Samstag, 19. November 2022

Albert Camus und der Fussball

Albert Camus


Philosophie und Fussball sind durch das Leben miteinander verbunden: Fussball ist praktisch angewandte Lebensphilosophie. Auch Philosophen können sich für Fussball begeistern, wenn sie dadurch etwas für das Leben lernen können. Und einer von ihnen war Albert Camus, der schon früh begriff, worum es im Fussball ging: Im Fussball geht es um Moral, nämlich die einer Mannschaft."Alles was ich im Leben über Moral oder Verpflichtungen des Menschen gelernt habe, verdanke ich dem Fußball." Das sagte einmal Literaturnobelpreisträger Albert Camus.

Albert Camus war der Anziehungskraft des Fussballs erlegen. Er schaute während seiner Zeit in Paris gern dem Fussball zu und war oft im Prinzenparkstadion. Ein einzigartiges Dokument aus französischen Fernsehen-Archiven zeigt ein Erstligaspiel vom 23. Oktober 1957 im Prinzenpark zwischen Racing Paris und AS Monaco. Unter den 35.000 Zuschauern steht Albert Camus, genau eine Woche nachdem er von der königlichen Akademie in Stockholm zum Literaturnobelpreisträger erklärt worden war.

Der Fan des Hauptstadtclubs – die obligatorische Zigarette im Mundwinkel, mit Trenchcoat, Krawatte und dem Flair eines Humphrey Bogart – kommentiert als ehemaliger Torwart der Jugendmannschaft von Universitätsclub Racing Algier einen Fehler des Pariser Torwarts:

"Man darf ihm keinen Vorwurf machen. Erst wenn man selbst mitten im Wald steht,
merkt man, wie schwer es ist. Ich war selbst Torhüter bei RUA in Algier.
Die hatten übrigens dieselben Farben wie Racing Paris."

Camus war dem Fussball verbunden, seitdem er als Junge in den Strassen von Algier mit dem Ball spielte. In den Jahren 1929 und 1930 stand Camus als Jugendlicher bei Racing Universitaire Algeruios (RUA) zwischen den Pfosten. Bei dem Halbwaisen aus ärmlichsten Verhältnissen mit einer Mutter, die weder schreiben noch lesen konnte, wurde Tuberkulose diagnostiziert. Doch die wenigen Jahre in zwei Fussballmannschaften Algiers, die teils auf dem Truppenübungsplatz der Stadt spielten, sollten in Camus' Augen stets eine Schule fürs Leben bleiben. Sie begann damit, dass er Torwart wurde, weil er so sein einziges Paar Schuhe am wenigstens abnutzte und den Ochsenziemer der strengen Grossmutter weniger zu fürchten hatte.

1953 hatte der fussballverrückte Camus, der sich über seinen geliebten Sport nie theoretisch geäussert hat, sondern stets nur seine Fussballeidenschaft ausleben wollte, für die Vereinszeitung seines ehemaligen Clubs RUA einige Erinnerungen aufgeschrieben:

"Jeden Sonntag fieberte ich dem Donnerstag entgegen, wenn wir Training hatten und an jeden Donnerstag dem Sonntag, an dem gespielt wurde. Das Spielfeld hatte mehr Schrammen, als das Schienbein eines Mittelfeldspielers der gegnerischen Mannschaft. Ich begriff sofort, dass der Ball nie so auf einen zukommt, wie man es erwartet. Das war eine Lektion fürs Leben, vor allem für das Leben in der Hauptstadt, wo die Menschen nicht ehrlich und gerade heraus sind. Mir war nicht klar, dass ich mit diesem Verein eine Bindung einging, die Jahre lang halten sollte und nie zu Ende ging. Ich ahnte nicht, dass mich noch 20 Jahre später in den Straßen von Paris oder von Buenos Aires – das ist mir tatsächlich passiert – das dämlichste Herzklopfen überkommen würde, wenn ein Freund oder Bekannter das Wort des Clubs RUA aussprach."

In seinen Pariser Zeiten, als er schon weltberühmt war, blieb das Fussballstadion für Camus ein Ort, den er gerne mit dem Theater verglich und wohin er, wie auch an jenem Oktobertag 1957, dem linksintellektuellen Milieu von Saint Germain des Pres und den Pariser Salons entfliehen konnte. Das hinderte ihn nicht daran, von der Stadiontribüne aus sehr selbstbewusst seinen Nobelpreis zu kommentieren:

"Es gab sicher zwei, drei Schriftsteller hierzulande, die hätten vor mir ausgezeichnet werden müssen. Da die Akademie nun aber offensichtlich einen französischen Schriftsteller auszeichnen wollte, hat sie vielleicht die Gelegenheit genutzt zu zeigen, dass Frankreich manchmal auch ein jüngeres Gesicht haben kann, als man allgemein annimmt." Man möchte Camus zurufen: "Sage mir, für welche Mannschaft dein Herz schlägt, und ich sage dir, wer du bist."



Weblinks:

Der Philosoph und der Fussball - www.deutschlandfunk.de

Camus lebt - www.camus-lebt.de

Samstag, 12. November 2022

Albert Camus über nordisches Denken

Albert Camus


Das Nordische war für den mediterranen Hedonisten Camus immer die deutsche Philosophie, ein Gemisch aus Philosophie, Religion und Politik, durchsetzt von trockener Spekulation. Dazu gesellt sich der deutsche Idealismus, dieses teleologische, zielorientierte, opferbereite Denken, ein Denken, das immer den Aufschub propagiert und sich nicht für das Jetzt und Heute einsetzt und dem die Gelassenheit fehlt.

René Descartes

Die räumliche Verkörperung des ungeliebten Nordens waren für Camus die Städte Prag, Berlin, Kopenhagen und Stockholm, der kalten Stadt in der René Descartes am 11. Februar 1650 in der Fremde an einer Lungenentzündung starb.

Dem mediterranen Denken setzt Camus das nordische Denken der Europäer entgegen. Das nordische Denken ist für Camus Ausdruck von Ideologien, Nationalismus und Imperialismus, der für viele Krisen in Europa verantwortlich ist. Die Verköperung des nordischen Denkens war für Camus der deutsche Philosoph Hegel, der kühle Rationalist und Systematiker.

Ein bischen mehr mediterranes Denken als Ausdruck der heiteren Gelassenheit täte auch so manchem Nordeuropäer und auch manchem nordischen Politiker sichtlich gut.

Weblinks:

Der Mitelmeermensch - 3 Sat Kulturzeit - www.kulturzeit.de

Samstag, 5. November 2022

Musk Absolutist der freien Rede

Elon Musk Twitter

Kürzlich bezeichnete sich Musk als »Absolutist der freien Rede« - also ein Monarch auf dem Meinungsthron. Ist das Selfmade-Ich Elon Musk gar ein »Fichtianer«, wenn er die freie Rede verabsolutieren muss? - Freie Rede bedeute, dass »jemand, den man nicht mag, etwas sagen kann, das man nicht mag«. Und dies sollte auch im Leitmedium des digitalen Zeitalters möglich sein, also auf Twitter.

Elon Musk will also den politischen Dialog ausgerechent durch Twitter wieder auf gesundere Beine stellen. Das wäre mindestens so verdienstvoll wie die Neuerfindung des Elektroautos oder seine unternehmerischen Pioniertaten im Weltraum.

Musk betont, daß er mit dem Kauf von Twitter politische Ziele verfolge. Er will sich zum ersten Kaiser des neuen Amerikanischen Imperiums ausrufen lassen.Man kann sich nicht vorstellen, daß Elon Musk anders sein soll als alle anderen Globalisten auch. Was zählt ist Geld und Macht und nichts anderes.

Johann Gottlieb Fichte (1762 - 1814) wusste über das Recht der freien Rede in seiner »Rede« kundig vorzutragen:


»Da jedoch dieses Recht des freien Mittheilens sich auf kein Gebot, sondern bloss auf eine Erlaubniss des Sittengesetzes gründet, und demnach, an sich betrachtet, nicht unveräusserlich ist; da ferner zur Möglichkeit der Ausübung desselben die Einwilligung des Anderen, sein Annehmen meiner Gaben, erfordert wird: so ist es an sich wohl denkbar, dass die Gesellschaft einmal für alle diese Einwilligung aufgehoben, dass sie sich von jedem Mitgliede beim Eintritt in dieselbe hätte versprechen lassen, seine Ueberzeugungen überhaupt niemandem bedankt zu machen.«


Die freie Rede im Internet kann auch eine Illusion sein, die viel Geld kostet und nichts einbringt.
Ob die Rechnung von Musk aufgeht, wird sich in der Zukunft zeigen.

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Sloterdijk-Gedanke zur Klima-Konferenz

Weltinnenraum des Kapitalismus


»Die internationale Politik transformiert sich angesichts des anwachsenden Begegnungsdrucks zwischen den Weltakteuren auf signifikante Weise. Sie erscheint vor unseren Augen aus der Ära der großen Handlungen auszutreten und überzugehen ins Zeitalter der großen Themen - das heißt, der generalisierten Risiken, die zu semantischen Institutionen, mithin zu Universalien neuen Typs, gerinnen. Diese müssen in Dauerbesprechungen kleingearbeitet werden. Die Themenpolitik und der entsprechende Konferenz-Zirkus kommen nur als Produktion von autogenem Globalstress voran. Ihre Träger handeln für eine Menschheit, dich sich zunehmend als Integral aus aufeinander zugehenden Stresskommunen konstitutiert.«

Peter Sloterdijk, »Im Weltinnenraum des Kapitals« Seite 224

Literatur:

Weltinnenraum des Kapitalismus von Peter Sloterdijk

Dienstag, 1. November 2022

Der Tod in der Philosophie

Der Tod und die Frage nach den letzten Dingen sind ein großes Thema der Philosophie. Erstaunlich ist wie oft der Tod durch die Ideengebäude geistert als die ultimativ radikale Frage, eng verknüpft mit der nach der Sinnhaftigkeit des Lebens.

"Philosophieren heißt sterben lernen" ist ein geflügeltes Wort – der Gedanke findet sich schon bei Platon: Recht philosophieren heiße "leicht zu sterben", heißt es im Phaidon, der Schrift, an deren Ende Sokrates den tödlichen Schierlingsbecher nahm.

Die antike Stoa beruhigt uns über den Tod, und Montaigne empfiehlt, ihm jederzeit ins Gesicht zu sehen: "Die Vorbereitung zum Tode ist die Vorbereitung zur Freiheit", schreibt er.

Das Muster ist tiefgründig und simpel zugleich: Wir können die Angst vor dem Tod nur überwinden, indem wir ihm entgegen gehen, oder in Heideggers Worten: Das "Vorlaufen zum Tod" ist unsere "eigenste Möglichkeit".

Samstag, 29. Oktober 2022

Was ist Existenzialismus?


Mit Existentialismus (auch Existenzialismus) wird im allgemeinen Sinne die überwiegend französische philosophische Strömung der Existenzphilosophie bezeichnet. Existenzialismus ist eine philosophische Strömung, welche sich auf existentielle Erfahrungen im menschlichen Leben bezieht (Tod, Angst, Freiheit, Leiden). Ihre schillerndsten Hauptvertreter sind Jean-Paul Sartre, Simone de Beauvoir und Albert Camus.

Existenzialismus ist eine Philosophie bzw. eine Weltanschauung oder Lebensweise, in der es darum geht, was es bedeutet, als Mensch zu „existieren“ in dem Sinne, dass man aktiv sein Leben und dessen Sinngebung gestaltet im Unterschied zu bloßen Dingen oder Objekten, die quasi nur passiv „vorhanden“ sind.

Der Existenzialismus sieht den Menschen nach dem Ende der absoluten Systeme zunächst in eine Leere geworfen, weil ihm die absolute Orientierung abhandengekommen ist, er bleibt dabei aber nicht stehen, sondern sieht die Erfahrung des Sinnverlustes vielmehr als Aufgabe des Individuums, die darin besteht, sein Leben aktiv mit Sinn zu füllen, indem man dem eigenen Leben Bedeutung gibt und sich an selbstgewählten Werten orientiert.

Der Existenzialismus ist nicht nihilistisch - obwohl er zunächst so erscheinen mag. Als Nihilismus wird eine philosophische Position bezeichnet, die davon ausgeht und dabei bleibt, dass es keinen Sinn, keine Werte und nichts gibt, woran man sich orientieren kann. Nach Sartre war das die geistige Grundlage der Nazi-Ideologie, in der nichts gegen die totale Vernichtung auch des eigenen Volkes spricht. Existenzialisten versuchen, angesichts des Verlusts der absoluten Werte und Orientierungen einen Weg heraus aus dem Sinnverlust zu finden. Sie meinen, dass Leben aus dem Erschaffen von Sinn, Bedeutung und Werten besteht. D.h. der Mensch beginnt mit „nichts“, aber dann erschafft er sich seine Existenz, also sein bewusst gelebtes und mit Werten und Sinn gesetztes Leben.

Der Mensch findet sich jederzeit nicht nur in einer faktischen Welt, sondern auch in einer Welt der Bedeutungen. Auch die eigene Identität ist eine solche Bedeutung, in der sich der Mensch zunächst als „geworfen“ empfindet. Er ist Weiße/r, Intellektuelle/r, Arbeitslose/r, Mutter/Vater, Partner/in, Schüler/in oder Polizist/in. Normalerweise erleben wir uns innerhalb solcher Identitäten selbstverständlich und denken nicht darüber nach. Besonders in psychischen Krisen oder auch in einer tiefgehenden Psychotherapie können wir jedoch in Kontakt damit kommen, dass all diese Selbstverständlichkeiten, die Bedeutungsnetze, ja die eigene Identität keineswegs selbstverständlich, sondern jederzeit durch eigene freie Wahl veränderbar ist.

Der Existenzialismus hat viele Künstler, die ihrem Leben immer wieder existenziellen Bedrohungen ausgesetzt waren, welche auch künstlerischen Eingang in ihr Werk gefunden haben, inspiriert und beeinflusst. Existenzialistisch orientierte Autoren und Künstler waren Pablo Picasso (1881-1973), Fjodor Dostojewski (1821-1881), Franz Kafka (1883-1924), Samuel Beckett (1906-1989), Eugène Ionesco (1909-1994), Marc Chagall (1887 - 1985) und Alberto Giacometti (1901-1966).

Samstag, 22. Oktober 2022

Leibniz Monadentheorie

Gottfried Wilhelm von Leibniz


Leibniz entwickelte die Monadentheorie als Gegenentwurf zu den zeitgenössischen Strömungen. Die Philosophen des 17. Jahrhunderts arbeiteten in der Regel entweder eine neue Substanztheorie aus oder sie entwickelten die Atomtheorie nach neuzeitlichen Maßstäben weiter. Leibniz befriedigte keine dieser Auffassungen. Er nennt die Philosophie der Atomisten eine „faule“ Philosophie, da diese Auffassung, welche die Atome als letzte Bausteine ansieht, die lebendige, sich verändernde Welt nicht tiefgründig genug analysiere. 

Entgegen atomistischen Zeit- und Raumauffassungen, die diese Existenzformen der Materie mit einem leeren Gefäß vergleichen, vertritt Leibniz eine dialektische Konzeption, in der Raum und Zeit Ordnungsbeziehungen in der materiellen Welt sind. Der Raum ist die Ordnung der zur gleichen Zeit existierenden Dinge, die Zeit die Ordnung ihrer kontinuierlichen Veränderungen.

Monade bezeichnet nach Leibniz die Abgeschlossenheit einer Sphäre von allen anderen Welten und Sphären. Ein Subjekt ist demnach eine Welt ohne Fenster zu anderen Monaden. Den Monadenbegriff griff er aus der neuplatonischen Tradition auf. Der Begriff Monade, „Einheit“, stammt aus der Stoicheiosis theologike des spätantiken Philosophen Proklos. 

Eine Monade – der zentrale Begriff der Leibniz’schen Welterklärung – ist eine einfache, nicht ausgedehnte und daher unteilbare Substanz, die äußeren mechanischen Einwirkungen unzugänglich ist. Der Terminus Monas oder Monade bezieht sich naturphilosophisch auf eine gedachte Einheit von zugleich physischer und psychischer Bedeutung. Die Monadenlehre unterscheidet sich von der Urstofflehre der Atomisten.

Leibniz Monaden unterliegen keinerlei Einwirkung von außen, da das Außen eigentlich nur eine Repäsentation der Monade ist. Nach Leibniz gibt es jeoch weder einen leeren Raum, noch sind für ihn Monaden im Raum. Er setzt den Raum aus den Vorstellungen von mehreren Monaden zusammnen.

Das gesamte Universum bildet sich in den von den Monaden spontan gebildeten Wahrnehmungen (Perzeptionen) ab. Sie sind eine Art spirituelle Atome, ewig, unzerlegbar, einzigartig. Leibniz vertritt somit eine panpsychistische Weltanschauung. Die Idee der Monade löst das Problem der Wechselwirkung von Geist und Materie, welches dem System René Descartes’ entspringt. Ebenso löst sie das Problem der Vereinzelung, welches im System Baruch Spinozas problematisch erscheint. Dort werden einzelne Lebewesen als bloß zufällige Veränderungen der einzigen Substanz beschrieben. Ein Beispiel: Eine Substanz kann ohne Denken existieren, aber das Denken nicht ohne Substanz.

Da Leibniz die Grundfrage der Philosophie idealistisch löst und die Materie für ihn nur ein „Anderssein der Seele“ ist, verwirft er den absoluten Charakter von Raum und Zeit. Raum und Zeit werden in der Leibniz’schen Metaphysik als Ordnungsbeziehungen zwischen Entitäten der materiellen Welt verstanden. Die Theorie der Substanz von Leibniz schließt die Möglichkeiten der allseitigen Entwicklungen ein.