Samstag, 27. Juli 2019

Was ist das gute Leben?


Es ist eine uralte Frage der Menschheit und bedeutet für jeden etwas anderes. Trotzdem scheint eine klare Antwort in unserer Gegenwart schwieriger denn je: Was ist heute das "gute Leben"?

In der Antike war man der Auffassung, daß eine gelungene Lebensführung nach den Anforderungen und Grundsätzen einer philosophischen Ethik und den damit verbundenen ausgeglichenen Gemütszustand. Als Kennzeichen des guten Lebens, daß man das „Glück“ nicht von äußeren Faktoren erhofft, sondern es in sich selbst findet, indem man sich richtig verhält. Es wurde erwartet, dass man dann in allen Lebenslagen eine unerschütterliche Gemütsruhe bewahrt. Benötigt und erarbeitet wurden Regeln für eine Lebensweise, die Eudaimonie ermöglichen sollte. Dazu gehörte in erster Linie, dass man Grundtugenden verinnerlichte. Stark umstritten war die Frage, ob die Tugenden allein ausreichen oder auch körperliche und äußere Güter benötigt werden.

Das ist zunächst nicht mehr als ein Befund. Doch ist die Frage nach dem "guten Leben" eine uralte Menschheitsfrage, die in allen Kulturen zu allen Zeiten gestellt - und eben auch ganz unterschiedlich beantwortet wurde. Erst in der Moderne wurde die Vorstellungen darüber, was Glück ist, recht verschieden. Doch daß eine Zeit wie die unsere, nicht mehr verbindlich weiß, was das gute Leben ist, muss als ungeheuerliches historisches Novum bewertet werden. Es fällt ja kaum mehr auf, dass im späten Kapitalismus nur noch solipsistische Ziele verfolgt werden - die von der Werbung dann als Ausdruck eines souveränen Individualismus propagiert werden.

Wie konnte es dazu kommen? Peter Sloterdijk sieht die moderne Welt im Steigerungswahn einer Losung von Karl V. gefangen: "Plus Ultra" hatte der letzte römisch-deutsche Herrscher zu Beginn des 16. Jahrhunderts ausgegeben. Ein Motto, so anmaßend wie erfolgreich: Karl V. hatte das "Non" aus "non plus ultra" gestrichen und aus: "Bis hierher und nicht weiter!" ein: "Immer weiter" gemacht. "Plus Ultra" steht heute noch in der spanischen Flagge.

Sloterdijk erkennt darin den Appell zu einer zügellosen Steigerung, die man Wachstum und Fortschritt nennt. Doch selbst dem Steigerungswilligsten erscheinen Aufwand und Ertrag, Kosten und Nutzen irgendwann unvereinbar. Man erlebt dann nur noch den Exzess des Konsumierens und - wie der französische Essayist Pascal Bruckner sagt - "die Routine der Ausschweifung". Oder, um es mit dem Vorschlaghammer Adornos zu sagen: Was Frau Merkel da beim Bürgerdialog erlebt hat, war die Erfahrung, daß es kein richtiges Leben im falschen geben kann.

Weblink:

Was ist das gute Leben? -www.sueddeutsche.de/kultur

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