Samstag, 6. August 2016

Wenn Angst das Leben bestimmt



Kierkegaard unterscheidet zwischen Furcht und Angst. Furcht richte sich auf Bestimmtes, Angst ist ein diffuses Gefühl und bleibt stets unbestimmt. Es ist die Angst vor dem Nichts, das weite Feld des Unbekannten, in dem auch die Möglichkeit zur Schuld liegt.

Søren Kierkegaard unterschied u. a. in »Der Begriff Angst« (1844) erstmals die ungerichtete Angst von der auf einen Gegenstand bezogenen Furcht. Für ihn war Angst die Angst vor dem Nichts und mithin der Ausdruck der menschlichen Wahlfreiheit und Selbstverantwortlichkeit. Die Existenzangst sei eine allgemeine Erfahrung des Menschen, der sich im Laufe seiner Phylogenese weitgehend aus der Verbundenheit mit der Natur gelöst habe. Aus dem damit einhergehenden Verlust an Geborgenheit und den vielen Freiheitsmöglichkeiten (»Schwindel der Freiheit« nach Kierkegaard) resultiere diese Angst.

Insofern sich das Objekt auf seine Gefährlichkeit hin prüfen lässt, kann man jederzeit einsehen, das die Furcht widersinnig ist und guten Gewissens aufgegeben werden kann. Die Angst hat gemäß Kierkegaard keinen Gegenstand, sie bezieht sich auf unser Dasein selbst und ergreift uns wie ein Schwindel. Kierkegaard meint, wir können uns auch von dieser Angst befreien durch die Entscheidung für den Glauben: Gottvertrauen sublimiere die Angst.

Bei Heidegger funktioniert dieser Riss mit der Welt nicht mehr. Martin Heidegger bestimmte Angst als eine Grundbefindlichkeit des Menschen, welche diesem die Unabgeschlossenheit des eigenen Verständnishorizontes zum Gewahrsein bringe und ihn zur Entschlossenheit befähige. Insofern kann man sich Heidegger zufolge nicht entscheiden, keine Angst zu haben.

Angst führt zu Verunsicherung und wenn das Problem der Angst nicht gelöst wird, zu Unzufriedenheit. Es ist durchaus angemessen, vor den Dingen Angst zu haben, die reale Gefahren sind. Aber es ist auch gut, Unsicherheiten und Ängste, die uns von außen suggeriert werden, zu überprüfen. Denn Angst macht Menschen auch manipulierbar. Diese Angst ist gefährlich.

Wenn nun allerdings in der Politik die Rede davon ist, dass Ängste nicht nicht ernst genommen, so wird vertuscht, daß es in diesem Kontexten eigentlich um Furcht ginge. Statt über vernünftige Gründe zu sprechen, weshalb die Flüchtlingskrise Anlaß sein könnte, sich vor konkreten Dinge zu fürchten oder eben gerade einzusehen, daß die Furcht gegnstandslos ist, schürt man diffuse Ängste oder behauptet, diese würden negiert.

Damit entzieht man sich aber gerade dem eigentlich Politischen, nämlich der Übersetzung des diffusen Gefühls der Angst in konkrete Befürchtungen, die ihrersets begründet werden müssten.

Wir sollten rational an unsere Ängste herangehen und immer fragen: Wie wahrscheinlich ist es, daß sie auch eintreten? Wir sollten mehr Vertrauen in uns und die Kraft der Gemeinschaft haben.

Weblink:


Der Begriff Angst
von Søren Kierkegaard

Was ist Würde?

Was ist Würde?

Die Würde ist kein abstrakter Begriff, sondern ein Thema, das jeden Menschen betrifft, unabhängig von Alter, Geschlecht und Hautfarbe. Die Würde betreffende Fragen sind immer auch Fragen der Abwägung. Wer aber wägt ab, wenn es zu Konflikten kommt? Wer entscheidet zum Beispiel, wann die Würde des Ungeborenen anfängt und die des Todkranken endet?

Die Würde des Menschen ist im Grundgesetz fest verankert. Dennoch wird sie gegenwärtig kontrovers diskutiert. Ist sie wirklich unantastbar, oder ist es nicht doch in manchen extremen Fällen erlaubt oder sogar geboten, sie zugunsten anderer zentraler Werte einzuschränken.

Die Geschichte der Menschenwürde als ethisches Konzept beginnt mit dem römischen Politiker und Philosophen Cicero. Er ist im ersten vorchristlichen Jahrhundert der erste Denker, der dem Menschen allein aufgrund seiner Vernunftbegabung eine besondere Stellung zuweist. Allerdings meint Cicero, man müsse sich seine Würde durch sittliche Lebensführung erst erwerben.

Artikel 1 Absatz I

Im Mittelalter kommt ein neuer, christlicher Aspekt hinzu: was den Menschen aus der Schöpfung heraushebt, ist seine Erschaffung als Ebenbild Gottes. Mit der Fähigkeit zur Selbstbestimmung bringt später das Zeitalter der Aufklärung ein weiteres Kriterium ins Spiel: die Freiheit.

Immanuel Kant geht noch einen Schritt weiter und definiert die Würde als das Merkmal eines jeden Menschen, das unvergänglich, unveräußerlich und unbedingt sei. Er meint, dass sich der Mensch durch seine ihm eigene Moralität als würdig erweise.

Den Rahmen, in dem jeder Mensch in körperlicher und geistiger Unversehrtheit leben kann, schaffen dann im 20. Jahrhundert die Menschrechte. Sie formulieren die unabdingbare Pflicht zum gegenseitigen Respekt gleich mit - die Garantie dafür, dass die Würde des Mitmenschen unangetastet bleibt.

Weblink:

Philosophische Grundlagen und aktuelle Fragen - www.br.de

Gedanken über ein gutes Leben


In der westlichen Welt suchen Menschen derzeit vielfach ganz individuell nach dem guten Leben. Aus Sicht ist ein gutes Leben erreicht, wenn man seine inidivduellen Fähigkeiten entfalten kann. Da besteht ein Bezug auf Aristoteles.

Wer ein gutes Leben führt, verhält sich moralisch integer und verantwortungsvoll, tut Gutes im eigenen Wirkungskreis, egal wie groß oder klein dieser ist, und auch dies kann durchaus beglückend sein, sei es durch persönliche Erfolgserlebnisse oder die Wertschätzung von anderen.

Das gute Leben bewegt sich also im Spannungsfeld zwischen den persönlichen Bedürfnissen und der sozialen Umwelt. Für die individuelle Komponente verspricht die Glücksforschung Erkenntnisse; was die Interaktion mit den Mitmenschen anlangt, kann die Moralphilosophie Orientierung geben.

Und was hat das Ganze mit Politik zu tun? Der Staat kann niemandem ein gutes Leben garantieren. Aber er sollte die wirtschaftlichen, sozialen und politischen Voraussetzungen schaffen, um die Menschen individuell dazu zu befähigen.

In der aktuellen globlaen Debatte geht es etwa darnm,warum Einmischung zur Bevormundung eines anderen Landes wird.

Samstag, 30. Juli 2016

Angst - das Grundgefühl unserer Zeit



Die Angst geht um in Europa. Die Angst vor Terror, vor vermeintlicher Islamisierung, vor dem Gespenst der sogenannten Überfremdung. Angst vor dem Scheitern, Angst vor dem Leben, Angst vor der Angst.

Angst ist das Grundgefühl unserer Zeit. Unter keinem Gefühl leiden Menschen so stark wie unter der Angst. Doch ist sie auch das Grundgefühl der Gegenwart, wie einige Soziologen meinen? Wie lässt sie sich besiegen?

Jeder fünfte leidet einmal im Leben an einer Angststörung. Und wer einmal eine Panikattacke erlitten hat, hat zu allem Übel noch Angst vor der Angst.

Was den Philosophen Sören Kierkegaard in die Arme des Christentums trieb, erscheint heute alsein weitverbreitetes Lebensgefühl.

Was bringt die Menschen so in Aufruhr? Warum machen sie sich permanent Sorgen? Ist die Angst am Ende die Schubkraft der Leistungsgesellschaft – und haben die Betroffenen letztlich genau vor dieser Gesellschaft Angst?

Flüchtlingspolitik aus Kantischer Sicht

Bei der Flüchtlingspolitik Deutschlands lassen sich auch Wurzeln in der deutschen Geistesgeschichte entdekcen.

Kant hat den katego­rischen Imperativ als sittliche Forderung formuliert, die sich an den Einzelnen richtet. Er wäre nie auf die Idee gekommen, diesen auch für das Staatssubjekt geltend zu machen. Dass die Politik, vor allem in der internationalen Arena, nach einer ganz anderen Logik, nämlich der des staatlichen kollektiven Selbstbehauptungswillens, agieren muss, das war Kant vollkommen klar.

Kant war auch überzeugt, dass es nie einen Weltstaat geben würde, dass die Welt sich auch weiterhin in einer Vielfalt von Staaten gruppiert. Er sagt zwar, es wäre wünschenswert für den ewigen Frieden, wenn es nur einen Staat gäbe, darüber müsse man sich aber gar nicht den Kopf zerbrechen, weil es ihn ohnehin nie geben werde. Die Menschen existieren durch ihre Sprachen und Kulturen in einzelnen Teilen.

Gesinnung gegen Verantwortung

Als In­dividuum kann man sich der Gesinnungsethik verpflichtet fühlen und allen Flüchtlingen helfen – obwohl das bei jenen, die sich diesbezüglich exponieren, meistens nur Rhetorik ist. Aber die Politik muss verantwortungsethisch handeln. Zurzeit ist aber in der Politik die grosse Stunde der ­Gesinnungsethik, wie Merkel sie uns vorführt. Auch wenn sie jetzt zurückzurudern versucht, der Schaden ist angerichtet. Wir werden bei diesen gewaltigen Zahlen eine ­islamische Parallelgesellschaft bekommen mit allen fatalen ­Folgen.

Konrad Ott baut seine Moralschrift auf der Unterscheidung von Gesinnungs- und Verantwortungsethik auf. Diese Unterscheidung trägt nicht weit, wenn sie überhaupt etwas taugt. Von Zeit zu Zeit wird sie als ideologisches Versatzstück einer konservativen Gesinnung aus der Mottenkiste geholt. Nachdem jede ernstzunehmende Gesinnungsethik nicht ohne Verantwortung auskommt und umgekehrt, gelingt es meist mühelos, die gefälligen Elemente so hervorzuheben, dass das vermeintlich Richtige herauskommt. Der Autor demonstriert das bis zum Überdruss – leider unfreiwillig.

Er zeichnet das Bild einer gesinnungsethischen Haltung, die, seiner Meinung nach, nicht nur einer grenzenlosen Zuwanderung das Wort reden müsse, sondern auch nichts von den Zuwanderern erwarten dürfe, ja sogar die Verweigerung von Mitarbeit oder Betrug letztlich gutheißen müsse. Nicht einmal die Mülltrennung wäre den Flüchtlingen aus einer gesinnungstheoretischen Haltung heraus zuzumuten. Es ist eben das Buch eines gesinnungsradikalen „Verantwortungsethikers“, der die Gesinnungsethik unbedingt skandalisieren will.

Die Logik der Gesinnungsethik geht von Menschenrechten und universellen Hilfspflichten aus. Das Menschenrecht auf Asyl bei politischer Verfolgung wird als zu eng befunden, da es nicht alle echten Fluchtgründe erfasst wie etwa Flucht vor Krieg, Bürgerkrieg, Terrorismus, Stigmatisierung sexueller Orientierung, extreme Armut, Klimawandel und vieles mehr. Zuflucht gewähren sollten wir letztlich allen Menschen in echter Not, sofern uns dies nicht überfordert.

Die Unterscheidung zwischen Flucht und Migration wird häufig abgelehnt. Damit begibt sich die Gesinnungsethik auf eine Bahn, an deren Ende kosmopolitische Ideale von globaler Freizügigkeit aller Menschen stehen, was einer Öffnung aller staatlichen Grenzen gleichkommt. Demgegenüber will Verantwortungsethik Zuwanderung begrenzen und steuern. Sie behält die Unterscheidung zwischen Flucht und Migration bei, fasst Fluchtgründe eng und hält es für zulässig, Anreize und Abreize zu setzen, etwa beim Asylbewerberleistungsgesetz.

Weblinks:

Zuwanderung und Moral
Zuwanderung und Moral
von Konrad Ott

Wie viel Moral darf es sein? - Gastbeitrag von Konrad Ott - www.ln-online.de

Samstag, 23. Juli 2016

»Zuwanderung und Moral« von Konrad Ott

Konrad Ott


Konrad Ott, Jahrgang 1959, ist Professor für Philosophie und Ethik der Umwelt an der Universität Kiel. »Zuwanderung und Moral« ist seine aktuelle Veröffentlichung. Konrad Ott beschäftigt sich darin mit dem Thema Zuwanderung aus moralischer Sicht.

»Jeder Bedrohte muss aufgenommen werden!«»Wie sollen wir mehr als eine Million Flüchtlinge bewältigen?« Die Flüchtlingsdebatte pendelt zwischen der gesinnungsethischen und der verantwortungsethischen Position hin und her und so baut seine Moralschrift auf der Unterscheidung von Gesinnungs- und Verantwortungsethik auf. Konrad Ott vergleicht beide Ansätze und bietet damit ethische Orientierung über unsere moralische Verantwortung in der Flüchtlingsfrage.

Zuwanderung und Moral werfen ethische Fragen auf. Konrad Ott bietet einen ethischen Kompass in der aktuellen Diskussion. Vorgestellt werden zwei Ansätze: Gesinnungsethik und Verantwortungsethik. Diese beiden Ansätze werden gegenübergestellt. Der gesinnungsethische Ansatz stellt das Wertesystem über die Folgen des Handelns. Beispielsweise wird dies am Konzept "open borders" veranschaulicht.

Hierbei ist davon auszugehen, dass es prinzipiell jedem ermöglicht werden muss, auf sicherem Weg nach Deutschland zu fliehen. Aus ethischr Sicht entsteht jedoch eine Dilemmasituation: Der Gesinnungsethiker nimmt dabei in Kauf, dass dieses System ausgenutzt wird. Der Verantwortungsethiker würde ein Konzept wie "open borders" ablehnen, da die Folgen nicht handhabbar wären. Ziel wäre eine kontrollierte Zuwanderung, wobei möglichst keine Flüchtlinge aufgenommen werden, die keinen Fluchtgrund haben.

Weblinks:

Zuwanderung und Moral
Zuwanderung und Moral
von Konrad Ott

Wie viel Moral darf es sein? - Gastbeitrag von Konrad Ott - www.ln-online.de


Blog-Artikel:

Peter Sloterdijk zur Flüchtlingsfrage - philosophen-welt.blogspot.com