Samstag, 8. Januar 2022

»Weltinnenraum des Kapitalismus« von Peter Sloterdijk

Weltinnenraum des Kapitalismus


Peter Sloterdijks Philosophie lebt von Metaphern, aus denen er erzählende Bilder und Narrative macht. Sloterdijk hat in seiner phantastischen Welterkundungs- und Welteroberungsphilosophie die globalisierte Welt, die in ein Innen und Außen geteilt wird, in einer historisch- und geo-philosophischen Betrachtung in Gedanken gefasst. Sloterdik liefert eine historisch-philosophische Analye der terrestrischen Globalisierung Es ist ein - um in der Terminologie Nietzsches zu sprechen - apollinisches Buch der erhellenden Erkenntnis mit vielen philosophischen Entzückungsspitzen.

Sloterdijk ruft in seinem Werk zu einer Analyse der Globalisierung aus philosophischer Sicht auf - um der "Monopolisierung des Globalisierungsdiskurses durch Politologen und Soziologen" und dem "amateurhaften Gebrauch von Termini" etwas entgegenzusetzen.

Sloterdijk untersucht in seinem hellsichtigen Werk die historische Entwicklung der Globalisierung - angefangen bei Kolumbus Reise nach Indien. Sehr vorausschauend erscheinen einige der Gedanken Sloterdijks: Am Vorabend der Weltfinanzkrise prophezeite er in seinem 2006 erschienenen Werk, daß mit der derzeitigen Form der Globalisierung die Endphase ("Sättigungsphase") einer Entwicklung eingeläutet werde, die vor einem halben Jahrtausend mit den großen Entdeckungsreisen begonnen habe.

»Der kapitalistische Weltinnenraum« ist als sozialtopologischer Ausdruck zu verstehen, der für die interieurschaffene Gewalt der zeitgenössischen Verkehrs- und Kommunikationsmedien eingesetzt wird: Er umschreibt den Horizont der vom Geld umschlossenen Zugangschancen zu Orten, Personen, Waren und Daten. S. 308

Als "Weltinnenraum" versteht Sloterdijk die "Komfortzone" der Globalisierungsgewinner, die lediglich ein Viertel der Weltbevölkerung ausmachen. Den Globalisierungsverlierern aber bleibe der Zugang zu diesem Weltinnenraum durch eine unsichtbare, aber undurchdringlich harte Schale verwehrt. Die der Globalisierung zugrunde liegende Ideenwelt fuße auf einem unverbesserlichen Eurozentrismus, der sich mit kolonialistischer Weltausplünderung verschmolzen habe.

In einigem aber irrte Sloterdijk: So nahm er an, dass die Zeiten vorüber seien, in denen auf einfachen Konzepten basierende Doktrinen attraktiv erscheinen könnten. Das Gegenteil scheint heute der Fall zu sein: Fanatisch unzugängliche Gegenbewegungen haben sich entwickelt, die für den tradierten Diskurs mit Andersdenkenden nicht nur nicht mehr zugänglich sind, sondern in einer Mischung aus Egozentriertheit und Brutalität sogar rücksichtsloseste Gewaltanwendung für ganz natürlich und sogar unerlässlich halten. Und waren es nicht gerade linear-schlicht denkende Geister, die den Nährboden schufen für eine Globalisierung unter dem Vorzeichen einer hemmungslosen Ausbeutung natürlicher und personaler Ressourcen?

Diese auf Machtspiele konzentrierten und in ihnen gefangenen Geister dürfen sich nicht wirklich über die Entstehung irrational erscheinender Gegenbewegungen wundern, die - in einer teilweise unbewussten, jedenfalls aber logisch erscheinenden Reaktion - den Kampf gegen eine wert(e)lose und überhebliche Kultur der Maßlosigkeit aufgenommen haben. Vielleicht hat das Ende der Globalisierung schon begonnen.

»In der nautischen Globalisierung sollte ein Zeitalter lang alles zusammenströmen,
was unruhige Europäer unternahmen, um sich aus ihren
älteren sphärischen Verankerungen und lokaklen Hemmungen loßzureißen.«

»Was man die europäische Expanssion genannt hat, ist nicht ursächlich in der christlichen Expansionsidee verwurzelt; vielmehr wird durch die Expansion und das systematisierte koloniale und merkantile Risikohandeln über große Entfernungen hinweg das Missionieren, Übermitteln und Bringen als ein Tätigkeitstyp eigenen Rechts freigesetzt.«


Ob der allerorten bewunderte "anspruchsvolle" Sprachstil des Autors angemessen oder überzogen kompliziert ist, muss jeder Leser für sich selbst entscheiden: Jedenfalls hätte Sloterdijk ohne Schaden für sein Werk zumindest auf solche Fremdwörter verzichten können, die sich noch nicht einmal in einem Fremdwörterbuch befinden. Der Autor hat es bestimmt nicht nötig, seine (unbestrittene) Autorität durch im Wort-Spieltrieb entstandene (und für den gemeinen landläufigen Leser unverständliche) Wortgeschöpfe noch einmal besonders eindrucksvoll hervorzuheben. (Empfehlung für den Leser: Einfach darüber hinweglesen - der Sinn des Textes verändert sich dadurch kaum...) ;) Einfacher wäre zweifelsohne nicht nur möglich, sondern manchmal auch mehr gewesen.

Literatur:

Weltinnenraum des Kapitalismus von Peter Sloterdijk

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