Samstag, 20. September 2025

"Geist der Utopie" von Ernst Bloch

Geist der Utopie


Ernst Bloch ist ein Denker des 20. Jahrhunderts, bei dem der Utopie-Begriff eine zentrale Rolle spielt und eine neue, progressiv verstandene Aufwertung erfährt. Der "Geist der Utopie", Titel seines zwischen 1914 und 1917 entstandenen Frühwerks, steht somit am Beginn seines philosophischen Denkens, und dieser kreist unter anderem um den Ausdruck des "noch-nicht-Bewussten", das ihn, wie der Philosoph äußert, mit 22 Jahren wie ein Wetterleuchten durchzuckt habe.

Der Begriff des Unbewussten bei Freud wird damit von Ernst Bloch gewissermaßen vom Kopf auf die Füße gestellt. Das noch-nicht-Bewusste ist Antizipation. Dem Verdrängten, Pathologischen und also Sekundären in der Freud´schen Psychologie, dem Unbewussten wird im noch-nicht-Bewussten ein neuer Anfang, ein Hinausweisen entgegengesetzt, und dieses Hinausweisen bedeutet nichts anderes als konstituierendes Leben. In seinen frühen Aufzeichnungen nennt Bloch es "Mühe, Dunkel, krachendes Eis, Meeresstille und glückliche Fahrt." Hier "hebt sich, bei gelingendem Durchbruch, das Land, wo noch niemand war, ja das selber noch niemand war. Das den Menschen braucht, Wanderer, Kompaß, Tiefe im Land zugleich." Nur durch die Erkenntnis des noch-Nicht entsteht Fortschritt und das Streben nach Vollendung einer noch unvollkommenen Welt.

Entsprechend weit gefasst ist bei Ernst Bloch dann auch der Utopie-Begriff. Er reicht vom Märchen über den Tagtraum, die Kolportage, religiöse Heilserwartungen, die Sehnsucht nach Besserem in den persönlichen Lebensverhältnissen bis hin zu den großen gesellschaftspolitischen Projekten der Menschheit. Auch bei Ernst Bloch endet die Utopie, gesellschaftspolitisch betrachtet, im Sozialismus. Doch der Begriff Utopie besitzt insgesamt eine größere Ausdeutung, bedeutet er doch stets eine mindestens imaginäre Grenzüberschreitung und ein Voranschreiten - in welche verheißenen Welten auch immer. Selbst die Bildwelt des Jahrmarkts, des Zirkus, des Märchens oder der Kolportage sind dem utopischen Geist und dem Prinzip Hoffnung als Paradigma für konstituierendes Leben verpflichtet.

Ernst Bloch

Und auch Ernst Bloch kommt nicht ohne Rückbezug auf das Goldene Zeitalter aus. "Märchen wie Kolportage", schreibt er, "sind Luftschloß par excellence, doch eines in guter Luft und, soweit das bei bloßem Wunschwerk überhaupt zutreffen kann: das Luftschloß ist richtig. Es stammt zu guter Letzt aus dem goldenen Zeitalter und möchte wieder in einem stehen, im Glück, das von Nacht zu Licht dringt. Derart schließlich, daß dem Bourgeois das Lachen vergeht und dem Riesen, der heute Großbank heißt, der Unglaube an die Kraft des Armen."

Literatur:

Geist der Utopie
Geist der Utopie
von Ernst Bloch

Weblink:

Manuskript: Von Arkadien nach Utopia 2/2 (PDF) - www.swr.de

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