Samstag, 9. Juli 2022

Mythos »Tour de France«

Tour de France Tourmalet

Jan Ullrich

Die »Tour de France« - auch »Grand Boucle« genannt - ist das bekannteste und bedeutendste Radrennen der Welt. Die »Tour de France« ist ein gewobener Mythos, der viele Geschichten hervorgebracht hat und von dem zu erzählen lohnt. Die Strecke stellt in ihrem Verlauf jeweils ganz unterschiedliche Anforderungen an die Teilnehmer der Rundfahrt und erfordert unterschiedliche Stärken der Fahrer. In diesem Jahr ist die Strecke 3.346 Kilometer lang.

Die Tour ist der ewige Kampf um das Gelbe Trikot (Maillot Jaune), das grüne und das gepunktete rote Trikot. Ein Radrennen ist das geschickte Zusammenspiel der Kräfte von Fahrer, Team und Konkurrenz im Kampf gegen die Strecke, die Hitze und die Zeit. Im Rennverlauf verteilt sich das Fahrerfeld in die Spitzengruppe, Peloton und Groupetto.

Die »Tour de France« hat Geschichte und auch ihre Geschichten geschrieben, ebenso wie die Rennfahrer, die an ihr teilgenommen haben. 25 Jahre nach dem einmaligen Tour-Sieg von Jan Ulrich im Jahr 1997 ist die Tour wieder ein gefragtes weltumspannendes Ereignis.

Tour de France Karte 2022

Die Rennfahrer, die kräftig in die Pedale treten, sind wahre Helden, die Streckenführung ist eine Bildungs- und Entdeckungsreise und die Landschaft ist die Kulisse mit ständigen Verweisen auf die französische und europäische Geschichte.

Körperliche Höchstleistungen müssen keineswegs im Widerspruch zu intellektuellen Ambitionen stehen. Der radfahrende Mensch erweist sich zuweilen auch als großer Denker, der zu klaren Einsichten fähig ist. Denn auch und gerade im (Radrenn-)Sport gilt der Leitsatz, den einst Henri Bergson formulierte, der französische Philosoph und Literaturnobelpreisträger: »Man muss wie ein denkender Mensch handeln und wie ein handelnder Mensch denken.«

Immer wieder haben sich Philosophen wie Roland Barthes, Olivier Haralambon und Peter Sloterdijk bis hin zu Guillaume Martin sich für die berühmte drei-wöchige Radrundfahrt durch ganz Frankreich interessiert und darüber ihre Artikel, Kolummnen und Kommentare geschrieben. Auch kann man sich so manchen Philosophen vorstellen, der einen sinnreichen Beitrag zur Tour verfasst haben könnte.

Peter Sloterdijk

Die stets kräftig in die Pedale tretenden Pedaleure leisten auf der Rundfahrt Übermenschliches und man begreift, dass das, was diese Männer leisten, alles übersteigt, was Normalsterbliche begreifen können“, sagte der Hobbyradler und Philosoph Peter Sloterdijk vor Jahren gegenüber dem »Spiegel«, „nämlich der »Tour de France« alles unterzuordnen, alles zu riskieren, rücksichtslos – sich selbst gegenüber, dem Leben.“



Die Rennfahrer sind als Ritter der Strasse die wahren Helden der »Tour de France«. Die »Tour de France« hat viele Rennfahrer, die an ihr teilgenommen haben, zu Helden gemacht, aber auch immer wieder Tragödien heraufbeschworen und hervorgebracht.

Guillaume Martin

In »Sokrates auf dem Rennrad« schickt Guillaume Martin die bedeutendsten Denker der Geschichte in das größte Radrennen der Welt: die »Tour de France«.

Fest im Programm der Tour sind Stationen, die längst zu Mythen geworden sind. Dazu gehören die Orte Alpe d'Huez, Meribel und die Berge Galibier, Col de la Croix de Fer, Mont Ventoux und Puy de Dome und Planche de Belphi.

Alpe d'Huez: 21 Serpentinen, eine Kirche und unzählige Dramen. Die Königsetappe der diesjährigen Tour weist über 4.500 Höhenmeter auf. Das Spektakel wartet am Ende, wenn es den 13,8 Kilometer langen Anstieg zum Skiresort Alpe d'Huez hinauf geht. Fast 14 steile Kilometer, 21 berühmte Serpentinen, mehrere Hunderttausend euphorische Fans: Mit der Bergankunft in Alpe d'Huez erreicht die 109. Tour de France am Donnerstag ihren Siedepunkt. Erstmals seit Ausbruch der Coronavirus-Pandemie steht das Skiresort in den Alpen wieder im Programm - und die Franzosen hoffen an ihrem Nationalfeiertag auf einen Heimsieg am berühmtesten Berg der Tour.

Mont Ventoux Francesco Petrarca

Es war der bereits von dem Dichter Petrarca bestiegene Mont Ventoux, der den Briten Tom Simpson im Jahr 1967 beim Anstieg in der brütenden Hitze einen jammervollen Tod sterben ließ, manche sagen soagr umgebrachte hat. "Der Ventoux ist ein Gott der Bosheit, dem Opfer dargebracht werden müssen. Er vergibt niemals Schwäche, er fordert ein schier ungerechtes Maß an Leiden", schrieb der normannische Philosoph Roland Barthes bereits im Jahr 1957, als hätte er das tragische Schicksal Simpsons schon damals vorausgeahnt.

Tour de France Karte 2022


Samstag, 2. Juli 2022

»Kritik der zynischen Vernunft« von Peter Sloterdijk

Kritik der zynischen Vernunft Peter Sloterdijk

Die »Kritik der zynischen Vernunft« ist ein 1983 erschienenes zweibändiges Werk des deutschen Philosophen Peter Sloterdijk. Das Werk behandelt den Kynismus/Zynismus als gesellschaftliches Phänomen der europäischen Geschichte. Mit diesem Werk gelang Peter Sloterdijk der Durchbruch als philosophischer Autor. Das zweibändige Werk erschien 1983 vor dem Hintergrund der atomaren Bedrohung und das NATO-Raketen-Nachrüstungsbeschlusses und stieß auf ein großes Echo.

Dieses epochale Werk ist ein Versuch der Neubewertung der Aufklärung im Zeitalter der Gegenwart ganz im Sinne Immanuel Kants. Sloterdijk betreibt darin moderne Aufklärung als Ideologiekritik. Der erste Band beinhaltet die philosophischen Grundlagen. Der zweite Band fächert darauf aufbauend eine Phänomenologie der Handlungsgeschichte auf. In beiden Bänden ist der Text-Bild-Bezug ein integraler Bestandteil des philosophischen Diskurses.



200 Jahre nach dem Erscheinen von Kants »Kritik der reinen Vernunft« sieht sich jede Kritik, die Aufklärung in der Gegenwart einlösen will, mit einer neuen Form des falschen Bewußtseins konfrontiert. Dieses falsche Bewusstsein beruht weder auf Lüge noch auf Irrtum, es ist auch nicht durch die auf eine "Kritik der politischen Ökonomie" gestützte Ideologiekritik aufzulösen.

Peter Sloterdijk






Zynismus ist das aufgeklärte falsche Bewußtsein. Es ist das modernisierte unglückliche Bewußtsein, an dem Aufklärung zugleich erfolgreich und vergeblich gearbeitet hat. Es hat seine Aufklärung gelernt, aber nicht vollzogen und wohl nicht vollziehen können. Gutsituiert und miserabel zugleich fühlt sich dieses Bewusstsein von keiner Ideologiekritik mehr betroffen, da seine Falschheit bereits reflexiv gefedert ist.

Peter Sloterdijk



Sloterdijk - ein aufgeklärter Vertreter der zynischen Vernunft - übt in seinem Werk moderne Ideologiekritik im aufgeklärten Sinne. Das Herrschaftwissen der Eliten hält sich den Schleier der Demaskierung selber vor - es ist zynisch geworden. Zeit also, sich um eine zeitgemäße Aufklärung zu bemühen. Diesem Unterfangen widmet sich Sloterdijk in seinem epochalen Werk anhand der Verfahrensweisen des antiken Kynismus.

Aufklärung erfordert heute den Mut zur Frechheit, um dem vorherrschenden Herrenzynismus zu begegnen. Für Sloterdijk bedarf moderne Aufklärung eines kynischen Impulses, d.h. der Frechheit von unten. Sloterdijks Werk ist der Kristallisationkern, um den sich eine Realphilosophie eines erneuerten Kynismus entfalten kann.

Dieses Werk ist im besten Sinne aufklärerisch, denn es legt den Finger auf eine Wunde unserer modernen Geschichte. Dass nämlich jeder aufklärerische Impuls irgendwann zu Denkfaulheit und Abgestumpftheit des Herzens verflacht und dann zynisch wird. Anders gesagt: Wer irgendwann in der Geschichte recht bekam, der kämpfte darum, recht zu behalten, und wer so oft recht behielt, dass er sich gar nicht mehr rechtfertigen musste, der wurde gar zynisch.


Literatur:

Kritik der zynischen Vernunft
Kritik der zynischen Vernunft
von Peter Sloterdijk

Montag, 27. Juni 2022

Peter Sloterdijk 75. Geburtstag

Peter Sloterdijk

Der Philosoph, Kulturwissenschaftler und Buchautor Peter Sloterdijk wurde vor 75 Jahren am 26. Juni 1947 als Sohn einer Deutschen und eines Niederländers geboren. Peter Sloterdijk gilt nicht nur als einer der wichtigsten deutschen Intellektuellen, sondern auch als ebenso risikofreudiger wie schwerverständlicher Denker am Puls der Zeit. Der Philosoph wurde 1983 mit seinem Werk »Kritik der zynischen Vernunft« zum philosophischen Shooting-Star.

Der kritisch reflektierende Denker Peter Sloterdijk gehört zu den massgeblichen intellektuellen Instanzen in Deutschland. Sloterdijk ist eine Koryphäe: rhetorisch gewandt, diskurssicher als auch feuilletonbewährt - gute Voraussetzungen für eine nachhaltige Wirkung seiner Lehre und Ansichten.

Sloterdijk ist ein grosser Stilist und Querdenker, der sich immer wieder in aktuelle Debatten einmischt oder sie auch anstösst. Der Philosoph sorgt mit seinen Wortmeldungen regelmässig für Erstaunen und Aufregung. Er ist im akademischen Betrieb genauso zu Hause wie in den Feuilletons. Mit seinen Büchern hat er eine breite Leserschicht erreicht, die weit über die philosophische Fachwelt hinausreichen und ihn populär gemacht haben. Mit seinen Beiträgen und Büchern hat der streitbare Philosoph in Deutschland zahlreiche Debatten ausgelöst und angeregt.

Von 1968 bis 1974 studierte er in München und an der Universität Hamburg Philosophie, Geschichte und Germanistik. 1971 erstellte Sloterdijk seine Magisterarbeit mit dem Titel »Strukturalismus als poetische Hermeneutik«.

In den Jahren 1972/73 folgten ein Essay über Michel Foucaults strukturale Theorie der Geschichte sowie eine Studie mit dem Titel »Die Ökonomie der Sprachspiele. Zur Kritik der linguistischen Gegenstandskonstitution«. Im Jahre 1976 wurde Peter Sloterdijk von Professor Klaus Briegleb zum Thema »Literatur und Organisation von Lebenserfahrung. Gattungstheorie und Gattungsgeschichte der Autobiographie der Weimarer Republik 1918-1933« promoviert.

Zwischen 1978 und 1980 hielt sich Sloterdijk im Ashram von Bhagwan Shree Rajneesh (später Osho) im indischen Pune auf. Seit den 1980er Jahren arbeitet Sloterdijk als freier Schriftsteller. Das 1983 im Suhrkamp Verlag publizierte Buch »Kritik der zynischen Vernunft« zählt zu den meistverkauften philosophischen Büchern des 20. Jahrhunderts.

Seit 2001 war Sloterdijk in der Nachfolge von Heinrich Klotz Rektor der Staatlichen Hochschule für Gestaltung in Karlsruhe sowie dort Professor für Philosophie und Ästhetik.

Mit streitbaren Thesen äußert er sich regelmäßig zum aktuellen Zeitgeschehen. Im Alter weist jedoch Sloterdijks Denken nicht mehr aufklärerische Impulse früherer Tage, sondern Züge eines bewahrenden und strukturellen Konservatismus auf. Sloterdijk geht es nicht mehr um Aufklärung, sondern um Bewahrung. Verschwunden ist auch der kynische Impuls seines reflektierenden Denkens.

Er bestätigt damit unfreiwillig seine eigene These, daß Herrschaftswissen, welches zu lange an der Macht ist, irgendwann zynisch wird. Niemand schreibt bekanntlich so schlecht wie die Verteidiger alternder Ideologien.


Weblink:

Peter Sloterdijk - Der Philosoph und Autor befragt von Frank A. Meyer - 3 Sat Kulturzeit


Literatur:

Kritik der zynischen Vernunft
»Kritik der zynischen Vernunft«
von Peter Sloterdijk


Was geschah im 20. Jahrhundert?: Unterwegs zu einer Kritik der extremistischen Vernunft
von Peter Sloterdijk


Blog-Artikel:


»Was geschah im 20. Jahrhundert? Unterwegs zu einer Kritik der extremistischen Vernunft«


Peter Sloterdijk ist selbst zum Zyniker geworden


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Samstag, 25. Juni 2022

Plotin - Denker und Mystiker

Plotin

Plotin, der Begründer des Neuplatonismus, gilt als Denker und Mystiker. Er ist vor allem in mystischen Zirkeln ein großer und leuchtender Name. Doch zu allererst ist dieser Denker der späten Antike des 3. Jahrhunderts ein Rehabilitierender des (neu-)platonischen Systems, das ganz von Idealismus und Transzendenz durchtränkt ist (s. Platons Ideen- und Seelenlehre).

Plotin

Die Lehre des Plotin beinhaltet folgende Standpunkte: Philosophie, Kunst oder Liebe sind Wege zum Guten, glücklich heißt, für die Sinne zu leben und den Verstand richtig gebrauchen zu können; Schmerz und Tod brauchen einen Philosophen nicht zu ängstigen, denn dessen Seele ist unerschütterlich; der Genuss besteht in der völligen Seelenruhe; nur die Gegenwart ist wahr; das Schöne und Gute ist ein und dieselbe Sache, die man auch als Gott bezeichnen kann; die Welt darf nicht verachtet werden, weil Gott in ihr wohnt.

Die eigentliche mystizistische Wirkkraft des Plotin zeigt sich in dem Seinsgehalt in den jeweiligen metaphysischen Stufen, der Ekstase (das Aussichheraustreten), das adeptische Streben zum Reich des mundus intelligibilis, die Koinzidenz des Erkennenden mit dem Erkannten.

Bereits in der Schrift "Der Abstieg der Seele in die Leibeswelt" wird Plotins Philosophie deutlich: höchstes Sein ist Göttlich-Geistiges, das (zahlenlose) eine, in Werten ist das eine also auch das absolute Schöne und Gute und Ewige. Würden wir dieses eine metaphorisch als Ozean verstehen, so wellen dessen Zungen in den Menschen hinein, "hinab" bis in das Materielle und damit Geistlose, worin auch die Potenz zur Hässlichkeit und zum Bösen inne wird. Der Mensch ist etwas Dreifaches: Leib, Seele und Geist.

Erkennen heißt Anschauung durch den Geist, "dass 'Sein und Denken dasselbe' sind." Der geformten Natur ist die Weisheit des Geistes eingelegt dem Credo nach: nature follows form. In seiner Abhandlung "Der freie Wille und das Wollen des Einen" expliziert Plotin eine Sittenlehre auf Grundlage des Einen, des Gewollten, wonach alles menschliche Streben hin zu ihm, dem Höchsten, Schönsten und Vernünftigen: "So hat denn der Geist, indem er ein Stück von sich in die Materie dargab, still und ohne Erschütterung das All gewirkt.

Es ist aber dieses Stück rationale Form [Logos], die aus dem Geiste floss; denn was aus dem Geist erfließt, ist rationale Form, und die erfließt immerdar, solange denn der Geist in der Wirklichkeit gegenwärtig ist." In diesem Satze steckt die implizite Idee vom "Weltgeist" und infolge des Logos auch vom "Weltplan", so beschreibt Plotin in "Von der Vorhersehung" das Ordnungsprinzip: "Denn da alles aus Einem herrührt, läuft es mit Naturnotwendigkeit auch wieder in Eines zusammen, daher auch das, was unterschiedlich erspross und als Gegensätzlich erstand, dennoch, weil es aus dem Einen ist, zusammengebannt wird zu einer einheitlichen Ordnung."

Plotin begriff das Leben als körperliche und sinnliche Erfahrung. Nur der "mystische Verstand" im Sinne Plotins ermöglichte diese existenzenielle Erfahrung.

Bekannt ist sein programmatischer Ausspruch, er nehme nicht am Gottesdienst teil, denn „jene (die Götter) müssen zu mir kommen, nicht ich zu ihnen“.

Literatur:

Ausgewählte Schriften Ausgewählte Schriften von Plotin

Samstag, 18. Juni 2022

Aristoteles - Glück durch Tätigsein

Aristoteles Marmorbüste im Louvre


Der Stagirit Aristoteles war der erste Philosoph, der die Frage nach dem Glück des Menschen systematisch untersucht hat und eine Glückslehre entwickelt hat. Die Glückslehre des Aristoteles ist nichts anderes als die Tugendlehre und diese wiederum ein Bestandteil der Staatslehre.

Aristoteles sieht den Menschen als Mitglied der staatlichen Gemeinschaft, der Mensch wird seine Bestimmung also nur in ihr und auch nur durch sie erreichen können. Jeder Mensch hat demnach eine Bestimmung, die er durch tugendhaftes Verhalten bis zur Vollendung bringen kann und dadurch glücklich wird

Jegliches Leben strebt laut Aristoteles nach dem Guten, ebenso der Mensch - sein höchstes Gut ist dabei die Glückseligkeit. Hier muss unterschieden werden zwischen zufälligem Glück, etwa Würfelglück, und dem allgemeinen Zustand der Glückseligkeit. Wenn Aristoteles von Glück spricht, meint er immer die Glückseligkeit - ein glückliches Leben.



Aristoteles ist der Auffassung, ein so großes Gut wie das Glück könne nur durch ein Tätigsein erreicht werden, indem Fähigkeiten und angelegte Möglichkeiten entfaltet werden. Die Entfaltung ist etwas, das Freude bereitet und zu einem guten, erfüllten Leben beiträgt.

Als das einem Menschen eigentümliche Werk (das, wozu er speziell bestimmt ist) versteht Aristoteles die mit Vernunft verbundene Tätigkeit der Seele und ein entsprechendes Handeln. Das menschliche Gut ist nach ihm der Vortrefflichkeit gemäße Tätigkeit der Seele.



Literatur:

Nikomachische Ethik


Nikomachische Ethik

Samstag, 11. Juni 2022

Derrida und seine Methode der Dekonstruktion



Jacques Derrida (1930-2004) gilt als Begründer der Philosophie der Dekonstruktion. Sein Werk ist eines der wichtigsten Philosophen des 20. Jahrhunderts. Mit der von ihm angewandten Methode der "Dekonstruktion" von Texten wollte der Philosoph die eigentliche Bedeutung philosophischer Schriften freilegen.

Das Wort Dekonstruktion (vgl. frz. déconstruction ‚Zerlegung, Abbau‘; ein Portmanteauwort aus „Destruktion“ und „Konstruktion“) bezeichnet eine Reihe von Strömungen in Philosophie, Philologie und Werkinterpretation seit den 1960er-Jahren. Dekonstruktivisten bemühen sich um den Nachweis, dass – und vor allem: wie – ein Text seine Bedeutung selbst hinterfragt, durchkreuzt und gerade mit solchen Paradoxien Sinn schafft, z. B. durch Widersprüche zwischen inhaltlicher Aussage und sprachlicher Form. Die Methode der Dekonstruktion ist ein kritisches Hinterfragen und Auflösen eines Textes im weiteren Sinn.


Historisch knüpft der Begriff der Dekonstruktion an Martin Heidegger an. Dieser hatte von einer „Destruktion“ der abendländischen Tradition der Metaphysik gesprochen:

„Die Destruktion hat ebenso wenig den negativen Sinn einer Abschüttelung der ontologischen Tradition. Sie soll umgekehrt diese in ihren positiven Möglichkeiten, und das besagt immer, in ihren Grenzen abstecken, die mit der jeweiligen Fragestellung und der aus dieser vorgezeichneten Umgrenzung des möglichen Feldes der Untersuchung faktisch gegeben sind.“
Heidegger


Auch hatte Heidegger von einer methodischen Verschränkung von Konstruktion und Destruktion gesprochen. Diese betraf drei Momente:
  1. „Erfassung des Seienden auf das Verstehen von dessen Sein (phänomenologische Reduktion)“
  2. „Entwerfen des vorgegebenen Seienden auf sein Sein und dessen Strukturen (phänomenologische Konstruktion)“
  3. „kritischer Abbau überkommener Begriffe (Destruktion)“
In Aufnahme dieser Verschränkung von Destruktion und Konstruktion meint Dekonstruktion nicht einen Angriff auf die Legitimität oder Sinnhaftigkeit von Texten oder Thesen, sondern die sinnkritische Analyse ihrer Verstehens- und Geltungsbedingungen.


Weblink:

Derrida und die Dekonstruktion - philomag.de

Samstag, 4. Juni 2022

Kierkegaard und das Selbst

Søren Kierkegaard



"Das Große ist nicht, dies oder das zu sein,

sondern man selbst zu sein."

Søren Aabye Kierkegaard (1813 - 1855),
dänischer Philosoph, Theologe und Schriftsteller


Johann Gottlieb Fichte

Kierkegaard wandelt in seinen Selbstbetrachtungen auf den Spuren Fichtes und der deutschen Romantiker, die stets das »Ich« als Ausdruck des Selbst betont haben. Die Frage ist, inwieweit man tatsächlich selbst sein darf bzw. wie die Individuation von äußeren Einflüssen abhängt.

Kierkegaards Aussage deckt sich nicht immer mit der Erfahrung des Alltags. Wer heute noch er selbst sein darf, hat einfach nur Glück.

In der Regel macht man im Alltag leider die Erfahrung, dass man nicht "Du selbst" sein kann und darf. Man muss sich maskieren und in eine "bestimmte Alltagsrolle schlüpfen". Zunehmend betrifft dies sogar Schulkinder, denn diese dürfen nicht Sie selbst sein, weil sie vom Erwartungsdruck der Eltern "erdrückt" werden.

Das "Du selbst sein dürfen" hängt auch vom politischen System ab, in dem man lebt und arbeitet. In Nordkorea beispielsweise ist es wesentlich schwieriger, sich selbst wirklich zu entfalten als in Kalifornien. Es hängt auch vom monatlichen Geldeinkommen ab, denn Armut erdrückt und knechtet.

Könnten Menschen global wirklich sie selbst sein, gäbe es kaum noch Kriege und Gewalt, denn die Menschen sind zu 99 Prozent weder gewalttätig noch destruktiv. Sie wollen lieben und geliebt werden und sich an der blühenden Natur erfreuen. Sie werden durch ihre schmerzhaften Lebensbedingungen daran gehindert und wehren sich.

Für Kant dagegen ist das Individuum das souveräne das autonome, übersittliche Individuum, das selbst sein darf. Bei Kant bedeuet Autonomie die Selbstgesetzgebung des Individuums durch seine eigene Vernunft und damit die Unabhängigkeit von fremden, emprischen und historisch tradierten Prinzipien.

Hegel nennt das Sichselbst als das die Totalität aller reinen Bestimmungen wissende Denken mit dem Ausdruck Platons die "absolute Idee". Und diese interpretiert er mit Plotin als den göttlichen Geist. Und weil Gott Geist ist, handelt es sich um Theologie. Diese theologische Metaphysik ist die erste Philosophie Hegels.

Für Nietsche ist das Ich die Entwicklung zum Willen zum Selbst hin. Der Mensch soll sich zu sich selbst hin entwickeln.

„Alle Kraft des Menschen wird erworben durch Kampf mit sich selbst und Überwindung seiner selbst." (Werke, Bd. 5, Zur Religionsphilosophie, 1796) Fichte

Menschen, die an ihrer eigene Größe scheitern, haben Kierkegaard nicht gelesen.