Samstag, 15. April 2023

Erklärung des Populismus als politisches Phänomen



Der Populismus ist der etwas vornehmere Bruder der Demagogie und ein augenzwinkerndes Stiefkind der Politik-von der Politik immer etwas stiefmütterlich behandelt. Populismus und Demagogie - derzeit in vieler Munde - sind Lehnwörter aus den klassischen Sprachen. Das eine leitet sich von dem lateinischen Begriff für Volk, populus, ab, das andere ist ein Gräzismus für das, was Volksführer – oder eben auch Volksverführer tun. Als Prototypen der - demagogischen - Populisten gelten die Brüder Tiberius und Gaius Gracchus, deren Politik am Ende des zweiten vorchristlichen Jahrhunderts die römische Republik erschütterte.

Das Wort Populismus leitet sich von populus, dem Begriff für Volk, ab. Der populus Romanus war die Gesamtheit der römischen Bürger, die sich in unterschiedlichen Gliederungen zur Volksversammlung auf dem Forum traf. Dort wurden Magistrate gewählt und Gesetze beschlossen. Politische Debatten indes fanden nicht auf dem Forum statt, sondern hinter den verschlossenen Türen des Senates – ganz anders als etwa in Athen, wo die Agora ein Ort hitziger Diskussion war. Dass die römische Führungsschicht, die Nobilität, den populus aus der politischen Entscheidungsfindung heraushalten wollte, hatte seinen guten Grund: Die Politisierung der Volksversammlung würde das Ende des Grundkonsenses bedeuten, der die oligarchische Elite an der Macht hielt.

Der Populismus hat eine eigene spezifische und identifizierbare innere Logik: Jeder Populismus ist notwendigerweise anti-eltitär, doch das ist noch keine hinreichende Beschreibung. Dazu kommt notwendig ein Anti-Pluralismus. Populisten haben den Anspruch, nur sie verträten das Volk. Alle anderen politischen Akteure handelten deshalb illegitim. So ist der Populismus notwendigerweise antidemokratisch, auch wenn er im Gewande der Demokratie auftritt, weil er allen anderen Parteien die Legitimität abspricht, auch für das Volk zu sprechen.

Als "populistisch" werden vor allem zwei Positionen bezeichnet, die immer zugleich eingenommen werden: Einerseits eine Haltung, die gegen das Establishment und gegen das Elitäre auftritt, und andererseits wird der Anspruch erhoben, daß nur die Populisten allein das wahre Volk repräsentieren würden. Letzteres wird nicht als eine empirische Aussage behauptet, sondern wird als ein moralischer Auftrag vom „Volk“ verstanden.

Samstag, 1. April 2023

Was ist moralischer Bankrott?


Menschen sind stets gut beraten, auf dem Pfad der Tugend zu wandeln und von diesem nicht abzuweichen, denn sobald sie diesen Pfad verlassen, geraten sie auf Abwege und laufen Gefahr, über kurz oder lang in ernsthafte Schwierigkeiten zu geraten.

Im Mittelalter gemahnte die holde Geistlichkeit durch die sieben Todsünden alle Taugenichtse dieser Welt als abschreckende Beispiele an ein tugendhaftes und gottgefälliges Leben. Mit Todsünde werden in der katholischen Kirche besonders schwerwiegende Arten der Sünde bezeichnet, durch die der Mensch die Gemeinschaft mit Gott bewusst und willentlich verlässt. Ein besonders grobes Vergehen wird auch himmelschreiende Sünde genannt.

Sündhaftigkeit bedeutet, die Welt gewissentlich und absichtsvoll und willentlich zu verlassen, wo es sich doch lohnt, besser dieser gemeinschaftlich beizuwohnen. Dies bedeutet, daß Menschen tunlichst gut beraten sind, sich an geltenden Sittenkodex zu halten, denn wo sie dieses nicht tun, geraten in Konfliket und gelangen auf Abwege, die zu beschreiten nicht empfehlenswert ist. Doch alle Moralität schützt vor Verwerflichkeit nicht.

Alle Zeiten und Epochen haben ihre eigenen Wüstlinge und Verderber hervorgebracht, welche es in ihrer waltende Untugend verstanden haben, Menschen gefügig zu machen und ihren Willen, anderen aufzuzwingen. Einer dieser veritablen und haltlosen Wüstlinge war Commodus, der dekadente Sohn des Kaisers Marc Aurel, der im alten Rom gelebt hat. Und es ist eben genau dieser Commodus, der sich in späteren Zeiten als Sinnbild des Wüstlings fortgelebt hat.

Commodus ist für die Herbeiführung sittenloser Zustände wie im alten Rom unter Commodus, dem dekadenten Sohn von Marc Aurel verantwortlich: Eltern, die nicht wissen, was ihre Kinder hinter ihrem Rücken tun, verfolgungswütige Halbwüchsige, die durchknallen, aufgehetzte Nachbarn, die sich nur noch durch Provokation gefallen - alles überschaut durch systematische Überwachung - dazu ein portables Überwachungssystem auf Handys, wie es sich George Orwell nicht hätte schlimmer ausdenken können.

Ein Bubenstück wie aus dem abgeschmackten Tollhause hat wundersame Kapriolen wie die Aufhetzung von Nachbarn, muntere Zeitverschwendung und totale Überwachung an den Tag gebracht und die beteiligten Akteure , die sich nur noch in Provokation ergehen, auf den Weg gebracht

Commodus hat durch sein Einwirken so wunderbar putzige Zauberlehrlinge mit dem Verstand von Seifensiedern und der Fertigkeit von Notbeleuchtern hervorgebracht, daß es geradewegs eine Freude ist, diese täppisch und tolldreist agieren zu sehen und schelmisch zu necken.

»Denn aus Gemeinem ist der Mensch gemacht, und die Gewohnheit nennt er seine Amme.«

»Wallensteins Tod« I, 4 / »Wallenstein«


Verwerfliche Charaktere haben immer einen schweren Stand in dem Moment, in dem ihr Vergehen bekannt wird. Es empfiehlt sich also, früh im Leben zu lernen, mit Problemen umgehen zu können. Wer mit auftretenden Problemen nicht umgehen kann, der ist für die Demokratie nicht tauglich. Es muss offensichtlich verdeutlicht werden, was Demokratie nicht ist.

Mit Amphytrions Diener Sosias bleibt zu fragen: "Wo kam der Witz ihm her?" - Es muss wohl das Ansehen der eigenen Person gewesen sein, welche in einem Anfall von Hochmut die Pforte der Verwerflichkeit geöffnet hat.

Zur Verwerflcihetit gehört, Menschen gefügig zu machen, um sich ihre als Werkzeuge - um nicht zu sagen als "Automaten" - für eigene Zwecke bedienen zu können. Ist erst einmal die Einheit von Person und Tat durchbrochen und der Urheber damit aus dem Schneider, dann sprießen alsbald die bizarrsten Zauberblumen aus den geistigen Beeten der Abwegigkeit empor. Außenstehende stehen vor einem Rätsel, daß zu entschlüsseln sie lieber nicht anzugehen wagen, und die Ordnungshüter vor einem Problem, wo die Täterschaft wohl überlegt entflochten wurde und falsche Annahmen über die sich munter fortentwickelnde Kriminalität vermutet werden, so daß sich die Untaten der eigentlich notwendigen Ermittlungen entziehen. Bis zur Verwerflichkeit problematisch sind Methode, Ausführung, Art der Problembewältigung und in besonderen die Grundhaltung, Schwächen des Opfers ausnützen zu können.

Zu einem komfortablen moralischen Bankrott gehört in fortgeschrittenem Stadium auch, daß der Frevel der Handlungen durch die Nutznießer des kriminellen Systems immer weiter geht, solange die Ursachen des Übels beseitigt werden - genauer gesagt: solange versäumt wird, die Ursachen des Übels zu beseitigen. Wo nichts geschieht, geht das Verbrechen weiter. Solange hier nichts geschieht, gilt die Vermutung, daß ein Kranker sich buchstäblich alles erlauben darf, ohne Strafe befürchten zu müssen.

Ein recht veritabler Skandal entsteht aber erst in der Entgrenzung der vier Seiten der Umfriedung: Urheber, Beteiligte / Mitmachende, Außenstehende und der Unfähigkeit der Staatsorgane, sich ihres unfähigen Personals zu entledigen. Das Lehrstück ist eine Parabel auf die Unfähgkeit der Eliten, demokratiefeindliche Politiker in die Schranken zu weisen.

Da man sich sicher sein darf, daß der "Problemlöser" solches am ihm selber zugemutete Verhalten missbilligen würde, sollte er gefälligst davon absehen, es anderen zuteil werden lassen, so bekommt er auch mal eine Horde vorbeigeschickt, die den Laden vor seiner Hütte ordentlich aufmischt!
Die elegisch gestimmten Worte eines deutschen Lyrikers zu vorgerückter Tageszeit sind jedermann bekannt. Also gute Nacht Deutschland! Man muss nur ordentlich genug durch... können, um ganz ungeneirt weiter zu machen. Gemeinschaftlich abgründig organisiert schaffen wir es.

Weblink:

Commodus - Wikipedia

Mittwoch, 29. März 2023

Über das Ende der sozialen Umfriedung

Vanitas

Sind erst einmal die Zäune der sozialen Umfriedung unbedacht von nicht integren Personen / abwegigen Charakteren - in der Vermutung, daß das Ganze nie herauskäme - niedergerissen, ist der Gesetzlosigkeit das Tor geöffnet, um dann munter seinen eigenen Gang zu nehmen. Meist geht jedoch eine wohlüberlegte Machbarkeit des Urhebers voraus.

Eine Steigerungsfrom ist der organisiert durchgeführte Skandal, wo der Täterkreis sich ausweitet und Handlanger ihre Dienste leisten. Es ist gerade das Handlangertum, das sich Bedienens Dritter, welches ein gezieltes Vorgehen und die Gesetzlosigkeit befördert.

Besonders delikat wird ein Skandal immer, wenn sich die Handlung verselbständigt, die Handlungen exzessiv werden und die Akteure enthemmt werden und vor nichts mehr zurückschrecken und völlig durchknallen, ohne daß der Urheber der Misere noch seinen Einfluß geltend machten könnte, das sich die Dinge verselbständigt haben (exzessiver Skandal).

. In diesem Stadium ist eine Enthemmung der Teilnehmer festzustellen. Die Täter fühlen sich vor Entdeckung sicher und knallen vollends durch. Je sicherer sich die Täter fühlten, desto größer fällt die Enthemmung aus.

Meist ist es die Eitelkeit (Vanitas) oder der Hochmut in der Unterschätzung des Opfers, welche die Personen letzlich zu Fall bringt, denn Hochmut kommt bekanntlich immer vor dem Fall.

Sonntag, 26. März 2023

Novalis Einfluß durch Philosophie


Novalis starb vor 222 Jahren am 25. März 1801 in Weißenfels nach einem Blutsturz, der durch die Tuberkulose verursacht wurde

Er studierte Rechtswissenschaften in Jena und absolvierte in der thüringischen Kleinstadt Tennstedt eine Ausbildung zum Verwaltungsbeamten. Hier lernte er die erst zwölfjährige Sophie von Kühn kennen, mit der er sich 1795 heimlich verlobte und die bereits im März 1797 verstarb.

Nach dem Tod von Sophie von Kühn vertiefte sich Novalis in die philosophischen Werke von Johann Gottlieb Fichte. In seiner Schrift „Grundlage der gesamten Wissenschaftslehre“ zeigte Fichte, wie das Ich sich selbst bestimmt oder „setzt“. Dieses Ich ist mit einer Welt des „Nicht-Ich“ konfrontiert, die ihm als Außenwelt, als Objekt gegenübersteht.

So entstand ein Bruch, ein „Riss im Sein“, der sich in der Trennung von Subjekt und Objekt artikuliert hat. Der Welt des Gegenständlichen, Objektiven steht das Subjekt gegenüber. Der Gegensatz scheint unüberbrückbar zu sein.

Fichtes Schriften boten für Novalis zahlreiche Anregungen, die er stark modifizierte. Angeregt dafür wurde Novalis von der frühromantischen Bewegung, zu der die Brüder August Wilhelm und Friedrich Schlegel, der Dichter Ludwig Tieck und der Religionsphilosoph Friedrich Schleiermacher zählten. Das Ziel dieser Dichtergruppe war die Vermählung von Dichtung, Philosophie und Lebenspraxis. Die Welt sollte nach der Entzauberung durch die Aufklärung wieder verzaubert – romantisiert werden.

In den Worten von Novalis: „Indem ich dem Gemeinen einen hohen Sinn, dem Gewöhnlichen ein geheimnisvolles Ansehen, dem Bekannten die Würde des Unbekannten, dem Endlichen einen unendlichen Schein gebe, so romantisiere ich es.“

Samstag, 18. März 2023

Karl Marx Revolutionstheorie



Karl Marx war nicht der Meinung, daß die Arbeiterklasse vor der revolutionären Machtübernahme weder über nennenswerte politische noch über ökonomische Macht verfüge. Er vertrat die Ansicht, daß sich die Bourgeoisie durch die Vertreibung und der besitzlosen Landarbeiter und Tagelöhner vom Land in die Städte mit ihren Manufakturen und späteren Fabriken uim Laufe der sogenannte ursprünglichen Akkumulation sich ihr politischen Totengräber, das Proletariat, selbst geschaffen hat.

Schon zu Marx` Zeiten fingen die Arbeiter an, sich politisch zu organisieren und mit der Waffe des Streiks gegen ihre Ausbeuter zu kämpfen. Die politische Macht der Arbeiterklasse war damals noch gering und sie begann überhaupt erst, sich der Möglichkeit bewußt zu werden, auch ökonomische Macht zu erringen. Morgen, S. 144

Ein wesentliches Anliegen von Marx und Engels war, den Sozialismus von der Utopie zur Wissenschaft zu erheben, damit er nicht bloß geglaubt oder ersehnt werden muss, sondern rational begründet werden kann. Auch seine historisch-materiellen Voraussetzungen sollten benannt werden können. Eine Reflexion der Methode wissenschaftlicher Forschung und Darstellung war nötig.


Hegels Lehre hatte grossen Einfluss auf die Philosophie und Geistesgeschichte des 19. Jahrhunderts, insbes. auf Karl Marx.




Der Theoretiker Marx entwickelte eine Lehre von geschichtlichen Fortschritt, den nach ihm benannten Marxismus. Die Geschichte ist nach marxistischer Lehre abhängig von den ökonomischen und politischen Bedingungen der Gesellschaft, welche in die Klassen der Besitzenden und der besitzlosen Arbeiter, welche die Arbeiterklasse bilden, eingeteilt wird.

Marx interpretierte den Lauf der Geschichte als Entelechie.

Seine politische Philosophie besteht in der Analyse der wirtschaftlichen und sozialen Zustände seiner Zeit. Er propagierte die Entstehung des Kommunismus als neue Gesellschaftsordnung. Marx stellte seine Philosophie in den Dienst des Proletariats.

Der Lauf der Geschichte wird dialektisch als Abfolge von Klassenkämpfen interpretiert, die jeweils einen gesellschaftlichen Fortschritt in dessen Ablauf markieren. Das Endziel der Geschichte sieht Marx in der klassenlosen Gesellschaft des Kommunismus verwirklicht.

Dienstag, 14. März 2023

Karl Marx 140. Todestag


Karl Marx


Karl Marx verstarb vor 140 Jahren am 14. März 1883 im Alter von 64 Jahren in London. Karl Marx war ein berühmter deutscher Philosoph, Soziologe und Ökonom des 19. Jahrhunderts. Er gilt als Theoretiker des Sozialismus und Begründer des Marxismus.

Karl Marx gilt als der bBgrüdner des Marxismus. Ziel des Marxismus ist es, alte Ideologien und Machtstrukturen aufzubrechen und den Menschen zu emanzipieren. Marx vertritt die Ansicht, dass alle Ideen, Vorstellungen und Gedanken aus einer gesellschaftlichen Realität und den dort herrschenden Machtverhältnissen kommen und diese resultieren letztendlich aus den jeweils historisch-geographischen Produktionsverhältnissen und materiellen Gegebenheiten.

"Die Philosophen haben die Welt nur interpretiert. Es geht darum sie zu verändern." Dieser Satz stammt von Karl Marx. Und in diesem Sinne ist der Marxismus keine Philosophie, sondern Philosophie- und Ideologiekritik, Kapitalismuskritik und Gesellschaftskritik.

In seinen Schriften wie "Das kommunistische Manifest" (1848) und "Das Kapital" (1867) analysierte und kritisierte der in Trier geborene Marx das kapitalistische Wirtschaftssystem.

Ein wesentliches Anliegen von Marx und Engels war, den Sozialismus von der Utopie zur Wissenschaft zu erheben, damit er nicht bloß geglaubt oder ersehnt werden muss, sondern rational begründet werden kann. Auch seine historisch-materiellen Voraussetzungen sollten benannt werden können. Kurz: Eine Reflexion der Methode wissenschaftlicher Forschung und Darstellung war nötig.

Marx bezeichnet seine Methode als dialektisch »und stellt sich damit bewusst in die Tradition der Hegelschen Philosophie. An ihrem Kern hält er fest, kritisiert aber ihre mystifizierte Form. Laut Marx ist die Dialektik «dem Bürgertum [...] ein Gräuel, weil sie in dem positiven Verständnis des Bestehenden zugleich auch das Verständnis [...] seines notwendigen Untergangs einschließt, jede gewordene Form [...] auch nach ihrer vergänglichen Seite auffasst, sich durch nichts imponieren lässt, ihrem Wesen nach kritisch und revolutionär ist.« (MEW: 23, 28)

Nach dem von ihm entwickelten "wissenschaftlichen Sozialismus" muss der Kapitalismus zwangsläufig an sich selbst scheitern. Kernpunkte der Marx'schen Kritik sind die Entfremdung des Menschen von der Arbeit und damit von sich selbst, sowie die Ausbeutung des Arbeiters, der vom Unternehmer nicht den Lohn erhält, der dem Wert seiner Arbeit entspricht, sondern nur so viel, wie er zum Überleben benötigt.

Als Gesellschaftstheoretiker bereitete den theoretischen Boden für den Kommunismus. Endziel der marxistischen Philosophie ist die klassenlose Gesellschaft. Basierend auf den Ideen von Marx entstanden weltweit unterschiedliche Formen sozialistischer und kommunistischer Regierungssysteme.

Samstag, 11. März 2023

Karl Jaspers Existenzphilosophie

Karl Jaspers


Karl Jaspers gilt neben Martin Heidegger und Jean-Paul Sartre als bedeutendster Vertreter der Existenzphilosophie. Karl Jaspers begründete die deutsche Existenzphilosophie. Die Existenzphilosophie kam nach dem Ersten Weltkrieg vor allem in Deutschland und Frankreich auf und stellte die menschliche Existenz in den Mittelpunkt des Fragens.

Sein Werk »Psychologie der Weltanschauungen« aus dem Jahre 1919 ist ein Übergang von der Psychologie zur Philosophie und kann als erstes Werk der modernen Existenzphilosophie eingestuft werden. Jaspers interessierte sich vor allem für die seelischen Antriebe, die Weltanschauungen begründen. Bereits hier problematisierte er die „Grenzsituationen“ wie Tod, Leiden, Schuld, Geschichtlichkeit, die die Erfahrungen des Menschen bestimmen, an denen er mit rationalem Denken scheitere, und in denen der Mensch Skeptizismus und Nihilismus überwinden kann, indem er sich als Existenz gegenüber der Transzendenz bewusst wird.

Karl Jaspers

Nur in dem Maße, in dem der Mensch zu sich selber findet, sei der Mensch Existenz. Das Transzendente begegnet dem Menschen in Chiffren. Darunter versteht er nicht, wie man meinen könnte, geheime Zeichen oder Symbole, sondern Denkerlebnisse, die dem Menschen materiell nicht Erfassbares vermitteln (z. B. Chiffre der Transzendenz: Gott – der Eine; Chiffre der Natur: Weltall). Obgleich Chiffren „in der Schwebe“ bleiben, gehen von ihnen wirkungsmächtige Impulse aus.

Existenz ist stets auf den Anderen gerichtet. Das Selbstsein bedarf wesentlich der Kommunikation mit anderen Menschen. In der Kommunikation von Mensch zu Mensch realisiert sich Philosophie im „liebenden Kampf“, in dem Angriff und Rechtfertigung nicht dem Gewinn von Macht dienen, sondern Menschen sich gegenseitig nahekommen und sich einander ausliefern. So erreicht man das „Innewerden des Seins“, die „Erhellung der Liebe“ und die „Vollendung der Ruhe“.