Samstag, 30. August 2025

Utilitarismus als Begründung der Demokratie



Der Utilitarismus begründet und fundiert gedanklich das Wesen der Demokratie besser als die abstrakte Vertragstheorie. Die Demokratie folgt unterschwellig dem utilaristischen Prinzip, "das Glück der grössten Zahl" und sichert somit das Wohlergehen einer großen Zahl der Menschen. Der Utilitarismus ist eine breite philosophische Strömung, deren Quellen unter anderem im englischen Empirismus (Francis Bacon) und im französischen Materialismus (Helvetius und Holbach)zu suchen sind.

William Godwin, ein Zeitgenosse von Jeremy Bentham und der Autor der politischen Schrift "Enquiry Concerning Political Justice" von 1793, vertrat die Auffassung daß die Demokratie monarchischen und aristokratischen Regierungsformen überlegen ist, obwohl die Gefahr besteht, dass durch das Prinzip der demokratischen Gleichheit die Weisen den Nicht-Weisen zahlenmäßig unterlegen sein könnten. Allerdings glaubte Godwin an eine erzieherische Wirkung der Demokratie: "Demokratie stellt im Menschen wieder ein Bewusstsein seines Wertes her, sie lehrt ihn, durch die Beseitigung von Autorität und Unterdrückung, nur den Ratschlägen der Vernunft zu folgen. Nichts wäre unvernünftiger als von den Menschen, wie wir sie jetzt vorfinden, auf die Menschen zu schließen, wie sie in Zukunft beschaffen sein können."

Damit kommt Godwin - allerdings auf einem anderen Begründungsweg - so wie der Vertragstheoretiker Rousseau zur Forderung nach Teilnahme aller Bürger an der Gesetzgebung und nach gleichem Stimmrecht.



Gegenüber der Theorie des Gesellschaftsvertrages, die nach Ansicht Benthams auf einer unzulässigen Fiktion beruht , und gegenüber Naturrechtstheorien, von denen jede Variante andere Rechte als "natürlich" behauptet, will Bentham die normative Theorie von Politik und Recht auf eine tragfähige und, wie er meint, letztlich empirische Grundlage stellen, denn er hält 'Glück' für eine im Prinzip empirisch-psychologisch messbare Größe, die sich aus Lust- und Schmerzempfindungen zusammensetzt.

Insofern hat Bentham eine hedonistische Auffassung des Guten (von griechisch "hedone" = "Lust" ). "Schlechtes ist Schmerz oder die Ursache von Schmerz. Gutes ist Lust oder die Ursache von Lust." Nach Benthams Auffassung ist derjenige ein Anhänger des Utilitarismus, der seine "Billigung oder Missbilligung einer öffentlichen oder privaten Handlung an ihrer Tendenz bemisst, Lust oder Schmerz hervorzubringen."

Dieser ethische Hedonismus, der fordert, dass die Menschen im Sinne des größten Glücks (d. h. des größten Übergewichts von Lust über Schmerz) handeln sollen, verbindet sich bei den älteren Utilitaristen gewöhnlich mit der Annahme eines psychologischen Hedonismus, der besagt, dass jeder Mensch tatsächlich sein eigenes Glück anstrebt: "Die Natur hat die Menschheit unter die Herrschaft von Lust und Schmerz gestellt. Ihnen schulden wir all unsere Vorstellungen, wir beziehen auf sie all unsere Urteile und alle Bestimmungen unseres Lebens. ... Das Nutzenprinzip unterwirft alles diesen zwei Motiven"

Weiterhin nimmt Bentham an, dass in der Regel jedes Individuum selber am besten erkennen kann, was seinem eigenen Glück förderlich ist: "Der größte mögliche Spielraum sollte den Individuen in all jenen Fällen gelassen werden, in denen sie niemandem als sich selbst schaden können, denn sie sind die besten Richter ihrer eigenen Interessen. Wenn sie sich täuschen, kann angenommen werden, dass sie ihr Verhalten sofort ändern werden, wenn sie ihren Irrtum erkennen. "

Samstag, 23. August 2025

Hegel Freiheit des Einzelnen

Hegel war als Apologet der Freiheit überzeugt, dass die Freiheit des Einzelnen sich niemals losgelöst oder gar in Konkurrenz zur Gesellschaft verstehen lässt. Wirklich frei, so versuchte er zu zeigen, werden wir erst mit und durch die anderen. „Bei-sich-selbst-Sein im Anderen“ lautete in seinen Worten das ambitionierte Ansinnen seiner Philosophie.

Bei den heute auftretenden Problemen ist Hegel mit seiner erklärenden analytischen Denkungsart nicht weit. Folgt man dem Philosophen in diesem Gedanken, dann eröffnen sich neue Perspektiven auf heutige Probleme, für die eine Politik, die vom Einzelnen ausgeht, keine Antwort zu bieten scheint. Anstatt eine starke Klimapolitik, Umverteilung oder Coronamaßnahmen primär als Bedrohung der individuellen Freiheit zu sehen, könnte man – ausgehend von der Annahme, dass Freiheit unweigerlich sozial ist – fragen: Welche Institutionen bräuchte es, um Selbstbestimmung und Entfaltung auch in Zukunft zu garantieren? Welche sozialen Beziehungen würden es uns ermöglichen, bei uns selbst zu sein?

Ebenso wie wir lebte Hegel in Zeiten großer Umbrüche. Als Jugendlicher verfolgte er begeistert die Französische Revolution. Die Philosophie seiner Tage war ebenfalls im Wandel begriffen, die Religion hatte ihre unhinterfragte Vormachtstellung verloren, das Verhältnis von Ich und Welt, Individuum und Gesellschaft wollte neu gedacht werden. Kein Wunder also, dass sein Anspruch an die Philosophie war, „ihre Zeit in Gedanken“ zu fassen.

Anders als oft angenommen, liefert Hegel dabei keine Prognosen, die uns erlauben zu sagen, wie wir von der Gegenwart in die Zukunft schreiten. Aber seine Hinwendung zu Momenten der Krise als Chance – um Neues zu schaffen und Ideale voranzutreiben – könnte heute, da die Zukunft zunehmend düster erscheint, als Inspiration dienen.

Hegel lieferte keine leichten Antworten. Anstatt eines »Entweder-Oder« wie bei Kierkegaard ging es dem Philosophen der Dialektik darum, Widersprüche zusammenzudenken und aufzuheben – freilich ohne jemals alle Spannung einzuebnen. Das Denken bleibt also immer in Bewegung. Gerade in dieser Komplexität und Dynamik liegt der Reiz seiner Philosophie.