Samstag, 14. November 2020

Nietzsche - Gott ist tot

Friedrich Nietzsche



»Was taten wir, als wir diese Erde von ihrer Sonne losketteten? Wohin bewegt sie sich nun? Wohin bewegen wir uns? Fort von allen Sonnen? Stürzen wir nicht fortwahrend? Und rückwärts, seitwärts, vorwärts, nach allen Seiten? Gibt es noch ein Oben und Unten? Irren wir nicht wie durch ein unendliches Nichts! ... Gott ist tot!««

In Nietzsches »Die fröhliche Wissenschaft« verkündet der „tolle Mensch“ im Jahr 1882: „Gott ist todt! … Wir haben ihn getödtet!“ Hundert Seiten weiter heißt es dann, freilich erst ab 1887 in der zweiten Auflage: „Der Horizont ist wieder frei… jedes Wagnis des Erkennenden ist wieder erlaubt.“ Jetzt spricht nicht mehr der tolle Mensch, sondern ein freier Geist, selbstbewusst und zuversichtlich. Während sich Nietzsche in seinem Buch »Morgenröthe« noch 1881 „Am Sterbebett des Christentums“ gesehen hatte, geht 1887 die Fahrt nach dem Tode Gottes hinaus in die Morgenröte und aufs offene Meer.

Gott ist tot! - Nietzsche hat mit seiner Ausssage das Wesen der Religion zu erfassen gesucht und - überspitzt formuliert - auf einen kurzen Nenner gebracht. Es handelt sich hier um eine absichtsvolle metaphysische Entlarvung des Pfarrerssohnes aus Röcken.

Nietzsche wollte die Menschen dazu bringen, von der Zwei-Welten-Phantasie wegzukommen. - von der Diesseits-Jenseits-Vorstellung. Er wollte erreichen, dass die Menschen nicht in das Imaginäre transzendieren, sondern dass sie immanent transzendieren sollten, - sich selbst überwinden sollten über ihren jetzigen Zustand hinaus zum besseren hin, zum so genannten Übermenschen.

Er kam ja aus einem religiösen Elternhaus und wusste, wovon er sprach. Einerseits hatte er zu akzeptieren, das der Mensch ein transzendentes Wesen ist. Andererseits hatte er erkannt, dass der Mensch sich nur autonom entwickeln konnte, wenn er sich vom Religiösen befreite.

Das "An-einen-imaginären-Gott-glauben" war für ihn gleichbedeutend mit der Unfreiheit des Menschen und dessen Behinderung, sich frei zu entfalten und die Möglichkeiten auszuleben.
Wissenschaftlich könnte man sagen, den Menschen anthropologisch statt metaphysisch zu betrachten und zu bewerten.

Gott war früher sozusagen der oberste Garant einer Werte – Ordnung: „Für Gott und Vaterland“, man erinnert sich an den Spruch; Gott ist die oberste Wahrheit; alles Erkennen geschieht in göttlichem Licht; Gott ist der Schöpfer der Welt usw.

Wenn dieser Gott der obersten Werte und vertrauten Weltbilder tot ist: Dann bricht eine Welt zusammen. Dann wird den Menschen der Boden entzogen.
Es darf bezweifelt werden, dass Nietzsche Recht damit hat, dass Gott tot ist. Dazu muss man nur mal die Welt ansehen - Religion spielt fast überall auf der Welt noch eine sehr wichtige Rolle. Gott ist nicht tot. Aber die Zeiten, in denen sich ein wissenschaftlich kaum begründbarer Absolutheitsanspruch nicht weiter rechtfertigen musste, sind vorbei.


Und verschiedene Ausformungen des Glaubens, allzumenschliche (Titel eines seiner Werke!) Gottesbilder, die Bigotterien aller Art hervorbringen, werden von Nietzsche in eindrucksvoller Weise entlarvt. Nietzsche mag es damit auf Glaube an sich abgesehen haben, aber meiner Meinung nach ist er dort am stärksten, wo er nicht das Göttliche anprangert, sondern das rein "menschliche, allzumenschliche" Bedürfnis

Es gibt durchaus gute Antworten, die die Gläubigen dieser Herausforderung entgegensetzen können: Ja, es gibt ein metaphysisches Bedürfnis. Ja, Ethik und Moral sind nicht grundsätzlich veraltet und der Übermensch ist nicht unbedingt ein wünschenswerter Zustand für Gesellschaft und Menschheit. Religion kann viele wichtige Rollen sowohl für den Einzelnen, als auch die Gesellschaft annehmen.

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