Samstag, 15. Oktober 2016

Die Renaissance des Karl Popper

In Zeichen der Bedrohung der Gesellschaft durch Extremismus und Fundamentalismus reden nun alle wieder über die offene Gesellschaft und ihren Urheber. Hinter dem Konzept steht der Philosoph Karl Popper.
Für Popper ist die „Offene Gesellschaft“ eine in der Tradition des Liberalismus stehendes Gesellschaftsmodell, das zum Ziel hat, die fortschrittlichen Kräfte zu mobilisieren.

Die Bedrohung der Gesellschaft führt auch fast zwangsläufig zu einer Renaissance des Karl Popper, der „Offene Gesellschaft“ nach den Erfahrungen des Faschismus und der Diktaturen als Gegenpol zu einer "geschlossenen Gesellschaft" - sprich einer Diktatur entworfen hatte.

Wer die Renaissance des Karl Popper verstehen will, muss verstehen, wie er in Vergessenheit geraten konnte. Bis zu seinem Tod 1994 gab es kaum einen westlichen Politiker, der ihm nicht ergeben die Hand geschüttelt hat. Mit seiner scharfen Abgrenzung der offenen und geschlossenen Gesellschaft wurde er zum gefragten Analytiker des Ost-West-Konflikts.

Helmut Schmidt pflegte während seiner Kanzlerschaft mit dem Philosophen regen intellektuellen Austausch. Margaret Thatcher und Ronald Reagan beriefen sich ebenfalls auf ihn, wenn sie zum Kampf gegen die Sowjetunion bliesen. Poppers Werk wurde zum Selbstbedienungsladen für die Rhetoriker des Kalten Krieges.

Mit dem Fall des Eisernen Vorhangs löste sich die Bipolarität, die auch für das Poppersche Denken charakteristisch war, mit einem Schlag auf, die offene Gesellschaft schien gewonnen zu haben und konnte sich nun auf der ganzen Welt ausbreiten.

Der Systemfeind war verschwunden. Ohne die Gefahr von außen wurde Freiheit zur Routine. Man war sich ihrer so sicher, dass manch einer begann, sie zu hinterfragen. Den neidischen Blick auf die chinesische Wirtschaft gerichtet, gaben sie unverhohlen zu bedenken, dass es vielleicht an der Zeit wäre, ein bisschen mehr Diktatur zu wagen.

Unter dem Primat der Ökonomie wurde auch Poppers Ansatz politisch entkernt. Die wenigen, die sich noch mit ihm beschäftigten, vermochten in ihm oft nur noch den Wegbereiter des Neoliberalismus zu erkennen. Natürlich wurde die offene Gesellschaft weiterhin zitiert, aber ihre Formel war zur Floskel geronnen.

Ist es aber statthaft, Karl Popper, dem nahezu vergessenen Philosophen der „Offenen Gesellschaft“ ausgerechnet in Zeiten der Krise eine Renaisssance zuzsuchreiben? Darüber ist kein eindeutiges Urteil möglich, denn seine Philosophie ist eigentlich ziemlich krisenresistent.

Weblink:

Man muss um die offene Gesellschaft kämpfen - www.badische-zeitung.de

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