Ein Gespenst geht um in Europa – das Gespenst des Populismus - so könnte man frei nach Karl Marx im Jahr 2020 formulieren. Das Gespenst bewegt sich immer weiter fort in Europa und in den Ländern, in denen es auftaucht, verbreitet es Angst und Schrecken.
Der Populismus ist der etwas vornehmere Bruder der Demagogie und ein augenzwinkerndes Stiefkind der Politik - von der Politik immer etwas stiefmütterlich behandelt. Populismus und Demagogie - derzeit in vieler Munde - sind Lehnwörter aus den klassischen Sprachen. Das eine leitet sich von dem lateinischen Begriff für Volk, populus, ab, das andere ist ein Gräzismus für das, was Volksführer – oder eben auch Volksverführer tun. Als Prototypen der - demagogischen - Populisten gelten die Brüder Tiberius und Gaius Gracchus, deren Politik am Ende des zweiten vorchristlichen Jahrhunderts die römische Republik erschütterte.
Das Wort Populismus leitet sich von populus, dem Begriff für Volk, ab. Der populus Romanus war die Gesamtheit der römischen Bürger, die sich in unterschiedlichen Gliederungen zur Volksversammlung auf dem Forum traf. Dort wurden Magistrate gewählt und Gesetze beschlossen. Politische Debatten indes fanden nicht auf dem Forum statt, sondern hinter den verschlossenen Türen des Senates – ganz anders als etwa in Athen, wo die Agora ein Ort hitziger Diskussion war. Dass die römische Führungsschicht, die Nobilität, den populus aus der politischen Entscheidungsfindung heraushalten wollte, hatte seinen guten Grund: Die Politisierung der Volksversammlung würde das Ende des Grundkonsenses bedeuten, der die oligarchische Elite an der Macht hielt.
Als "populistisch" werden vor allem zwei Positionen bezeichnet, die immer zugleich eingenommen werden: Einerseits eine Haltung, die gegen das Establishment und gegen das Elitäre auftritt, und andererseits wird der Anspruch erhoben, daß nur die Populisten allein das wahre Volk repräsentieren würden. Letzteres wird nicht als eine empirische Aussage behauptet, sondern wird als ein moralischer Auftrag vom „Volk“ verstanden.
Populismus ist die Neigung der Politik, bei Unzufriedenheit in Abgrenzung zu den bestehenden Parteien vereinfachende Lösungen anzubieten, welche bei großen Teilen der Bevölkerung allgemeine Akzeptanz finden. Steigt die Anzahl der Wähler populistischer Parteien, dann steigt deren Einfluß und mit ihm der politische Gestaltungsspielraum und somit der Druck auf die etablierten Parteien, sich in ihrer Politik nebst dringend erforderlichen Debatten (!) inhaltlich-programmtisch wieder dem Volk zuzuwenden und Politik für das Volk zu machen, um den Populismus einzudämmen. Das Gespenst des Populismus läßt sich somit auf politischem Wege durchaus zum Verschwinden bringen.
Mehrere Entwicklungen der vergangenen Jahre haben das Phänomen des Populismus befördert: der drohende Zerfall Europas, die mangelnde Integrationsfähigkeit Europas, die mangelnde Solidarität der Länder Europas untereinander (!), die Demokratie-Müdigkeit, die eine neue Form des Populismus hervorgebracht hat und die Frage der Menschenrechte und der Hospitalität, welche Flucht und Migration stellen.
Den Populismus philosophisch zu betrachten und zu verstehen, heißt, diesen als gesellschaftliches Phänomen wahrzunehmen und diesen in eine Phänomenologie einzuordnen, denn mit dem Populismus gehen weitere Phänomene einher wie die Kritik an den Eliten und den Medien, Verschwörungsparanoia, das Misstrauen in staatliche Institutionen, Klientelismus. Die Erklärung des Populismus ist dagegen spektakulär ungespenstisch.
So verstanden zeichnet sich Populismus als Phänomen durch folgende Merkmale aus: Berufung auf den common sense, Anti-Elitarismus, Anti-Intellektualismus, Antipolitik, Institutionenfeindlichkeit sowie Moralisierung, Polarisierung und Personalisierung der Politik. Das Grundaxiom ist die Berufung auf den common sense.
Aus populistischer Sicht ist der "gesunde Menschenverstand" dem Reflexionswissen von Intellektuellen nicht nur ebenbürtig, sondern überlegen, weil er auf konkreter, lebensweltlicher Erfahrung beruhe, noch nicht vom Virus des modernen Skeptizismus infiziert sei und daher noch einen unverfälschten, "gesunden" Zugang zu Recht und Wahrheit habe.
Die Zeit und das, was Menschen durchlebten, kann man mit Kleist gut durchleben. Er ergriff das, was ihm in seinem Leben begegnet so entschieden, dass man durch ihn verstehen kann, was die Dinge einmal bedeutet haben. Kleist ließ sich von Ereignissen, Begegnungen und Erlebnissen regelrecht entzünden.
dem Staat, für den Augenblick, ein demokratisches Ansehen."
Heinrich Kleist
Literatur:
Was ist Populismus?: Ein Essay von Jan-Werner Müller
Populismus-Essay-suhrkamp/dp/3518075225