»Covid-19: Was in der Krise zählt. Über Philosophie in Echtzeit« von Nikil Mukerji und Adriano Mannino ist das Buch zur Corona-Krise. Nikil Mukerji ist promovierter Philosoph und arbeitet an der Ludwigs-Maximilians-Universität in München. Darüber hinaus ist er selbständiger Mitarbeiter am Institut für Argumentation in München.
In den ersten drei Kapiteln wird der Beginn der Corona-Katastrophe in China geschildert und mit philosophischen Fragen konfrontiert. Der Name Li Wenliang (gestorben am 07.02.2020) steht auch in der Widmung.
Im nächsten Abschnitt wird deutlich, dass die Pandemie trotz einiger Andeutungen (Bill Gates) auch in diesem Umfang völlig überraschend kam. Politiker, Ärzte und Wissenschaftler waren trotz allgemeiner Warnungen zu diesem Zeitpunkt unvorbereitet. Am Beispiel der Pandemie wird deutlich, dass die Forschung gerade solche sensiblen Themen wie den Ausbruch eine Pandemie, in der Öffentlichkeit erst in Reaktion auf die praktischen Gegebenheiten aufarbeiten kann.-
Das Buch schildert hier die Ereignisse des Frühjahrs 2020 und nennt auch deren Protagonisten. Auch die Reproduktionszahl und andere Begriffe werden erläutert. Immer wieder wird auch die Rolle der Philosophie als Vermittlerfunktion zwischen Presse, Politik und Öffentlichkeit einerseits und Wissenschaft andererseits dargestellt.
Auch der Umgang mit der Bedeutung und der Funktion der wissenschaftlichen Experten wird reflektiert, und es wird gezeigt, woran auch diese scheitern können. Experten können irren oder haben das Problem, dass ihre Forschungsergebnisse noch hypothetisch sind, während Politik und Öffentlichkeit schon nach sicheren Fakten fragen.
Weiterhin kam es in diesem Zusammenhang auch dazu, dass Experten in verschiedenen Fragen die Position änderten. Dies wird am Beispiel von Christian Drosten und Alexander Kekulé gezeigt, die auch im Moment in der Frage der Schulöffnung wieder angefragt werden. Man sollte aber auch wissen, dass die Themen, in denen sich die Wissenschaftler schon nach einem Tag anders geäußert haben noch am Tag zuvor, keine wissenschaftlichen Fragestellungen waren, sondern Fragen wie Schulöffnung – Schließung, Maskentragen, Handy-APPs und ähnlich eher praktische Themen.
Im Zusammenhang mit der Phase, in der der Shutdown wieder zurückgeführt werden sollte ist von drei Alternativen die Rede, die sich in erster Linie auf die sogenannten Risikopersonen beziehen: Cocooning (Schutz von Risikogruppen), Containment (Eindämmung der Epidemie), Delay (Verhinderung der Infektionen; Die Begriffe sind im Glossar erklärt, d. Rez.).
Die Pragmatik dieses philosophischen Ansatzes, der auch Kants kategorischen Imperativ einbezieht, soll ein kurzes Zitat verdeutlichen: „Erwägungen in Bezug auf Risikoabsicherung sind im Bereich der Entscheidungstheorie und der Risikoethik zu verorten. Das Kernthema dieser philosophischen Disziplinen bildet die Frage nach der rationalen und ethisch vertretbaren Entscheidung unter Unsicherheit.“ (S. 15)
So aufregend und aufwühlend auch die sorgfältig recherchierte Pandemiegeschichte ist, so kompliziert sind die philosophischen Gedankengänge zum Teil. So ist wohl eine „Philosophie in Echtzeit.“
Das Buch endet mit einem Abschnitt überschrieben mit: „Über Philosophie in Echtzeit“, der 10 These zu diesem Thema enthält: Die Notwendigkeit in Echtzeit philosophieren zu müssen, wird quasi von der Zeitgeschichte aufgedrängt. „Drohende und aktuelle Katastrophen stellen typische Kontexte dar. In denen Philosophie in Echtzeit gefragt ist.“ (S. 106) Gerade der Druck dieser Aktualität macht diese Art zu Philosophieren problematisch und für Fehler anfällig. Die Autoren empfehlen, die Problem im Voraus zu sehen und so quasi auf Vorrat zu bearbeiten. Die in der Situation geforderte Praxisorientierung muss hingegen kein Nachteil sein. Die kommenden Katastrophen voraus zu sehen und zu bearbeiten, schließt bewusst andere Szenarien ein.
Dies wurde schon im vorletzten Abschnitt angedeutet und bearbeitet, denn hier werden die Themen „Fleischproduktion“ (Hier: Zoonosen), Klimawandel und Künstliche Intelligenz behandelt. Der Ausdruck „Zoonosen“ bezieht sich auf den Ausbruch der Pandemie, wob ei auch schon im Ablauf eine besondere Anfälligkeit der Schlachthöfe deutlich wurde. Dieser Schlussabschnitt zeigt am Ende der Reflexion über die Corona-Pandemie, dass diese die Klimadebatte keinesfalls verdrängt haben kann, da sie selbst Teil dieser Katastrophe ist. Der Virus muss ein Symbol des menschlichen Missbrauchs der natürlichen Umwelt sein. Das Virus Corona ist von einem Tier auf den Menschen übergegangen. Es ist ein unheimlich schnelles Virus, das dann auch schnell weitergegeben werden kann, schon früh auch von Menschen zu Menschen.
Literatur:
Covid-19: Was in der Krise zählt. Über Philosophie in Echtzeit von Nikil Mukerji und Adriano Mannino
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