Samstag, 18. Februar 2023

Ach wie kynisch ist der Karneval!


Ach wie kynisch ist der Karneval! Im Karneval herrscht Narrenfreiheit, bei der während der närrischen Zeit mit Spott und Satire im Spiel der bunten Maskierung auf die bestehenden Verhältnisse reagiert und ausgelassen gefeiert wird.

Der Karneval erfüllt seinen gesellschaftlichen Zweck, denn er dient als ein Ventil für die Ausgelassenheit Massen. Dampf abladen und seinen Gefühlen freien Lauf lassen, wo es sonst im Alltag nichts zu lachen gibt. Eine Zeit der Maskierung, Feierstimmung und Enthemmung. Einmal im Jahr richtig Jeck sein dürfen, ist das Höchste für die holde Narrenschar.

Ein närrischer Aufstand zieht mit Konfetti-Regen in der Karnevalszeit ein. Der Karneval zeigt im närrischen Trubel eine Gesellschaft im Ausnahmezustand. Maskierung ist Pflicht in Karneval und der Narr lupft nur zu gerne seine Maske. Die Herrschenden verlieren ihr wirkliches Selbstbewußtsein an die Narren, Clowns, Kyniker.

Der Narr dient dazu, der Gesellschaft einen Spiegel vorzuhalten. Die Mächtigen werden bei dieser »Eulenspiegelei« dabei aufs Korn genommen und sind vor Spott und Hähme nicht sicher.

Auch bei bunten Karnevalsumzügen geht der Kynismus gnadenlos in die Offensive. Es erscheint so, als würde Diogenes in seiner Tonne stets bei den Umzügen mitfahren, um dem närrischen Volk zu huldigen und aus der Tonne zuzuwinken.


Die Tradition des Karnevals hat anarchische Wurzeln.

Beim Karneval im Mittelalter wählte man einen Narrenkönig, der für einen Tag und eine Nacht über eine prinzipiell verkehrte Welt regierte. In ihr erwachten die die Armen und Ordentlichen zum Leben ihrer Träume, als kostümierte Rabauken und Bacchanten, frech, geil, turbulent und lästerlich.

Ach wie kynisch ist der Karneval! Der Karneval hat ein antikes Vorbild: den Kynismus. Die athenische Öffentlichkeit wurde von der kynischen Offensive elektrisiert.


Der antike Kynismus war philosophisch betrachtet, eine plebejische Antithese gegen den Idealismus des Athener Bürgertums. Der antike Kynismus ist eine erste Replik auf den athenischen Herrenidealisimus. Er redet nicht gegen den Idealismus, er lebt gegen ihn. Doch damit nicht genug, der Kynismus gibt der Frage, wie man die Wahrheit sagt, eine neue Wendung.

Der antike Kynismus ist prinzipiell frech. In seiner Frechheit liegt seine Methode. Der antike Kynismus begann mit einem Prozeß der nackten Argumente aus der Opposition, getragen von der Macht, die von unten kommt. Der Kyniker furzt, scheißt, pißt, masturbiert auf offener Straße vor den Augen des athenischen Marktes. Er verachtet den Ruhm. Er liegt in der Sonne, scherzt mit den Huren und sagt zu Alexander dem Großen, er möge ihm aus der Sonne gehen.

Weblink:

Nicht lachen - Philosophie Runde

Mittwoch, 15. Februar 2023

Jeremy Bentham 275. Geburtstag

Jeremy Bentham

Jeremy Bentham wurde am 15. Februar 1748 in Spitalfields bei London geboren. Jeremy Bentham war ein englischer Jurist, Philosoph und Sozialreformer, ein Rechtswissenschaftler und Nationalökonom des 17. und 18. Jahrhunderts.

Bentham ließ sich zwar als Anwalt ausbilden, brach aber seine praktische juristische Laufbahn sehr schnell ab und widmete sich der Wissenschaft und der politischen Reform. Anfänglich wurde er vor allem in seinem Heimatland von der Öffentlichkeit kaum beachtet. Eine erste Ehrbezeichnung erhielt Bentham aus dem postrevolutionären Frankreich, wo ihm 1792 gemeinsam mit George Washington, Friedrich Schiller und Johann Heinrich Pestalozzi die französische Ehrenstaatsbürgerschaft zuerkannt wurde. In seinem Heimatland England selbst wuchs Benthams Bekanntheitsgrad aber erst gegen Anfang des 19. Jahrhunderts.

Als Rechtswissenschaftler und Nationalökonom war Bentham insbesondere daran gelegen, die gesellschaftlichen Institutionen und die Rechtsordnung in Großbritannien zu verbessern und nach gerechteren Maßstäben auszurichten. Der politische und soziale Reformer und Rechtsphilosoph Jeremy Bentham (1748-1832) gilt neben John Stuart Mill (1806-1873) als Begründer des klassischen Utilitarismus. In seiner Schrift »Eine Einführung in die Prinzipien der Moral und Gesetzgebung« (1789) stellt Bentham den Utilitarismus erstmals in einer systematischen Form vor.

Utilitarianism / Der Utilitarismus
Utilitarianism / Der Utilitarismus

Seine Philosophie als ethisches Prinzip entstand aus mehreren zuvor nur in Ansätzen formulierten Argumenten und war als Prinzip der Nützlichkeit (lat. utilitas) grundlegend für den Liberalismus im angelsächsischen Raum. Dabei wird die Sittlichkeit von Handlungen anhand vom „Prinzip des größten Glücks oder der größten Glückseligkeit“ bewertet, um so „das Glück der Gemeinschaft zu vermehren“. In der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts griff John Stuart Mill, ein Volkswirt und ebenfalls englischer Philosoph, zentrale Aspekte des Utilitarismus in veränderter Form auf. Mill griff seine Ideen in »Der Utilitarismus« (1863) auf und modifiziert sie so, dass sie der sofort entstandenen Kritik besser standhalten können.

Die goldene Regel: Der Utilitarismus muss zwischen eigenem und dem Glück anderer entscheiden. Das Glück des Einzelnen muss aber weitgehend mit dem Interesse der Gemeinschaft einher gehen. Behandle dabei andere so, wie du selbst behandelt werden willst.

Bentham wird zusammen mit Adam Smith und John Stuart Mill „zur ersten Garde der britischen Ökonomen und Staatstheoretiker der liberalen Ära“ gezählt. Die liberale Haltung Benthams beschränkte sich jedoch auf die Wirtschaftspolitik. In allen anderen Bereichen der Gesellschaft wurde dem Staat eine zentrale Rolle zugewiesen.

Jeremy Bentham starb am 6. Juni 1832 in London.

Weblink:

Jeremy Bentham - www.famousphilosophers.org


Literatur:

Luther: Leben und Wirkung
Die utilitaristische Ethik nach Jeremy Bentham
von Diana Ingeborg Klein


Utilitarianism / Der Utilitarismus
Utilitarianism / Der Utilitarismus
von John Stuart Mill

Samstag, 11. Februar 2023

Die Bestimmung auf Erden

Unzeitgemäße Betrachtungen



Friedrich Nietzsche hat selbst in seinen vor 150 Jahren erschienenen »Unzeitgemäßen Betrachtungen« auch heute noch sehr Zeitgemäßes hellsichtig und scharf diagnostiziert.


"Jetzt wird fast alles auf Erden nur noch durch die gröbsten und bösesten Kräfte bestimmt,
durch den Egoismus der Erwerbenden und die militärischen Gewaltherrscher."

Friedrich Nietzsche, in seiner dritten »Unzeitgemäßen Betrachtung«


Die »Unzeitgemäßen Betrachtungen« bestehen aus vier Abhandlungen von Friedrich Nietzsche, die zwischen 1873 und 1876 erschienen sind und zählen zu Nietzsches Frühwerk.

Die dritte, 1874 erschienene »Unzeitgemäße Betrachtung« ist eigentlich eine Hommage an Nietzsches philosophischen Lehrer Arthur Schopenhauer, in dem Nietzsche einen Erzieher erkennt und anerkennt.

Literatur:

Unzeitgemäße Betrachtungen
Unzeitgemäße Betrachtungen
von Friedrich Nietzsche

Montag, 30. Januar 2023

Nietzsche und Hitler - Deutsche Wahlverwandschaften

Was ich gedacht hahe, hat noch niemand
vor mir gedacht! - Ich bin Dynamit! - hatte
Nietzsche einst in prophetischer in Weissagung zur
philosophischen Wirkung seiner Gedankengutes vorausgesagt. Der Donnerschlag seiner
Philosophie blieb nicht aus - schon gar
nicht, wenn jemand so gründlich zertrümnrert
wie Nietzsche. Ein bedeutender
Jünger war der deutsche Diktator Adolf
Hitler, der sich an Nietzsches Philosophie
oder was er davon zu verstehen glaubte,
weitaus mehr als nur gedanklich ereiferte.

Die Wahlverwandschaft zwischen Nietzsche
und Hitler erstreckt sich auf eine prägnante
Beziehung: Nietzsche als der Künder und
Denker und Hitler als Täter und dessen
Testamentsvollstrecker. Den Gedankensturm,
den der unzeitgemäße Philosoph entfacht hatte,
setzte Hitler in einen zeitgemäßen Tatensturm um.

In der Weltgeschichte würde eine solche
Wahlverwandschaft in ihrer Konsequenz
auf keinen anderen Diktator zutreffen. Die
folgende Passage aus der 1888 entstandenen
Streitschrift "Zur Genealogie der Moral"
ließe sich als die Verkündigung des Diktatoren
werten:

Dieser Mensch der Zukunft, der uns ebenso
vom bisherigen Ideal erlösen wird als von
dem, was aus ihm wachsen mußte, vom
großen Ekel, vom Willen zum Nichts, vom
Nihilismus, dieser Glockenschlag des
Mittags und der großen Entscheidung, der
den Willen wieder freimacht, der der Erde
ihr Ziel und dem Menschen seine Hoffnung
zurückgibt, dieser Antichrist und Äntinihilist,
dieser Besieger Gottes und des
Nichts - er muß einst kommen ...

Die Prophezeihung ging tatsächlich in
Erfüllung: In Italien kam zunächst 1922 der
selbsternannte »Duce« Mussolini 1 als
faschistischer Tribun nach seinem Marsch
auf Rom an die Macht. Auch der spätere
Heilsverkünder Hitler hörte damals die
Botschaft wohl, er hätte - quasi als
Anhänger Zarathustas2 - die prophetische
Ankündigung auch geradezu als persönliche
Berufung auffassen können. Er faßte in
dieser Zeit den hochst unheilvollen
Entschluß, Politiker zu werden.

Ein wesentlicher Aspekt in Hitlers Verständnis
der Philosophie erschließt sich aus
dem von Nietzsche geprägten Begriff "Der Wille zur Macht". Mit Willensstärke gründete
Hitler die nationalsozialistische Partei
als Instrument der politischen Agitation,
mit deren Hilfe der begabte Redner Hitler,
bedingt durch die Krise der Weimarer
Republik, zur politischen Macht kam. Hitlers
Werdegang - hierin hatte er Nietzsche
nur allzu wohl verstanden - bis zur
"Machtergreifung" am 30. Januar 1933,
läßt sich geradezu exemplarisch als ,Wille
zur Macht" charakterisieren!

Nietzsche hatte als Philosoph keine klar
umrissene Vorstellung von der Ausübung
der Macht. Die Demokratie lehnte er
jedoch ab, denn diese bedeutete für
Nietzsche die vorläufig letzte Phase der
völligen Moralisierung, des Doseins eine
Verfeinerung der archaischen
Herrschaftsstrukturen und zugleich eine
Verpöbelung. Die hohe geistige Affinität
der Wahlverwandten beruht auf der
Ablehnung der Demokratie und der
Hinwendung zu einer Herrschaftsform, in
der sich sämtliche Angehörige eines freilich
hierfür ohnehin recht anfälligen Volkes
dem Willen des "Führers" unterzuordnen
hatten.

Nietzsche vernachlässigte wesentliche
Aspekte: nämlich den Zusammenhang von
Macht und Moral und die Legitimation von
Macht - und im Zuge der Machtausübung
letztliclr von Herrschafi. Der Terminus
"Wille zur Macht" klingt allerdings schon
immer etwas wie Verfiihrung zur Diktatur.
Je totaler der Machtanpruch, desto größer
die Gefahr des Machtmißbrauchs. Totaler
Machtanpruch ebnet den Weg in die Diktatur.

Der Machtmensch Hitler verrät in jener Zeit seine durchaus pragmatische
Orientierung. Hitler wurde nach der
"Machtergreifung" und Ubernahme der
Regierungsgewalt von sicherem
Machtinstinkt und feinem Gespür mit
Realittitssinn dafir geleitet, wie man unter
Ausschaltung anderer Parteien sowie der
Meinungs-, Presse- und Versammlungsfreiheit die erlangte Macht durch
rticksichtslosen Machtgebrauch festigt. Mit
Hilfe des "Ermächtigungsgesetzes" befreite er sich von allen Bindungen an die
Verfassung und von der parlamentarischen
Kontrolle - Hitler vollzog die Umwandlung
des Deutschen Reiches in eine Diktatur.
Mit dem Tode Hindenburgs im August 1934 ist die innenpolitische
Machtkonzentration abgeschlossen: Hitler
ist Führer der Staatspartei, Regierungschef
und Staatsoberhaupt.

Unter der Herrschaft des zum Diktator
emporgestiegenen Adolf Hitler feierte der
"Wille zur Macht" seine glanzvollste
Apotheose3 - die totale Unterordnung unter
den Willen des "Führers«. Die Propaganda
schuf ihren Führer-Kult, der selbst dann
noch strahlte, als es im Reich längst immer
finsterer wurde. Hitler berauschte sich
förmlich an dieser Macht, die nach Max
Weber 4 in der Wahrscheinlichkeit besteht,
daß Befehlen auch gehorcht wird.
Dafür sorgte Hitler durch Übernahme der
Befehlsgewalt über die Reichswehr, welche er auf seinen Namen vereidigen ließ. Als
oberster Befehlshaber der Reichswehr hatte
er sich nun auch die militärische Entscheidung
sgewalt vereinnahmt.

"Das tiefe eisige Mißtrauen, dos der Deutsche
erregt, wenn er zur Macht kommt, ist
inmter noch ein Nachschlag jenes unauslöschlichen
Entsetzens, mit dem jahrhundenelang Europa dem Wüten der
blonden germinischen Bestie zugesehen
hat." 5

Der Einwand, daß der Deutsche ein gestörtes
Verhältnis im Umgang mit der Macht
hat, erwies sich als durchaus berechtigt.
Das Mißtrauen der Westmächte war
allerdings nicht tief genug, um Hitler in
seiner kriegstreiberischen Außenpolitik zu
durchschauen. Sie ließen sich immer
wieder von Hitler beschwichtigen, der
behauptete, keinen Krieg zu wollen und
gaben seinen Forderungen immer wieder
nach.

Erst als Hitler immer weitere Nachschläge
einzufordern begann, setzte er die Westmächte
wter Zugzwang. Mit der Abgabe
von Sicherheitsgarantien für den Fall einer
Verletzung der Neutralilät verbündeter
Mächte endete die Beschwichtigungspolitik.
Der Ausbruch des kommenden Krieges war
nur noch eine Frage der Znit. Da Hitler es
nicht gewohnt war, selber nachgeben zu
müssen, zettelte er den Krieg unter dem
Vorwand eines polnischen Uberfalls auf
deutsches Territorium an. Die Antizipation
dieses kommenden Krieges nahrq. bereits
Nietzsche, der offensichtlich der Uberzeugung
war, daß sich gro§e Politik nur mit
kriegerischen Mitteln realisieren läßt,
gedanklich vor:

'Die Zeit filr kleine Politik ist vorbei: schon
das nöchste Jahrhunden bringt den Kampf
und die Erdherrschart - den Zwang zur
großen Politik." 6

Der Krieg ist die Fonsetzung der Politik
mit anderen Mitteln.7 Der wahre, auf
Angriff und Eroberung gerichtete Charakter
seiner Außenpolitik wurde 1939 mit der
Besetzung der Tschechoslowakei und dem
Angriff auf Polen sichtbar. Der Ausbruch
des 2. Weltkrieges war die logische Folge der systematischen Ausweitung des
Machtbereiches und das Strebens nach
imperialer Hegemonialmacht auf dem
Kontinent. Der nicht zu stillende Machthunger
eines Weltkriegsgeschädigten aus
dem letzten Weltkrieg wurde begünstigt
durch die sich zü seinen Gunsten
verschiebenden realen Machtverhältnisse.
Der aggressive Charakter des äußeren
Expansionsdranges offenbarte sich
zunehmens und verleitete in maßloser Ver-




Gefährlich ist's, den Leu zu wecken! -
Hitler hatte die blonde Bestiee, dieses
symbolhafte Raubtier aus ihrem Käfig
gelassen und diese verursachte in ihrem
freien Lauf Blut, Schweiß und Tränen. Bei
dem lüsternen territorialen Schweifen nach
Beute karnen immer mehr niedere Instinkte
zur Gelturrg verbunden mit der Verherrlichung
von Krieg und Kampf als Gelegenheiten
der Bewährung für die Völker und
für den einzelnen. Der Schaffung werten
Lebens ging die Vernichtung unwerten
Lebens einher und die Schaffung neuen
Lebensraumes führte zu Völkermord und
Rückfall in die Barbarei.

"Gebt nir vier Jahre Zeit, und ihr werdet
Deutschland nicht wiedererkennen." 10
diese ironische Abwandlung des aus der
ersten Regierungserklärung stammenden
Zitats erwies sich in einem zerbombten
Land in ihrer Umkehrung als durchaus
zutreffend.

Auch die Umkehrung eines Nietzsche-
Zitats erwies sich durchaus als zutreffend:
Unter kriegertschen Umständen ftillt der
friedlicher Mensch über seinen Nächsten
her. - Nachdem sich die blonde Bestie im
Krieg an den Grenzen des Kontinents
leidlich ausgewütet hatte und nach der
Kriegswende selbst zur Beute wurde, war
der Weg in die Katastrophe vorgezeichnet.
Woran Hitler in seinem Wahn scheiterte,
ist weder der "Wille zur Macht", noch der
"Wille zur Übelmacht", sondern eher der
"Wille zur Weltmacht".

Im Zuge der Ausübung von Macht und Ma
chtpolitik ist es von entscheidender
Bedeutung, ob das Gewollte sich mit den
Mitteln dazu deckt. Hitler ging jedoch mit
zunehmender Machtdauer in diesem vabanque-
Spiel neben dem sicher leitenden
Machtinstinkt auch der dafür nötige
Möglichkeitssinn verloren.

Der vom NS-Ideologen Alfred Rosenberg
gehegte Mythos des 20. Jahrhunderts
verfiel allmählich in Schutt und Asche. Die
große Zeit der Propaganda brach noch
einmal an. Als der Weg in die Katastrophe
bereits vorgezeichnet wff, bestimmten
düstere Endzeitwisionen und der Glaube an
den Endsieg das Bild. Zarathustra sprach,
daß nach einem großen Endkampf alles
Böse vernichtet werden wird. Nach der
Inszenierung dei Untergangs der europäischen
Kultur frel der eisernc Vorhang mit
großem Theaterdonner auf dem Kontinent
nieder. Hitlers Ende gleicht einem dyonisischen
Schicksal.

Mit dem Untergang des Dritten Reiches hat
allerdings die Philosophie Nietzsches in
weltgeschichtlicher Konsequenz ihr letztes
Gefecht noch nicht durchgestanden. Im
Lichte des von Nietzsche formulierten
"Pinzip der ewigen Wiederkehr" erscheinen
dem Betrachter die Dinge ohne den
mildernden Umstand ihrer Vergänglichkeit.
Da jenes unauslöschliche Entsetzen noch
immer für epochales Unbehagen sorgt,
braucht dieser Antichrist und Antinihlilist,
dieser Besieger Gones und des Nichts nicht
wieder zu kommen!

Letztendes hängt es von der Art des
Gedächtnisses ab, wie lang die Schatten der
Vergangenheit sind. Die Leichtigkeit des
§eizs erlaubt im Hinblick auf die Vergangenheitsbewältigung
keine mildernden Umstände
und der tschechoslowakische
Schriftsteller Milan Kundera knüpft den
Gedankengang in der Einleitung seines
Romans fort:

Diese Aussöhnung mit Hitler verrät die
tiefliegende moralische Perversion einer
Welt, die wesentlich auf dem Nichtvorhandensein
der Wiederkehr begründet
ist, weil in einer solchen Welt alles von
vornherein veniehen ist und folglich auch
alles auf zynische Weise erlaubt ist (I,1) -
Was du ererbt hast von deinen Vätern ... -
von Nietzsche eine in Verruf geratene
unzeitgemöle Philosophie und von Hitler
das schlechte Gewissen als Deutscher.

JOA



________________________________________________________

1 Benito Mussolini (* 1883-1945), ital. Staatsmann, gen.
»Duce« (= Führer)
2 Zarathustra - persischer Religionsstifter
3 Apotheose - Vergötterung, Verherrlichung
4 Max Weber (1864-1920), deutscher Soziologe
5 Zur Genealogie der Moral (I,ll)
6 Zur Genealogie der Moral
7 Carl Clausewitz (* 1786 - 183l), deutscher Militärstrarege
"Vom Kriege«
8 Leu - poet. Löwe
9 Blonde Bestio - Raubtiermetapher Nietzsches für den Löwen
lO Zitat aus der l. Regierungserklärung vom 1.2.1933 '

Samstag, 28. Januar 2023

Schellings Philosophie

Friedrich Wilhelm Joseph Schelling

Friedrich Wilhelm Joseph Schelling, der am 27. Januar 1775 in Leonberg im Herzogtum Württemberg geboren wurde, war ein deutscher Philosoph, Anthropologe, Theoretiker der sogenannten Romantischen Medizin und einer der Hauptvertreter des Deutschen Idealismus.

Schelling war der Hauptbegründer der spekulativen Naturphilosophie, die von etwa 1800 bis 1830 in Deutschland fast alle Gebiete der damaligen Naturwissenschaften prägte. Seine Philosophie des Unbewussten hatte Einfluss auf die Ausbildung der Psychoanalyse.

Schellings Philosophie bildet sowohl das entscheidende Verbindungsglied zwischen der kantischen und der hegelschen Philosophie als auch zwischen der idealistischen und nachidealistischen Philosophie. In ihr gehen Vernunftspekulation und über den Idealismus hinausgehende Motive ineinander.

1799 veröffentlichte Schelling seinen ersten Entwurf zu einem System der Naturphilosophie und es entstand das System des transzendentalen Idealismus (1800), in welchem Schelling Naturphilosophie und Transzendentalphilosophie als gleichberechtigte Grundwissenschaften darstellte.

Dienstag, 24. Januar 2023

100 Jahre "Frankfurter Schule"

Frankfurter Schule IfS feiert 100. Geburtstag

Die "Frankfurter Schule" machte die Stadt in den 1930er-Jahren zum deutschen Zentrum der Philosophie. Nun feiert das Institut, an dem Intellektuelle wie Theodor W. Adorno wirkten, seinen 100. Geburtstag.

Die Goldenen Zwanziger nahmen im Jahr 1923 in Frankfurt gerade Anlauf, da brachte Felix Weil, Erbe eines Getreidegroßhändlers aus Argentinien, nach heutigem Wert etwa 60 Millionen Euro in eine bürgerliche Stiftung ein. Mit dieser Stiftung finanziert er ein außergewöhnliches Projekt: das "Institut für Sozialforschung" (IfS). Dort sollten Sozialismus und die Arbeiterbewegung erforscht werden.

Konkret ging es um die Theorien von Karl Marx, Hegel und Freud und ihre Bedeutung für eine zukünftige Gesellschaft. Durch das IfS wird die Stadt bald zum Zentrum der deutschen Philosophie, die Ideen von Akteuren wie Max Horkheimer und Theodor W. Adorno finden weltweit Anklang.

Die "Frankfurter Schule" erlangte später kulturhistorische Bedeutung, denn sie schuf die geistige Bewegung, aus der die 1968er hervorgingen. Sie wagte sich hinaus in radikale Thesen und propagierte eine Umwälzung der Werte. Die "Frankfurter Schule" wurde erstmals in den sechziger Jahren in die Öffentlichkeit getragen, als sie von der radikalen deutschen Studentenbewegung entdeckt wurde.

Neben Horkheimer zählen Theodor Adorno, Erich Fromm, Herbert Marcuse und Jürgen Habermas zu den bekanntesten Vertretern des Instituts. Die heutigen Vertreter der "Frankfurter Schule", welche die Auswirkungen des Kapitalismus auf das soziale Gefüge untersuchen, nennen ihre Arbeit "Kritische Theorie".

Samstag, 14. Januar 2023

Das Sinnproblem in der heutigen Zeit


Häufig wird in der heutigen Zeit die Frage nach dem Sinnproblem gestellt. Die moderne Gesellschaft ist dabei auf seltsame Weise gespalten: Den Menschen scheint der Sinn für ihr Sein auszugehen, vielen erscheint die Welt immer mehr sinnentleert. Nichts ist schlimmer als eine Gesellschaft, welcher der Sinn ausgeht. Technisch gesehen erscheint sie dagegen immer fortschrittlicher. Der Fortschritt ist der Fetisch der modernen Industriegesellschaft. Auf die Frage kann man sicher die verschiedensten Antworten geben.

Das Sinnproblem liegt sicher nicht zuletzt an der Technisierung unserer Welt, denn die Technisierung der Welt bringt mit sich einen gewissen Fortschrittsglauben, mit dem unsere Väter etwa in den Ersten Weltkrieg hineingeschritten sind. Dass dieser Fortschrittsglaube von der Technik zum mindesten nahegelegt wird, ist ja ohne weiteres verständlich. Wenn man sich einmal an die Geistesgeschichte erinnert − sei es an die Geschichte der Dichtung, der Kunst oder der Philosophie −, beobachtet man ja, dass jede Generation von vorne anfangen muss.

Philosophisch gibt es heute im Prinzip keine anderen Problemsätze als bei den Vorsokratikern, und darum sind die führenden Philosophen ja im Wesentlichen auch Interpreten dessen, was etwa frühere Philosophen gesagt haben.

Jede Generation fängt von neuem an. Keiner kann von seinem Vater eine Weltanschauung erben, und selbst wenn er, sagen wir einmal, ebenfalls Christ ist wie seine Eltern, dann ist er es in einem echten Sinne doch nur, wenn er durch eigene Anfechtungen hindurchgegangen ist und jenes Richtunggebende auf seinem Weg erlitten und erfahren hat.

Jede Generation fängt − geistesgeschichtlich − von neuem an, aber technisch ist das anders: Wenn man ein Kriegsschiff sieht oder einen Düsenjäger oder ein Elektronengehirn, dann weiß man: hier sind ganze Generationen von Technikern miteinander am Werk; hier steht einer auf den Schultern des anderen. Keiner fängt neu an.

Während es in der Geistesgeschichte Rückschläge gibt und auch Epigonen und Dekadenz-Erscheinungen eintreten nach Höhepunkten, ist das in der Technik anders. Die Technik kennt keine Rückschläge in diesem Sinne. Sie schreitet voran, und es ist schlechterdings undenkbar, dass nach unseren prachtvollen Autos mit ihrer hohen PS-Zahl und ihrer guten Straßenlage noch einmal plötzlich hochrädrige, stinkende, pannenreiche Benzinkutschen die Straßen erfüllen würden.

Weblink:

Die Frage nach dem Sinn unseres Lebens - www.der-uebersee-club.de