Samstag, 26. Februar 2022

Der Zynismus sieht die Welt so, wie sie ist.

Kritik der zynischen Vernunft

Der Zynismus sieht die Welt so, wie sie ist.

»Zynismus ist der geglückte Versuch,
die Welt so zu sehen, wie sie ist.«

Jean Genet

Der Zynismus ist immer auch ein Spiegel der Gesellschaft. Krankt die Gesellschaft, wo wird sie zynisch.

»Intelligent sein und dennoch seine Arbeit verrichten – das ist unglückliches Bewusstsein in der modernen, aufklärungskranken Form.«


Gottfried Benn

Eine Gesellschaft erkrankt, wenn dem um sich greifenden Zynismus kein Einhalt geboten wird. Zynische Denkhaltung ist eine in Politik und Wirtschaft weit verbreitete Einstellung, die auf Gehorsam und Loyalität gründet. Zynische Denkstrukturen bestimmen die Gesellschaft. Und der wirklich versierte Zyniker trägt bei seinem - im praktischen Handeln angelegten - gepflegten Zynismus natürlich ein Siegerlächeln im Gesicht. Der neue Zyniker ist nach Peter Sloterdijk derjenige, der eine Machtposition innehat: »Dem diffusen Zynismus gehören längst die Schlüsselstellungen der Gesellschaft in Vorständen, Parlamenten, Aufsichtsräten, Betriebsführungen, Lektoraten, Praxen, Fakultäten, Kanzleien und Redaktionen.“ (S. 37). Er erinnert daran, wie Gottfried Benn, „selber einer der profilierten Sprecher der modernen zynischen Struktur“ in dieser formuliert hat: »Dumm sein und Arbeit haben, das ist das Glück.«

Natürlich gibt es auch eine Umkehrung diseer Medaille - soz. als genauer analoger Spiegeleffekt! Was in der Umkehrung eben heißt: »Intelligent sein und dennoch seine Arbeit verrichten – das ist unglückliches Bewusstsein in der modernen, aufklärungskranken Form« (S. 40). Dabei steht einem Zynismus der Mittel ein Moralismus der Zwecke gegenüber: Um moralisch hohe Ziele zu erreichen, kann man jedes, auch das tückischste Mittel einsetzen. Und genau so hat ja seit jeher die Macht, um ihre moralisch und demokratisch maskierten Zwecke zu erreichen, auch nie gezögert, unschuldige Opfer niederzumachen.

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