Dienstag, 28. Oktober 2025

Vor 80 Jahren: Sartres neue Definition des Humanismus


Es war der 28. Oktober 1945, als Sartre im »Salle des Centraux« seinen legendären Vortrag über die Klarstellung des Existentialismus hielt. Eine gewaltige Menschenmenge strömte herbei, in der Erwartung, die herbeigesehnten Erklärungen wie allgemeingültige Gesetze verkündet zu bekommen. Die Kasse wurde überrannt, Stühle brachen und eine unvorstellbare Hitze erfüllte den Saal, als Sartre sich nach 15 Minuten den Weg zum Pult gebahnt hatte und mit den Händen in den Hosentaschen seinen Vortrag begann. Die Intention, die dieser Rede zugrunde lag, war die Frage nach dem Wert des Humanismus zu beantworten, dessen Bestimmung aufgrund der grauenhaften Geschehnisse, wie sie durch den zweiten Weltkrieg verursacht wurden, fraglich geworden war.

Jean-Paul Sartre

Sartre hielt es nach dem Krieg für angebracht, den zerbrechlichen Humanismus zu rehabilitieren bzw. neu zu definieren. Des Weiteren galt es umfangreiche Fehlinterpretationen, die über den Existentialismus in Umlauf gekommen waren, klarzustellen und seine negative Konnotation, die im Zusammenhang mit den Begriffen Pessimismus, Quietismus und Verzweiflung stand, zu korrigieren. Da sein erstes großes Hauptwerk »Das Sein und das Nichts«, in dem er auf 1.000 Seiten seine Philosophie formulierte, zu terminologisch und abstrakt für die Popularisierung seiner Existenzphilosophie war, schraubte er das Niveau in seinem Vortrag so weit herunter, das er einprägsame Sätze wie „Die Existenz geht der Essenz voraus“ oder „Der Mensch ist nichts anderes als das, wozu er sich macht“, salonfähig machen konnte. Später bezeichnete er diese Absicht als Fehler, da viele Aspekte, seiner Ansicht nach als zu vereinfacht dargestellt wurden.

Der geschichtliche Augenblick den Sartre wählte, um den Status humanistischer Werte zu bestimmen, da diese sich als äußerst zerbrechlich herausgestellt hatten, war zwar angebracht, jedoch rehabilitierte er diese nicht neu, sondern beseitigte gleich deren Existenz und verkündete, dass es sie nie gegeben habe. Wertvorstellungen wie Solidarität, Freiheit und Gerechtigkeit, stellen Sartre zufolge keine a priori feststehenden Bedingungen dar, sondern hängen von der subjektiven Realisierung ab, durch die wir sie in jeder Situation von neuem verwirklichen. Da Gott als Werteproduzent weggefallen ist, liege es am Menschen die Werte neu zu erfinden bzw. auch über deren Gültigkeit zu entscheiden, so Sartre. Moralische Normen bestehen nicht als kollektive Gegebenheiten, sondern obliegen dem einzelnen Menschen, der erst durch seine Handlungen erkennen lässt, welche Werte in der Welt bestehen sollen.

Der Mensch muss jedoch nicht nur die Werte erfinden, sondern auch sich und seinen Lebensentwurf. Als in die Welt geworfenes Lebewesen, muss der Mensch unentwegt darüber entscheiden, wer er sein möchte und sieht sich daher ständig in einer Situation, in der er über sich wählen muss. Der Mensch besitzt die Fähigkeit zur Transzendenz, also die Möglichkeit sich unablässig zu überschreiten und neu zu definieren. Sartre spricht auch von einem Riss im Sein, der es verhindert, dass wir eben nicht wie ein Stein von einer fertigen Wirklichkeit erfüllt werden, sondern immer wieder aus uns herausgetrieben werden, um uns zu bestimmen. Wir leben in einer ständigen Distanz zu uns selber, die es verhindert, unser Selbst gänzlich zu erreichen und stattdessen uns immer wieder von uns losreißt, wie es Sartre in dem Werk »Das Sein und das Nichts« aufgezeigt hat. Es gibt kein auffindbares „Sich“, das dem Menschen seinen Persönlichkeitskern aufzeigen und ihm ein Kellner-Sein, ein Arzt-Sein oder dergleichen offenbaren könnte. Wir können nur durch unsere Freiheit danach streben uns dieser sich kontinuierlich entfernenden Idealität immer wieder anzugleichen. Eine Übereinstimmung kann uns jedoch nie gelingen. Sartre spricht hierbei von „Unaufrichtigkeit“, um zu verdeutlichen, dass der Mensch ständig in der Verpflichtung ist, sich ein Sein zu verleihen, nur um es im nächsten Augenblick wieder zu verlieren.


Die Existenz geht also der Essenz voraus, eine Klarstellung, die lange Zeit in der Geschichte als unmöglich gehalten wurde. Was einstmals Gott festlegte, liegt nun in den „zur Freiheit verurteilten Menschen“, Doch verträgt der Mensch überhaupt so viel Macht und fühlt er sich nicht vielmehr hoffnungslos überfordert? Bedarf es eine Theorie, die den Menschen als Angst, Verlassenheit und Einsamkeit definiert? Nach Sartre verbleibt dem Menschen keine andere Wahl, da mit dem Ausschalten der Hypothese Gottes auch die hoffnungsverleihende Sinngebung beseitigt wurde. Gabriel Marcel, ein Vertreter des christlichen Existentialismus war diese Ansicht zu radikal und wollte der Autonomie des einzelnen Menschen, durch die Liebe und dem menschlichen Miteinander mehr Hoffnung verleihen.

Philosophisch betrachtet erfährt der Mensch dabei folgende Rechtfertigung:

"Der Mensch ist für sich, sein Tun und Lassen selber verantwortlich. Es gibt oder braucht keine Rechtfertigung ausserhalb des Menschen. Deshalb ist der Existenzialismus ein Humanismus."

Doch warum ist der Existentialismus ein Humanismus? Sartre geht es um den Umstand, das das menschliche Sein etwas fortlaufend zu erschaffendes sei. Als alleiniger Gesetzgeber kann der Mensch sich nur dadurch zur Existenz erheben, indem er sich durch die Verwirklichung von Handlungen realisiert. Der Mensch kann demnach nicht als ein Endzweck betrachtet werden, da er sich durch zweckorientiertes Handeln in jeder Situation wieder hervorbringen muss. Weiterhin trägt der Mensch nicht nur für seine Handlungen die Verantwortung, sondern darüberhinaus muss er sich bewusst sein, dass er durch seine getroffene Wahl die Menschheit mitengagiert.

Neu waren Sartres Ansichten nicht. Schon Sören Kierkegaard machte die Angst als eine Grundbefindlichkeit des Menschen aus und auch Martin Heidegger stellte den Menschen als ein kontingentes Lebewesen dar, das sich der Angst geschickt zu verbergen gelernt hat, indem er sich an die Strukturen der Welt verliert. Auch sollte Heidegger mit seinem berühmten »Brief über den Humanismus« sich indirekt wenige Jahre später auf Sartre und seine Ansichten beziehen. Faszinierend wird Sartres Konzept des Existentialismus auch weiterhin bleiben und auch die vielen Missverständnisse werden wohl weiterhin präsent bleiben, da sich der Universitätsbetrieb mittlerweile von den existentiellen Grundfragen weitestgehend verabschiedet hat.

Literatur:

Der Existentialismus ist ein Humanismus und andere philosophische Essays 1943 - 1948
Der Existentialismus ist ein Humanismus
von Jean-Paul Sartre

Weblink:

Jean-Paul Sartre - www.jean-paul-sartre.de

Samstag, 25. Oktober 2025

Gottfried Wilhelm von Leibniz - der Universalgelehrte

Gottfried Wilhelm von Leibniz


Gottfried Wilhelm von Leibniz war ein bedeutender Philosoph und Gelehrter des 17. Jahrhunderts und der universellste Denker seiner Zeit. Der adelige Wissenschaftler Leibniz gilt als der letzte grosse Universalgelehrte, als markantester Vertreter der deutschen Frühaufklärung und als eine große Schöpfergestalt deutschen Geistes. Der Universalgelehrte Gottfried Wilhelm Leibniz versuchte zeitlebens, Theorie und Praxis zu verbinden. Der 200.000 Seiten umfassende Nachlass des grossen Denkers birgt bis heute Überraschendes.

Gottfried Wilhelm von Leibniz

Gottfried Wilhelm Leibniz, der am 14. November 1716 im Alter von 70 Jahren starb, gilt als das letzte Universalgenie. Zeitlebens trieb ihn ein unerschütterlicher Optimismus an. Der Philosoph, Mathematiker und Fürstenberater war bis zu seinem Tod überzeugt davon, die Welt verbessern zu können. Er wollte die Spaltung der Kirche überwinden und entwickelte eine Universalsprache, um Missverständnisse zwischen den Völkern zu beenden.

Als Quell der Inspiration hilft Gottfried Wilhelm Leibniz auch 300 Jahre nach seinem Tod der Wissenschaft von heute. "Seine Visionen auf unterschiedlichsten Gebieten inspirieren Wissenschaftler bis heute", sagt der Leiter des Leibniz-Archivs in Hannover, Michael Kempe. So sei ein Software-Entwickler aus den USA angereist, um in Leibniz' Schriften Anregungen für neue Algorithmen zu finden.

In der Mathematik war er seiner Zeit weit voraus. Ohne das von Leibniz beschriebene Dualsystem gäbe es keine Computer. Seine Überlegung, dass Raum nichts Absolutes ist, verweist bereits auf Einsteins Relativitätstheorie.

Leibniz hat wichtige Beiträge zur Mathematik geleistet, gilt als einer der Erfinder der Differential- und Integralrechnung und des binären Zahlensystems, auf dem die heutige Digitalisierung beruht. Aber er beschäftigte sich auch mit Logik, Erkenntnis- und Zeichentheorie, verfasste juristische und politische Denkschriften, betrieb sprachwissenschaftliche Studien, wurde von seinem Herzog beauftragt, die Geschichte der Welfen-Dynastie zu schreiben.

Leibniz war Gründer der »Preußischen Akademie der Wissenschaften« in Berlin und engagierte sich in Projekten, die zu einer Wiedervereinigung der getrennten christlichen Konfessionen führen sollten. Damit verkörperte er den Typus des Universalgelehrten, der im Zeitalter des Barock als erstrebenswertes Ideal galt.

Der Grundgedanke, der das leisten soll, ist die Idee von der Harmonie der Welt. „Harmonie ist Einheit in der Vielfalt“, lautet ein zentraler Satz von Leibniz. Oder: „Harmonie ist Ähnlichkeit in der Mannigfaltigkeit oder durch Identität ausgeglichene Verschiedenheit“. Harmonie herrscht zwischen Körper und Geist (die nicht wie Descartes durch eine schwer überbrückbare Kluft voneinander getrennt sind), Harmonie zwischen den Einzelwesen (Leibniz nennt sie „Monaden“) und der Welt als Ganzer. Garantiert wird diese Harmonie durch die mathematisch-logischen Grundprinzipien, die in der Natur, in den Monaden und in Gott ein und dieselben sind: „Gott schuf alles gemäß der größtmöglichen Harmonie und Schönheit“. Deshalb kann Leibniz sagen, diese Welt sei „die beste aller möglichen Welten“.

Wie das Barock-Zeitalter zeigt das Werk von Leibniz ein Janusgesicht. Es hält fest am platonisch-christlichen Gedanken einer die ganze Schöpfung durchwaltenden sinnvollen Ordnung. Aber ist sein Gott noch der christliche, oder nicht vielmehr ein abstraktes logisches Prinzip, ein Algorithmus, ein Computerprogramm? Dann wäre Leibniz nicht der letzte dogmatische Metaphysiker, sondern der erste Systemtheoretiker. Kein Wunder, dass er bei den Nerds des Cyberspace ein hohes Ansehen genießt.

Die niedersächsische Gottfried Wilhelm Leibniz Bibliothek verwahrt den Nachlass des großen Denkers. Die 200.000 handschriftlich beschriebene Seiten lagern dort, darunter der zum Unesco-Welterbe gehörende Briefwechsel mit 1300 Briefpartnern rund um den Erdball. Leibniz dachte global und suchte die Nähe zu Russland und China, um von anderen Kulturen zu lernen.

Leibniz beschränkte sich nicht auf die Theorie, er war ein Forscher mit Hang zum Abenteuer. Der Hofrat kraxelte durch die Bergwerke des Harzes und konstruierte Windmühlen zum Antrieb von Pumpen. Weil ihm das Schreiben in der wackligen Postkutsche schwerfiel, entwarf er bequeme Reisesitze und Kabinen. Stets hatte der Frühaufklärer das große Ganze im Blick: Seine nie vollendete Geschichte der Welfen im Auftrag des Hofes begann Leibniz mit einer Abhandlung über die Entstehung der Erde. Grundlage waren auch eigene Fossilien wie ein versteinerter Mammutzahn.

Weblinks:

Gottfried Wilhelm Leibniz - www.hannover.de

Gottfried Wilhelm Leibniz - Das letzte Universalgenie - www.nano.de

Hegel und das Problem der Überproduktion (E)

Der Philosoph Georg W. F. Hegel erkannte schon das Problem der Überproduktion (Überreichtum), als Quelle der Armut und der Produktion des Pöbels.

Hegels Ursatz aller negativen Auswüchse des Reichtums in der bürgerlichen Gesellschaft . Hegel erkannte noch vor Marx die negativen Folgen der Überproduktion.

“Es kommt hierin zum Vorschein, daß bei dem Übermaße des Reichtums die bürgerliche Gesellschaft nicht reich genug ist, d. h. an dem ihr eigentümlichen Vermögen nicht genug besitzt, dem Übermaße der Armut und der Erzeugung des Pöbels zu steuern, wenn die Produktion das Bedürfnis der Konsumtion übersteigt.“

G. W. F. Hegel, Grundlinien der Philosophie des Rechts, Die bürgerliche Gesellschaft, § 246


§ 245
Wird der reicheren Klasse die direkte Last aufgelegt, oder es wären in anderem öffentlichen Eigentum (reichen Hospitälern, Stiftungen, Klöstern) die direkten Mittel vorhanden, die der Armut zugehende Masse auf dem Stande ihrer ordentlichen Lebensweise zu erhalten, so würde die Subsistenz der Bedürftigen gesichert,
ohne durch die Arbeit vermittelt zu sein, was gegen das Prinzip der bürgerlichen Gesellschaft und des Gefühls ihrer Individuen von ihrer Selbständigkeit und Ehre wäre; oder sie würde durch Arbeit (durch Gelegenheit dazu) vermittelt,
so würde die Menge der Produktionen vermehrt, in deren Überfluß und dem Mangel der verhältnismäßigen selbst produktiven Konsumenten gerade das Übel besteht, das auf beide Weisen sich nur vergrößert. Es kommt hierin zum Vorschein, daß bei dem Übermaße des Reichtums die bürgerliche Gesellschaft nicht reich genug ist, d. h. an dem ihr eigentümlichen Vermögen nicht genug besitzt, dem Übermaße der Armut und der Erzeugung des Pöbels zu steuern. “
(G.W.F.Hegel: Grundlinien der Philosophie des Rechts, Die bürgerliche Gesellschaft / ... Die Polizei) >KONTEXT>








Wenn man hier noch so verstehen könnte, dass dem großen Reichtume der industriellen Produktion zum trotz, es noch immer nicht ausreiche (“nicht reich genug”) dem Übermaße der Armut zu steuern, so wird hier, was Hegels Standpunkt betrifft die Sache klar ausgesprochen:                                (M.H.)






§ 248
Dieser erweiterte Zusammenhang bietet auch das Mittel der Kolonisation, zu welcher - einer sporadischen oder systematischen - die ausgebildete bürgerliche Gesellschaft getrieben wird und wodurch sie teils einem Teil ihrer Bevölkerung in einem neuen Boden die Rückkehr zum Familienprinzip, teils sich selbst damit einen neuen Bedarf und Feld ihres Arbeitsfleißes verschafft.
Zusatz. Die bürgerliche Gesellschaft wird dazu getrieben, Kolonien anzulegen.
Die Zunahme der Bevölkerung hat schon für sich diese Wirkung; besonders aber entsteht eine Menge, die die Befriedigung ihrer Bedürfnisse nicht durch ihre Arbeit gewinnen kann, wenn die Produktion das Bedürfnis der Konsumtion übersteigt. Sporadische Kolonisation findet besonders in Deutschland statt.
Die Kolonisten ziehen nach Amerika, Rußland, bleiben ohne Zusammenhang mit ihrem Vaterlande und gewähren so diesem keinen Nutzen.
Die zweite und ganz von der ersten verschiedene Kolonisation ist die systematische.
Sie wird von dem Staate veranlaßt, mit dem Bewußtsein und der Regulierung der gehörigen Weise der Ausführung.
Diese Art der Kolonisation ist vielfältig bei den Alten und namentlich bei den Griechen vorgekommen, bei denen harte Arbeit nicht die Sache des Bürgers war, dessen Tätigkeit vielmehr den öffentlichen Dingen sich zuwendete.
Wenn nun die Bevölkerung so anwuchs, daß Not entstehen konnte, für sie zu sorgen, dann wurde die Jugend in eine neue Gegend geschickt, die teils besonders gewählt, teils dem Zufall des Findens überlassen war. In den neueren Zeiten hat man den Kolonien nicht solche Rechte wie den Bewohnern des Mutterlandes zugestanden, und es sind Kriege und endlich Emanzipationen aus diesem Zustande hervorgegangen, wie die Geschichte der englischen und spanischen Kolonien zeigt.
Die Befreiung der Kolonien erweist sich selbst als der größte Vorteil für den Mutterstaat, so wie die Freilassung der Sklaven als der größte Vorteil für den Herrn.

(G.W.F.Hegel: Grundlinien der Philosophie des Rechts, Die bürgerliche Gesellschaft / ... Die Polizei)                   >KONTEXT>




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Die Armut an sich macht keinen zum Pöbel




“Was Geld ist, kann nur verstanden werden, wenn man weiß, was Wert ist.”
G. W. F. Hegel

http://www.abcphil.de/html/hegel-_uberproduktion.html

Zarathustra und das Böse


»Der Mensch ist böse« – so sprachen mir zum Troste alle Weisesten. Ach, wenn es heute nur noch wahr ist! Denn das Böse ist des Menschen beste Kraft. »Der Mensch muss besser und böser werden« – so lehre ich. Das Böseste ist nöthig zu des Übermenschen Bestem.

Zarathustra läßt keinen Zweifel, denn er sagt, die Erkenntnis der Guten, der Besten gerade sei es gewesen, was ihm Grausen vor dem Menschen überhaupt gemacht habe; aus diesem Widerwillen seien ihm die Flügel gewachsen, »fortzuschweben in ferne Zukünfte« – er verbirgt es nicht, daß sein Typus Mensch, ein relativ übermenschlicher Typus, gerade im Verhältnis zu den Guten übermenschlich ist, daß die Guten und Gerechten seinen Übermenschen Teufel nennen würden.


Ihr höchsten Menschen, denen mein Auge begegnete, das ist mein Zweifel an euch und mein heimliches Lachen: ich rate, ihr würdet meinen Übermenschen – Teufel heißen!

So fremd seid ihr dem Großen mit eurer Seele, daß euch der Übermensch furchtbar sein würde in seiner Güte.

An dieser Stelle und nirgendswo anders muß man den Ansatz machen, um zu begreifen, was Zarathustra will: diese Art Mensch, die er konzipiert, konzipiert die Realität, wie sie ist: sie ist stark genug dazu –, sie ist ihr nicht entfremdet, entrückt, sie ist sie selbst, sie hat all deren Furchtbares und Fragwürdiges auch noch in sich, damit erst kann der Mensch Größe haben.“" aus ecce homo. was liest man da?!

Sonntag, 19. Oktober 2025

Vor 225 Jahren: Jena als Republik der freien Geister

Jena 1800



Jena war vor 225 Jahren um 1800 das Zentrum der Geistesgeschichte in Europa, denn führende Köpfe und Denker hatten sich zu der Zeit in der thüringischen Universitätsstadt niedergelassen.

Peter Neumann, geboren 1987, lebt als freier Schriftsteller in Weimar und lehrt Philosophie mit Schwerpunkt Deutscher Idealismus an der Friedrich-Schiller-Universität Jena.

Der Autor entwirft ein äußerst lebendiges Bild von Jena - von jenem Jena, welches in Aufbruchstimmung ist.

Jena ist um 1800 eine kleine Studentenstadt in Thüringen mit der höchsten Geniedichte in Deutschland. Im November 1799 ist Jena so etwas wie der geistig-kulturelle Mittelpunkt Deutschlands. Es ist die Zeit der Frühromantik.

Die ersten "freien Geister" sind längst da. Johann Gottlieb Fiche kam schon 1794. Der Autor bezeichnet Fichte als Kants Messias in Jena, er ist ein glühender Anhänger der neuen, kritischen Philoosophie. Noch vor Fichte war Schiller bereits in Jena. Schelling ist aus Richtung Dresden im Anmarsch.

Mit den Ideen der Französischen Revolution geraten nicht nur die politischen Verhältnisse in Europa ins Wanken. Eine ganze Generation von jungen Dichtern und Philosophen beschließt, die Welt neu zu denken. Die führenden Köpfe – darunter die Brüder Schlegel mit ihren Frauen, der Philosoph Schelling und der Dichter Novalis – treffen sich in der thüringischen Universitätsstadt an der Saale, um eine „Republik der freien Geister“ zu errichten.

Die in Jena um die Jahrhundertwende versammelten freien Geister betreiben in ihrem Denken einen Bruch mit der Konvention, denn sie stellen nicht nur gesellschaftliche Traditionen in Frage, sie revolutionieren mit ihrem Blick auf das Individuum und die Natur zugleich auch unser Verständnis von Freiheit und Wirklichkeit – bis heute. Farbig und leidenschaftlich erzählt Peter Neumann von dieser ungewöhnlichen Denkerkommune, die nicht weniger vorbereitete als den geistigen Aufbruch in die Moderne.





Am Ende zerstreuten sich die freien Geister in alle Winde. Es waren nicht mehr viele, die in Jena verblieben waren. Tieck hatte sich längst nach Dresden verabschiedt, Wilhelm Schlegel war im Winter endgültig nach Paris gegangen, um dort Vorlessungen über schöne Literatur und Künste zu halten, Frieddrich Schlegel und sein Frau Dorothea zog es ebenfalls nach Paris. Novalis ruhte bereits unter der Erde. Die Reihen hatten sich gelichtet, der Traum war ausgeträumt. Der schöne Traum der »Republik der freien Geister«, den alle erträumt hatten, er lag in Trümmern.

Literatur:

Jena 1800
Jena 1800: Die Republik der freien Geister
von Peter Neumann

Weblink:

Frühromantik

Samstag, 18. Oktober 2025

Nietzsches »Philosophie der Zukunft« (E)

Nietzsche steht immer unter der Perspektive einer Philosophie der Zukunft und einer Zeit, welche erst noch kommen wird.

Nietzsche stellt die Umwertung der prähistorischen »Herren-Moral« zur Moral der »christlichen Nächstenliebe«, die säkularisiert als natürliche Mitleids-Moral in Erscheinung tritt, um seine »Philosophie der Zukunft«, so der Unterteil von »Jenseits von Gut und Böse«, jenseits der christlichen und säkularisierten, aufkläerischen Morallehren, zu entwerfen.

Das Gegenstück dazu, seine »Philosophie der Vergangenheit« bildet sein Werk »Genealogie der Moral« - eine historische Betrachtung der Entwicklungsgeschichte der Moral.

Nietzsche über freie Geister und Philosophen der Zukunft


Ein Philosoph (griechisch φιλόσοφος philósophos „Freund der Weisheit“) oder sinngemäß Denker ist ein Mensch, der danach strebt, Antworten auf grundlegende (Sinn-)Fragen über die Welt, über den Menschen und dessen Verhältnis zu seiner Umwelt zu finden.

"Brauche ich nach alledem noch eigens zu sagen, daß auch sie freie, sehr freie Geister sein werden, diese Philosophen der Zukunft – so gewiß sie auch nicht bloß freie Geister sein werden, sondern etwas Mehreres, Höheres, Größeres und Gründlich-Anderes, das nicht verkannt und verwechselt werden will? Aber, indem ich dies sage, fühle ich fast ebensosehr gegen sie selbst, als gegen uns, die wir ihre Herolde und Vorläufer sind, wir freien Geister! – die Schuldigkeit, ein altes dummes Vorurteil und Mißverständnis von uns gemeinsam fortzublasen, welches allzulange wie ein Nebel den Begriff »freier Geist« undurchsichtig gemacht hat. In allen Ländern Europas und ebenso in Amerika gibt es jetzt etwas, das Mißbrauch mit diesem Namen treibt, eine sehr enge, eingefangene, an Ketten gelegte Art von Geistern, welche ungefähr das Gegenteil von dem wollen, was in unsern Absichten und Instinkten liegt – nicht zu reden davon, daß sie in Hinsicht auf jene herauskommenden neuen Philosophen erst recht zugemachte Fenster und verriegelte Türen sein müssen. Sie gehören, kurz und schlimm, unter die Nivellierer, diese fälschlich genannten »freien Geister« – als beredte und schreibfingrige Sklaven des demokratischen Geschmacks und seiner »modernen Ideen«; allesamt Menschen ohne Einsamkeit, ohne eigne Einsamkeit, plumpe brave Burschen, welchen weder Mut noch achtbare Sitte abgesprochen werden soll, nur daß sie eben unfrei und zum Lachen oberflächlich sind, vor allem mit ihrem Grundhange, in den Formen der bisherigen alten Gesellschaft ungefähr die Ursache für alles menschliche Elend und Mißraten zu sehn: wobei die Wahrheit glücklich auf den Kopf zu stehn kommt! Was sie mit allen Kräften erstreben möchten, ist das allgemeine grüne Weide-Glück der Herde, mit Sicherheit, Ungefährlichkeit, Behagen, Erleichterung des Lebens für jedermann; ihre beiden am reichlichsten abgesungnen Lieder und Lehren heißen »Gleichheit der Rechte« und »Mitgefühl für alles Leidende« – und das Leiden selbst wird von ihnen als etwas genommen, das man abschaffen muß. Wir Umgekehrten, die wir uns ein Auge und ein Gewissen für die Frage aufgemacht haben, wo und wie bisher die Pflanze »Mensch« am kräftigsten in die Höhe gewachsen ist, vermeinen, daß dies jedesmal unter den umgekehrten Bedingungen geschehn ist, daß dazu die Gefährlichkeit seiner Lage erst ins Ungeheure wachsen, seine Erfindungs- und Verstellungskraft (sein »Geist« –) unter langem Druck und Zwang sich ins Feine und Verwegne entwickeln, sein Lebens-Wille bis zum unbedingten Macht-Willen gesteigert werden mußte – wir vermeinen, daß Härte, Gewalt samkeit, Sklaverei, Gefahr auf der Gasse und im Herzen, Verborgenheit, Stoizismus, Versucherkunst und Teufelei jeder Art, daß alles Böse,[606] Furchtbare, Tyrannische, Raubtier- und Schlangenhafte am Menschen so gut zur Erhöhung der Spezies »Mensch« dient, als sein Gegensatz – wir sagen sogar nicht einmal genug, wenn wir nur so viel sagen, und befinden uns jedenfalls, mit unserm Reden und Schweigen an dieser Stelle, am andern Ende aller modernen Ideologie und Herden-Wünschbarkeit: als deren Antipoden vielleicht? Was Wunder, daß wir »freien Geister« nicht gerade die mitteilsamsten Geister sind? daß wir nicht in jedem Betrachte zu verraten wünschen, wovon ein Geist sich freimachen kann und wohin er dann vielleicht getrieben wird? Und was es mit der gefährlichen Formel »jenseits von Gut und Böse« auf sich hat, mit der wir uns zum mindesten vor Verwechslung behüten: wir sind etwas andres als »libres-penseurs«, »liberi pensatori«, »Freidenker« und wie alle diese braven Fürsprecher der »modernen Ideen« sich zu benennen lieben. In vielen Ländern des Geistes zu Hause, mindestens zu Gaste gewesen; den dumpfen angenehmen Winkeln immer wieder entschlüpft, in die uns Vorliebe und Vorhaß, Jugend, Abkunft, der Zufall von Menschen und Büchern, oder selbst die Ermüdungen der Wanderschaft zu bannen schienen; voller Bosheit gegen die Lockmittel der Abhängigkeit, welche in Ehren, oder Geld, oder Ämtern, oder Begeisterungen der Sinne versteckt liegen; dankbar sogar gegen Not und wechselreiche Krankheit, weil sie uns immer von irgendeiner Regel und ihrem »Vorurteil« losmachte, dankbar gegen Gott, Teufel, Schaf und Wurm in uns, neugierig bis zum Laster, Forscher bis zur Grausamkeit, mit unbedenklichen Fingern für Unfaßbares, mit Zähnen und Mägen für das Unverdaulichste, bereit zu jedem Handwerk, das Scharfsinn und scharfe Sinne verlangt, bereit zu jedem Wagnis, dank einem Überschusse von »freiem Willen«, .... "

Jenseits von Gut und Böse, Kapitel 44

Weblink:

Nietzsche über freie Geister und Philosophen der Zukunft

Samstag, 4. Oktober 2025

Nietzsches Haltung zum Sozialismus

„Sozialismus ist, zu Ende gedacht, die Tyrannei der Dümmsten und der Geringsten, der Oberflächlichen und der Schauspieler.“ Diese scharfen Worte schrieb einst der Philosoph Friedrich Nietzsche, als er sich über den damals gerade entstehenden Sozialismus so seine Gedanken machte.

Nietzsche prognostizierte wortgewaltig eine zunehmende gesellschaftliche Nivellierung nach unten, welche aus seiner Sicht durch den Sozialismus eingeleitet würde. Das Zitat ist zweifellos starker Tobak – aber steckt nicht auch eine Portion Wahrheit darin?

Wenn nämlich sozialdemokratische Spitzenpolitiker die Rettung aus ihren Orientierungsnöten nur mehr darin erkennen können, dass sie die früher einmal politisch und intellektuell fundierten Positionen der Linken preisgeben und sich dem Boulevard unterwerfen, dann tritt genau der Fall ein, den Nietzsche damals schon angedacht hat: Die Oberflächlichen übernehmen die Macht. Durch die Anbiederung an den Boulevard leistet die sozialistische Elite ihren Offenbarungseid und überlässt einem oberflächlichen Ungeist und dem Ressentiment der Massen das Feld.

„Sozialismus ist, zu Ende gedacht, die Tyrannei der Dümmsten und
der Geringsten, der Oberflächlichen und der Schauspieler.“

Grundsätzlich ist es keine Frage: Die Bedienung des Ressentiments und den Kniefall vor dem undifferenzierten Meinungskonvolut des Volkes findet man auch bei anderen Parteien, die dem Populismus nicht widerstehen können. Das Geschwafel vom Kleinen Mann und von der Aufwertung desselben ist uns aus den vielen Wahlkämpfen gut in Erinnerung. Und wie jeder Mitdenkende weiß, geht’s bei der populistischen Anbiederung an die Schlechtweggekommenen und Unzufriedenen de facto nicht um die Verbesserung der Lebensverhältnisse jener Menschengruppen, sondern um die Maximierung der Wählerstimmen für die Anbiederer.

Die politische Umschmeichelung der von Nietzsche in harter Diktion Angesprochenen führt in letzter Konsequenz zur Herrschaft derselben – aber ohne Besserung ihrer Daseins- und Bildungsverhältnisse und ohne Fortschritt für den Staat als Ganzes. Die gesamte Politik wird durch die zunehmenden populistischen Tendenzen und den Wettbewerb um die Stimmen der vielen Nicht-Mitdenker nur mehr auf ein Ziel fokussiert: Die Erzeugung von Stimmvieh, dem die Politik vor der Wahl nach dem Mund redet, um nach der Wahl in konturloser Verharrung versinken zu können.

Mittwoch, 1. Oktober 2025

»Die Philosophie des freien Geistes« von Patrick Wotling





Patrick Wotling bestätigt mit seinen Buch über Nietzsche [1], daß er heute der größte französische Kommentator von Nietzsche ist und mit Glück die Fortsetzung durch Jean Granier und Eric Blondel, der so viel getan hatte, sich daran zu erinnern, wie zwingend es notwendig ist, zu den Nietzsche Texten zurückzukehren, und a priori eine ebenso schmerzliche Lesart loszuwerden, Nietzsche einfach als einen umgekehrten Plato (Heideggers Ansicht) zu machen, oder als einen eingefleischten anti-Hegel (Deleuzes Ansicht) abzutun.

Wotlings Buch, das aus den bisher veröffentlichten Artikeln besteht, nimmt das Gegenteil von diesen einfachen Lektüren im gleichen Farbton der Nietzsche Texte, das heißt, laden sie ein, die Zitate nicht zu kürzen, denn Nietzsches Texte passen ausdrücklich nicht in die Ideologie, die indoktrinieren will - das bekannteste Beispiel ist die Entfernung des wesentlichen Teils des § 4 des Vorwortes der »Morgenröte« durch Deleuze, wenn er erkennt, und wo der nachfolgende Satz: "In uns ist  - falls Sie eine Formel wünschen - die Selbsttranszendenz der Moral erfüllt" [2] aus offensichtlichen Gründen völlig aus den Deleuze-Zitaten verschwindet - während er vorschlägt, Nietzsche mit Ehrlichkeit zu lesen und mit einem Geist, frei von allen vorgefassten Meinungen.

Der Geist des Wotlingschen Unternehmens findet sich gut in dem Vorwort zusammengefasst, wo dieses als absichtlicher Bruch mit der irrationalen Lektüre Nietzsches, diesen zu einem Totengräber der Rationalität macht, dessen Schriften sich Spur der Aufgabe der erstickenden Rationalität konzentrieren, und dies dank einer aphoristischen Form, deren Hauptanliegen die des Stils und nicht der Kohärenz wäre. Gegen diese einfache und gewohnte Lektüre bietet Wotling die folgende Interpretation: „Das Ziel dieses Buches ist das dumpfe Gefühl der Willkür zu zerstreuen, die bei Nietzsche wohl recht häufig begleiten und auftreten können, ist es vielleicht häufiger nicht der Fall bei Philosophen, die ihm vorausgehen." [3]

Weit davon entfernt, eine willkürliche Folge von Aphorismen zu sein, Gedanken Nietzsche erscheinen vielmehr als eine geordnete und einheitliche Formatierung einer Philosophie, die Wotling Rationalität sicher bewegt erkunden will, aber immer noch sehr präsent . Woher diese Beobachtung, die das ganze Werk leiten wird: "Nietzsche hat nichts von einem Mystiker, Romantiker oder Irrationalisten, wenn man damit einen Geist versteht, der auf alles verzichtet Konsistenz, um die einzige Affirmation zu verehren - er hat andererseits alles getan, um die Aufgabe seines Lesers zu erschweren. Und dies vor allem, indem er die Konsistenz maskiert, der er sich unterwirft. „[4] Ironischerweise wird daher handeln Wotling Arzt die Nietzscheaner Philosophie zugewandt ist, unbemerkt Rationalität zu diagnostizieren, die die Arbeit Nietzsche heimlich laufen, während die Verschiebungsgrenzen zeigen, sondern auch die Konsistenz, das macht seine Präsenz möglich.


A: Das Problem der Wahrheit

Die dreizehn Kapitel des Buches schlagen vor, eine bestimmte Anzahl von Problemen, die für Nietzsches Arbeit spezifisch sind, anzugehen, aber mir scheint, dass bestimmte Fragen sich als transversal zur Teilung der Kapitel behaupten; So scheint mir die Frage nach der Wahrheit, die als das eigentliche Rückgrat des Buches erscheint, auf eine dominante Weise zu entstehen. Ich könnte sogar sagen, dass diese Einführung in Nietzsches Denken eine riesige Lektüre seiner Arbeit in Bezug auf das Problem der Wahrheit ähnelt, die eine auffallende Wotling Rekonstruktion, nuanciert, subtil und sehr überzeugend bietet.

Das erste Kapitel schlägt vor, die Wahrheit als ein "Regime der Interpretation" darzustellen, das der Hauptfaden der Ereignisse der Wahrheit im ganzen Buch sein wird. Wo Wotling zeigt eine gewisse Originalität wird durch den Anstellwinkel beibehalten, mit diesem Problem umzugehen: etwa einem Brief an Chanut von Descartes 31. März gesendet, 1640, in dem dieser eine erklärt wer die Wahrheit besitzt, kümmert sich nicht mehr darum, sie zu suchen; Aus diesem Brief verdienen zwei Bemerkungen verdient zu werden: Einerseits, und es ist offensichtlich, die Wahrheit zu suchen, zeigt an, dass man es noch nicht besitzt; aber andererseits, und es ist sehr interessant, sobald man die Wahrheit besitzt, denkt man nicht mehr darüber nach, so dass der Besitz der Wahrheit sofort von der Vergessenheit seiner Suche begleitet wird, das heißt, die Wahrheit kann nicht mehr Gegenstand einer bewussten Suche sein; die Augen Wotling diese Bemerkung cartesianischen ist schon Nietzsche: Vergesslichkeit in Nietzsche, ist nicht das Verschwinden des Gedachten, denn „an nichts denken, das wir haben, ist sowohl die spezifische Marke von Verinnerlichung. Mit anderen Worten, Unbewusstheit und Vergessenheit werden in ihrer fundamentalen Dimension eher als Resultat der tatsächlichen Anwesenheit des Dinges, in der Tat, und insbesondere der perfekten Kontrolle des Dinges dargestellt. [5]




Was können wir daraus schließen? Wenn die Philosophen so enthusiastisch behaupten, dass sie die Wahrheit suchen, ist es das Kennzeichen, dass sie es nicht besitzen, und dass nur derjenige, der es schafft, diese Wahrheit zu verinnerlichen, sich von der gleichen Geste löst. von dieser eindringlichen Suche; aber das Wesentliche ist nicht da, oder vielmehr ist es in der Befragung dieses Strebens: Warum auf der Suche nach der Wahrheit sein? Warum bestätigen, dass es eine Wahrheit gibt, wenn niemand erfolgreich ist? Warum weiterhin glauben, dass es eine Wahrheit gibt, wenn die Suche als Zeichen ihrer Abwesenheit ständig beansprucht wird? Denn das Wahre ist im Grunde eine Leidenschaft, eine Liebe: Der Mann liebt die Wahrheit, und diese Suche nach der Wahrheit geht nicht von einer Rationalität aus, sondern von einem leidenschaftlichen Zustand, in dem der Mensch ein gerichtetes Verlangen empfindet zu einer Wahrheit, die er ständig zu erreichen sucht, ohne sie jemals wirklich zu erfassen. Und diese flüchtige Wahrheit, nach der der Mensch rennt, enthüllt die wirkliche Situation des letzteren: Wenn er die Wahrheit nicht wahrnimmt, ist der Mensch zum Irrtum verurteilt, so dass der Irrtum die Wahrheit des Menschen bezeichnet. Die Wahrheit des Menschen ist ein Irrtum, und zwar in dem Maße, in dem das Streben nach Wahrheit zeigt, dass er im Irrtum steht, während er glaubt, dass er die Wahrheit sucht. "Das Wahre ist der Irrtum, das Wahre ist jene Art von Falschem, die es schafft, ihre Natur zu verbergen und für die Negation dessen, was sie ist, zu empfangen (...). [6]

Für all das, und hier weist Wotling auf seine Subtilität hin, wäre es absurd, daraus abzuleiten, dass Nietzsche zu einem integralen Relativismus verkommt, in dem die Idee der Wahrheit aufgelöst würde. Diese Kritik an Nietzsche, dass er mit der Wahrheit bricht, obwohl sie weit verbreitet ist, ist einfach falsch, aber verheerend [7] und bleibt heute noch ziemlich dominant. Gegen diese beklagenswerte Doxa nimmt sich Wotling die Zeit, intelligent zu erklären, was die wahre Nietzschean Frage ist: nicht "gibt es eine Wahrheit? Sondern "warum bevorzugen wir die Wahrheit dem Irrtum? Mit anderen Worten, Wotling zeigt bewundernswert, dass Nietzsches Problem darin besteht zu verstehen, warum Männer eine Deutung der Welt (der wahren) einer anderen (der falschen) vorziehen: aber zu fragen, warum Männer Wahrheit der Lüge vorziehen, Die Existenz des Wahren - und des Falschen - nicht zu leugnen, ist im Gegenteil, ihre Realität zu bestätigen, während sie sich fragt, warum man dem anderen vorzuziehen sei. Wahr und falsch sind zwei mögliche Lesarten der Welt, und Nietzsche versucht zu zeigen, dass wir keinen vernünftigen Grund haben, eine wahre Lesung der Welt einer falschen Lektüre vorzuziehen; Hier liegt die wahre Nietzsche'sche Subversion, die an den Antipoden des Relativismus steht.

Wotling drückt diese Nietzschean - Frage sehr gut aus und fasst sie wie folgt zusammen: "Warum empfindet ein Typ der lebenden Person in einem bestimmten Stadium seiner Geschichte und seiner kulturellen Konditionierung das zwingende Bedürfnis, die Realität in Bezug auf die Wahrheit? Die so durchgeführte Genealogie der Wahrheit führt zur Identifizierung von Bedürfnissen, die in dieser ursprünglichen Form der Wahrheit befriedigt werden sollen. Unter diesen Bedingungen ist der freie Philosoph nicht derjenige, der behauptet: "Die Wahrheit existiert nicht", aber er ruft aus: "Ich habe keinen Grund dazu "sich der Wahrheit entfremden", implizit durch diese Emanzipation anerkennen, dass es in der Tat existiert, gegenüber dem es sich selbst befreit.

Nach dem hat Nietzsche also zur Philosophie, die der Wille der Wahrheit ist, welcher der Wille eines wahren Wissens ist; Hinter diesem Willen liegt etwas, das weder Wahrheit noch Wissen ist. "Der Wille zu wissen enthält etwas anderes, verbirgt etwas anderes als Wissen. Wir müssen uns entschließen, es als abgeleitet und nicht originär zu betrachten. [9] Woraus aber leitet sich dieser Wille der Wahrheit oder des wahren Wissens her? Es geht, wie immer, wenn Genealogie eingesetzt wird, Moral: Moral verbietet Lügen für andere, wie für sich selbst. Und dieses Lügenverbot strukturiert im wesentlichen den Willen zur Wahrheit; Wir ziehen das Wahre dem Falschen vor, weil uns die Moral verbietet, das Falsche zu wählen, indem wir die Lüge verbieten. Was also Nietzsche vom freien Geist fordert, ist nicht die Existenz der Wahrheit zu leugnen, sondern zu verstehen, welche Werte unseren Willen zur Wahrheit strukturieren, so daß das Problem der Wahrheit gestellt wird in der Krise die eigentliche Aufgabe der Philosophie: Die Philosophie darf nicht um jeden Preis die Wahrheit wollen, aber sie muss diese Frage ersetzen: die Frage nach den Werten: Welche Werte wollen wir?


B: Das Studium der Werte

Der vorherige Teil hat uns zum Problem der Werte geführt; die Frage der Werte ersetzt die der Wahrheit, so dass die Frage nicht länger lautet: "Wie kann ich die Wahrheit erreichen? Aber welche Werte möchte ich erstellen und / oder übernehmen? Diese Frage der Werte ist also zentral, und sie stört die Anhaftung an die Wahrheit, die letzten Endes auf einem sehr starken Wert beruht, in dem Sinne, wie Platonismus und Moral es haben macht die Verwerfung von Irrtum und Falschheit zu einem Kardinalwert, der die Grundlage des Glaubens an die Notwendigkeit der Wahrheit darstellt; aber möchte ich moralische Werte annehmen? Nicht umsonst installiert Patrick Wotling ihn permanent im Zentrum der Problematik der ewigen Wiederkehr: In den Augen Wotlings ist die ewige Wiederkehr in der Tat genau das, was die Möglichkeit von neue Werte und fordern, dass sie realisiert werden.

Wotling lädt uns auch alle philosophischen Probleme als Wertekonflikt zu denken, und es ist durch diesen Konflikt, der die wahre Bedeutung der Metaphysik leuchtet: Metaphysik, ist dies nichts anderes als die Präferenz für einen Wert auf Kosten eines anderen, das ist die Überbewertung des Übersinnlichen sinnlichen auf Kosten von bedeutendem Wert oder zu sagen, es Wotling zu setzen, „die Postulierung eines höheren Wert der Welt des Seins verglichen mit der vernünftigen Welt. Das ganze Unternehmen der Freiheit besteht dann darin, die Notwendigkeit aufzuzeigen, das Streben nach Wahrheit aufzugeben zugunsten eines Gedankens der den Werten innewohnenden Logik, die Wotling als "einen vergöttlichten Glauben" definiert [11].

Aber riskieren wir nicht, in eine versteckte Falle zu geraten, die die List der Metaphysik sein könnte? Sind wir nicht in Gefahr, die Werte zu erkennen, indem wir einen gewissen Glauben an die Wahrheit der Werte erneuern und sie zu den fast metaphysischen Grundlagen einer gewissen Anzahl von Phänomenen machen, die die Philosophie gewöhnlich seziert? Mit anderen Worten, können wir damit zufrieden sein, dies zu sagen: Jedes philosophische Problem basiert auf einem verborgenen Wert, einer geheimen Bewertung, die der freie Philosoph offenbaren muss? Dieser Ansatz würde nicht ausreichen, versichert Wötling, denn es würde bedeuten, Werte zu einer Grundlage zu machen und damit eine moderne Form der Metaphysik zu erneuern. "Es kann nicht genug betont werden: Der entscheidende Wendepunkt im Verständnis der Philosophie besteht nicht einfach darin, die Präsenz von Werten an der Quelle allen Denkens zu entdecken und damit den Mythos ihrer Autonomie zu zerstreuen, sondern vielmehr die Tatsache, dass diesen neuen Fonds nicht auf eine theoretische Art zu behandeln: zu erkennen, dass er nicht in die Logik des Wissens fällt - ohne die der Wert nichts anderes als eine neue Grundlage wäre. Im Gegenteil, die Position von Nietzsche ist insofern neu, als sie die Vorstellung in Frage stellt, dass die Logik der Philosophie eine Logik des Prinzips oder der Grundlage ist. Daher ist die Logik, um die Nietzscheaner Reflexionslichter gehorcht: die Ablehnung der Philosophen Lehren zeigt an, dass sie das Ideal der Philosophie zu verwirklichen gescheitert; die gleichzeitige Abwertung der Kritik zeigt, dass sie das Theoretische falsch übertrieben haben (...). „[12] Hier können wir nur Tribut an die Subtilität des Lesens zahlen, das Wotling bietet und Schatten, der durch seine Worte lautet: sicherlich sollte es die Werte zeigen, die heimlich unter den üblichen Problemen führen, aber es wäre schädlich dort anhalten und seinen Inhalt mit Verdacht: es ist die gleiche Idee wie zum Grund einer Krise zu kommen, und eine neue Kohärenz ist gut für eine Nietzsche Kritik; Kohärenz muss nicht mehr durch die theoretischen Grundlagen sichergestellt werden, sondern die Entstehung eines neuen Wertes: der Körper.

C: Nietzsches Feinheit

Eine voreilige Lektüre von Nietzsche könnte nahe legen, dass es ausreichen würde, neue Werte gegen die alten zu schaffen, um seine Freiheit zu sichern; und den Geist durch Körper zu ersetzen , was zum Beispiel eine erhebliche ? würde, und eine ganze Reihe von irrationalen Phänomenen durch rationale Metaphysik auf diese Weise dieser Umkehrung eine Art unmittelbare Legitimation bedeuten würde und Nietzsche dadurch an Wert erhalten würde. Wie Wotling glänzend zeigt, ist das alles viel komplizierter als eine einfache Umkehrung, und es scheint schnell klar, daß Nietzsche nicht mit dieser leichten Umkehr zufrieden ist; der Begriff des Triebes, den man sich zum Beispiel als ein Zeichen des den Körper umkehrenden Verstandes positiv wiedererfinden könnte, erhält in Nietzsche eine außerordentlich nuancierte Bedeutung, von der Wotling die Mäander glücklich macht. Was Nietzsche nach Wotling vermeiden will, ist, in den von ihm angeprangerten Fehler zurückzufallen: eine neue stabilisierende Ontologie zu gründen, auch wenn sie auf etwas anderem als Vernunft beruht. Hypostasierender Instinkt oder Impuls in der Ontologie würde am Ende das Scheitern des Nietzsche'schen Unternehmens markieren, das damit die traditionelle Geste der Metaphysik erneuern würde.

Als ausgezeichneter Kenner der Nietzsche'schen Texte kann Wötling also zeigen, wie Nietzsche allen Tücken entgeht, die die Metaphysik ihm bietet und vielen seiner Kommentatoren, die manchmal behaupten, von ihm zu sein, nicht vermeiden konnten. "Aus diesem Grund ist Nietzsches Denken nicht mit einer instinktiven Monadologie oder einer Monadologie des Willens zur Macht vergleichbar: Die Impulse werden nicht zu spirituellen Atomen, geschweige denn zu Wesen oder überhaupt zu objektiven Bezügen. [13] Aber um das zu sagen, ist es auch angebracht, mit einer gewissen Haltung zu brechen, die Impulse und ihre Intensität zu einem zentralen Interpretationspunkt macht: Wenn nämlich der Trieb oder Instinkt nicht in der Ontologie hypostasiert werden kann, dann bedeutet es, dass der Antrieb, weit davon entfernt, die Struktur des Realen zu bestimmen, zufrieden ist, ihn zu organisieren: man kann das Reale in Bezug auf den Antrieb analysieren, weil das Reale nicht von einer choosischen Ordnung ist, aber für alles, was es nicht bedeutet Nicht dass der Trieb eine Ontologie zeichnet: Es könnte die extreme Subtilität von Nietzsches Denken geben. Aber das erlaubt uns, noch weiter zu gehen: Wenn das Reale im Sinne von Impulsen gelesen werden kann, dann widerspricht dies Deleuzes dominanter Dekadenz-Interpretation; Wotling und erklärt sehr gut „für Nietzsche, das nicht unbedingt die Frage der intrinsischen Qualität der Leistung ist (aktiv / reaktiv als bevorzugte Terminologie Deleuze) Das erklärt den Rückgang (es darüber hinaus schwierig ist, zuzuschreiben eine intrinsische Qualität), aber zuerst das Vorhandensein oder Fehlen eines hierarchischen Organisationsnetzes von Instinkten. [14]

Es gibt noch viel zu sagen über dieses Buch, reich, intelligent und, selten in den Kommentaren von Nietzsche, ehrlich. Wotling Nietzsche ausführlich lesen, er übersetzt es und zeigt es auf jeder Seite: der Kommentator in den Dienst eines Werkes ist er bewundert, und weit von der Suche nach ihm in einem vorgefassten Form passt es in stellt den üppigen Reichtum wieder her, ohne sich von der üblichen Doxa einschüchtern zu lassen, und reduziert Nietzsche zu einem relativistischen Irrationalisten, der sich damit begnügt hätte, die Metaphysik zu stürzen und sie zugleich zu erneuern. Es ist daher sowohl eine Einführung in ein faszinierendes Werk, das von Nietzsche, als auch eine Bestätigung, dass Wotling zweifellos mit Eric Blondel der größte Kommentator von Nietzsche Französisch ist, Das verdient Bewunderung.


Anmerkungen

[1] Patrick Wotling, Die Philosophie des freien Geistes, Einführung in Nietzsche, Champs Flammarion, 2008

[2] vgl. Nietzsche, Aurore, Übersetzung Julien Hervier, Foliantests, 1989, p. 18

[3] Wötling, op. cit., p. 9

[4] Ebenda.

[5] Ebenda. Seite 26

[6] Ebenda. Seite 34

[7] Man denke nur an dieses von Abkürzungen durchtränkte Kollektiv, wo einige Autoren Nietzsche vorwerfen, die Wahrheit zu verwerfen, was ihn in einen performativen Widerspruch versetzen würde; vgl Warum sind wir nicht Nietzscheans, LGF, 2002

[8] Ebenda. Seite 46

[9] Ebenda. Seite 93

[10] Ebenda. Seite 74

[11] Ebenda. Seite 298

[12] Ebenda. Seite 187

[13] Ebenda. Seite 228

[14] Ebenda. Anmerkung 1, p. 396


Literatur:


La philosophie de l’esprit libre, Introduction à Nietzsche
von Patrick Wotling


Weblink:

Patrick Wotling : La philosophie de l’esprit libre, Introduction à Nietzsche - www.actu-philosophia.com

https://unphilosophe.com/2017/02/20/entretien-avec-patrick-wotling-ce-qui-donne-sa-coherence-a-la-reflexion-nietzscheenne-cest-le-probleme-de-la-cultur



Samstag, 27. September 2025

Was ist Existentialismus? (K)


Mit Existentialismus (auch Existenzialismus) wird im allgemeinen Sinne die überwiegend französische philosophische Strömung der Existenzphilosophie bezeichnet. Existenzialismus ist eine philosophische Strömung, welche sich auf existentielle Erfahrungen im menschlichen Leben bezieht (Tod, Angst, Freiheit, Leiden). Ihre Hauptvertreter sind Jean-Paul Sartre, Simone de Beauvoir und Albert Camus.

Existenzialismus ist eine Philosophie bzw. eine Weltanschauung oder Lebensweise, in der es darum geht, was es bedeutet, als Mensch zu „existieren“ in dem Sinne, dass man aktiv sein Leben und dessen Sinngebung gestaltet im Unterschied zu bloßen Dingen oder Objekten, die quasi nur passiv „vorhanden“ sind.

Der Existenzialismus sieht den Menschen nach dem Ende der absoluten Systeme zunächst in eine Leere geworfen, weil ihm die absolute Orientierung abhandengekommen ist, er bleibt dabei aber nicht stehen, sondern sieht die Erfahrung des Sinnverlustes vielmehr als Aufgabe des Individuums, die darin besteht, sein Leben aktiv mit Sinn zu füllen, indem man dem eigenen Leben Bedeutung gibt und sich an selbstgewählten Werten orientiert.

Der Existenzialismus ist nicht nihilistisch (obwohl er zunächst so erscheinen mag). Als Nihilismus wird eine philosophische Position bezeichnet, die davon ausgeht und dabei bleibt, dass es keinen Sinn, keine Werte und nichts gibt, woran man sich orientieren kann. Nach Sartre war das die geistige Grundlage der Nazi-Ideologie, in der nichts gegen die totale Vernichtung auch des eigenen Volkes spricht. Existenzialisten versuchen, angesichts des Verlusts der absoluten Werte und Orientierungen einen Weg heraus aus dem Sinnverlust zu finden. Sie meinen, dass Leben aus dem Erschaffen von Sinn, Bedeutung und Werten besteht. D.h. der Mensch beginnt mit „nichts“, aber dann erschafft er sich seine Existenz, also sein bewusst gelebtes und mit Werten und Sinn gesetztes Leben.

Der Mensch findet sich jederzeit nicht nur in einer faktischen Welt, sondern auch in einer Welt der Bedeutungen. Auch die eigene Identität ist eine solche Bedeutung, in der sich der Mensch zunächst als „geworfen“ empfindet. Er ist Weiße/r, Intellektuelle/r, Arbeitslose/r, Mutter/Vater, Partner/in, Schüler/in oder Polizist/in. Normalerweise erleben wir uns innerhalb solcher Identitäten selbstverständlich und denken nicht darüber nach. Besonders in psychischen Krisen oder auch in einer tiefgehenden Psychotherapie können wir jedoch in Kontakt damit kommen, dass all diese Selbstverständlichkeiten, die Bedeutungsnetze, ja die eigene Identität keineswegs selbstverständlich, sondern jederzeit durch eigene freie Wahl veränderbar ist.

Der Existentialismus ist eine in den 1940er Jahren aufgekommene philosophische Strömung des 20. Jahrhunderts und sein Vater der französische Intellektuelle Jean-Paul Sartre. Obwohl man mehrere Denker aufzählen kann, die im Existentialismus von Bedeutung waren, und jeder Einzelne unterschiedliche Akzente setzte in dieser Denkrichtung, steht Sartre im Mittelpunkt.

Sartre, Camus, Simone de Beauvoir, der Ekel, die Existenz, das Absurde, Sisyphos, das Café de Flore, die Angst und vieles mehr. Das Verbindende all dieser Variablen? – Der Existentialismus. Doch worum ging es Sartre, Camus und Co, die ihre Thesen während und nach dem Zweiten Weltkrieg vor allem in Paris verbreiteten?

„Die Existenz geht der Essenz voraus.“ ist einer der wichtigsten Sätze dieser Schule. Sartre schrieb ihn in seinem Essay „Der Existentialismus ist ein Humanismus“ nieder und goss damit den Ausgangspunkt seines Denkens in Form.

Jahrhunderte-, ja Jahrtausendelang hatte man sich in der Philosophie um die Essenz des Menschen gestritten, man wollte ihn definieren, indem man ihm ein Wesen zuschrieb. Einen kleinsten gemeinsamen Nenner zwischen den Menschen, wenn man es mathematisch ausdrückt, wurde gesucht, oder auch ein Telos (ein Ziel), auf das alle Menschen zustreben, wenn wir in der Philosophie bleiben. Die Naturwissenschaften, die Religion, die Philosophie, die Anthropologie, … sie alle haben verschiedene Wesensbestimmungen für den Menschen gefunden.

Wenn Sartre nun sagt, dass die Existenz der Essenz vorausgehe, schmeißt er die Wesensbestimmungen des Menschen aus vielen Jahrhunderten der Ideengeschichte in den Müll. Was den Menschen ausmacht, ist seine Existenz. Er ist das einzige Lebewesen, dass sich seiner Existenz bewusst ist. Und diese Existenz ist vollends subjektiv, beginnt mit dem Leben des Einzelnen und endet mit dem Tod des Einzelnen. Wir werden in diese Welt hineingeworfen, was wir damit machen, bestimmen wir selbst, indem wir unsere Existenz aktualisieren. Jede Rede von einer Essenz, die wir alle teilen, ist hinfällig, ja sogar schädlich, da sie uns ein Menschenbild vorschreibt oder vorgaukelt, das immer nur willkürlich gesetzt sein kann, nie aber allgemeine Gültigkeit haben kann.

Die praktischen Folgen dieses Konstrukt liegen auf der Hand: Der Sinn geht flöten, es gibt ihn nicht mehr. Gibt es keine Essenz mehr, gibt es auch keinen Sinn. Die Essenz des religiösen Menschen zum Beispiel, der Glaube an den göttlichen Funken in ihm und das daraus folgende Ziel ein gutes Leben zu führen, um danach in den Himmel zu kommen, kann der Existentialist nicht anerkennen. Sie ist lediglich eine Setzung, so wie jede andere Essenz oder Wesensbestimmung auch. Den Sinn muss sich jede Existenz selbst erschließen.

Wichtig: Existentialismus ist nicht gleich Existenzphilosophie. Die Existenzphilosophie ist älter als der französische Existentialismus. Vorläufer waren bereits Teile der Philosophie Kierkegaards aber auch Nietzsches Nihilismus. Von der akademischen (deutschen) Existenzphilosophie sprechen wir dann bei deren Nachfolgern Husserl und Heidegger. Gemeinsam ist ihnen, dass sie den Blick auf die subjektive Wahrnehmung der Welt durch das Subjekt verstärkten und sogenannte „Existentiale“ wie die Angst oder die Langeweile untersuchten als jene Erfahrungen, die uns am allermeisten zum Menschen machen.

Weblink:

https://gedankennomade.net/was-ist-existentialismus/ was ist Existentialismus?

Samstag, 20. September 2025

»Zum ewigen Frieden« von Immanuel Kant

Zum ewigen Frieden
Zum ewigen Frieden


Die Altersschrift »Zum ewigen Frieden. Ein philosophischer Entwurf« (1795) gehört zu den bekanntesten Werken des deutschen Philosophen Immanuel Kant. In seiner Schrift von 1795 entwarf er eine Theorie der internationalen Politik. Kant skizzierte darin das Verhältnis von globaler Ökonomie, Völkerrecht und internationaler Politik. Das Werk gilt als Grundlagenschrift globaler politischer Theorie.

In Form eines Friedensvertrages wendet Kant seine Moralphilosophie (vgl. »Grundlegung zur Metaphysik der Sitten«, »Kategorischer Imperativ«) auf die Frage der Politik nach dem Frieden zwischen den Staaten an. Auch hier gilt es, von der Vernunft geleitete Entscheidungen zu treffen und nach Gerechtigkeit zu trachten. Dabei stellt er klar, dass der Frieden kein natürlicher Zustand für den Menschen sei und deshalb gestiftet werden müsse.

Die Schrift behandelt das Verhältnis von globaler Ökonomie, Völkerrecht und internationaler Politik. Die Schrift ist ein Plädoyer für freien Handel zwischen den Nationen und Völkern. Kant zieht darin eine Beziehung von Frieden und freiem Handel und so kann die Schrift als Vorläufer des globalen Halnds angesehen werden.

Kants berühmte Altersschrift enthält als zentrale moralische und politische Normen die Pflicht zum Frieden und zur Völkergemeinschaft. Die Gewährung des Friedens sei Sache der Politik, welche sich der Idee eines allgemeingültigen Rechtssystems unterzuordnen habe; denn so heißt es im Anhang: Das Recht der Menschen muß heilig gehalten werden, der herrschenden Gewalt mag es auch noch so große Aufopferung kosten. Dem Despotismus erteilt Kant eine Absage.

Immanuel Kant hat in seiner Schrift vom »Ewigen Frieden« das Weltbürgerrecht formuliert. Er schrieb: „Es ist hier nicht von Philanthropie, sondern vom Recht die Rede, und da bedeutet Hospitalität das Recht eines Fremdlings, seiner Ankunft auf dem Boden eines andern wegen von diesem nicht feindselig behandelt zu werden. Dieser kann ihn abweisen, wenn es ohne seinen Untergang geschehen kann, so lange er aber auf seinem Platz sich friedlich verhält, ihm nicht feindlich begegnen.“

Immanuel Kants Schrift »Zum ewigen Frieden« (1795) kann im weiteren Sinne unter die Vorläufer einer europäischen Einigung gerechnet werden, da sie einen föderalen Zusammenschluss republikanischer Staaten als Voraussetzung des Weltfriedens ansah.

Das Schild eines holländischen Gastwirts, ein Bild eines Friedhofes mit der Textzeile "Zum ewigen Frieden" mag in seiner ganzen Satire den großen Philosophen Immanuel Kant angeregt haben, eine besondere, auf dieser Welt bisher einmalige Schrift zu verfassen, die in der Revolutionszeit im Jahre 1795 erschien. Für Kant ein Jahrzehnt vor seinem Lebensende die Geburtsstunde für das Denken "zum ewigen Frieden".

Weblink:

Immanuel Kants Schrift »Zum ewigen Frieden« - Wikipedia.org

Literatur:

Zum ewigen Frieden
Zum ewigen Frieden
von Immanuel Kant

Der große Glockenschlag des Mittags

»Was ich gedacht habe, hat noch niemand vor mir gedacht! - Ich bin Dynamit!« - hatte Nietzsche einst in prophetischer Weissagung zur Wirkung seines philosophischen Gedankengutes vorausgesagt. Der Donnerschlag blieb nicht aus - schon gar nicht, wenn jemand so gründlich zertrümmert wie Nietzsche. Ein bedeutender Jünger und Eiferer war der deutsche Dikator Adolf Hitler, der sich an Nietzsches Philosophie - oder was er davon zu verstehen glaubte - weitaus mehr als nur gedanklich ereiferte.


Die Wahlverwandschaft zwischen Nietzsche und Hitler erstreckt sich auf eine prägnante Beziehung:

Nietzsche als der Künder und Denker und Hitler als Täter und dessen Testamentsvollstrecker. Den Gedankensturm, den der unzeitgemäße Philosoph entfacht hatte, setzte Hitler 50 Jahre später in einen zeitgemäßen Tatensturm um. Der unzeitgemäße Philosoph und der zeitgemäße Diktator gingem eine Symbiose ein.


In der Weltgeschichte würde eine solche Wahlverwandschaft in ihrer Konsequenz auf keinen anderen Diktator zutreffen. Die 1888 entstandene Streitschrift »Zur Genealogie der Moral« lässt sich geradezu als Verkündigung des Diktators werten. Darin ist zu lesen:







»Dieser Mensch der Zukunft, der uns ebenso vom bisherigen Ideal erlösen wird als von dem, was aus ihm wachsen mußte, vom großen Ekel, vom Willen zum Nichts, vom Nihilismus, dieser Glockenschlag des Mittags und der großen Entscheidung, der den Willen wieder freimacht, der der Erde ihr Ziel und den Menschen ihre Hoffnung zurückgibt, dieser Antichrist und Antinihilist, dieser Besieger Gottes und des Nichts - er muß einst kommen ...«






Die Prophezeihung ging tatsächlich in Erfüllung: In Italien kam zunächst 1922 der selbsternannte »Duce« Mussolini als faschistischer Tribun nach seinem Marsch auf Rom an die Macht. Auch der spätere Heilsverkünder Hitler hörte damals die Botschaft bereits wohl, er hätte - quasi als Anhänger Zarathustras - die prophetische Ankündigung auch als persönliche Berufung auffassen können. Er faßte just in dieser Zeit den verhängnisvollen Entschluß, Politiker zu werden.


Seine Zeit aber sollte noch kommen. Er erlebte den großen Glockenschlag des Mittags zehn Jahre später bei der Machtergreifung im Januar 1933. Sein Wille zur Macht und seine Wille zur Tat ebneten den Weg zur größten Katastrophe des 20. Jahrhunderts. - Auch er war Dynamit!


Nietzsche-Lektüre:

Genealogie der Moral
Genealogie der Moral von Friedrich Nietzsche

Zarathustra
Zarathustra

Jenseits von Gut und Böse
Jenseits von Gut und Böse


Das Verhältnis Herr und Knecht

Herr und Knecht, dieses Verhältnis hat große Denker zu allen Zeiten fasziniert. Der junge Karl Marx stellte sich die Dialektik zwischen Unterdrückern und Unterdrückten grob vereinfacht so vor: Der Herr kann sich nur dann als Herr definieren, wenn es einen Knecht gibt, der sich ihm unterwirft. Dadurch ist der Herr abhängig vom Knecht, und irgendwann wird der Untergebene merken, dass er dank dieser Abhängigkeit eine Macht besitzt, von der er bislang nicht zu träumen wagte.

Der Knecht hingegen hat hierbei einen Vorteil: Er kann sich als selbstständiges Wesen erfahren, weil er Dinge für den Herrn tut. Dann hat er etwas erledigt und schaut stolz auf sein Werk. Das zumindest meint Hegel und beschreibt die Knechtschaft so:

Sie wird als in sich zurückgedrängtes Bewusstsein in sich gehen und zur wahren Selbstständigkeit sich umkehren. Georg Wilhelm Friedrich Hegel, Philosoph

Etwas zynisch, zugegeben. Aber Hegel sagt nur, dass die Figur des Knechts verdeutlicht, dass das Anerkennen eines anderen grundsätzlich ein selbstständiges Tun ist. Hegel folgert aus diesem Grund:

Die Wahrheit des selbstständigen Bewusstseins ist demnach das knechtische Bewusstsein. Georg Wilhelm Friedrich Hegel, Philosoph
Der unfreie Knecht besitzt demnach mehr Selbstständigkeit als der Herr. Trotzdem erfahren weder der Herr noch der Knecht in diesem asymmetrischen Verhältnis Anerkennung. Da sie aber, wie wir alle, das Bedürfnis nach Anerkennung haben, sollten sie symmetrische Verhältnisse suchen, soll heißen: Der Knecht sucht sich Knechte und der Herrscher sucht sich Herrscher. Passiert das Gleiche nicht auch in unserem Alltag?

https://www.welt.de/kmpkt/article181975682/Philosophie-Wer-ueber-andere-bestimmt-hat-einen-entscheidenden-Nachteil.html Der Herr unterscheidet sich vom Knecht dadurch, daß der Knecht dem Herrn unterworfen ist. Zu den Abhängigkeitsverhältnis gehört, daß der Herr über den Knecht verfügen kann. Zu dieser Verfügungsgewalt gehört auch, daß der Herr über die Zeit des Knecht verfügen kann. Verfügt der Herr über die Zeit des Knechtes, dann ist der Knecht nicht mehr Herr über seine Zeit.

Die Philosophie der Romantik

Mondnacht von Caspar David Friedrich


Die Romantik ist eine kulturgeschichtliche Epoche, die vom Ende des 18. Jahrhunderts bis weit in das 19. Jahrhundert hinein dauerte und sich insbesondere auf den Gebieten der bildenden Kunst, der Literatur und der Musik äußerte, aber auch die Gebiete Geschichte.

Die Romantik ist eine neue, tiefgehendere Form in der Literatur, die das Unterbewusstsein weckt und versucht Sehnsüchte zum Vorschein zu bringen, die vorher verborgen lagen.
Die Romantik ist die völlige Poetisierung des Lebens, zugleich aber auch eine ungeahnte Erweiterung der subjektiven Einfühlungs- und Erlebniskraft, die alle erstarrten Überlieferungen neu belebt.
Harmonie, Geheimnis und Liebe sind Bestandteile eines großen Ganzen. Die Romantik ist eine Zeit der Sehnsucht junger Autoren, die Halt in der Natur, der Vergangenheit und der Spiritualität suchen.

Die Grundthemen der Romantik sind Gefühl, Leidenschaft, Individualität und individuelles Erleben sowie Seele, vor allem die gequälte Seele. Romantik entstand als Reaktion auf das Monopol der vernunftgerichteten Philosophie der Aufklärung und auf die Strenge des durch die Antike inspirierten Klassizismus. Im Vordergrund stehen Empfindungen wie Sehnsucht, Mysterium und Geheimnis.

Die Romatiker verspürten den Drang, dem aufkommenden und entzaubernden Empirismus und Rationalismus etwas entgegenzusetzen. Der deutsche Idealismus ist der Versuch, den Dualismus von Empirismus und Rationalismus zu überwinden und die Romantiker geben diesem Vesuch einen besonderen Akzent. Die einen betonen das Sittliche (Schiller, Fichte, Hegel), die anderen, Romantiker wie Novalis und Schlegel das Ästhetische.

Sie mobilisieren die Phantasie, und zwar nicht als bloße Ergänzung, sondern als Zentralorgan des Weltverständnisses und der Weltbildung. DiePhantasie ist die Macht! Es gilt, die Welt zu durchdringen mit poetischem Geist!

Der deutsche Idealismus folgte auf die Aufklärung.em in die Zukunft gerichteten Rationalismus und Optimismus der Aufklärung wird ein Rückgriff auf das Individuelle und Numinose gegenübergestellt. Diese Charakteristika sind bezeichnend für die romantische Kunst und für die entsprechende Lebenseinstellung.

Der Romantiker ortet einen Bruch, der die Welt gespalten habe in die Welt der Vernunft, der „Zahlen und Figuren“ (Novalis), und die Welt des Gefühls und des Wunderbaren. Treibende Kraft der deutschen Romantik ist eine ins Unendliche gerichtete Sehnsucht nach Heilung der Welt, nach der Zusammenführung von Gegensätzen zu einem harmonischen Ganzen.

Symbolische Orte und Manifestationen dieser Sehnsucht sind nebelverhangene Waldtäler, mittelalterliche Klosterruinen, alte Mythen und Märchen, die Natur etc. Zentrales Symbol für diese Sehnsucht und deren Ziel ist die Blaue Blume, die wie kein anderes Motiv die romantische Suche nach innerer Einheit, Heilung und Unendlichkeit verkörpert.

„Die blaue Blume ist aber das, was jeder sucht,
ohne es selbst zu wissen,
nenne man es nun Gott, Ewigkeit oder Liebe.“

Ricarda Huch



Die sittlichen Werte und Ziele bestehen darin, sich selbst ohne Maske und Lügen zu leben.

Romantik ist mit der Mystik im tiefsten Wesen verwandt. Sie ist Gegner der Aufklärung: Das Verständliche, Begreifliche, Nützliche, Praktische ist ihr das Unwirkliche, Wesenlose. Nur im Leben der Idee ist die wahre Wirklichkeit.

Jeder Romantiker ist auch Philosoph. Jedoch bewegten sich die Romantiker mit vorlieben auf der Grenzscheide zwischen Philosophie und Dichtung. Philosophie und Dichtung fließen zu einem Ganzen zusammen. Dies bedeutet jedoch oft, daß die Philosophie symbolisch verschwimmt, die Dichtung gedanklich-metaphysisch überlastet wird. Ausnahmen sind die eigentlichen Philosophen wie Schelling und Schleiermacher. Hegel wächst über die Romantik weit hinaus.

Alle Spontanität liegt nach Fichte in der produktiven Einbildungskraft. Das Schaffen der Dichtung wurzelt in allen Umständen in ihr, es ist der Brennpunkt der Romantik. Das Seelenleben ist unerschöpflicher Formenreichtum. Diese Ichkonzentration bringt ein Feingefühl für fremde Geistesart mit sich. Dies erklärt die sich entwickelnde Literatur- und Geistesgeschichte in dieser Zeit.

Weblink:

Die Philosophie der Romantik - www.epischel.de

»Das Kapital« von Karl Marx

Karl Marx

»Das Kapital« ist das wissenschaftliche Hauptwerk von Karl Marx. Das Werk ist ohne Zweifel eines der Schlüsselwerke der politischen Philosophie und ein Klassiker der Kritik der politischen Ökonomie.

1867 erschien der erste Band »Der Produktionsprozess des Kapitals« von Karl Marx. Der erste Band des Kapital erschien beim Hamburger Verleger Otto Meissner in einer Startauflage von 1.000 Exemplaren. Friedrich Engels stellte nach Marx’ Tod (1883) aus dessen Manuskripten zwei weitere Bände zusammen.

Anders als etwa das »Kommunistische Manifest« ist es kein Aufruf zur Revolution, sondern eine äußerst umfangreiche, systematische und detailreiche Analyse und "Kritik der politischen Ökonomie" - so der Untertitel.

Karl Marx


Marx hat in seinem ökonomischen Werk versucht, gesellschaftliche und ökonomische Zusammenhänge zu erklären. Schließlich sind Politik und Ökonomie nicht leicht zu verstehende Wissenschaften, bei denen das soziale Wesen Mensch mit all seinen Stärken und Schwächen, seiner Unstetigkeit und seinem ständigen Drang nach Neuem im Mittelpunkt steht. Der Mensch versucht, Fragen hinsichtlich seiner eigenen Existenz und Zukunft zu beantworten. Dazu gehören die persönliche Freiheit, aber auch die Stellung in der Gesellschaft und der Umgang mit der Natur.

Das waren interessante Fragen, die Marx als Philosoph und Ökonom wissenschaftlich zu untermauern versuchte. Daraus entstand die Theorie für ein neues Gesellschaftssystem, deren Ziel es ist, die Ausbeutung des Menschen durch den Menschen durch eine Revolution zu beenden.

Marx analysierte die gesellschaftlichen Verhältnisse seiner Zeit so scharf wie niemand vor ihm. Entsprechend lange hat Marx dafür gebraucht: 15 Jahre arbeitete er allein am ersten Band.

Marx versuchte, in seiner komplexen Abhandlung hinter die versteckten Funktionsweisen des Kapitalismus zu kommen. Dabei näherte er sich schrittweise über die Begriffe der Ware, des Tauschwerts und des Gebrauchswerts seiner berühmt gewordenen Arbeitswertlehre:

Eine Ware, so Marx, ist so viel wert, wie die darin "geronnene" Arbeitszeit. Der Arbeiter muss, da er keine Produktionsmittel besitzt, seine Arbeitskraft verkaufen, und zwar an die Kapitalisten, die Maschinen und andere Produktionsmittel besitzen.

Der Kapitalist will seine Waren nicht verkaufen, um andere Waren erwerben zu können, sondern um sein Geld zu vermehren. Das "geldheckende Geld", der kapitalistische Akkumulationsprozess steht im Zentrum der Marx'schen Kritik.

Eine besondere Meisterleistung sind die Unterkapitel zur Wertform und zum Waren- und Geldfetischismus. Marx' Ausführungen hierzu im ersten Kapitel des Kapitals sind enorm schwer verdaulich und werfen grundlegende Interpretationsprobleme auf. Gleichzeitig bilden sie einen - wenn nicht den - fundamentalen Baustein seiner Kritik der politischen Ökonomie.

Die Auswirkungen von Marx' Werk auf die Wissenschaften sind schon kaum zu überschätzen - diejenigen auf die weit reichenden politischen Umwälzungen in großen Teilen der Welt im 20. Jahrhundert in den kommunistischen Staaten erst recht nicht.

Kapital lesen 2016

Der Klassiker der Kritik der politischen Ökonomie, »Das Kapital« von Karl Marx, ist bekanntlich schwerer Lesestoff. Mehr als 2500 Seiten, Beispiele und Bezüge auf volkswirtschaftliche Theorien, denen die heutige Aktualität fehlt und der Umstand, dass Marx für den zweiten und dritten Band nur Manuskripte hinterlassen hat, machen den Zugang nicht leicht.

Marx Analyse der ökonomischen Verhältnisse für die Gesellschaft ist heute keineswegs überholt, sondern lediglich seine Lösungsansätze sind in der Realität gescheitert.

Es ist gut möglich, daß die Idee des Sozialismus das vor 25 Jahren gescheiterte Gesellschaftsmodell überleben wird und angesichts der Krise des Kapitalismus und der zunehmenden Ungerechtigkeit der ökonomischen Verteilung als kritische Theorie wieder an Aktualität gewinnen wird.

Das Kapital-Werke:

Das Kapital
Das Kapital
von Karl Marx


Das Kapital im 21. Jahrhundert
von Thomas Piketty und Ilse Utz

Kritik der politischen Ökonomie
Kritik der politischen Ökonomie
von Michael Heinrich

Weblinks:

Karl Marx-Biografie - Biografien-Portal - www.die-biografien.de

Karl Marx-Zitate - Zitate-Portal - www.die-zitate.de

Wiwo-Weblinks:

Der bärtige Gelehrte - www.wiwo.de

Joseph Schumpeter und das Vermächtnis Marx' - www.wiwo.de Das Kommunistische Manifest - Marx' Herz und Verstand - www.wiwo.de

»Kommunistische Manifest« von Karl Marx

1848 erschien das »Kommunistische Manifest« von Karl Marx. Auf das Versprechen der Französischen Revolution waren die Eroberungskriege Napoleons gefolgt und darauf die politische Restauration in
Europa. Eine neue politische Bewegung protestierte dagegen. Sie verstand sich als Avantgarde des kommenden Zeitgeistes, der die Hoffnungen der Französischen Revolution in der Zukunft einlösen sollte. In Marx‘ berühmter Einleitung verbreitet der neue Geist Angst und Schrecken unter sei
nen Feinden. Er klingt, als würde er mit den Ketten der Proletarier rasseln, die diese bald abwerfen wollten:

„Ein Gespenst geht um in Europa – das Gespenst des Kommunismus. Alle Mächte des alten Europa haben sich zu einer heiligen Hetzjagd gegen dies Gespenst verbündet, der Papst und der Zar, Metternich und Guizot, französische Radikale und deutsche Polizisten. Es ist hohe Zeit, daß die Kommunisten ihre Anschauungsweise, ihre Zwecke, ihre Tendenzen vor der ganzen Welt offen darlegen und dem Märchen vom Gespenst des Kommunismus ein Manifest der Partei selbst entgegenstellen.“

Deutsche philosophische Überlegenheit

Die Philosophen kannten nur den traditionellen Weg zum Erkenntnisgewinn, den phänomenologischen: Aus Beobachtungen des Geschehens im Alltag unter Einsatz herausragender analytischer Fähigkeiten Erkenntnisse zu gewinnen und diese zu kommunizieren.

Um mit der Metaphysik zu beginnen, ist die zeitgenössische deutsche Hegemonie über den Westen in europäischen Köpfen fast ohne Konkurrenz. Krieg und Politik stehen in der europäischen Geschichte hoch, aber es ist die Philosophie, die die Bewegungen einer Ära bestimmt. Wo die deutschen Soldaten nicht siegten, eroberten die deutschen Philosophen Immanuel Kant, Friedrich Schelling und Georg Hegel.

deutsche Philosophen

Der moderne philosophische Idealismus mit seiner korrespondierenden Phänomenologie, Existenzialismus und Personalismus leitet sich von diesen deutschen Denkern ab. Der Grundfehler des Idealismus und seiner Ableitungen besteht darin, die Objektivität der Realität, die uns umgibt, zu leugnen.

Sobald dieser Unsinn als möglich eingestanden ist, betritt man - wie fast alle Intelligenzien des Westens - den rutschigen Abhang, der im Pantheismus oder in den östlichen Philosophien des Hinduismus und des Buddhismus endet. Hegels Dialektik ist in den meisten wichtigen Denkschulen implizit. Es ist daher nicht übertrieben zu behaupten, dass der heutige Westen seinen Ausdruck im deutschen Idealismus oder seinen Ableitungen findet.

Der Idealismus wiederum schafft die Bühne für religiösen, gesellschaftlichen und moralischen Relativismus. Die hegelianische "Synthese" von Ideen, bei der zwei scheinbar gegensätzliche "Wahrheiten" verschmelzen und eine neue und überlegene "Wahrheit" schaffen, hat das westliche Denken überschwemmt. In einem bemerkenswerten Beispiel hat sich die hegelianische „Synthese“ im Herzen des heutigen progressiven Vatikans etabliert.

Die Relativität der Wahrheit durch Dialog zwischen Wahrheit und Irrtum ist gleichbedeutend mit der Relativität der Religionen, und durch den Ökumenismus stimmen die Prälaten der Konziliaren Kirche mit dem deutschen Hegelianismus überein. Es gibt nur wenige, die die Relativität der Religion so gerne annehmen wie die progressiven Prälaten. Viele der einflussreichsten Wesen aus Deutschland sind selbst…

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»Essais« von Michel de Montaigne

Michel de Montaigne

Michel de Montaigne (1533-1592) war zuallererst ein Skeptiker, auch Humanist sowie Politiker mit Zugang zu den einflussreichen Persönlichkeiten der französischen Monarchie am Ende der Renaissance und zu Beginn der Reformation und der beginnenden Gegenreformation.

Montaignes literarische Schaffensphase – von 1570 bis 1592 – fiel in die Zeit der französischen Religionskriege (acht Phasen von Bürgerkriegen zwischen 1562 und 1598). Die Unruhen waren Folge eines schwachen Königtums und religiöser Auseinandersetzungen zwischen Katholiken und Hugenotten, die intensive Gewalterfahrung für Generationen zum Alltag machten, was Montaignes grundlegenden Skeptizismus verstärkt haben mag.


Mit seinen "Essais" hat Michel de Montaigne eine gleichnamige literarische Gattung geschaffen. Darin sinniert er nicht nur über Freundschaft und Einsamkeit, sondern gibt auch Details seines Liebeslebens und seiner Verdauung bekannt. Hierbei handelt es sich um freie Betrachtungen eines französischen Edelmannes aus der späthuma- nistischen Zeit des 16. Jahrhunderts.

Bunt gemischt und in leicht verständlicher Sprache steht Allgemeines neben Privatem, Literatur neben Philosophie, Kurioses neben Alltäglichem. Montaignes fragende Haltung, seine Klugheit und Weitsicht, haben diese vor über 400 Jahren verfassten "Versuche" bis heute lebendig gehalten.

De Montaigne macht sich tiefsinnige Gedanken über die verschiedensten Aspekte des Lebens, seines Lebens genauer gesagt, denn der Hauptgegenstand seiner Essais ist er selbst. Seine Selbsterkenntnis, das was ihm durch seine Gedankenwelt schweift, brachte er zu Papier, unterstützt durch viele Zitate von Dichtern des Altertums.

Essais
Essais

Montaigne behandelt in den Essais alle möglichen Themen, die scheinbar nach dem jeweiligen Gusto des Verfassers ausgewählt wurden und deshalb zufällig und unzusammenhängend erschei- nen. Doch im Lauf der Lektüre wird deutlich, daß der gemeinsame Nenner der Mensch ist, der im Zentrum aller Gedanken und Überlegungen steht. Montaigne verfolgt nicht die Absicht, den Menschen z. B. nach Maximen oder ethischen Normen zu klassifizieren, bzw. ein Dogma aufzustellen, nach dem der Mensch zu leben hat. Es geht ihm nicht um die Vereinheitlichung des Menschen, sondern es geht ihm vielmehr um den Versuch, die Menschen in ihrer Vielfalt zu begreifen. Sein Forschungsobjekt ist der gewöhnliche Mensch mit all seinen Charaktereigenschaften. Er soll vorurteilslos und ohne erzieherische Absichten erforscht werden.
Die mit über tausend Bänden glänzend bestückte Bibliothek war sein "Schoß der gelehrten Musen", wie die Inschrift eines Deckenbalkens lautete. Er begann mit der Niederschrift einer philosophischen Abhandlung. Einer äußerst Ungewöhnlichen:

"Dieses Buch, Leser, gibt redlich Rechenschaft. Sei gleich am Anfang gewarnt, dass ich mir damit kein anderes Ziel als ein rein häusliches und privates gesetzt habe."

Das Ergebnis war ein bahnbrechendes Werk über das Wesen des Menschen, noch dazu in einem klangvollen Französisch und nicht wie üblich auf Latein. Montaigne erfand eine eigene Gattung, die er Essai nannte, also "Probe", "Versuch" oder "Übung".


Weblink:

Erfinder der Selbstbeobachtung - www.deutschlandfunkkultur.de

Literatur:

Essais
Essais
von Michel de Montaigne