir damit machen, bestimmen wir selbst, indem wir unsere Existenz aktualisieren. Jede Rede von einer Essenz, die wir alle teilen, ist hinfällig, ja sogar schädlich, da sie uns ein Menschenbild vorschreibt oder vorgaukelt, das immer nur willkürlich gesetzt sein kann, nie aber allgemeine Gültigkeit haben kann.

Die praktischen Folgen dieses Konstrukt liegen auf der Hand: Der Sinn geht flöten, es gibt ihn nicht mehr. Gibt es keine Essenz mehr, gibt es auch keinen Sinn. Die Essenz des religiösen Menschen zum Beispiel, der Glaube an den göttlichen Funken in ihm und das daraus folgende Ziel ein gutes Leben zu führen, um danach in den Himmel zu kommen, kann der Existentialist nicht anerkennen. Sie ist lediglich eine Setzung, so wie jede andere Essenz oder Wesensbestimmung auch. Den Sinn muss sich jede Existenz selbst erschließen.

Wichtig: Existentialismus ist nicht gleich Existenzphilosophie. Die Existenzphilosophie ist älter als der französische Existentialismus. Vorläufer waren bereits Teile der Philosophie Kierkegaards aber auch Nietzsches Nihilismus. Von der akademischen (deutschen) Existenzphilosophie sprechen wir dann bei deren Nachfolgern Husserl und Heidegger. Gemeinsam ist ihnen, dass sie den Blick auf die subjektive Wahrnehmung der Welt durch das Subjekt verstärkten und sogenannte „Existentiale“ wie die Angst oder die Langeweile untersuchten als jene Erfahrungen, die uns am allermeisten zum Menschen machen.

Weblink:

https://gedankennomade.net/was-ist-existentialismus/ was ist Existentialismus?

Samstag, 20. September 2025

»Zum ewigen Frieden« von Immanuel Kant

Zum ewigen Frieden
Zum ewigen Frieden


Die Altersschrift »Zum ewigen Frieden. Ein philosophischer Entwurf« (1795) gehört zu den bekanntesten Werken des deutschen Philosophen Immanuel Kant. In seiner Schrift von 1795 entwarf er eine Theorie der internationalen Politik. Kant skizzierte darin das Verhältnis von globaler Ökonomie, Völkerrecht und internationaler Politik. Das Werk gilt als Grundlagenschrift globaler politischer Theorie.

In Form eines Friedensvertrages wendet Kant seine Moralphilosophie (vgl. »Grundlegung zur Metaphysik der Sitten«, »Kategorischer Imperativ«) auf die Frage der Politik nach dem Frieden zwischen den Staaten an. Auch hier gilt es, von der Vernunft geleitete Entscheidungen zu treffen und nach Gerechtigkeit zu trachten. Dabei stellt er klar, dass der Frieden kein natürlicher Zustand für den Menschen sei und deshalb gestiftet werden müsse.

Die Schrift behandelt das Verhältnis von globaler Ökonomie, Völkerrecht und internationaler Politik. Die Schrift ist ein Plädoyer für freien Handel zwischen den Nationen und Völkern. Kant zieht darin eine Beziehung von Frieden und freiem Handel und so kann die Schrift als Vorläufer des globalen Halnds angesehen werden.

Kants berühmte Altersschrift enthält als zentrale moralische und politische Normen die Pflicht zum Frieden und zur Völkergemeinschaft. Die Gewährung des Friedens sei Sache der Politik, welche sich der Idee eines allgemeingültigen Rechtssystems unterzuordnen habe; denn so heißt es im Anhang: Das Recht der Menschen muß heilig gehalten werden, der herrschenden Gewalt mag es auch noch so große Aufopferung kosten. Dem Despotismus erteilt Kant eine Absage.

Immanuel Kant hat in seiner Schrift vom »Ewigen Frieden« das Weltbürgerrecht formuliert. Er schrieb: „Es ist hier nicht von Philanthropie, sondern vom Recht die Rede, und da bedeutet Hospitalität das Recht eines Fremdlings, seiner Ankunft auf dem Boden eines andern wegen von diesem nicht feindselig behandelt zu werden. Dieser kann ihn abweisen, wenn es ohne seinen Untergang geschehen kann, so lange er aber auf seinem Platz sich friedlich verhält, ihm nicht feindlich begegnen.“

Immanuel Kants Schrift »Zum ewigen Frieden« (1795) kann im weiteren Sinne unter die Vorläufer einer europäischen Einigung gerechnet werden, da sie einen föderalen Zusammenschluss republikanischer Staaten als Voraussetzung des Weltfriedens ansah.

Das Schild eines holländischen Gastwirts, ein Bild eines Friedhofes mit der Textzeile "Zum ewigen Frieden" mag in seiner ganzen Satire den großen Philosophen Immanuel Kant angeregt haben, eine besondere, auf dieser Welt bisher einmalige Schrift zu verfassen, die in der Revolutionszeit im Jahre 1795 erschien. Für Kant ein Jahrzehnt vor seinem Lebensende die Geburtsstunde für das Denken "zum ewigen Frieden".

Weblink:

Immanuel Kants Schrift »Zum ewigen Frieden« - Wikipedia.org

Literatur:

Zum ewigen Frieden
Zum ewigen Frieden
von Immanuel Kant

Der große Glockenschlag des Mittags

»Was ich gedacht habe, hat noch niemand vor mir gedacht! - Ich bin Dynamit!« - hatte Nietzsche einst in prophetischer Weissagung zur Wirkung seines philosophischen Gedankengutes vorausgesagt. Der Donnerschlag blieb nicht aus - schon gar nicht, wenn jemand so gründlich zertrümmert wie Nietzsche. Ein bedeutender Jünger und Eiferer war der deutsche Dikator Adolf Hitler, der sich an Nietzsches Philosophie - oder was er davon zu verstehen glaubte - weitaus mehr als nur gedanklich ereiferte.


Die Wahlverwandschaft zwischen Nietzsche und Hitler erstreckt sich auf eine prägnante Beziehung:

Nietzsche als der Künder und Denker und Hitler als Täter und dessen Testamentsvollstrecker. Den Gedankensturm, den der unzeitgemäße Philosoph entfacht hatte, setzte Hitler 50 Jahre später in einen zeitgemäßen Tatensturm um. Der unzeitgemäße Philosoph und der zeitgemäße Diktator gingem eine Symbiose ein.


In der Weltgeschichte würde eine solche Wahlverwandschaft in ihrer Konsequenz auf keinen anderen Diktator zutreffen. Die 1888 entstandene Streitschrift »Zur Genealogie der Moral« lässt sich geradezu als Verkündigung des Diktators werten. Darin ist zu lesen:







»Dieser Mensch der Zukunft, der uns ebenso vom bisherigen Ideal erlösen wird als von dem, was aus ihm wachsen mußte, vom großen Ekel, vom Willen zum Nichts, vom Nihilismus, dieser Glockenschlag des Mittags und der großen Entscheidung, der den Willen wieder freimacht, der der Erde ihr Ziel und den Menschen ihre Hoffnung zurückgibt, dieser Antichrist und Antinihilist, dieser Besieger Gottes und des Nichts - er muß einst kommen ...«






Die Prophezeihung ging tatsächlich in Erfüllung: In Italien kam zunächst 1922 der selbsternannte »Duce« Mussolini als faschistischer Tribun nach seinem Marsch auf Rom an die Macht. Auch der spätere Heilsverkünder Hitler hörte damals die Botschaft bereits wohl, er hätte - quasi als Anhänger Zarathustras - die prophetische Ankündigung auch als persönliche Berufung auffassen können. Er faßte just in dieser Zeit den verhängnisvollen Entschluß, Politiker zu werden.


Seine Zeit aber sollte noch kommen. Er erlebte den großen Glockenschlag des Mittags zehn Jahre später bei der Machtergreifung im Januar 1933. Sein Wille zur Macht und seine Wille zur Tat ebneten den Weg zur größten Katastrophe des 20. Jahrhunderts. - Auch er war Dynamit!


Nietzsche-Lektüre:

Genealogie der Moral
Genealogie der Moral von Friedrich Nietzsche

Zarathustra
Zarathustra

Jenseits von Gut und Böse
Jenseits von Gut und Böse


Das Verhältnis Herr und Knecht

Herr und Knecht, dieses Verhältnis hat große Denker zu allen Zeiten fasziniert. Der junge Karl Marx stellte sich die Dialektik zwischen Unterdrückern und Unterdrückten grob vereinfacht so vor: Der Herr kann sich nur dann als Herr definieren, wenn es einen Knecht gibt, der sich ihm unterwirft. Dadurch ist der Herr abhängig vom Knecht, und irgendwann wird der Untergebene merken, dass er dank dieser Abhängigkeit eine Macht besitzt, von der er bislang nicht zu träumen wagte.

Der Knecht hingegen hat hierbei einen Vorteil: Er kann sich als selbstständiges Wesen erfahren, weil er Dinge für den Herrn tut. Dann hat er etwas erledigt und schaut stolz auf sein Werk. Das zumindest meint Hegel und beschreibt die Knechtschaft so:

Sie wird als in sich zurückgedrängtes Bewusstsein in sich gehen und zur wahren Selbstständigkeit sich umkehren. Georg Wilhelm Friedrich Hegel, Philosoph

Etwas zynisch, zugegeben. Aber Hegel sagt nur, dass die Figur des Knechts verdeutlicht, dass das Anerkennen eines anderen grundsätzlich ein selbstständiges Tun ist. Hegel folgert aus diesem Grund:

Die Wahrheit des selbstständigen Bewusstseins ist demnach das knechtische Bewusstsein. Georg Wilhelm Friedrich Hegel, Philosoph
Der unfreie Knecht besitzt demnach mehr Selbstständigkeit als der Herr. Trotzdem erfahren weder der Herr noch der Knecht in diesem asymmetrischen Verhältnis Anerkennung. Da sie aber, wie wir alle, das Bedürfnis nach Anerkennung haben, sollten sie symmetrische Verhältnisse suchen, soll heißen: Der Knecht sucht sich Knechte und der Herrscher sucht sich Herrscher. Passiert das Gleiche nicht auch in unserem Alltag?

https://www.welt.de/kmpkt/article181975682/Philosophie-Wer-ueber-andere-bestimmt-hat-einen-entscheidenden-Nachteil.html Der Herr unterscheidet sich vom Knecht dadurch, daß der Knecht dem Herrn unterworfen ist. Zu den Abhängigkeitsverhältnis gehört, daß der Herr über den Knecht verfügen kann. Zu dieser Verfügungsgewalt gehört auch, daß der Herr über die Zeit des Knecht verfügen kann. Verfügt der Herr über die Zeit des Knechtes, dann ist der Knecht nicht mehr Herr über seine Zeit.

Die Philosophie der Romantik

Mondnacht von Caspar David Friedrich


Die Romantik ist eine kulturgeschichtliche Epoche, die vom Ende des 18. Jahrhunderts bis weit in das 19. Jahrhundert hinein dauerte und sich insbesondere auf den Gebieten der bildenden Kunst, der Literatur und der Musik äußerte, aber auch die Gebiete Geschichte.

Die Romantik ist eine neue, tiefgehendere Form in der Literatur, die das Unterbewusstsein weckt und versucht Sehnsüchte zum Vorschein zu bringen, die vorher verborgen lagen.
Die Romantik ist die völlige Poetisierung des Lebens, zugleich aber auch eine ungeahnte Erweiterung der subjektiven Einfühlungs- und Erlebniskraft, die alle erstarrten Überlieferungen neu belebt.
Harmonie, Geheimnis und Liebe sind Bestandteile eines großen Ganzen. Die Romantik ist eine Zeit der Sehnsucht junger Autoren, die Halt in der Natur, der Vergangenheit und der Spiritualität suchen.

Die Grundthemen der Romantik sind Gefühl, Leidenschaft, Individualität und individuelles Erleben sowie Seele, vor allem die gequälte Seele. Romantik entstand als Reaktion auf das Monopol der vernunftgerichteten Philosophie der Aufklärung und auf die Strenge des durch die Antike inspirierten Klassizismus. Im Vordergrund stehen Empfindungen wie Sehnsucht, Mysterium und Geheimnis.

Die Romatiker verspürten den Drang, dem aufkommenden und entzaubernden Empirismus und Rationalismus etwas entgegenzusetzen. Der deutsche Idealismus ist der Versuch, den Dualismus von Empirismus und Rationalismus zu überwinden und die Romantiker geben diesem Vesuch einen besonderen Akzent. Die einen betonen das Sittliche (Schiller, Fichte, Hegel), die anderen, Romantiker wie Novalis und Schlegel das Ästhetische.

Sie mobilisieren die Phantasie, und zwar nicht als bloße Ergänzung, sondern als Zentralorgan des Weltverständnisses und der Weltbildung. DiePhantasie ist die Macht! Es gilt, die Welt zu durchdringen mit poetischem Geist!

Der deutsche Idealismus folgte auf die Aufklärung.em in die Zukunft gerichteten Rationalismus und Optimismus der Aufklärung wird ein Rückgriff auf das Individuelle und Numinose gegenübergestellt. Diese Charakteristika sind bezeichnend für die romantische Kunst und für die entsprechende Lebenseinstellung.

Der Romantiker ortet einen Bruch, der die Welt gespalten habe in die Welt der Vernunft, der „Zahlen und Figuren“ (Novalis), und die Welt des Gefühls und des Wunderbaren. Treibende Kraft der deutschen Romantik ist eine ins Unendliche gerichtete Sehnsucht nach Heilung der Welt, nach der Zusammenführung von Gegensätzen zu einem harmonischen Ganzen.

Symbolische Orte und Manifestationen dieser Sehnsucht sind nebelverhangene Waldtäler, mittelalterliche Klosterruinen, alte Mythen und Märchen, die Natur etc. Zentrales Symbol für diese Sehnsucht und deren Ziel ist die Blaue Blume, die wie kein anderes Motiv die romantische Suche nach innerer Einheit, Heilung und Unendlichkeit verkörpert.

„Die blaue Blume ist aber das, was jeder sucht,
ohne es selbst zu wissen,
nenne man es nun Gott, Ewigkeit oder Liebe.“

Ricarda Huch



Die sittlichen Werte und Ziele bestehen darin, sich selbst ohne Maske und Lügen zu leben.

Romantik ist mit der Mystik im tiefsten Wesen verwandt. Sie ist Gegner der Aufklärung: Das Verständliche, Begreifliche, Nützliche, Praktische ist ihr das Unwirkliche, Wesenlose. Nur im Leben der Idee ist die wahre Wirklichkeit.

Jeder Romantiker ist auch Philosoph. Jedoch bewegten sich die Romantiker mit vorlieben auf der Grenzscheide zwischen Philosophie und Dichtung. Philosophie und Dichtung fließen zu einem Ganzen zusammen. Dies bedeutet jedoch oft, daß die Philosophie symbolisch verschwimmt, die Dichtung gedanklich-metaphysisch überlastet wird. Ausnahmen sind die eigentlichen Philosophen wie Schelling und Schleiermacher. Hegel wächst über die Romantik weit hinaus.

Alle Spontanität liegt nach Fichte in der produktiven Einbildungskraft. Das Schaffen der Dichtung wurzelt in allen Umständen in ihr, es ist der Brennpunkt der Romantik. Das Seelenleben ist unerschöpflicher Formenreichtum. Diese Ichkonzentration bringt ein Feingefühl für fremde Geistesart mit sich. Dies erklärt die sich entwickelnde Literatur- und Geistesgeschichte in dieser Zeit.

Weblink:

Die Philosophie der Romantik - www.epischel.de

»Das Kapital« von Karl Marx

Karl Marx

»Das Kapital« ist das wissenschaftliche Hauptwerk von Karl Marx. Das Werk ist ohne Zweifel eines der Schlüsselwerke der politischen Philosophie und ein Klassiker der Kritik der politischen Ökonomie.

1867 erschien der erste Band »Der Produktionsprozess des Kapitals« von Karl Marx. Der erste Band des Kapital erschien beim Hamburger Verleger Otto Meissner in einer Startauflage von 1.000 Exemplaren. Friedrich Engels stellte nach Marx’ Tod (1883) aus dessen Manuskripten zwei weitere Bände zusammen.

Anders als etwa das »Kommunistische Manifest« ist es kein Aufruf zur Revolution, sondern eine äußerst umfangreiche, systematische und detailreiche Analyse und "Kritik der politischen Ökonomie" - so der Untertitel.

Karl Marx


Marx hat in seinem ökonomischen Werk versucht, gesellschaftliche und ökonomische Zusammenhänge zu erklären. Schließlich sind Politik und Ökonomie nicht leicht zu verstehende Wissenschaften, bei denen das soziale Wesen Mensch mit all seinen Stärken und Schwächen, seiner Unstetigkeit und seinem ständigen Drang nach Neuem im Mittelpunkt steht. Der Mensch versucht, Fragen hinsichtlich seiner eigenen Existenz und Zukunft zu beantworten. Dazu gehören die persönliche Freiheit, aber auch die Stellung in der Gesellschaft und der Umgang mit der Natur.

Das waren interessante Fragen, die Marx als Philosoph und Ökonom wissenschaftlich zu untermauern versuchte. Daraus entstand die Theorie für ein neues Gesellschaftssystem, deren Ziel es ist, die Ausbeutung des Menschen durch den Menschen durch eine Revolution zu beenden.

Marx analysierte die gesellschaftlichen Verhältnisse seiner Zeit so scharf wie niemand vor ihm. Entsprechend lange hat Marx dafür gebraucht: 15 Jahre arbeitete er allein am ersten Band.

Marx versuchte, in seiner komplexen Abhandlung hinter die versteckten Funktionsweisen des Kapitalismus zu kommen. Dabei näherte er sich schrittweise über die Begriffe der Ware, des Tauschwerts und des Gebrauchswerts seiner berühmt gewordenen Arbeitswertlehre:

Eine Ware, so Marx, ist so viel wert, wie die darin "geronnene" Arbeitszeit. Der Arbeiter muss, da er keine Produktionsmittel besitzt, seine Arbeitskraft verkaufen, und zwar an die Kapitalisten, die Maschinen und andere Produktionsmittel besitzen.

Der Kapitalist will seine Waren nicht verkaufen, um andere Waren erwerben zu können, sondern um sein Geld zu vermehren. Das "geldheckende Geld", der kapitalistische Akkumulationsprozess steht im Zentrum der Marx'schen Kritik.

Eine besondere Meisterleistung sind die Unterkapitel zur Wertform und zum Waren- und Geldfetischismus. Marx' Ausführungen hierzu im ersten Kapitel des Kapitals sind enorm schwer verdaulich und werfen grundlegende Interpretationsprobleme auf. Gleichzeitig bilden sie einen - wenn nicht den - fundamentalen Baustein seiner Kritik der politischen Ökonomie.

Die Auswirkungen von Marx' Werk auf die Wissenschaften sind schon kaum zu überschätzen - diejenigen auf die weit reichenden politischen Umwälzungen in großen Teilen der Welt im 20. Jahrhundert in den kommunistischen Staaten erst recht nicht.

Kapital lesen 2016

Der Klassiker der Kritik der politischen Ökonomie, »Das Kapital« von Karl Marx, ist bekanntlich schwerer Lesestoff. Mehr als 2500 Seiten, Beispiele und Bezüge auf volkswirtschaftliche Theorien, denen die heutige Aktualität fehlt und der Umstand, dass Marx für den zweiten und dritten Band nur Manuskripte hinterlassen hat, machen den Zugang nicht leicht.

Marx Analyse der ökonomischen Verhältnisse für die Gesellschaft ist heute keineswegs überholt, sondern lediglich seine Lösungsansätze sind in der Realität gescheitert.

Es ist gut möglich, daß die Idee des Sozialismus das vor 25 Jahren gescheiterte Gesellschaftsmodell überleben wird und angesichts der Krise des Kapitalismus und der zunehmenden Ungerechtigkeit der ökonomischen Verteilung als kritische Theorie wieder an Aktualität gewinnen wird.

Das Kapital-Werke:

Das Kapital
Das Kapital
von Karl Marx


Das Kapital im 21. Jahrhundert
von Thomas Piketty und Ilse Utz

Kritik der politischen Ökonomie
Kritik der politischen Ökonomie
von Michael Heinrich

Weblinks:

Karl Marx-Biografie - Biografien-Portal - www.die-biografien.de

Karl Marx-Zitate - Zitate-Portal - www.die-zitate.de

Wiwo-Weblinks:

Der bärtige Gelehrte - www.wiwo.de

Joseph Schumpeter und das Vermächtnis Marx' - www.wiwo.de Das Kommunistische Manifest - Marx' Herz und Verstand - www.wiwo.de

»Kommunistische Manifest« von Karl Marx

1848 erschien das »Kommunistische Manifest« von Karl Marx. Auf das Versprechen der Französischen Revolution waren die Eroberungskriege Napoleons gefolgt und darauf die politische Restauration in
Europa. Eine neue politische Bewegung protestierte dagegen. Sie verstand sich als Avantgarde des kommenden Zeitgeistes, der die Hoffnungen der Französischen Revolution in der Zukunft einlösen sollte. In Marx‘ berühmter Einleitung verbreitet der neue Geist Angst und Schrecken unter sei
nen Feinden. Er klingt, als würde er mit den Ketten der Proletarier rasseln, die diese bald abwerfen wollten:

„Ein Gespenst geht um in Europa – das Gespenst des Kommunismus. Alle Mächte des alten Europa haben sich zu einer heiligen Hetzjagd gegen dies Gespenst verbündet, der Papst und der Zar, Metternich und Guizot, französische Radikale und deutsche Polizisten. Es ist hohe Zeit, daß die Kommunisten ihre Anschauungsweise, ihre Zwecke, ihre Tendenzen vor der ganzen Welt offen darlegen und dem Märchen vom Gespenst des Kommunismus ein Manifest der Partei selbst entgegenstellen.“

Deutsche philosophische Überlegenheit

Die Philosophen kannten nur den traditionellen Weg zum Erkenntnisgewinn, den phänomenologischen: Aus Beobachtungen des Geschehens im Alltag unter Einsatz herausragender analytischer Fähigkeiten Erkenntnisse zu gewinnen und diese zu kommunizieren.

Um mit der Metaphysik zu beginnen, ist die zeitgenössische deutsche Hegemonie über den Westen in europäischen Köpfen fast ohne Konkurrenz. Krieg und Politik stehen in der europäischen Geschichte hoch, aber es ist die Philosophie, die die Bewegungen einer Ära bestimmt. Wo die deutschen Soldaten nicht siegten, eroberten die deutschen Philosophen Immanuel Kant, Friedrich Schelling und Georg Hegel.

deutsche Philosophen

Der moderne philosophische Idealismus mit seiner korrespondierenden Phänomenologie, Existenzialismus und Personalismus leitet sich von diesen deutschen Denkern ab. Der Grundfehler des Idealismus und seiner Ableitungen besteht darin, die Objektivität der Realität, die uns umgibt, zu leugnen.

Sobald dieser Unsinn als möglich eingestanden ist, betritt man - wie fast alle Intelligenzien des Westens - den rutschigen Abhang, der im Pantheismus oder in den östlichen Philosophien des Hinduismus und des Buddhismus endet. Hegels Dialektik ist in den meisten wichtigen Denkschulen implizit. Es ist daher nicht übertrieben zu behaupten, dass der heutige Westen seinen Ausdruck im deutschen Idealismus oder seinen Ableitungen findet.

Der Idealismus wiederum schafft die Bühne für religiösen, gesellschaftlichen und moralischen Relativismus. Die hegelianische "Synthese" von Ideen, bei der zwei scheinbar gegensätzliche "Wahrheiten" verschmelzen und eine neue und überlegene "Wahrheit" schaffen, hat das westliche Denken überschwemmt. In einem bemerkenswerten Beispiel hat sich die hegelianische „Synthese“ im Herzen des heutigen progressiven Vatikans etabliert.

Die Relativität der Wahrheit durch Dialog zwischen Wahrheit und Irrtum ist gleichbedeutend mit der Relativität der Religionen, und durch den Ökumenismus stimmen die Prälaten der Konziliaren Kirche mit dem deutschen Hegelianismus überein. Es gibt nur wenige, die die Relativität der Religion so gerne annehmen wie die progressiven Prälaten. Viele der einflussreichsten Wesen aus Deutschland sind selbst…

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»Essais« von Michel de Montaigne

Michel de Montaigne

Michel de Montaigne (1533-1592) war zuallererst ein Skeptiker, auch Humanist sowie Politiker mit Zugang zu den einflussreichen Persönlichkeiten der französischen Monarchie am Ende der Renaissance und zu Beginn der Reformation und der beginnenden Gegenreformation.

Montaignes literarische Schaffensphase – von 1570 bis 1592 – fiel in die Zeit der französischen Religionskriege (acht Phasen von Bürgerkriegen zwischen 1562 und 1598). Die Unruhen waren Folge eines schwachen Königtums und religiöser Auseinandersetzungen zwischen Katholiken und Hugenotten, die intensive Gewalterfahrung für Generationen zum Alltag machten, was Montaignes grundlegenden Skeptizismus verstärkt haben mag.


Mit seinen "Essais" hat Michel de Montaigne eine gleichnamige literarische Gattung geschaffen. Darin sinniert er nicht nur über Freundschaft und Einsamkeit, sondern gibt auch Details seines Liebeslebens und seiner Verdauung bekannt. Hierbei handelt es sich um freie Betrachtungen eines französischen Edelmannes aus der späthuma- nistischen Zeit des 16. Jahrhunderts.

Bunt gemischt und in leicht verständlicher Sprache steht Allgemeines neben Privatem, Literatur neben Philosophie, Kurioses neben Alltäglichem. Montaignes fragende Haltung, seine Klugheit und Weitsicht, haben diese vor über 400 Jahren verfassten "Versuche" bis heute lebendig gehalten.

De Montaigne macht sich tiefsinnige Gedanken über die verschiedensten Aspekte des Lebens, seines Lebens genauer gesagt, denn der Hauptgegenstand seiner Essais ist er selbst. Seine Selbsterkenntnis, das was ihm durch seine Gedankenwelt schweift, brachte er zu Papier, unterstützt durch viele Zitate von Dichtern des Altertums.

Essais
Essais

Montaigne behandelt in den Essais alle möglichen Themen, die scheinbar nach dem jeweiligen Gusto des Verfassers ausgewählt wurden und deshalb zufällig und unzusammenhängend erschei- nen. Doch im Lauf der Lektüre wird deutlich, daß der gemeinsame Nenner der Mensch ist, der im Zentrum aller Gedanken und Überlegungen steht. Montaigne verfolgt nicht die Absicht, den Menschen z. B. nach Maximen oder ethischen Normen zu klassifizieren, bzw. ein Dogma aufzustellen, nach dem der Mensch zu leben hat. Es geht ihm nicht um die Vereinheitlichung des Menschen, sondern es geht ihm vielmehr um den Versuch, die Menschen in ihrer Vielfalt zu begreifen. Sein Forschungsobjekt ist der gewöhnliche Mensch mit all seinen Charaktereigenschaften. Er soll vorurteilslos und ohne erzieherische Absichten erforscht werden.
Die mit über tausend Bänden glänzend bestückte Bibliothek war sein "Schoß der gelehrten Musen", wie die Inschrift eines Deckenbalkens lautete. Er begann mit der Niederschrift einer philosophischen Abhandlung. Einer äußerst Ungewöhnlichen:

"Dieses Buch, Leser, gibt redlich Rechenschaft. Sei gleich am Anfang gewarnt, dass ich mir damit kein anderes Ziel als ein rein häusliches und privates gesetzt habe."

Das Ergebnis war ein bahnbrechendes Werk über das Wesen des Menschen, noch dazu in einem klangvollen Französisch und nicht wie üblich auf Latein. Montaigne erfand eine eigene Gattung, die er Essai nannte, also "Probe", "Versuch" oder "Übung".


Weblink:

Erfinder der Selbstbeobachtung - www.deutschlandfunkkultur.de

Literatur:

Essais
Essais
von Michel de Montaigne

"Geist der Utopie" von Ernst Bloch

Geist der Utopie


Ernst Bloch ist ein Denker des 20. Jahrhunderts, bei dem der Utopie-Begriff eine zentrale Rolle spielt und eine neue, progressiv verstandene Aufwertung erfährt. Der "Geist der Utopie", Titel seines zwischen 1914 und 1917 entstandenen Frühwerks, steht somit am Beginn seines philosophischen Denkens, und dieser kreist unter anderem um den Ausdruck des "noch-nicht-Bewussten", das ihn, wie der Philosoph äußert, mit 22 Jahren wie ein Wetterleuchten durchzuckt habe.

Der Begriff des Unbewussten bei Freud wird damit von Ernst Bloch gewissermaßen vom Kopf auf die Füße gestellt. Das noch-nicht-Bewusste ist Antizipation. Dem Verdrängten, Pathologischen und also Sekundären in der Freud´schen Psychologie, dem Unbewussten wird im noch-nicht-Bewussten ein neuer Anfang, ein Hinausweisen entgegengesetzt, und dieses Hinausweisen bedeutet nichts anderes als konstituierendes Leben. In seinen frühen Aufzeichnungen nennt Bloch es "Mühe, Dunkel, krachendes Eis, Meeresstille und glückliche Fahrt." Hier "hebt sich, bei gelingendem Durchbruch, das Land, wo noch niemand war, ja das selber noch niemand war. Das den Menschen braucht, Wanderer, Kompaß, Tiefe im Land zugleich." Nur durch die Erkenntnis des noch-Nicht entsteht Fortschritt und das Streben nach Vollendung einer noch unvollkommenen Welt.

Entsprechend weit gefasst ist bei Ernst Bloch dann auch der Utopie-Begriff. Er reicht vom Märchen über den Tagtraum, die Kolportage, religiöse Heilserwartungen, die Sehnsucht nach Besserem in den persönlichen Lebensverhältnissen bis hin zu den großen gesellschaftspolitischen Projekten der Menschheit. Auch bei Ernst Bloch endet die Utopie, gesellschaftspolitisch betrachtet, im Sozialismus. Doch der Begriff Utopie besitzt insgesamt eine größere Ausdeutung, bedeutet er doch stets eine mindestens imaginäre Grenzüberschreitung und ein Voranschreiten - in welche verheißenen Welten auch immer. Selbst die Bildwelt des Jahrmarkts, des Zirkus, des Märchens oder der Kolportage sind dem utopischen Geist und dem Prinzip Hoffnung als Paradigma für konstituierendes Leben verpflichtet.

Ernst Bloch

Und auch Ernst Bloch kommt nicht ohne Rückbezug auf das Goldene Zeitalter aus. "Märchen wie Kolportage", schreibt er, "sind Luftschloß par excellence, doch eines in guter Luft und, soweit das bei bloßem Wunschwerk überhaupt zutreffen kann: das Luftschloß ist richtig. Es stammt zu guter Letzt aus dem goldenen Zeitalter und möchte wieder in einem stehen, im Glück, das von Nacht zu Licht dringt. Derart schließlich, daß dem Bourgeois das Lachen vergeht und dem Riesen, der heute Großbank heißt, der Unglaube an die Kraft des Armen."

Literatur:

Geist der Utopie
Geist der Utopie
von Ernst Bloch

Weblink:

Manuskript: Von Arkadien nach Utopia 2/2 (PDF) - www.swr.de

Samstag, 13. September 2025

»Ideen zu einem Versuch, die Wirksamkeit des Staates zu bestimmen« von Wilhelm von Humboldt



Wilhelm von Humboldts staatsphilosophisches Hauptwerk »Ideen zu einem Versuch, die Wirksamkeit des Staates zu bestimmen« erschien erst 15 Jahre nach Humboldts Tod im Jahr 1851.

Seine Schrift hat die Aufgabe, Mensch und Staat in den jeweiligen Aufgaben zu erfassen und die Wirksamkeit des Staates in den Grenzen der Freiheit des Einzelnen im Verhältnis zur Notwendigkeit im Ganzen darzustellen. Humboldts Gedanke wird geleitet von der Grundsätzlichkeit menschlicher Freiheit. Der Mensch und sein Endzweck sind eingefasst in die wahre Vernunft, die dem Menschen keinen anderen Zustand als die ungebundene Freiheit zugesteht, in der er selbst sich entwickeln kann, nur beschränkt durch seine Kraft und des zugestandenen Rechts. Jede Politik sollte sich diesem Primat unterwerfen.

Daraus abgeleitet tritt die Sorgfalt des Staates für das Wohl der Bürger ein. Der Staat wird sich jedoch ausschließlich um die Sicherstellung der Menschen im Staatsgefüge wie gegen auswärtige Feinde positionieren dürfen. Zu keinem anderen Endzweck als eben diesen kann die Freiheit beschränkt werden.

Und so obliegen dem Staat diverse Sorgfaltspflichten, die für die innere Sicherheit, gegen auswärtige Feinde gelten. Zur Ausgestaltung der inneren Sicherheit dient eine öffentliche Erziehung (Charakter, Geist), die in ihrer Bedeutung abnehmend ist, wenn zugleich die Selbstwirksamkeit der Bürger steigt. In der Tradition Lockes bestimmt Humboldt die Aufgabe des Staates darin, die Freiheit des Individuums und die Herausbildung seiner Persönlichkeit zu sichern. Der Staat ist für Humboldt kein Selbstzweck, sondern ein Schutzrahmen und eine Sicherheitsgarantie für den Bürger.

Humboldt setzt den Menschen, den Bürger in eine gehobene und selbsttätige Stellung, in die der Staat ihn befördern allerdings auch wieder in Freiheit entlassen muss. Ziel ist, die Ausbildung an höchster Mannigfaltigkeit auszurichten zugunsten größtmöglicher Freiheit in Verantwortung.

Zur Wahrung der Sicherheit werden Gesetze (Polizei, Zivil, Gerichtsbarkeit) erlassen als Regel für die Begegnung untereinander. Für Unmündige aus Altersgründen oder sonstigen gelten gesonderte Betrachtungen.
Bei aller Theorie fehlt es Humboldt nicht an praktischen Empfehlungen. Insbesondere verweist er darauf, dass die Neigungen nicht gegen Überzeugung und Vernunft überhand gewinnen dürfen. Dass das für sich selbst Nützliche nicht das Maß des Einzelnen sein darf, ist offensichtlich. Bei aller Schwierigkeit bleibt der Blick auf das Notwendige der Weisheit letzter Schluss.
Auch bei Schopenhauer hatte der Staat keinen positiven Eigenwert und war auch kein Selbstzweck, er war keinesfalls wie bei seinem Gegenspieler Hegel die VOllendung der Sittlichkeit. Nichts lag Schopenhauer ferner als die Staatsvergötterung.

Literatur:


»Ideen zu einem Versuch, die Wirksamkeit des Staates zu bestimmen«
von Wilhelm von Humboldt

Die Vorsokratiker - Von Thales bis Demokrit


Demokrit

Mit den Vorsokratikern beginnt im sechsten und fünften Jahrhundert v. Chr. die griechische Philosophie. Die Griechen feierten Schönheit und Natur. Diese Vorsokratiker waren griechische Naturphilosophen. Nicht mehr der Mythos, sondern der Logos, die Vernunft gibt nun Antworten auf die immer tiefgründigeren Fragen nach dem Sein der Welt.

Die großen vorsokratischen Philosophen des 7. bis 5. Jahrhunderts v. Chr. waren Thales, Pythagoras und Heraklit bis Parmenides, Zenon und Demokrit, wobei letzterer bereits nach Sokrates starb, um 380 v. Chr. Die einzelnen vorsokratischen Philosophen, fast immer nur fragmentarisch und überdies indirekt überliefert.

Später entwickelten Platon und Aristoteles viele ihrer Lehren in Auseinandersetzung mit dem vorsokratischen Denken. Vor allem auf diesem Umweg erlangen die Ideen der Vorsokratiker einen wichtigen Platz in der abendländischen Philosophie.

Einzigartig in der Geschichte der Menschheit und die Voraussetzung des rational-wissenschaftlichen Weltbilds war freilich das um 600 v.Chr. beginnende Nachdenken der griechischen Naturophilosophen. Diese Vorsokratiker - so genannt, weil sie größtenteils in der Zeit vor Sokrates lebten - fragten nach den Prinzipien der Wirklichkeit, einer Einheit hinter der Vielfalt, dem Verhältnis von Sein und Werden, Wahrheit und Täuschung, sie waren die ersten Aufklärer, die die Mythen und Glaubenssysteme ihrer Zeit radikal hinterfragten, und sie setzten sich mit der Vergänglichkeit des menschlichen Lebens auseinander.

Literatur:

Die Vorsokratiker - Von Thales bis Demokrit
Die Vorsokratiker - Von Thales bis Demokrit
von Matthias

Vorsokratiker
Vorsokratiker
von Christof Rapp

Weblinks:

Demokrit-Biografie - Biografien-Portal - www.die-biografien.de

Jean-Jacques Rousseau - der Mensch als Schauspiel der Natur

"Es ist ein großes und würdiges Schauspiel, den Menschen zu sehen, wie er durch eigene Kräfte gewissermaßen aus dem Nichts hervorgeht; wie er die Finsternisse, mit welchen er von Natur umgeben, durch das Licht seiner Vernunft zerteilt; wie er sich über sich selbst erhabt; sich mit dem Geiste bis in die Himmelsgegenden schwingt und gleich der Sonne mit Riesenschritten den unermesslichen Raum des Weltalls durchwandert und, was noch größer und schwerer ist, in sich zurückkehrt, um daselbest den Menschen kennen zu lernen und seine Natur, seine Pflichten und seine Bestimmung zu untersuchen."

Jean-Jacques Rousseau (1712-78), französischsprachiger Genfer Schriftsteller, Philosoph, Pädagoge, Naturforscher und Komponist der Aufklärung.

Samstag, 6. September 2025

Gramsci und die dynamische Linke


Der Italiener Antonio Gramsci war der Gründer der Kommunistischen Partei Italiens und stand für eine dynamische, stets in der Entwicklung befindliche Linke. Gramsci war der Vordenker einer dialektischen, dynamischen Linken, die das Gegenteil von dogmatisch und festgefahren war.

Die Linke war für ihn keine ideale, reine Form, sondern eine plastische, stets im Werden begriffene Kraft. Sein dialektischer Materialismus war weniger dem formalistischen Hegelianismus verpflichtet, als dem Energiefluss des Lebens selbst.

Gramsci entwickelte seine Theorie der Hegemonie. Gramsci formulierte sein Konzept von Hegemonie zunächst anhand von Entwicklungen in der italienischen Geschichte, insbesondere des Risorgimento.

Gramsci bemerkte, dass im Westen die kulturellen Werte der Bourgeoisie mit dem Christentum verknüpft sind. Deshalb richtet sich ein Teil seiner Kritik an der vorherrschenden Kultur auch gegen religiöse Normen und Werte. Er war beeindruckt von der Macht, die die Katholische Kirche über die Gläubigen hat, und er sah, mit welcher Sorgfalt die Kirche verhinderte, dass die Religion der Intellektuellen sich zu stark von der Religion der Ungebildeten entfernen konnte.

Gramsci glaubte, dass es die Aufgabe des Marxismus sei, die in der Renaissance durch den Humanismus geübte Kritik an der Religion mit den wichtigsten Elementen der Reformation zu vereinen. Nach Gramsci kann der Marxismus erst dann die Religion ablösen, wenn er die spirituellen Bedürfnisse der Menschen befriedigen kann, und damit dies der Fall ist, müssen sie ihn als einen Ausdruck ihrer eigenen Erfahrungen wahrnehmen.

Freitag, 5. September 2025

Ein Lob auf den Spaziergang

Rousseau spaziergangJean-Jaques Rousseau



»Ich kann nur beim Gehen nachdenken. Bleibe ich stehen, tun dies auch meine Gedanken«, hat der Philosoph Jean-Jacques Rousseau einst als Lob der Bewegung im Freien geschrieben. Spazieren gehen geht zu jeder Jahreszeit und bei jedem Wetter. Das ziellose, abschweifende Spazieren fördert den Gedankenfluß und kann ein enormes Geflecht von Gedanken begünstigen.

Spazierengehen - eine bevorzugte Beschäftigung vieler Denker wie Nietzsche und Heidegger - lässt Raum zum freien Denken. Zum Spazierengehen braucht es nicht mehr als den Entschluss dazu. Der Wanderer zieht seine Schuhe an, macht die Tür auf, läuft die Treppen runter und tritt ins Freie. Raus aus den geschlossenen Räumen.
Draußen ist eine andere Luft, ein Wind, vielleicht der Duft von Linden oder Abgase. Und ein anderes Licht, greller Sonnenschein oder schnell vorüberziehende Wolken. Er überquert ohne groß nachzudenken eine Strasse und ehe er sich versieht, ist er schon abgebogen und ins Freie gelangt. Das Tempo entscheided er ganz allein; mal geht er zügig, mal schlendert er, bleibt stehen, schlägt Haken, schaut sich im Vorübergehen alles an: Straßen, Bäume, Menschen.

Die Ziellosigkeit ist das Prinzip eines jeden Spaziergangs. Wohin der Spaziergänger geht und wie lange, steht ihm völlig offen. Um die volle Freiheit zu haben, spaziert er allein. Nur allein kann er ganz seinen eigenen Impulsen folgen. Ein Gefühl der Leichtigkeit überkommt ihn, ähnlich wie wenn man im Frühling das erste Mal ohne Jacke auf die Straße geht. Er kann jetzt jederzeit tun und lassen, wonach ihm ist.

»Wanderer, gehest du nach draußen, vergiß das gute Wandern nicht.« - Gerade das Spazierengehen an der frischen Luft scheint die für das Denken notwendigen Impulse anzuregen und neue Denkanstöße zu liefern.

Der Wanderer Friedrich Nietzsche unternahm vor 140 Jahren einen Spaziergang, der zu dem wichtigsten Ereignis und Inspiration seines Lebens werden sollte. Nietzsche ging als Wanderer los und kehrte als Erleuchteter nach Hause.

Am Silvaplana See im Oberengadin in der Schweiz ereilte ihn eine Erleuchtung wie ein Blitz aus heiterem Himmel. Für Nietzsche war dies in einschneidendes Erlebnis. Verzückt von seinem Gedanken erklärte er den mächtigen Felsen am Seeufer, vor dem er stand, zu seinem "Erleuchtungsfelsen".

Surlej-Felsen bei Sils Maria



Mit großem Pathos beschrieb der damals 36-jährige Friedrich Nietzsche den besonderen Moment, den der erleuchtete Philosoph heute vor genau 140 Jahren im schweizerischen Engadin erlebte: "Man muss Jahrtausende zurückgehen, um eine ähnliche Inspiration zu entdecken".


Blog-Artikel:

Friedrich Nietzsches Wanderung, die zur Offenbarung wurde