Im Jahr 1977 veröffentlichte der deutsche Philosoph, Politiker und Sozialökologe Rudolf Bahro sein sozialismuskritisches Buch »Die Alternative«. Darin äußerte er Kritik am real existierenden Sozialismus aus kommunistischer Sicht und zugleich eine Vision für die zukünftige Entwicklung der Gesellschaft.
Für Systemdenker sind bestehende gesellschaftiche Systeme niemals alternativlos. Allein ihre wesentlichen Mängel bedingen bereits das Denken und Herausarbeiten einer Alternative. Rudolf Bahro hat mit seinem fundierten Werk die Diskussion um die vorhandenen Modellen Sozialismus und Kapitalismus um eine weitere Alternative ergänzt.
Die Alternative
Das 543-seitige Werk ist in drei Teile gegliedert:
- Das Phänomen des nicht-kapitalistischen Weges zur Industriegesellschaft
- Anatomie des real existierenden Sozialismus
- Zur Strategie einer kommunistischen Alternative
Bestechend die Fähigkeit des Autors, aus dem real existierenden Sozialismus heraus eine Alternative auf marxistischer Basis zu denken. So ist das Werk eine Weiterentwicklung der Lehre von Karl Marx unter den Bedingungen des realen Sozialismus.
Der Wissenschaftler aus Ost-Berlin zeigte in seinen für ein wissenschaftliches Buch und theoretisches Werk äußerst verständlich geschriebenen Untersuchung auf, wie das System entstand, das sich als "real existierende Sozialismus" definiert, welchen Anspruch es erhebt und wie es in der Realität funktioniert. Erfassung der gesellschaftlichen Totalität.
Der Maßstab, den Rudolf Bahro zugrunde legt, sind die theoretischen Aussagen von Karl Marx. Aus ihnen folgert er, daß der Zweck der Gesellschaft keinesweges die Mittel heiligt, die der Menschenwürde entgegenstehen. Er sieht vielmehr eine breite Diskussion der Mittel und der Ziele als unabdingbare Voraussetzung dafür an, die von ihm angestrebte freie Assoziation zu verwirklichen, in der die Entwicklung eines jeden die Bedingung für die freie Entwicklung aller ist.
Die Herrschaft der Politbürokratie ist der Hemmschuh für die Entwicklung der nicht-kapitalistischen Staaten zum Sozialismus. Bahro entwickelt die Strategie einer kommunistischen Alternative. Es ist eine emanzipatorische Bewegung nötig, um den Sozialismus zu verwirklichen.
"Wenn es so weit gekommnen ist, daß die zentralen Partei- und Staatsinstanzen sich selbst Residenzen, Luxuslimousinen, Ferienschlösser und Spezialkliniken genehmigen, dann hilft nur noch die Entmachtung des ganzen Klüngels, der die entsprechenden Positionen besetzt hält." Seite 459
Kulturrevolution als notwendige Voraussetzung für die Beseitigung der Gegensätze. Entfremdnung der Individuen. Freie Assoziation nach Karl Marx als Weg. Bahro beschreibt die Ökonomie des Kommunismus. Einführung einer Zeitökonomie. Marx vom Kopf auf die Füsse stellen. Die Gesellschaft hat sich an den Bedürfnissen der Menschen zu orientieren.
Der Autor zeigt anhand von Textstellen u.a. von Marx und Engels auf, dass der sog. "real existierende Sozialismus" kein Sozialismus nach Marx ist bzw. war, weshalb er von "nicht-kapitalistischen Staaten" spricht. Grundprobleme wie die Herrschaft des Menschen über den Menschen oder die Atomisierung der Masse waren auch in diesen Staaten systemimmanent.
Er kommt dabei in seinem gesellschaftlichen Befund zu dem Ergebnis, die Apparatherrschaft habe "alle alten sozialistischen Hoffnungen zum Gespött der Massen gemacht." Mit seinem sozialismuskritischen Buch »Die Alternative« nahm der Marxist und Gesellschaftstheoretiker im Grunde genommen bereits den Untergang des Sozialismus 12 Jahre später vorweg.
Bahro hatte - präziser wie Marx - die Geschichte ganz einfach vorausgedacht.
Blog-Artikel:
Rudolf Bahro 20. Todestag
Literatur:
Die Alternative von Rudolf Bahro
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