Samstag, 29. Januar 2022

Immanuel Kants kategorischer Imperativ

Immanuel Kant


Der Königsberger Denker Immanuel Knatwidmete sich den allgemeinen Grundlagen der Ethik und den verbindlichen Voraussetzungen alles sittlichen Handelns. Für Kant entsprangen die Prinzipien der Moral allein der menschlichen Vernunft: Indem Menschen sich als freie soziale Wesen begreifen, liegt es in ihrer Macht und Verantwortung, nach dem kategorischen Imperativ und damit moralisch gut zu handeln.

Der kategorische Imperativ wird als Bestimmung des guten Willens von Kant in der »Grundlegung zur Metaphysik der Sitten« vorgestellt und in der Kritik der praktischen Vernunft ausführlich entwickelt. Er lautet in einer seiner Grundformen:

„Handle nur nach derjenigen Maxime, durch die du zugleich wollen kannst, dass sie ein allgemeines Gesetz werde.“


Immanuel Kant

Der kategorische Imperativ ist eine zentrale Denkfigur innerhalb seiner transzendenten Philosophie und das grundlegende Prinzip moralischen Handelns in der Philosophie Immanuel Kants. Als Kriterium, ob eine Handlung moralisch sei, wird hinterfragt, ob sie einer Maxime folgt, deren Gültigkeit für alle, jederzeit und ohne Ausnahme akzeptabel wäre, und ob alle betroffenen Personen nicht als bloßes Mittel zu einem anderen Zweck behandelt werden, sondern auch als Zweck an sich.

Kant wertet das Individuum auf, indem es ihm die Entwicklung von Maximen und die Prüfung aufbürdet und zutraut, ob diese Maxime Allgemeingültigkeit biete und ertrage. Das geht nur in Autonomie, in Freiheit. Die Erfüllung dieser Aufgabe und die Befolgung der Resultate ist der Zweck des Individuums. Niemand darf das Individuum daran hindern, weshalb der Mensch, sagt Kant, nie nur als Mittel benutzt werden dürfe. En passant wird Kant so zum Begründer der Menschenrechte avant la lettre. Abgehalten wird der Mensch nicht nur von Dritten, die ihn nur als Mittel benutzen wollen, sondern auch von den Neigungen und Lüsten. Das alles führt zur Heteronomie, der Fremdleitung und Fremdbestimmung, wie wir heute vielleicht sagen können. Darum ist das das eminenteste Schimpfwort im kant'schen System.

Wie man zu einem Imperativ kommt, ist die eine Sache, was er impliziert und verlangt, das ist die andere. Kant verlangt nämlich, dass man sich dem selbstgezimmerten Imperativ auch unterwirft. Lust und Neigungen sind die natürlichen Feinde dieser Unterwerfung, sie sind deshalb böse und sie werden mit dem grössten kant'schen Schimpfwort belegt, der Heteronomie. Was aber ist zu gewinnen, wenn man sich dem Imperativ, auch das moralische Gesetz genannt, unterwirft? Man gewinnt Selbstachtung und Selbstgenügsamkeit und man schafft die Voraussetzung zur Glückseligkeit. Per aspera ad astra war schon immer der Leitsatz der Manichäer und der Klöster.

Literatur:

Kritik der praktischen Vernunft
Kritik der praktischen Vernunft

->

Samstag, 22. Januar 2022

Karl Lauterbach und der Kategorische Imperativ

Immanuel Kant


Die Politik steckt hinsichtlich der Pandemie-Bekämpfung in einer Zwickmühle: Solange mit bestehenden Regeln oder deren Verschärfung die Pandemie bekämpft werden kann, darf keine allgemeine Impflicht eingeführt werden. Wo es der Verpflichtung zur Pflicht ermangelt, schlägt die Stunde des moralischen Gebotes, in der die Einhaltung der Moral zur Pflicht wird.

Karl Lauterbach hat in seiner Bundestagsrede den Kategorischen Imperativ von Kant bemüht und dabei an die Solidarität beim Impfen appeliert. Wer einem Menschen, der für sich selbst eine „aufgeklärte Entscheidung“ gegen eine Impfung trifft, eine unmoralische Handlungsweise unterstellt, kann sich niemals auf Kant berufen.

Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach meinte in seiner Bundestagsrede, sich nicht gegen COVID-19 impfen zu lassen, verstoße gegen Immanuel Kants kategorischen Imperativ. Damit versuchte Lauterbach die Einführung einer allgemeinen Impfpflicht moralisch zu rechtfertigen. Dies ist aber eine eindeutige Fehlinterpretation des KI und das gleich in mehrfacher Hinsicht.

Der kategorische Imperativ ist das grundlegende Prinzip moralischen Handelns in der Philosophie Immanuel Kants. Als Kriterium, ob eine Handlung moralisch sei, wird hinterfragt, ob sie einer Maxime folgt, deren Gültigkeit für alle, jederzeit und ohne Ausnahme akzeptabel wäre, und ob alle betroffenen Personen nicht als bloßes Mittel zu einem anderen Zweck behandelt werden, sondern auch als Zweck an sich.

Der kategorische Imperativ wird als Bestimmung des guten Willens von Kant in der »Grundlegung zur Metaphysik der Sitten« vorgestellt und in der Kritik der praktischen Vernunft ausführlich entwickelt. Er lautet in einer seiner Grundformen: „Handle nur nach derjenigen Maxime, durch die du zugleich wollen kannst, dass sie ein allgemeines Gesetz werde.“
Was kann Kant in Zeiten einer Pandemie die Menschen lehren? - Vor allem, sich moralisch so zu verhalten, als ob eine Handlung Gültigkeit für alle, jederzeit und ohne Ausnahme akzeptabel ist.


Literatur:

Kritik der praktischen Vernunft
Kritik der praktischen Vernunft

Lehre des Konfuzianismus


Konfuzianismus ist der Begriff für Philosophien und politische Vorstellungen, die sich in die Tradition des Konfuzius und seiner Schüler stellen. Konfuzius’ Schule wird in China auch als Rujia bezeichnet, was Schule der Gelehrten bedeutet. Der heutige Begriff Konfuzianismus geht auf christliche Missionare zurück, die im 17. Jahrhundert den Namen des Begründers der Schule, (Kongzi / Kongfuzi) latinisierten.

Konfuzius wurde von seinen Anhängern als Vorbild und Ideal verehrt, seine moralischen Lehren und eigene Lebensweise als mustergültig angesehen. Der Konfuzianismus gehört neben dem Buddhismus und Daoismus zu den „Drei Lehren“. Er prägt seit vielen Jahrhunderten die chinesische Kultur und Gesellschaft und beeinflusst den Alltag in China, Japan, Korea, Singapur, Vietnam und auf Taiwan.

Weil Konfuzius' Meinung nach die Ordnung durch Achtung vor anderen Menschen und Ahnenverehrung erreichbar sei, erhielten Anstand und Sitte sowie kindliche Pietät die wichtigste Stellung im praktischen Leben. Kinder sollen die Ahnenverehrung fortsetzen, weswegen Kinderlosigkeit als großes Unglück gilt. Die Summe aller Tugenden ist die wirkliche Menschlichkeit (chin. 仁 ren). Sie allein zeigt, wer innerhalb der Ordnung loyal, gerecht und ehrlich handelt.

Wer dem Anstand und der Sitte entsprechend lebt – also der Etikette, den Riten und der Sitte nach – und sich für die Ahnen aufopfert, verändert sich allein dadurch zum Guten. Das löst einen Dominoeffekt aus, der auf seine Mitmenschen und schließlich den gesamten Kosmos wirkt, was die eigentliche Urordnung wiederherstellt. Das heißt:

Verhalte ich mich korrekt, ist die Familie in Harmonie.
Wenn die Familien in Harmonie sind, ist es auch das Dorf.
Sind die Dörfer in Harmonie, ist es auch die Provinz.
Sind die Provinzen in Harmonie, dann ist es auch das Reich.
Sind die Reiche in Harmonie, dann ist es auch der Kosmos.

Deswegen soll der Mensch auch stets das Gemeinwesen und das Staatsinteresse im Auge haben.

Samstag, 15. Januar 2022

Über die Lehre der Stoa

Zeonon von Kition

Stoizismus ist in krisenhaften oder unruhigen Zeiten nicht die schlechteste Methode, um ungünstigen Umständen entgegenzutreten.

Der Stoizismus ist viel mehr als nur Philosophie, er ist zugleich eine Weisheit und auch eine Lebenshaltung. Nach den Prinzipien der Stoiker zu leben bedeutet, eine wirkliche und handfeste Gebrauchsanleitung für dein Alltagsleben in den Händen zu halten. Nicht umsonst erleben die Stoiker Seneca, Epiktet und Marc Aurel heute so eine atemberaubende Renaissance.

Der Stoizismus lehrt, nach einer Reihe von Werten zu leben, die zu emotionaler Belastbarkeit, ruhigem Selbstvertrauen und einer klaren Lebensführung beitragen. Er ist ein Leitfaden für das Leben, der auf Vernunft statt auf Glauben basiert, ein Leitfaden, der uns in unserem Streben nach Selbstbeherrschung, Durchhaltevermögen und Weisheit unterstützt.

Die Lehre der Stoa versucht, einen Weg zu bereiten, den Dingen, die uns im Leben stressen oder ängstigen positiv entgegenzutreten und sie zu etwas besserem umzuwandeln. Die Lehre der Stoa macht uns zu besseren Menschen und lehrt uns, wie wir uns im Leben auszeichnen können.

Stoizismus macht uns durch die Herausbildung von beruhigend wirkenden Tugenden zu besseren Menschen und lehrt uns, wie wir uns im Leben tugendhaft auszeichnen können. Ausgeglichenheit sorgt für innere Ruhe. Ruhe ist das Gegenteil von Unruhe, Aufgeregtheit, Nervosität und Stress. Während Gelassenheit den emotionalen Aspekt betont, bezeichnet Besonnenheit die überlegte, selbstbeherrschte Gelassenheit, die besonders auch in schwierigen oder heiklen Situationen den Verstand die Oberhand behalten lässt.

Der Stoizismus hat sich als Vorteil in der praktischen Lebensführung erwiesen, bietet er doch Techniken an, anhand derer Menschen zu innerer Ruhe gelangen können.Viele erfolgreiche Menschen aus allen möglichen Bereich geben an, stark von der stoischen Lebensweise beeinflusst worden zu sein.

Die Stoiker und ihre stoische Lebensweise sind unglaublich alltagstauglich und die Weisheit, die viele hundert Jahre zurück reicht, ist zeitgemäßer denn je. Richtig angewandt können Menschen ein wesentlich entspannteres Leben leben und sich den wirklich wichtigen Aspekten widmen.


Literatur:

Die Macht des Stoizismus: Wie Sie mit Hilfe der antiken Philosophie und der Lehre der Stoa zum eisernen Stoiker werden Die Macht des Stoizismus: Wie Sie mit Hilfe der antiken Philosophie und der Lehre der Stoa zum eisernen Stoiker werden von Manuel Nikolaidis

Mittwoch, 12. Januar 2022

John Locke - Vordenker der Aufklärung

John Locke

John Locke war ein einflussreicher englischer Philosoph und Vordenker der Aufklärung. Er war die ersten dreißig Jahre seines Lebens ein recht zufriedener Mensch. Er war einverstanden mit den Verhältnissen und freute sich, als die Monarchie in England nach der Cromwell-Zeit wieder hergestellt wurde. Er wünschte sich eine Regierung mit starker Hand. Er bekannte sich zur anglikanischen Staatskirche und stand zum „Uniformitätsgesetz“, das für die strikte Einheit der Religion sorgte.

Als Locke 1665 den Kontinent besuchte, verblüffte ihn zwar die tolerante Haltung des Kurfürsten von Brandenburg, der den christlichen Konfessionen Religionsfreiheit zugestand. Er sah darin jedoch keinen Anlass, seine autoritätsgläubige Haltung zu revidieren. Dass er zum Prototyp des Aufklärers wurde, dessen Schriften beinahe das ganze 18. Jahrhundert über für gedankliche Unruhe sorgten, verdankte er nicht der Lektüre eines philosophischen Werks, nicht der konsequenten, entbehrungsreichen Gedankenarbeit, nicht der allmählichen Erhellung durch das Licht der Vernunft und nicht dem Leiden an Intoleranz und Machtanmaßung. Schuld daran war allein eine zufällige Begegnung.


Im Jahr 1666 lernte Locke Anthony Ashley Cooper, den First Earl of Shaftesbury, kennen. Der wendige Hofpolitiker charmierte ihn auf der Stelle. Umgekehrt beeindruckte der junge Gelehrte den Adligen durch seine philosophischen und naturwissenschaftlichen Kenntnisse. So entstand aus dem Bündnis von Weisheit und Klugheit, von Wissenschaft und kultivierten Umgangsformen, von strengem Forschergeist und lebendiger Geselligkeit das Programm religiöser Toleranz, politischer Freiheit und intellektueller Selbständigkeit.

Nach einem Studium von Naturwissenschaft, Medizin und Staatslehre lernte er Lord Shaftesbury kennen. Als dieser Lordkanzler wurde, erhielt Locke ein Staatsamt, das er beim Sturz des Lords wieder verlor.

In seinem Hauptwerk »Ein Versuch über den menschlichen Verstand« ging Locke davon aus, dass sich Erkenntnis nur durch Erfahrung gewinnen lässt und wurde so zum Begründer des englischen Empirismus. Locke widersprach Descartes' Lehre von der Existenz angeborener Ideen.
Locke forderte in seinen politischen Schriften Gewaltenteilung, persönliche Freiheit, Gleichberechtigung und Recht auf Eigentum.

In seinem Werk »Two Treatises of Government« argumentiert Locke, dass eine Regierung nur legitim ist, wenn sie die Zustimmung der Regierten besitzt und die Naturrechte Leben, Freiheit und Eigentum beschützt. Wenn diese Bedingungen nicht erfüllt sind, haben die Untertanen ein Recht auf Widerstand gegen die Regierenden.

Nachdem Locke in seinem »Essay on Toleration« erst einmal den Gedanken gefasst hatte, daß Toleranz ein Regierungssystem besser stabilisiert als der Wille zur strikten Kontrolle, gaben sich die Ideen der Aufklärung in seinem Kopf die Klinke in die Hand. Er entfernte seinem Mentor einen gewaltigen Tumor unter den Rippen, lernte im Freundeskreis Ashleys guten Wein kennen und die richtigen Fragen zu stellen. Dann verfasste er mit dem „Essay concerning Human Understanding“ das erkenntnistheoretische Manifest des Empirismus und bald darauf seine „Abhandlungen über die Regierung“, die die Menschenrechte erkundeten.

Weblink:

John Locke - www.famousphilosophers.org


Video:

Political Theory - John Locke

John Locke und die Volkssouveränität

Philosophenwelt-Blog

Archiv Archiv 2 Archiv 3 Archiv 4

Samstag, 8. Januar 2022

»Weltinnenraum des Kapitalismus« von Peter Sloterdijk

Weltinnenraum des Kapitalismus


Peter Sloterdijks Philosophie lebt von Metaphern, aus denen er erzählende Bilder und Narrative macht. Sloterdijk hat in seiner phantastischen Welterkundungs- und Welteroberungsphilosophie die globalisierte Welt, die in ein Innen und Außen geteilt wird, in einer historisch- und geo-philosophischen Betrachtung in Gedanken gefasst. Sloterdik liefert eine historisch-philosophische Analye der terrestrischen Globalisierung Es ist ein - um in der Terminologie Nietzsches zu sprechen - apollinisches Buch der erhellenden Erkenntnis mit vielen philosophischen Entzückungsspitzen.

Sloterdijk ruft in seinem Werk zu einer Analyse der Globalisierung aus philosophischer Sicht auf - um der "Monopolisierung des Globalisierungsdiskurses durch Politologen und Soziologen" und dem "amateurhaften Gebrauch von Termini" etwas entgegenzusetzen.

Sloterdijk untersucht in seinem hellsichtigen Werk die historische Entwicklung der Globalisierung - angefangen bei Kolumbus Reise nach Indien. Sehr vorausschauend erscheinen einige der Gedanken Sloterdijks: Am Vorabend der Weltfinanzkrise prophezeite er in seinem 2006 erschienenen Werk, daß mit der derzeitigen Form der Globalisierung die Endphase ("Sättigungsphase") einer Entwicklung eingeläutet werde, die vor einem halben Jahrtausend mit den großen Entdeckungsreisen begonnen habe.

»Der kapitalistische Weltinnenraum« ist als sozialtopologischer Ausdruck zu verstehen, der für die interieurschaffene Gewalt der zeitgenössischen Verkehrs- und Kommunikationsmedien eingesetzt wird: Er umschreibt den Horizont der vom Geld umschlossenen Zugangschancen zu Orten, Personen, Waren und Daten. S. 308

Als "Weltinnenraum" versteht Sloterdijk die "Komfortzone" der Globalisierungsgewinner, die lediglich ein Viertel der Weltbevölkerung ausmachen. Den Globalisierungsverlierern aber bleibe der Zugang zu diesem Weltinnenraum durch eine unsichtbare, aber undurchdringlich harte Schale verwehrt. Die der Globalisierung zugrunde liegende Ideenwelt fuße auf einem unverbesserlichen Eurozentrismus, der sich mit kolonialistischer Weltausplünderung verschmolzen habe.

In einigem aber irrte Sloterdijk: So nahm er an, dass die Zeiten vorüber seien, in denen auf einfachen Konzepten basierende Doktrinen attraktiv erscheinen könnten. Das Gegenteil scheint heute der Fall zu sein: Fanatisch unzugängliche Gegenbewegungen haben sich entwickelt, die für den tradierten Diskurs mit Andersdenkenden nicht nur nicht mehr zugänglich sind, sondern in einer Mischung aus Egozentriertheit und Brutalität sogar rücksichtsloseste Gewaltanwendung für ganz natürlich und sogar unerlässlich halten. Und waren es nicht gerade linear-schlicht denkende Geister, die den Nährboden schufen für eine Globalisierung unter dem Vorzeichen einer hemmungslosen Ausbeutung natürlicher und personaler Ressourcen?

Diese auf Machtspiele konzentrierten und in ihnen gefangenen Geister dürfen sich nicht wirklich über die Entstehung irrational erscheinender Gegenbewegungen wundern, die - in einer teilweise unbewussten, jedenfalls aber logisch erscheinenden Reaktion - den Kampf gegen eine wert(e)lose und überhebliche Kultur der Maßlosigkeit aufgenommen haben. Vielleicht hat das Ende der Globalisierung schon begonnen.

»In der nautischen Globalisierung sollte ein Zeitalter lang alles zusammenströmen,
was unruhige Europäer unternahmen, um sich aus ihren
älteren sphärischen Verankerungen und lokaklen Hemmungen loßzureißen.«

»Was man die europäische Expanssion genannt hat, ist nicht ursächlich in der christlichen Expansionsidee verwurzelt; vielmehr wird durch die Expansion und das systematisierte koloniale und merkantile Risikohandeln über große Entfernungen hinweg das Missionieren, Übermitteln und Bringen als ein Tätigkeitstyp eigenen Rechts freigesetzt.«


Ob der allerorten bewunderte "anspruchsvolle" Sprachstil des Autors angemessen oder überzogen kompliziert ist, muss jeder Leser für sich selbst entscheiden: Jedenfalls hätte Sloterdijk ohne Schaden für sein Werk zumindest auf solche Fremdwörter verzichten können, die sich noch nicht einmal in einem Fremdwörterbuch befinden. Der Autor hat es bestimmt nicht nötig, seine (unbestrittene) Autorität durch im Wort-Spieltrieb entstandene (und für den gemeinen landläufigen Leser unverständliche) Wortgeschöpfe noch einmal besonders eindrucksvoll hervorzuheben. (Empfehlung für den Leser: Einfach darüber hinweglesen - der Sinn des Textes verändert sich dadurch kaum...) ;) Einfacher wäre zweifelsohne nicht nur möglich, sondern manchmal auch mehr gewesen.

Literatur:

Weltinnenraum des Kapitalismus von Peter Sloterdijk

Erkenntnistheoretischer Skeptizismus


Philosophie ist ein skeptisches Geschäft, das vom Zweifel der bestehenden Erkenntnis lebt. Der Zweifel ist Grundlage für neue Erkenntnis. Nur wo gezweifelt wird, kann sich auch das Denken verändern. Wo der methodische Zweifel vorherrscht, da ist Philosophie eine Disziplin neuer Erkenntnis.

Der erkenntnistheoretische Skeptizismus, der zu einer undogmatischen Bescheidenheit aufruft, ist philosophiegeschichtlich nicht neu. Er lässt sich bis in die Antike zurückverfolgen und spielte auch in der neuzeitlichen Philosophie eine große Rolle.

So erhob der Philosoph des methodischen Zweifelns René Descartes den Zweifel sogar zu einem methodischen Prinzip - um ihn freilich mit Hilfe (allerdings nicht überzeugender) "Gottesbeweise" wieder außer Kraft zu setzen. Viel konsequenter und auch bescheidener war da ein anderer Philosoph, einer der wichtigsten: David Hume.

Gegen metaphysische Spekulationen hatte er eine sehr kritische Einstellung. Er plädierte für eine allein auf Erfahrung und Beobachtung gegründete Methode und wurde damit zu einem der einflussreichsten Denker des 18. Jahrhunderts und bis heute.

Zweimal war es dem schottischen Klerus gelungen zu verhindern, dass Hume auf einen Universitätslehrstuhl berufen wurde, trotz seiner weithin anerkannten Verdienste. Er musste als Privatlehrer, Sekretär und schließlich Bibliothekar seinen Lebensunterhalt verdienen, fand aber dennoch genug Kraft und Zeit zum Schreiben.

Schon in "seinem Jugendwerk, dem »Treatise of Human Nature«, analysierte er eine Reihe philosophischer Probleme mit einer Überzeugungskraft und Eleganz, die heute noch auf größtes Interesse stoßen: das Induktionsproblem, die Kausalanalyse, die Frage nach der Existenz einer Außenwelt und des Ichs, das Problem der Einbildungskraft, die Sein-Sollens-Dichotomie, die Verträglichkeit von Freiheit und Notwendigkeit sowie der Ursprung von Recht und Moral", so Streminger.

Hume folgte in der Ausarbeitung dieser Themen ohne Rücksicht auf religiöse Traditionen und Autoritäten allein der Logik seiner Gedanken; und diese führten ihn in seiner Erkenntnistheorie vom vergleichsweise idyllischen Hafen eines dogmatischen Empirismus in den Wirbelsturm eines universellen Zweifels.

Dieser Skeptizismus widerspricht aber nicht der (vorläufigen) Gewinnung von Erkenntnissen und der Widerlegung von falschen Weltbildern und Argumenten. Das zeigt beispielsweise auch Humes (zu Lebezeiten kaum publizierte) gut begründete und bis heute aktuelle Religionskritik.

Hume setzte auf genaue Beobachtung und konzentrierte Erfahrung. Er fixierte sich auf ein eigentliches, letztes Wesen des Geistes oder der Natur sondern versuchte, sich ein Bilod der dinge zu machen, wie sie tatsächlich als Eindrücke und Vorstellungen "perzipiert" werden. Auch die menschlichen Kräfte und Fähgigkeiten, die er in den Mittelpunkt des Philosophierens rückte, wollte er "aus einer sorgfältigen Beobachtung des menschlichen Lebens gewinnen, und sie so nehmen, wie sie im gewöhnlichen Lauf der Welt, in dem Benehemen der Menschen in Gesellschaft, in ihren Beschäftignungen und Vergnügungen sich darbieten.

Wo Erfahrungen dieser Art mit Verständnis gesammelt und miteinander verglichen werden, da können wir hoffen, auf sie eine Wissenschaft zu gründen, die mit Sicherheit den Resultaten andere menschlicher Forschung nicht nachsteht, sie zugleich an Nutzen weit übertrifft."

Die Philosophen kannten nur den traditionellen Weg zum Erkenntnisgewinn, den phänomenologischen: Aus Beobachtungen des Geschehens im Alltag unter Einsatz herausragender analytischer Fähigkeiten Erkenntnisse zu gewinnen und diese zu kommunizieren. Von Sokrates über Epikur, Feuerbach oder Kant bis zum heutigen Tag.

Literatur:

David Hume: Der Philosoph und sein Zeitalter
David Hume: Der Philosoph und sein Zeitalter

von Gerhard Streminger