Acht Jahre nach seinem Tod erschienen Pascals Aufzeichnungen erstmals in einer Buchausgabe. Sie wurden erstmals 1670 unter dem Titel »Pensées sur la religion et autres sujets« von Freunden Pascals auszugsweise und unter Herstellung einer vermeintlich sinnvollen Ordnung veröffentlicht.
»Die Gedanken« (»Les Pensées«) sind ein Werk von Blaise Pascal (1623–1663) und einer der meistgelesenen philosophischen bzw. theologischen Texte der europäischen Geistesgeschichte. Seine »Gedanken« gelten den großen Fragen der Menschheit und sind eindrückliche Zeugnisse eines tief im Glauben wurzelnden Geistes.
Der geniale französische Physiker und Mathematiker arbeitete während seiner letzten Lebensjahre an einer Schrift zum Christentum, die jedoch unvollendet blieb. Es handelt sich bei den »Gedanken« um kein geschlossenes, fertiges Werk, sondern um eine von Ausgabe zu Ausgabe divergierende Zusammenstellung von Notizen aus dem Nachlass des Autors.
Die Notizen entstanden ab ca. 1657 und dienten der Vorbereitung eines Werkes zum Lob und zur Rechtfertigung des christlichen Glaubens aus der Sicht eines Jansenisten.
Drei Gründe sind es, warum Pascal für uns heute noch ungemein anregend ist. Erstens stellt er sich sehr intensiv den Ungeheuerlichkeiten menschlicher Existenz, seiner Schwäche und seiner Endlichkeit, ohne zu vergessen, dass dem Menschen auch eine unendlich großen Würde innewohnt. Zweitens wendet er sich radikal nach innen als dem einzigen Ort, wo Wahrheit zu finden ist. Damit wird er zugleich zum scharfzüngigen Kritiker der modernen Gesellschaft. Und drittens setzt er sich mit seiner Gotteserfahrung auseinander. Und darin wird er zum ersten Kritiker des blinden Vertrauens in die Leistungen des Verstandes.
Denn es gibt da etwas vor allem Verstand in uns, das unser Leben bestimmt und sicher leitet. Pascal nennt es das Herz. Es ist der Sitz für all das, was wir als für unser Leben gesichert annehmen, ohne es rational begründen zu können, es ist unsere grundsätzliche Lebensorientierung, unsere Intuition, es sind innere, unmittelbare, nicht beweisbare Erkenntnisse, die die persönliche Lebensführung bestimmen. Es ist auch unser moralisches Gewissen, unsere Glücksdisposition und schließlich unsere Empfänglichkeit für die Gotteserfahrung. Das Herz ist die - die menschliche Existenz umgreifende - Grunddisposition, das Ganze eines Menschen und die einen Menschen tragende und durchs Leben führende Substanz.
Das Herz, und nicht der Verstand, ist auch Sitz der Gotteserfahrung. Das Herz hat seine Gründe, von denen der Verstand nichts weiß. Nur im Herzen kann die Wahrheit und Gott auf einen Blick gesehen werden und ist eine Gottesliebe möglich, in der der Mensch das Sein und sich selbst auf natürliche Weise liebt. Pascals Nähe zur Mystik ist offensichtlich.
Es gibt also neben der Ratio ein Vermögen, das Pascal auch manchmal Einbildung nennt, das Menschen von innen heraus überzeugt - eine zweite Natur, die über uns verfügt. Dieses Vermögen lenkt den Verstand als vorgängige Lebenskraft. Menschenbildung bedeutet daher in erster Linie Bildung des Geistes, des Herzens und der Empfindung. Wie ein Samenkorn in gutes Erdreich getan, gute Frucht bringt, so bringt ein Grundsatz in einem guten Geist verankert reichlich gute Frucht.
Pascal steht in der Tradition derjenigen, für die das Wahre nur in einem Selbst zu finden ist. Nur in der Selbsterkenntnis kann ich das Wahre finden, oder zumindest das eigene Leben in geordnete Bahnen lenken. Zur weisen Lebensführung gehört die Selbsterkenntnis. Aber woran liegt es, dass wir an keiner Stunde des Tages über uns nachdenken wollen, und uns lieber mit allem möglichen Äußerlichkeiten herumtreiben?
Ein weiterer Schwerpunkt Pascals ist seine Kritik an dem äußerlichen Menschen. So entlarvt er schonungslos die menschliche Geschäftigkeit als Zerstreuung, die keinen anderen Zweck hat als die Ablenkung von einer radikalen Besinnung auf sich selbst. Er hat bereits erkannt, dass wir uns lieber zu Tode amüsieren als das wir uns mit uns selbst beschäftigen. Und die Neugier erkennt Pascal als eitles Treiben: man will nur wissen, um darüber reden zu können. Und wer denkt nicht an die heutige Situation, wenn Pascal beschreibt, wie schnell es den Menschen vor Langeweile in äußere Aktivitäten treibt. Wir hassen die Ruhe und lieben die Sensation, das Abenteuer, den Lärm und das Getümmel.
In seinen Notizen setzt sich Pascal auch den Grunderfahrung menschlichen Seins aus: etwa seiner Endlichkeit, Ungesichertheit, Widersprüchlichkeit und seinem schicksalhaften Ausgesetztsein. In vielem nimmt er den Existenzialismus vorweg. Wenn ich, so schreibt er, die kurze Dauer meines Lebens betrachte, das von der Ewigkeit davor und danach aufgesogen wird, gerate ich in Schrecken und Erstaunen, dass ich gerade hier und jetzt lebe. Wer hat mich hierhin gestellt?
Pascal ist heute - in einer Situation, in der wir die Nachteile und Gefahren der modernen wissenschaftlich geprägten, materialistischen und konsumorientieren Lebensweise kennen lernen - vielleicht mehr denn je wichtig als Gegenentwurf. Freilich deutet er vieles nur an. Wer sich einmal daran machen wird, denkend einen neuen Weg aufzuzeigen, wird aber wahrscheinlich an Pascal nicht ganz vorbei gehen können.
Literatur:
Gedanken von Blaise Pascal