Samstag, 27. Februar 2016

Peter Sloterdijk zur Flüchtlingsfrage

Die Diskussion um die Flüchtlingspolitik wird militanter. Einige von denen, die sich jetzt zu Wort melden, haben schon den Stahlhelm aufgesetzt. Stacheldraht ersetzt die Argumentation. Metaphern werden entsichert und als geistige Sprengladungen genutzt.

Ein Großmeister der politischen Metaphorik ist Peter Sloterdijk. Seine Philosophie kreist um Begriffe wie Blasen, Sphären, Globen. Nun fordert er in einem apokalyptischen Alarm wenig liberal und freigeistig die Abschottung von Märkten und Territorien. Die postmodernisierte Gesellschaft, sagte Sloterdijk dem „Cicero“, existiere in einem „surrealen Modus von Grenzenvergessenheit“.

In der Flüchtlingsfrage stimmt nun auch Philosoph Peter Sloterdijk in den Chor der Apokalyptiker ein. Warum singen radikal liberale Denker wie er plötzlich Loblieder auf Grenzen?

Erstaunlich ist im Chor der Nationalliberalen nun die Arie vom Freigeist Peter Sloterdijk, in der er, bis an die Obergrenze des sehr Vertrauten trällernd, das hohe Lied auf den Nationalstaat singt – inklusive Abgesang auf die ungeliebte Kanzlerin. Auch hier erklingen Variationen, um nicht zu sagen Gassenhauer aus dem neopopulären Konservativen-Diskurs. Aber natürlich im wundervollen Sloterdijk-Tenor.

Sloterdijk hat dem "Cicero" ein Interview zur Flüchtlingsfrage gegeben. Kein Philosoph schreibt, denkt und polemisiert schöner, nur macht er sich gerade in einer Nische breit, die bereits durch Großmeister wie Rüdiger Safranski und Gertrud Höhler belegt ist.

Hier die Schnellzusammenfassung aus der "Cicero"-Pressemeldung für alle, die die 9 Euro lieber für anderes ausgeben wollen: "Die deutsche Regierung hat sich in einem Akt des Souveränitätsverzichts der Überrollung preisgegeben …, diese Abdankung geht Tag und Nacht weiter."

Die Politik der offenen Grenzen könne final nicht gut gehen. "Merkel wird zurückrudern." Semantische Tricks würden die notwendige Kehrtwende bemänteln. "Wir haben das Lob der Grenze nicht gelernt." In Deutschland glaube man immer noch, "eine Grenze sei nur dazu da, um sie zu überschreiten".

Innerhalb Europas schere Deutschland damit aus. "Die Europäer werden früher oder später eine effiziente gemeinsame Grenzpolitik entwickeln. Auf die Dauer setzt der territoriale Imperativ sich durch. Es gibt schließlich keine moralische Pflicht zur Selbstzerstörung."

„Der Lügenäther ist so dicht wie seit den Tagen des Kalten Kriegs nicht mehr.“

Und dann sind auch noch die Medien mit Ausnahme des "Cicero", wie zu vermuten ist, dran. "Der Lügenäther ist so dicht wie seit den Tagen des Kalten Kriegs nicht mehr." Im Journalismus trete die "Verwahrlosung" und die "zügellose Parteinahme allzu deutlich hervor.". Das Bemühen um Neutralität sei gering, "die angestellten Meinungsäußerer werden für Sich-Gehen-Lassen bezahlt, und sie nehmen den Job an."

Peter Sloterdijk ist endlich mehrheitsfähig geworden. Er ist auf der Höhe der Merkel-Umfragen. Vor sechs Jahren war das noch anders. Da war er der ultimative Outlaw, als er den Fiskalstaat grundsätzlich infrage stellte. Die Statthalter des sozialkonservativen Denkens überzogen ihn mit einer Art Fatwa: Er wurde intellektuell für vogelfrei erklärt. Sloterdijks These war, dass die kühle Umverteilung durch den real existierenden "Semi-Sozialismus auf eigentumswirtschaftlicher Grundlage" eine Gesellschaft korrumpiere.

Aber etwas anderes ist bei seinen verwirrenden Aussagen ebenso denkbar: Vielleicht existiert Sloterdijk ja in einem „surrealen Modus von Geistesvergessenheit“.


Weblink:

Flüchtlingsdebatte: Peter Sloterdijk und die Grenzen der Liberalität - www.welt.de/kultur


Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen