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Samstag, 22. August 2020

Hegel – Preußens Staatsphilosoph



Glücklich das Land, dessen fundamentale staatliche Begründung ausgerechnet ein Philosoph vorgenommen hat.

Georg Wilhelm Friedrich Hegel


Zu den erstaunlichen Leistungen Hegels gehört, daß aus seiner Lehre eine Philosophie erwuchs, die das absolutistische Preußen als theoretisches Fundament seines Staatswesens anerkannte. Und nicht nur Preußen ehrte Hegel als seinen Staatsphilosophen, auch aus anderen deutschsprachigen Ländern blickte man respektvoll nach Berlin, wo Hegel inzwischen lehrte und nicht nur Studenten, sondern auch die führenden Männer jener Zeit seine Vorlesungen hörten.

Zuvor hatte sich auch Kant schon einmal auf dem Wege zum Staatsphilosophen befunden, als theoretischer Begleiter der Ära Friedrichs des Großen. Doch dessen Nachfolger Friedrich Wilhelm II. sah durch Kants kritische Philosophie die Grundlagen des Christentums gefährdet und erwirkte, dass Kant zum heiklen Thema Religion fortan schwieg.

Gegenüber Kants Denkgebäude hatte Hegels Philosophie aus staatlicher Sicht den Vorzug, dass sie dem Christentum nicht im Wege stand, genauer: dem Protestantismus, auf den Preußen sich gründete und von dem es seine Moral herleitete. "Der Geist", so schrieb Hegel, "hat aber in der Religion vielmehr seine Befreiung und das Gefühl seiner göttlichen Freiheit; nur der freie Geist hat Religion, und kann Religion haben."


Der Weltgeist hat bei Hegel in der Tat etwas Göttliches. Und da der Weltgeist auf die "List der Vernunft" setzt, indem er eigennützige Individuen für seine übergeordneten Ziele arbeiten lässt, gelangt Hegel zu dem gewagten Schluss: "Was vernünftig ist, das ist wirklich, und was wirklich ist, das ist vernünftig." Das war eine Rechtfertigung nicht nur des preußischen Staates, sondern auch der Welt insgesamt.

Und jeder sah, dass diese Feststellung angesichts des Leids auf Erden nicht mit der Wirklichkeit übereinstimmte. Allerdings wusste auch Hegel: "Die Weltgeschichte ist nicht der Boden des Glücks. Die Perioden des Glücks sind leere Blätter in ihr." Wieder so ein Satz, dem eher die Mächtigen zustimmen werden als diejenigen, die unter Krieg, Unterdrückung und anderen Zwängen unmittelbar zu leiden haben.


Deutschland hat in Kant, Fichte und Hegel beeindruckende, aber unpraktische liberale Denker hervorgebracht. Von ihnen führt kaum ein Weg ins alltägliche Handeln.

Literatur:


»Hegel: Der Weltphilosoph« von Sebastian Ostritsch



Hegel: Der Philosoph der Freiheit
von Klaus Vieweg



Weblink:

Hegel – Preußens Staatsphilosoph - www.rp-online.de


Georg Wilhelm Friedrich Hegel



Blog-Artikel:

Hegel und der Geist in der Freiheit

Die Philosophie Hegels

Hegel und der Weltgeist

Samstag, 8. August 2020

Die Philosophie Hegels



Georg Wilhelm Friedrich Hegel


Hegel war ein Philosoph des Geistes und der bedeutendste Vertreter des deutschen Idealismus. Viele halten den deutschen Idealismus und allen voran Hegel für den Gipfelpunkt der Philosophie. Die Bewunderung für Hegel entstammt nicht nur der aus heutiger Sicht geradezu abenteuerlich erscheinenden Vorstellung, wahre Philosophie müsse einem Systemanspruch gerecht werden, also einen umfassenden Welterklärungscharakter besitzen, sondern auch der Überzeugung, Philosophie solle in einem christlichen Sinne religiös sein.

Hegels Philosophie erhebt den Anspruch, die gesamte Wirklichkeit in der Vielfalt ihrer Erscheinungsformen einschließlich ihrer geschichtlichen Entwicklung zusammenhängend, systematisch und definitiv zu deuten. In ihrer Wirkung auf die westliche Geistesgeschichte ist sie mit dem Werk von Platon, Aristoteles und Kant vergleichbar. Sein philosophisches Werk Phänomenologie des Geistes aus dem Jahre 1807 zählt zu den wirkmächtigsten Werken der Philosophiegeschichte überhaupt.

Georg Wilhelm Friedrich Hegel


Die Philosophie Hegels ist eine Theorie über den Wahrheitsgehalt philosophischer Theorien und über die Entwicklungslogik. Nie in der Geschichte der Philosophie ist ein höherer Anspruch erhoben worden. Und nie hat es eine Philosophie gegeben, die so wie die Hegelsche die Geschichte der Philosophie in sich resümiert, und dies aus einem tiefen Verständnis ihrer Klassiker wie Platon, die Vorsokratiker, Aristoteles, Plotin, Proklos, Descartes, Spinoza oder Leibniz. Halfwassen: "Wir stehen heute grundsätzlich auf den Schultern Hegels. Er lehrt uns die Geschichte der Philosophie als ein Wahrheitsgeschehen."

Hegel vertritt eine idealistische Lehre vom in dialektischen Entwicklungschritten zu sich selbst kommenden absoluten Geist.

Kant glaubt in der »Kritik der reinen Vernunft« alles Wesentliche für ein System der Metaphysik - "die Vollendung aller Kultur der menschlichen Vernunft" - versammelt. Hegel will mit der »Wissenschaft der Logik« Kants transzendentale Logik vollenden, und seine politische Philosophie basiert auf ebendem "freien Willen, der den freien Willen will", den Kant als Grundlage herausgearbeitet hatte.

Kant hat den Prinzipien der Synthesis a priori und der Autonomie des Willens, auf denen auch Hegel fußt, nicht ausreichend materiale Geltung verschafft. Deshalb unternimmt Hegel in der "Wissenschaft der Logik" eine kritische Prüfung aller historisch relevanten Grundbegriffe der Philosophie wie der damaligen Fachwissenschaften. Und in der Rechtsphilosophie wie in der Geschichtsphilosophie untersucht er die Institutionen der Freiheit und ihr Werden.

Vor seiner Berufung nach Heidelberg hat Hegel sein revolutionäres philosophisches System nicht zusammenfassend dargestellt. Die beiden Hauptwerke sind keine Darstellungen des Systems, sondern dessen Grundlegung. "Die Phänomenologie des Geistes" befreit das Bewusstsein aus seiner Befangenheit in den endlichen Gestalten des Bewusstseins und führt es aus seiner Selbstvergessenheit hinauf zu dem Punkt, an dem das Selbstbewusstsein sich und seine Einheit mit der Wahrheit denkend erfasst. Hegel nennt ihn das "absolute Wissen" und meint damit die Identität von Denken und Sein.

Den Inhalt des "absoluten Wissens" entfaltet "Die Wissenschaft der Logik". Sie ist eine Metaphysik des absoluten Denkens und seiner grundlegenden Bestimmungen. Hegel nennt das Sichselbst als das die Totalität aller reinen Bestimmungen wissende Denken mit dem Ausdruck Platons die "absolute Idee". Und diese interpretiert er mit Plotin als den göttlichen Geist. Und weil Gott Geist ist, handelt es sich um Theologie. Diese theologische Metaphysik ist die erste Philosophie Hegels.

Weblinks:

Georg Wilhelm Friedrich Hegel-Biografie - Biografien-Portal www.die-biografien.de

Georg Wilhelm Friedrich Hegel-Zitate - Zitate-Portal www.die-zitate.de

Samstag, 1. August 2020

Hegel und der Weltgeist


Hegel


Für Hegel, den bedeutendsten Vertreter des deutschen Idealismus, bestand die Welt aus Geist. Zu den gedanklichen Figuren, welche Philosoophiegeschichte geschrieben haben, gehört zweifelsohne auch Hegels Weltgeist.

Georg Wilhelm Friedrich Hegel


Georg Wilhelm Friedrich Hegel sah die Welt von einem sog. Weltgeist beherrscht, der sich großer, tatkräftiger Persönlichkeiten bedient, um die Geschichte in einem dialektischen Prozess voranzutreiben. Der Weltgeist ist bei Hegel eine bestimmende Kraft, die etwas Göttliches hat. Der Weltgeist hat bei Hegel etwas Göttliches. Eine Kraft wirkt, eine andere stellt sich ihr entgegen, und auf einer höheren Ebene strebt der geschichtliche Prozess weiter seinem Ziel, einer Idealwelt, entgegen.

Das Gegenständliche Sein ist auch Geist. Es ist das Denken des Weltgeistes. Alles ist in diesem Weltgeist begründet: Denken des Individuums, Wahrheit und Sein sind alle Ausdruck des Weltgeistes. Alles ist in ihm enthalten. Deshalb spricht man auch von absolutem Idealismus.


Weht der Weltgeist wie oder wo er will? - "Die List der Vernunft, so Hegel, sorgt auf schönste Weise dafür, dass wir uns alle im großen Ganzen wieder finden. Und da der Weltgeist auf die "List der Vernunft" setzt, indem er eigennützige Individuen für seine übergeordneten Ziele arbeiten lässt, gelangt Hegel zu dem gewagten Schluss: "Was vernünftig ist, das ist wirklich, und was wirklich ist, das ist vernünftig." Das war eine Rechtfertigung nicht nur des preußischen Staates, sondern auch der Welt insgesamt.


Als der Philosoph Hegel in seinen Berliner Vorlesungen einst den preußischen Staat besang, verblüffte er seine Studenten mit folgendem Gedanken. Warum ist der preußische Staat ein so herrliches Gebilde? Die Antwort: weil er den höchsten Stand der geschichtlichen Vernunft verkörpert. Oder um Hegels Hammersatz aus dem Jahr 1820 noch einmal in seiner ganzen Pracht zu zitieren: "Was vernünftig ist, das ist wirklich; und was wirklich ist, das ist vernünftig."

Und jeder sah, dass diese Feststellung angesichts des Leids auf Erden nicht mit der Wirklichkeit übereinstimmte. Allerdings wusste auch Hegel: "Die Weltgeschichte ist nicht der Boden des Glücks. Die Perioden des Glücks sind leere Blätter in ihr." Wieder so ein Satz, dem eher die Mächtigen zustimmen werden als diejenigen, die unter Krieg, Unterdrückung und anderen Zwängen unmittelbar zu leiden haben.

Einmal spürte Hegel den Weltgeist, der die Geschicke der Menschheit lenkt, ganz in seiner Nähe. Hegel war gerade Professor in Jena geworden, als Napoleon vor den Mauern der Stadt stand. Der Philosoph hatte davon nichts Gutes zu erwarten, musste Plünderungen erdulden und war dennoch voller Hochachtung für den kleinen, großen Franzosen: "Es ist in der Tat eine wunderbare Empfindung, ein solches Individuum zu sehen, das hier auf einen Punkt konzentriert auf einem Pferde sitzend, über die Welt übergreift und sie beherrscht."


Der Weltgeist, der sich in Gestalt Napoleons so überraschend körperlich zu erkennen gab, war im Übrigen ein recht theoretisches Konstrukt Hegels. Auf der ersten Stufe, so legte er in seiner "Wissenschaft der Logik" dar, befindet sich der Weltgeist im Zustand des An-sich-Seins; dem entspricht als philosophische Disziplin die Logik.

Wo der Geist weht, da verschwindet das Materielle, Profane, das «gesellschaftliche Sein». Das hat schon Marx dem deutschen Idealismus vorgeworfen. Philosophische Bildung ist mehr noch als Kunstkenntnis angewandte Distinktion.

Weblinks:

Was macht der Weltgeist? - www.zeit.de

Hegel und seine Philosophie des Weltgeistes - www.dw.com

Hegel – Preußens Staatsphilosoph - www.rp-online.de

Hegel-Biografie - www.die-biografien.de


Literatur:

Mit Hegel dem Weltgeist auf der Spur
Mit Hegel dem Weltgeist auf der Spur
von Hans J Neubauer

Samstag, 25. Juli 2020

Das Geschichtsbild Hegels

Georg Wilhelm Friedrich Hegel


Jedem Philosophen haftet explizit auch ein eigenes Geschichtsbild an. Anders als Immanuel Kant, der große Erkenntnistheoretiker, war Hegel in erster Linie Geschichtsphilosoph. Die Geschichte war für den Denker zwar vernünftig, aber sie war, wie es eben dem Verliebten vorkommt, von einer hinreißender und mitteilenden Vernunft. Sie galt ihm als der "bacciantisiche Taumel, an dem kein Glied mehr trunken ist".

Georg Wilhelm Friedrich Hegel


Hegel sah die Weltgeschichte als Fortschritt im Bewußtsein der Freiheit. "Die Weltgeschichte ist der Fortschritt im Bewußtsein der Freiheit."

»Was die Erfahrung aber und die Geschichte lehren, ist dieses, daß Völker und Regierungen niemals etwas aus der Geschichte gelernt und nach Lehren, die aus derselben zu ziehen gewesen wären, gehandelt haben.«

Georg Wilhelm Friedrich Hegel (1770 - 1831)

Vorlesungen über die Philosophie der Geschichte, 1837

Dass das Bewusstsein der Freiheit noch nicht deren Realisierung in der gesellschaftlich-politischen Wirklichkeit bedeutet, wusste Hegel selbst sehr gut.

Hegels Geschichtsphilosophie vertritt die These vom "Ende der Geschichte", in der die Geschichte welthistorisch zur Vernunft gekommen sei.


Hegel glaubte, dass mit seiner Philosophie eine Art geschichtlicher Endzustand heraufgezogen sei – das "Ende der Geschichte", wie es einige Denker nach Ende des Kalten Krieges im 20. Jahrhundert noch einmal ausriefen, wiederum zu Unrecht.

Geschichte mit Hegel als Freiheitsgeschichte zu denken, bedeutet also, die jeweilige politisch-gesellschaftliche Wirklichkeit kritisch vom egriff der Freiheit und den Realisierungsmöglichkeiten der Freiheit her zu denken.

Hegels Lehre hatte grossen Einfluss auf die Philosophie und Geistesgeschichte des 19. Jahrhunderts, insbes. auf Karl Marx.

Er stellte die idealistische - im Sinne von Platon - Philosophie Hegles vom Kopf "auf die Füße". Er übernahm Hegels Erkenntnismethode und die Ansicht, daß die Geschichte mit ihrem Elend einem dynamischemn Prinzip gehorche, sich nach dem Gesetz des Widerspruches entwickle, sich also dialektisch auf ein bestimmtes Ziel zubewege, doch deutete er die Menschheitsgeschichte radikal anders - ohne Gott, ohne Weltgeist, ganz vom Menschen und vom materiellen Dasein her.

Marx hielt dagegen, dass im preußischen Staat seiner Zeit das Ziel der Weltgeschichte noch nicht erreicht sei. Darin jedenfalls hat er recht behalten.



Weblinks:

Warum heute noch Hegel? - warumheutenochhegel.blogspot.de

Hegel-Biografie - Biografie-Portal

Mittwoch, 15. Juli 2020

Jacques Derrida 90. Geburtstag


Jacques Derrida wurde vor 90 Jahren am 15. Juli 1930 in El Biar in der Nähe von Algier als Sohn jüdischer Eltern geboren. Jacques Derrida war ein französischer Philosoph, der als Begründer und Hauptvertreter der Dekonstruktion gilt.

Bei Jacques Derrida handelt es sich um einen aus der Gilde französischer Philosophen aus den 1960er/1970 er Jahren, die weit über ihre Landesgrenzen hinaus Bekanntheit erlangten mit ihren Ideen. Sie können als Kontrastfolie zur Frankfurter Schule um Adorno, später Habermas betrachtet werden. Dazu gehören Lyotard, Baudrillard, Serres, Deleuze, Guattari, Foucault. Was diese Denker alle auszeichnete, war ihre dichte Beschreibung, über die Leser tagelang, nächtelang sitzen konnten, bis sie halbwegs verstanden hatten, was die Autoren wollten.

Derrida war ein von Platon, Hegel, Kierkegaard, Marx, Nietzsche, Jean-Jacques Rousseau, Freud, Saussure, Husserl, Heidegger und Foucault beeinflußter Denker. Sein Werk beeinflusste maßgeblich die Philosophie und Literaturwissenschaft in Europa und den USA in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts.

Von 1952 bis 1954 studierte er an der »École Normale Supérieure«, wo er Vorlesungen bei Louis Althusser und Michel Foucault besuchte und sich mit Pierre Bourdieu anfreundete. 1956 gewann er ein Stipendium für einen Studienaufenthalt an der Harvard University.

Während seines Militärdienstes von 1957 bis 1959 lehrte er Englisch und Französisch in Algerien. Von 1960 bis 1964 war er wissenschaftlicher Assistent an der Sorbonne. Ab 1965 bis 1984 bekleidete er eine Professur für Geschichte der Philosophie an der »École Normale Supérieure«.

Den Durchbruch erlangte Derrida im Jahr 1967, als er nahezu zeitgleich in drei bekannten Verlagen drei wichtige Schriften veröffentlichte: »De la grammatologie«, »La Voix et le phénomène« sowie »L'écriture et la différence«.

Derridas Beitrag zur Philosophie ist die Anwendung einer Methodik der Dekonstruktion
Seiner Ansicht nach ist die traditionelle Suche der westlichen Philosophie nach einem metaphysischen Sinn vergeblich. Derrida lehnte die klassischen philosophischen Standpunkte ab und forderte als Alternative die Analyse der Sprache.

Jacques Derrida war nicht nur ein Schreibender. Er war auch und vor allem ein Lesender. Rousseau, Hegel, Marx, Heidegger und viele andere bedeutende Denker der abendländischen Philosophiegeschichte wieder zu lesen und ihren Texten einen anderen, neuen Sinn abzuringen: Das war ein wesentliches Ziel des französischen Philosophen. Entsprechend lassen sich auch Derridas wohl wirkmächtigste Schriften »Grammatologie« sowie »Die Schrift und die Differenz« (beide 1967) als Versuche beschreiben, durch die tiefe Auseinandersetzung mit großen Denkern vermeintliche Gewissheiten zu erschüttern – und auf diese Weise eine radikal andere Weltsicht zu ermöglichen.

Mit der von ihm angewandten Methode der "Dekonstruktion" von Texten wollte der Philosoph die eigentliche Bedeutung philosophischer Schriften freilegen.

Zu seinen Hauptwerken zählen »Die Stimme und das Phänomen« (1967), »Grammatologie« (1967), »Die Schrift und die Differenz« (1967) und »Randgänge der Philosophie« (1972). Sein wohl einflussreichstes Werk ist das 1967 erschienene Buch »Grammatologie«.

Derrida verfolgte von Plato über Rousseau, Hegel, Husserl, Saussure bis zu Lévi-Strauss das Funktionieren und die Problematik (die historischen Kosten) der logozentrischen Begrifflichkeit des abendländischen Denkens. Derridas Denkweg erstreckt sich von den frühen Texten zur Grammatologie über die mittlere Phase der „Randgänge“ zwischen Philosophie und Literatur bis zu den ethischen und politischen Entwürfen des späteren Werkes.

Jacques Derrida starb am 9. Oktober 2004 in Paris.


Weblink:

Dekonstruktion - Wikipedia

Literatur:

Grammatologie

Grammatologie von Jacques Derrida

Jacques Derrida zur Einführung


Jacques Derrida zur Einführung
von Susanne Lüdemann

Samstag, 20. Juni 2020

»Die Gedanken« von Blaise Pascal

Blaise Pascal

Acht Jahre nach seinem Tod erschienen Pascals Aufzeichnungen erstmals in einer Buchausgabe. Sie wurden erstmals 1670 unter dem Titel »Pensées sur la religion et autres sujets« von Freunden Pascals auszugsweise und unter Herstellung einer vermeintlich sinnvollen Ordnung veröffentlicht.

»Die Gedanken« (»Les Pensées«) sind ein Werk von Blaise Pascal (1623–1663) und einer der meistgelesenen philosophischen bzw. theologischen Texte der europäischen Geistesgeschichte. Seine »Gedanken« gelten den großen Fragen der Menschheit und sind eindrückliche Zeugnisse eines tief im Glauben wurzelnden Geistes.

Der geniale französische Physiker und Mathematiker arbeitete während seiner letzten Lebensjahre an einer Schrift zum Christentum, die jedoch unvollendet blieb. Es handelt sich bei den »Gedanken« um kein geschlossenes, fertiges Werk, sondern um eine von Ausgabe zu Ausgabe divergierende Zusammenstellung von Notizen aus dem Nachlass des Autors.

Die Notizen entstanden ab ca. 1657 und dienten der Vorbereitung eines Werkes zum Lob und zur Rechtfertigung des christlichen Glaubens aus der Sicht eines Jansenisten.

Tropfen Liebe



Drei Gründe sind es, warum Pascal für uns heute noch ungemein anregend ist. Erstens stellt er sich sehr intensiv den Ungeheuerlichkeiten menschlicher Existenz, seiner Schwäche und seiner Endlichkeit, ohne zu vergessen, dass dem Menschen auch eine unendlich großen Würde innewohnt. Zweitens wendet er sich radikal nach innen als dem einzigen Ort, wo Wahrheit zu finden ist. Damit wird er zugleich zum scharfzüngigen Kritiker der modernen Gesellschaft. Und drittens setzt er sich mit seiner Gotteserfahrung auseinander. Und darin wird er zum ersten Kritiker des blinden Vertrauens in die Leistungen des Verstandes.

Denn es gibt da etwas vor allem Verstand in uns, das unser Leben bestimmt und sicher leitet. Pascal nennt es das Herz. Es ist der Sitz für all das, was wir als für unser Leben gesichert annehmen, ohne es rational begründen zu können, es ist unsere grundsätzliche Lebensorientierung, unsere Intuition, es sind innere, unmittelbare, nicht beweisbare Erkenntnisse, die die persönliche Lebensführung bestimmen. Es ist auch unser moralisches Gewissen, unsere Glücksdisposition und schließlich unsere Empfänglichkeit für die Gotteserfahrung. Das Herz ist die - die menschliche Existenz umgreifende - Grunddisposition, das Ganze eines Menschen und die einen Menschen tragende und durchs Leben führende Substanz.

Das Herz, und nicht der Verstand, ist auch Sitz der Gotteserfahrung. Das Herz hat seine Gründe, von denen der Verstand nichts weiß. Nur im Herzen kann die Wahrheit und Gott auf einen Blick gesehen werden und ist eine Gottesliebe möglich, in der der Mensch das Sein und sich selbst auf natürliche Weise liebt. Pascals Nähe zur Mystik ist offensichtlich.

Es gibt also neben der Ratio ein Vermögen, das Pascal auch manchmal Einbildung nennt, das Menschen von innen heraus überzeugt - eine zweite Natur, die über uns verfügt. Dieses Vermögen lenkt den Verstand als vorgängige Lebenskraft. Menschenbildung bedeutet daher in erster Linie Bildung des Geistes, des Herzens und der Empfindung. Wie ein Samenkorn in gutes Erdreich getan, gute Frucht bringt, so bringt ein Grundsatz in einem guten Geist verankert reichlich gute Frucht.

Pascal steht in der Tradition derjenigen, für die das Wahre nur in einem Selbst zu finden ist. Nur in der Selbsterkenntnis kann ich das Wahre finden, oder zumindest das eigene Leben in geordnete Bahnen lenken. Zur weisen Lebensführung gehört die Selbsterkenntnis. Aber woran liegt es, dass wir an keiner Stunde des Tages über uns nachdenken wollen, und uns lieber mit allem möglichen Äußerlichkeiten herumtreiben?

Ein weiterer Schwerpunkt Pascals ist seine Kritik an dem äußerlichen Menschen. So entlarvt er schonungslos die menschliche Geschäftigkeit als Zerstreuung, die keinen anderen Zweck hat als die Ablenkung von einer radikalen Besinnung auf sich selbst. Er hat bereits erkannt, dass wir uns lieber zu Tode amüsieren als das wir uns mit uns selbst beschäftigen. Und die Neugier erkennt Pascal als eitles Treiben: man will nur wissen, um darüber reden zu können. Und wer denkt nicht an die heutige Situation, wenn Pascal beschreibt, wie schnell es den Menschen vor Langeweile in äußere Aktivitäten treibt. Wir hassen die Ruhe und lieben die Sensation, das Abenteuer, den Lärm und das Getümmel.

In seinen Notizen setzt sich Pascal auch den Grunderfahrung menschlichen Seins aus: etwa seiner Endlichkeit, Ungesichertheit, Widersprüchlichkeit und seinem schicksalhaften Ausgesetztsein. In vielem nimmt er den Existenzialismus vorweg. Wenn ich, so schreibt er, die kurze Dauer meines Lebens betrachte, das von der Ewigkeit davor und danach aufgesogen wird, gerate ich in Schrecken und Erstaunen, dass ich gerade hier und jetzt lebe. Wer hat mich hierhin gestellt?

Pascal ist heute - in einer Situation, in der wir die Nachteile und Gefahren der modernen wissenschaftlich geprägten, materialistischen und konsumorientieren Lebensweise kennen lernen - vielleicht mehr denn je wichtig als Gegenentwurf. Freilich deutet er vieles nur an. Wer sich einmal daran machen wird, denkend einen neuen Weg aufzuzeigen, wird aber wahrscheinlich an Pascal nicht ganz vorbei gehen können.

Literatur:

Gedanken
Gedanken
von Blaise Pascal

Samstag, 11. Januar 2020

Heraklit 2500. Geburtstag




Heraklit

Heraklit wurde um 520 v. Chr. in Ephesos geboren. Heraklit war ein vorsokratischer Philosoph aus dem ionischen Ephesos. Heraklit stammte aus einer vornehmen Familie. Der antike Denker lebte sehr zurückgezogen.

Heraklit, wegen seiner oft rätselhaften Sprache auch „der Dunkle“ genannt, war im fünften Jahrhundert vor Christus vor allem in seiner Heimatstadt Ephesos an der kleinasiatischen Küste tätig. Wie von vielen Vorsokratikern sind von ihm nur Fragmente überliefert, die allerdings alle ein eindeutiges Thema haben. Heraklit vertritt eine Lehre des Gegensätzlichen: Jedes Ding beinhaltet seine eigene Negation, ja der gesamte Kosmos ist der ewige Widerstreit aneinandergebundener Gegensätze, der sich in stetem Werden und Vergehen äußert. Die Welt ist also nicht wie im Volksglauben stabil und unveränderlich, sondern ein steter Prozess und ein ewiges Fließen.
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Heraklit beanspruchte eine von allen herkömmlichen Vorstellungsweisen verschiedene Einsicht in die Weltordnung. Daraus ergibt sich eine nachhaltige Kritik der oberflächlichen Realitätswahrnehmung und Lebensart der meisten Menschen. Ein wiederkehrendes Thema seines Philosophierens ist neben dem auf vielfältige Weise interpretierbaren Begriff des Logos, der die vernunftgemäße Weltordnung und ihre Erkenntnis und Erklärung bezeichnet, der natürliche Prozess beständigen Werdens und Wandels.

In späterer Zeit wurde dieser Wandel auf die populäre Kurzformel »Panta rhei« (»Alles fließt«) gebracht. Des Weiteren setzte sich Heraklit mit dem Verhältnis von Gegensätzen auseinander, wie etwa von Tag und Nacht, Wachsein und Schlafen, Eintracht und Zwietracht. Diese Gegensätze sah er in einer spannungsgeladenen Einheit stehend.

Heraklit


Das Grundprinzip des Kosmos ist nach Heraklit nicht – wie etwa für Parmenides von Elea – ein statisches, gleichbleibendes Sein, sondern das Werden. Während Parmenides das Nicht-Sein und damit das Werden radikal leugnet, betont Heraklit das gegensätzliche, aber in untrennbarer Einheit verschränkte Verhältnis von Sein und Werden.

Heraklit lehrte in seiner kosmischen Lehre die Einheit der Gegensätze. Das Weltprinzip bildet die Vereinigung der Gegensätze durch eine Zusammenhaltende Kraft (der Logos). Durch den Widerstreit der verschiedenen Elemente entsteht eine Harmonie. Alles Wirkliche ist in einem ewigen Fliessen begriffen.

Heraklit betrachtet die Erfahrungswelt des Menschen als ein Ganzes von Gegensätzen, die ineinander umschlagen und sich von einem Pol zum anderen wandeln. Die Gegensatzpaare folgen dabei nicht nur einem äußerlichen Prozess, sondern sind als Gegensätze schon ineinander verschränkt. Das Umschlagen der Gegensätze geschieht dabei wohl „gemäß Streit und Schuldigkeit“ (κατ᾽ ἔριν καὶ χρεών, kat' érin kaì chreōn)[55] im Spannungsverhältnis der jeweiligen Bezugspole.

Bilder, die Heraklit selbst verwendet, um seine Lehre zu verdeutlichen, sind das Bild des Bogens oder das Bild der Leier. In beiden Fällen entsteht der Nutzen erst im Zusammenbinden des Widerstrebenden. Als Metapher für die ganze Welt als unsteten Prozess und Übergang wählt Heraklit das Feuer. Mehr noch, irgendwann, meint er, vergeht jede Welt als Ganzes im reinen Feuer, im Weltenbrand, aus dem dann eine neue Welt des Gegensätzlichen hervorgeht.

Heraklit von Ephesos starb um 460 v. Chr.

Weblink:

Heraklit - philosophische Grundgedanken - www.anderegg-web.ch


Samstag, 4. Januar 2020

Albert Camus 60. Todestag

Albert Camus


Albert Camus starb vor 60 Jahren am 4. Januar 1960 in Villeblevin / Yonne in Frankreich bei einem tragischen Autounfall auf dem Weg nach Paris. Er wollte mit dem Zug fahren, lies sich aber zur Autofahrt überreden und fand den Tod, als das Auto in Folge eines geplatzten Reifens verunglückte - die Bahnfahrkarte in der Tasche. »Die fröhliche Wissenschaft« wurde in der Mappe gefunden, die Albert Camus mit sich führte, als am 4. Januar 1960 Michel Gallimards Wagen bei geschätzten hundertfünfzig Stundenkilometern aus nie geklärten Gründen von der schnurgeraden Straße abkam und gegen einen Baum prallte.


Camus war ein bedeutender und einflußreicher französischer Schriftsteller und Philosoph des 20. Jahrhunderts. Albert Camus war ein unabhängiger, unbeirrbarer Geist, der weder Ideologien noch Intrigen oblag. Der Denker war einer der bekanntesten französischen Autoren und ein bedeutender Vertreter des Existentialismus.



Er sei kein Philosoph, betonte Albert Camus, er glaube nicht genug an die Vernunft, um an ein System zu glauben, »mich interessiert die Frage, wie man sich verhalten sollte«. - Der französische Schriftsteller und Philosoph beeinflusste nach 1945 als Schlüsselfigur des Existenzialismus maßgeblich die Entwicklung des geistigen Lebens in Europa. Camus gilt als unbestechlicher Intellektueller, der auch heute noch als einer der größten Denker des 20. Jahrhunderts gefeiert wird.

Nach dem Studium der Philosophie war Camus Schauspieler und Bühnenautor und gehörte während des Zweiten Weltkrieges der französischen Widerstandsbewegung an, der er 1942 beitrat. Im Zweiten Weltkrieg war Camus einer der Führer der französischen Résistance.

Der Fremde

Der Roman »Der Fremde« und der philosophische Essay »Der Mythos des Sisyphos« wurden 1942 veröffentlicht. Darin setzt sich Camus mit dem Sinnlosen und dem Absurden auseinander und erlangte erstmalig literarisches Ansehen. Camus wurde 1943 Mitbegründer der illegalen Zeitung "Combat". Ende 1943 arbeitete Camus als Lektor bei dem Verlag Gallimard und veröffentlichte den ersten "Brief an einen deutschen Freund".

Albert Camus-Werke
Der Fremde
Der Fremde
Die Pest
Die Pest
Der Fall
Der Fall
Der glückliche Tod
Der glück
liche Tod
Der erste Mensch
Der erste
Mensch
Der Mensch in der Revolte
Der Mensch in
der Revolte
Albert Camus
Er wurde früh sehr stark vom französischen Existenzialismus und von dem Philosophen Jean-Paul Satre geprägt, Bekanntschaft er 1944 machte. Der Existenzialismus entsprach einem Lebensgefühl, das von der Erfahrung des Zweiten Weltkriegs, des politischen Widerstands in der Résistance und des Zerfalls traditioneller Wertordnungen und Orientierungen geprägt ist. Es findet seinen Ausdruck in einer besonderen Sensibilität für die Absurdität der menschlichen Existenz, die für diese Generation von Philosophen charakteristisch ist.

Der Mensch in der Revolte

In den Nachkriegsjahren war er zusammen mit Jean-Paul Sartre - mit dem ihn kurze Zeit auch ein freundschaftliches Verhältnis verband - einer der Vordenker des Existentialismus. Sein bekanntestes philosophisches Werk aus dieser Zeit ist die Essay-Sammlung »Der Mensch in der Revolte« (1947-1951), die ihm neben viel Beifall auch vielerlei Polemik eintrug, nicht zuletzt die von Sartre, der ihm den Verrat linker Ideale vorwarf.

Sein literarisches Schaffen bewegt sich zwischen Dichtung und Essayistik auf der Grundlage einer Philosophie von der Sinnlosigkeit des menschlichen Daseins und vom Versagen des Gewissens. Den Existenzialismus deutete er in eine Philosophie von der Sinnlosigkeit des menschlichen Daseins.

Die Ausgangsposition von Camus atheistischer Weltanschauung lautet: Es gibt keinen Gott. Die Existenz des Menschen ist sinnlos. Was dem Einzelnen in dieser Situation bleibt, ist die Revolte. Die "permanente Revolte" sah er als Weg zur Überwindung des Absurden an. Der Mensch muss in der Lage sein, die Last der Sinnlosigkeit zu ertragen, Selbstverantwortung übernehmen und nach Glück streben. Nur so wird er Herr seines Schicksals und kann der die Absurdität des Lebens überwinden.

Camus prägende Erfahrung war der Zweite Weltkrieg und die Besetzung Frankreichs. Wer erkannt hat, was absurd ist, muss danach handeln und leben. Er entwickelte sein Denken aus den Erfahrungen des Krieges. Camus Philosophie ohne Gott ist der Versuch, dem Leben durch bewußte Anerkennung des Absurden einen Sinn zu geben. In seinen Werken schildert die Verantwortung des Menschen in einer absurden Welt, d.h. in einer Welt, in der der Mensch ohne Gott, sich selbst überlassen ist.

Camus Philosophie ist das, was Nietzsche aktiven Nihilismus nennt. Der Mensch weiß, daß das Leben sinnlos ist und versucht, dem Leben einen Sinn zu geben.

Nach Albert Camus lebt der Mensch - wie zur Zeit des Zweiten Weltkrieges - in einer absurden Welt, welche ihm kein lebenswertes Dasein ermöglicht. Da diese Welt immer stärker als das Individuum ist, hat der Mensch auch keine Chance sich gegen dieses Schicksal aufzulehnen. Das Absurde hat nur insofern einen Sinn, als man sich nicht mit ihm abfindet. Gegen die Absurdität des Lebens hilft nur die menschliche Solidarität.

Albert Camus wurde am 7. November 1913 in der Stadt Mondovi in Nordalgerien als Sohn ein es Landarbeiters geboren.

Blog-Artikel:

Albert Camus als »Vordenker des Absurden«

»Der Mythos von Sisyphos« von Albert Camus

»Der Mensch in der Revolte« von Albert Camus


Weblinks:

Albert Camus-Biografie - Biografien-Portal - www.die-biografien.de


Albert Camus-Zitate - Zitate-Portal - www.die-zitate.de


Jean-Paul Satre-Biografie - Biografien-Portal - www.die-biografien.de

Nackt in der Welt - 100. Geburtstag von Albert Camus - www.taz.de

Albert Camus: Die Welt, die Wüste, das Meer - www.tagesspiegel.de

Camus lebt - www.camus-lebt.de

Philosophisches Kopfkino - Was ist Existentialismus? - 3 Sat - www.3sat.de/specials

Samstag, 23. November 2019

Was ist Existenzialismus?


Der Existenzialismus entsprach einem Lebensgefühl, das von der Erfahrung des Zweiten Weltkriegs, des politischen Widerstands in der Résistance und des Zerfalls traditioneller Wertordnungen und Orientierungen geprägt ist. Es findet seinen Ausdruck in einer besonderen Sensibilität für die Absurdität der menschlichen Existenz, die für diese Generation von Philosophen charakteristisch ist. Sie entspringt dem Gegensatz zwischen dem selbstbewussten, von Hoffnungen erfüllten und in Handlungen sich entäußernden menschlichen Geist und der ihm gegenüberliegenden undurchdringlichen, immanenten Welt, an der sein Streben immer wieder scheitert. Diese Absurditätserfahrung wirft die Frage nach Sinn und Wert des menschlichen Lebens auf.

Existenzialismus ist eine Geistes- und Lebenshaltung auf der Frage nach dem Sinn des Lebens, wobei der Mensch an die Stelle von Gott getreten ist. Der Begriff des Existentialismus ist als Bezeichnung für eine allgemeine Geisteshaltung im Gebrauch, die den Menschen als Existenz im Sinne der Existenzphilosophie auffasst. („Der Mensch ist seine Existenz.“)

Das Staunen vor dem Dasein - des eigenen und dem der anderen - und der Versuch, ohne Transzendentallehre oder sonst was Esoterisches auszukommen und die Welt von ihrer (geringen) Relevanz zu überzeugen.

Nach Sartre ist Existenzialismus eigentlich nichts anderes als das Eingeständnis und der Versuch einer konsequent atheistischen Einstellung. Der Atheismus erschöpft sich aber nicht darin, aufzuzeigen, dass Gott nicht existieren kann.


Selbst wenn ein Gott oder eine Göttin bewiesen werden könnte - dann müsste der Mensch übrigens etwas anderes dahinter suchen - würde dies den Menschen nicht davon befreien, sich selber zu finden, d.h. zu definieren.

Der Mensch ist "zur Freiheit verurteilt", weil es keine göttliche Bestimmung mehr gibt, auf die er sich berufen oder zurückziehen kann. Es gibt auch keinen Gott anzuklagen, wenn es einem oder der Welt schlecht geht - das ist absurd.

Zuerst ist die nackte, bloße Existenz, und dann ist der Mensch aufgerufen, seinem Leben einen Sinn, eine Bestimmung zu geben, oder, wie Sartre in seinem Hauptwerk "Das Sein und das Nichts" formulierte: "Die Existenz geht der Essenz [Wesensbestimmung] voraus."


Philosophisch betrachtet erfährt der Mensch dabei folgende Rechtfertigung:

"Der Mensch ist für sich, sein Tun und Lassen selber verantwortlich. Es gibt oder braucht keine Rechtfertigung ausserhalb des Menschen. Deshalb ist der Existenzialismus ein Humanismus."

Eine der bekanntesten existentialistischen Äußerungen, die jedoch sinngemäß schon bei Schelling nachgewiesen werden kann, ist die Aussage Sartres „Die Existenz geht der Essenz (dem Wesen) voraus“ aus dem 1946 veröffentlichten Essay »Der Existentialismus ist ein Humanismus«.

Hier wird thematisch an die Wesens­bestimmung (Essenz) des Menschen in der Philosophie angeknüpft. Durch die Bestimmung des Menschen als biologisches Wesen, als Vernunft­wesen, als göttliches Wesen etc. erhält der Mensch vor seiner Existenz zunächst schon eine Bedeutung, eben biologisch, vernünftig, gottähnlich.

"Was ist das Sein?", ist Sartres Ausgangsfrage. Dem menschlichen Bewusstsein räumt er eine Sonderstellung über allem ein, was existiert: Nur das Bewusstsein ist "für sich", kann also über sich selbst, die Welt und alle Dinge darin (die bloß "an sich" sind) nachdenken. Die Steine, Pflanzen, Tiere usw. existieren grundlos und ohne jegliches Wissen über ihren Zustand. Auch der Mensch existiert grundlos - doch er weiß das. Das ist der Kern von Sartres atheistischer Philosophie. Es gibt keinen Gott und damit kein höheres Ziel des Lebens und der Existenz. Die Situation des Menschen nimmt sich nicht gerade erfreulich aus: Er ist in die sinnlose Welt geworfen, alles erscheint ihm "de trop", zu viel, unnötig und sinnlos, und letztlich ist er sogar dazu verurteilt, sich selbst zu wählen.

Neu waren Sartres Ansichten nicht. Schon Sören Kierkegaard machte die Angst als eine Grundbefindlichkeit des Menschen aus und auch Martin Heidegger stellte den Menschen als ein kontingentes Lebewesen dar, das sich der Angst geschickt zu verbergen gelernt hat, indem er sich an die Strukturen der Welt verliert. Auch sollte Heidegger mit seinem berühmten „Brief über den Humanismus“ sich indirekt wenige Jahre später auf Sartre und seine Ansichten beziehen. Faszinierend wird Sartres Konzept des Existentialismus auch weiterhin bleiben und auch die vielen Missverständnisse werden wohl weiterhin präsent bleiben, da sich der Universitätsbetrieb mittlerweile von den existentiellen Grundfragen weitestgehend verabschiedet hat.

Sartre wurde von Gegnern des Existentialismus immer wieder attackiert. Meist mit der Begründung, der Existentialismus sei eine menschenfeindliche Ideologie, eine Art abstoßender Nihilismus, vor dem die Menschen bewahrt werden müssten.

Der Existentialismus kritisiert diese der Existenz vorgängige Sinnbestimmung und setzt ihr die Existenz entgegen: Der Mensch ist als Mensch nicht zu erfassen, wenn nicht je von seiner eigenen individuellen Existenz ausgegangen wird.

Jede Wesensbestimmung enthält, so die Kritik durch den Existentialismus, immer schon einen Theorieaspekt, der sich nicht aus einer unmittelbaren Erfahrung der Existenz speist, sondern in der Existenz „nachrangig“ gebildet wird.

Einer, der nicht kämpft und der sich seinem Schicksal unterwirft - das schlimmste Verbrechen für den Existenzialisten Sartre.

Weblink:

Jean-Paul Sartre - www.jean-paul-sartre.de



Video:

Was ist Existenzialismus? - Youtube

Literatur:

Der Existentialismus ist ein Humanismus und andere philosophische Essays 1943 - 1948
Der Existentialismus ist ein Humanismus
von Jean-Paul Sartre

Samstag, 16. November 2019

Heidegger und der verlorene Bezug zum Sein

Heidegger hat in seinem Werk einen Bezug des Seins zur Moral hergestellt, doch als die Zeit wenig später aus den Fugen geriet, verfiel der Philosoph in das Existenzial des "Geworfenseins" und hatte außer Anpassung an die politischen Gegebenheiten keine existenziellen Lösungen parat.

Hier ist eine gewisse Lebensentfremdung seiner Philosophie festzustellen, denn sie lieferte keine Lösung für den Sinn von Sein in einer Diktatur - aber die Anpassung an die Zeit und ihre Gegebenheiten kann auch eine durchaus philosophische Lösung sein, wenn jemand nur an seiner eigenen Existenz interessiert ist.

Das Verhältnis seines Werkes zu seinem Verhalten während der Nazi-Zeit bemisst die Fallhöhe des Philosophen. Heidegger tat während der NS-Diktatur wohl seine Pflicht, aber er hat sich darin verheddert und zu einem moralischen Fall geworden.

Die Moral ist für ihn - ganz wie bei Nietzsche - überhaupt der Maßstab des "historischen Tiers". Dieses Tier wird für ihn vor allem durch die "englisch-amerikanische Welt" mit ihrer "mit Moral übermalten händlerischen Rechenhaftigkeit" vertreten, wobei er später deren Allianz mit dem "Weltjudentum" konstatiert, das "durch die aus Deutschland hinausgelassenen Emigranten" "aufgestachelt" worden sei.



Samstag, 26. Oktober 2019

Die Lebensphilosophie Friedrich Nietzsches

Friedrich Nietzsche

Nietzsche war eine auch musisch begabte Künstlernatur, ein sehr bewusster Künstler, der in seinem Leben dafür sorgte, daß für das Werk der notwendige Raum zur Verfügung stand - und bei ihm ging es darüber hinaus, eine Gelegenheit oder eine Räumlichkeit zu finden, um arbeiten zu können. Es war das Leben, das er für sein Werk zur Verfügung stellte. Leben und Werk durchdrang sich, deshalb können sie nicht voneinander getrennt werden.



 "Der praktische Philosoph, 
der Lehrer der Weisheit durch Lehre und Beispiel, 
ist der eigentliche Philosoph." Kant

Unter dem Schlagwort der »Lebensphilosophie« bildete sich eine philosophische Richtung, die sich gegen den aufklärerischen Rationalismus und die Erkenntnistheorie, sowie gleichzeitig gegen den deutschen Idealismus und Positivismus wendete. Insbesondere Schopenhauer, Dilthey und Nietzsche waren Vertreter dieser Philosophie, die das Irrationale, die Triebe und Emotionen des Menschen in den Mittelpunkt stellt.


Friedrich Nietzsche gilt mit seiner kritischen Kulturphilosophie als Vorläufer der Lebensphilosophie. Bereits in seinem Frühwerk »Die Geburt der Tragödie« stellte er das rationale Denken, das Appolinische, dem triebhaften Streben, dem Dionysischen, gegenüber. Rückblickend stellte er in der Götzendämmerung fest: „Das Jasagen zum Leben selbst noch in seinen fremdesten und härtesten Problemen; der Wille zum Leben im Opfer seiner höchsten Typen der eignen Unerschöpflichkeit frohwerdend – das nannte ich dionysisch, das errieth ich als die Brücke zur Psychologie des tragischen Dichters.“

Im ganzen Werk entwickelte Nietzsche Gedanken, die als Anregung für die Lebensphilosophie gelten. Hier zu nennen sind etwa der Titel seines Werkes »Menschliches, Allzumenschliches« oder die Betrachtung des Weltgeschehens als organische Struktur und die Konzepte des Willen zur Macht und der Ewigen Wiederkehr. Nietzsche wendete dabei Schopenhauers Konzept vom Willen als dem Willen zum Leben um in die Formel vom Willen zur Macht, der alles Leben beherrscht. Die Ewige Wiederkunft des Gleichen hängt nach Ansicht vieler Interpreten mit einigen anderen Gedanken Nietzsches zusammen. Vor allem die Verbindung zum Konzept des „Übermenschen“ ist in der neueren Nietzsche-Deutung herausgestellt und untersucht worden.

Friedrich Nietzsches Lebensphilosophie reißt das Leben heraus aus seiner deterministischen Zwangsjacke des späten 19. Jahrhunderts und gibt ihm seine eigentümliche Freiheit zurück. Es ist die Freiheit des Künstlers seinem Werk gegenüber.

Der Philosoph als Wegweiser? Es wäre schön, wenn immer alle Wege frei wären. So wie wir gerade Stürme in der Natur erlebt haben, so vergleichbar können auch die Stürme des Lebens sein .Wichtig bleibt jedoch für alle Menschen immer , die Freiheit mittels der Literatur und des Wortes ausdrücken zu dürfen.

Weblinks:

Friedrich Nietzsche-Biografie - Biografien-Portal - www.die-biografien.de

Biografie:

Nietzsche: Biographie seines Denkens
»Nietzsche: Biographie seines Denkens«
von Rüdiger Safranski

Werke:

Also sprach Zarathustra
Also sprach Zarathustra
von Friedrich Nietzsche

Ecce Homo, Sonderausgabe
Ecce Homo - Sonderausgabe


Friedrich Nietzsche-Biografie - Biografien-Portal - www.die-biografien.de

Samstag, 19. Oktober 2019

Nietzsche - ein Philosoph der Moderne

Friedrich Nietzsche

Friedrich Nietzsche gilt als einer der dunklen, aber neuzeitlich-fortschrittlichen Philosophen. Er sticht durch seine poetische Sprachkraft hervor und beeindruckt durch die Macht seiner Paradoxien. Seine Arbeit ist aufklärerisch, positivistisch und vor allem psychologisch.

Nietzsche war ein Philosoph der Moderne, denn sein Denken, das über die damalige Philosophie hinausging,  hatte bereits vielfach bereits sehr moderne Züge. Er gilt als der Wegbereiter des Existenzialismus. Als Verkünder der ästethischen Daseinsform übte Nietzsche von Anfang an großen kulturellen Einfluss aus.


Nietzsche kritisierte, dass sich die bisherige Philosophie – „ein Paar Skeptiker“ ausgenommen – der Moral unterworfen und sich deren Begründung statt Untersuchung und Kritik verschrieben habe. Er lobt dagegen die Methodik der Wissenschaft, die den Menschen unter die Tiere zurückgestellt habe und so erst anfange, ihn zu begreifen. Umgekehrt die ganze Natur und den Menschen von einer Gottheit, einem „Willen“ oder einem „Geist“ her verstehen zu wollen (wie Schopenhauer und Hegel) sei ein Irrweg.

Nietzsches Denken ist ein Denken, das existentiell ist, weil es um die Gestaltung des eigenen Lebens geht, das experimentell ist, weil darin die ganze Erkenntnis- und Moraltradition auf den Prüfstand gestellt wird, und das exemplarisch ist in seinen Antworten auf das Problem des Nihilismus.


Nietzsches Bedeutung war eine Leitfigur moderner Lebensphilosophie, Kulturdiagnose und Anthropologie. Nietzsches Kritik an der philosophischen Tradition, sein Konzept der Umwertung, seine Psychologie, sein Geschichtsdenken, seine Beziehung zu Darwin, Schopenhauer, Wagner und Heidegger, seine Lyrik sowie die Charakteristika seines Stils gehören zum breitgefächerten Themenspektrum.

Was als modernen Denker auszeichnet, ist seine Radikalität im Denken. In mehreren seiner letzten Werke philosophierte Nietzsche buchstäblich „mit dem Hammer“ und er wollte alte Werte „umwerten“. Unter Rückgriff auf einige seiner früheren Schriften bündelte er seine Kritik am Christentum, der er eine bisher nicht gekannte Schärfe gab.

Er war ein Philosoph des Perspektivismus. Perspektivismus und Perspektivität bezeichnen philosophische Lehren, die besagen, dass die Wirklichkeit von Standpunkt und Eigenschaften des betrachtenden Individuums abhängig ist. Das menschliche Denken, Erkennen und Handeln ist endlich, da es vielfältigen Einschränkungen unterliegt, die aus den Bedingungen von Zeit und Raum, individuellen Veranlagungen, Umgebung und Situation resultieren - beispielsweise kultureller oder gesellschaftlicher Natur sind.


Literatur:

t
Nietzsche als Philosoph der Moderne
von Barbara Neymeyr, Andreas Urs Sommer



Samstag, 12. Oktober 2019

Karl Marx - der revolutionäre Denker


Karl Marx gilt auch heute noch als einer der wichtigsten und einflußreichsten Denker aller Zeiten.

Hegels Lehre hatte grossen Einfluss auf die Philosophie und Geistesgeschichte des 19. Jahrhunderts, insbes. auf Karl Marx.

Er stellte die idealistische - im Sinne von Platon - Philosophie Hegles vom Kopf "auf die Füße". Er übernahm Hegels Erkenntnismethode und die Ansicht, daß die Geschichte mit ihrem Elend einem dynamischemn Prinzip gehorche, sich nach dem Gesetz des Widerspruches entwickle, sich also dialektisch auf ein bestimmtes Ziel zubewege.

Ein wesentliches Anliegen von Marx und Engels war, den Sozialismus von der Utopie zur Wissenschaft zu erheben, damit er nicht bloß geglaubt oder ersehnt werden muss, sondern rational begründet werden kann. Auch seine historisch-materiellen Voraussetzungen sollten benannt werden können. Kurz: Eine Reflexion der Methode wissenschaftlicher Forschung und Darstellung war nötig.

Marx bezeichnet seine Methode als «dialektisch »und stellt sich damit bewusst in die Tradition der Hegelschen Philosophie. An ihrem Kern hält er fest, kritisiert aber ihre mystifizierte Form. Laut Marx ist die Dialektik «dem Bürgertum [...] ein Gräuel, weil sie in dem positiven Verständnis des Bestehenden zugleich auch das Verständnis [...] seines notwendigen Untergangs einschließt, jede gewordene Form [...] auch nach ihrer vergänglichen Seite auffasst, sich durch nichts imponieren lässt, ihrem Wesen nach kritisch und revolutionär ist.« (MEW: 23, 28)


Marx vertritt die Ansicht, dass alle Ideen, Vorstellungen und Gedanken aus einer gesellschaftlichen Realität und den dort herrschenden Machtverhältnissen kommen und diese resultieren letztendlich aus den jeweils historisch-geographischen Produktionsverhältnissen und materiellen Gegebenheiten.

Kapital lesen 2016

Das Kapital-Werke:

Das Kapital
Das Kapital
von Karl Marx

http://www.rosalux.de/documentation/46230/marx-und-die-hegelsche-dialektik.html Marx und die Hegelsche Dialektik

Samstag, 5. Oktober 2019

»Die Welt als Wille und Vorstellung« von Arthur Schopenhauer vor 200 Jahren veröffentlicht

Die Welt als Wille und Vorstellung
Die Welt als Wille und Vorstellung

»Die Welt als Wille und Vorstellung«, so lautet eine Schrift - ein schrecklich-schönes - oder wie Nietzsche sagte: "entsetzlich großartiges Buch" - von Arthur Schopenhauer zur geistigen Erhellung, welches vor 200 Jahren im Jahr 1819 im Brockhaus-Verlag in Leipzig erschienen ist.

Ein Werk, welches Nietzsche überaus begeisterte, kann also so schlecht nicht gewesen sein, obwohl es kommerziell zu einem Ladenhüter wurde. Es ist zugleich die Überwindung der Lehre Kants und die Begründung einer eigenen Philosophie in Anlehnung an die Gedanken Kants.

In seinem Lebenswerk »Die Welt als Wille und Vorstellung« wird als Ursprung allen menschlichen Seins der im Körper ruhende Wille genannt. Er folgt dem Wollen - Verstand und Vernunft verfügen über rein dienende Funktion. Für Schopenhauer ist der Wille ist das bestimmende Prinzip des Lebens und das Leben ist dem Willen unterworfen.

Schopenhauers Ausführungen über die Freiheit unserer Willensentscheidungen heben auf die Kausalität ab, d.h. das Verhalten oder Handeln folgt einer vorgelagerten Wahrnehmung.

Das formierende Prinzip aller Erscheinung heißt bei Schopenhauer bekanntlich "Wille", wobei die Begriffswahl vielleicht etwas unglücklich war. Mit Bewusstheit, wie etwa bei Kant, hat der Wille als blindes Prinzip bei Schopenhauer nichts zu tun.

Tatsächlich kann man, so wenig originell diese Lesart auch sein mag, die Schopenhauersche Philosophie, deren Epistemologie ja ihrem Selbstverständnis nach weitgehend Kantischen Ansätzen verpflichtet ist, als Destruktion der Kantischen Moralphilosophie, als Destruktion des Kantischen Moralsubjekts lesen.

»Es ist wirklich unglaublich, wie nichtssagend und bedeutungsleer, von außen gesehn, und wie dumpf und besinnungslos, von innen empfunden, das Leben der allermeisten Menschen dahinfließt. Es ist ein mattes Sehnen und Quälen, ein träumerisches Taumeln durch die vier Lebensalter hindurch zum Tode, unter Begleitung einer Reihe trivialer Gedanken.«

Arthur Schopenhauer (1788 - 1860), deutscher Philosoph

Nun sind bei Kant theoretisches und praktisches Subjekt aber letztlich identisch, jenes "Ich denke", welches alle meine Vorstellungen muss begleiten können, markiert eben jenes Subjekt, welches zugleich zur Selbstgesetzgebung in der Lage sei.

Genau diese Einheit bricht Schopenhauer auf. Erst in der Erkenntnis der Nichtigkeit dieser Einheit stellt sie sich, sozusagen ironisch gebrochen, bei Schopenhauer wieder her. Dass Schopenhauer dem moralischen Grundsatz - Verletze niemanden, sondern hilf vielmehr, wo du kannst - dann ganz konsequent eine zwar nicht grund-, aber begründungslose Geltung verschafft, halte ich für eine der großartigsten Passagen in seinem Werk.


Literatur:

Die Welt als Wille und Vorstellung
Die Welt als Wille und Vorstellung
von Arthur Schopenhauer

»Die Welt als Wille und Vorstellung«

Samstag, 22. Juni 2019

Michel Serres - einer der originellsten Denker unserer Zeit


Der französische Philosoph Michel Serres galt als ein ganz großer Denker. Er war ein gelernter Seemann, ein wandernder Linkshänder, ein Informationstheoretiker, vor allem aber: einer der originellsten Denker unserer Zeit. Immer in Bewegung, bedeutete Philosophie für ihn vor allem die Kunst, sich im eigenen Leben zu orientieren.

Serres war ein französischer Mathematiker und ein visionärer Philosoph: Die Grenzen zwischen Geistes- und Naturwissenschaften aufheben, um die Menschheit vor dem globalen Inferno zu bewahren.

Für Michel Serres geht der entscheidende Impuls des Denkens von der Ahnung aus, dass immer mehr als ein Weg, mehr als eine Beschreibung, mehr als eine Methode zum eigentlichen Ziel des Philosophierens führen kann. Dieses lautet: Zu wissen, wo man als Mensch steht und also auch, was von einem gegebenen Punkt der kulturellen Entwicklung aus möglich ist.

Serres’ Denken umspannt Systemtheorie und Semiotik ebenso wie Wissenschaftsgeschichte und Ökologie. Kein Wunder, dass er sein Hauptwerk nach Hermes benannt hat, dem Gott des Verstehens, der Reisenden und auch Wegelagerer. Von diesem begnadeten Fährtenleser lassen sich neue Wege ins Freie zeigen.

Denken heißt für Serres, sich auf die Wissenschaften und die Beobachtung zu stützen, doch es heißt auch, dass man es schafft, sich von ihnen zu lösen, einen Schritt beiseitezutreten.

Kennzeichen dieses Abstandnehmens ist die Distanz, die das Denken von der Erkenntnis trennt. Man muss immer von neuen Erkenntnissen ausgehen, doch aus dem Abstand, den man zu jenen Erkenntnissen einzunehmen vermag, geht das Denken hervor. Genau das ist Philosophie.

Dienstag, 18. Juni 2019

Jürgen Habermas 90. Geburtstag

Jürgen Habermas

Jürgen Habermas wurde vor 90 Jahren am 18. Juni 1929 in Düsseldorf geboren. Jürgen Habermas ist ein deutscher Philosoph und Soziologe. Er zählt zur zweiten Generation der Frankfurter Schule und war zuletzt Professor für Philosophie an der Universität Frankfurt am Main. Habermas ist einer der weltweit meistrezipierten Philosophen und Soziologen der Gegenwart.

Habermas, theoriebewährt, systembildend und diskursgestählt, gilt als Vertreter der »Kritischen Theorie«, eine von Hegel, Marx und Freud inspirierte Gesellschaftstheorie, deren Vertreter auch unter dem Begriff »Frankfurter Schule« zusammengefasst werden. Er war ein Schüler von Horkheimer und Adorno, dessen Wirken ausschließlich in die Nachkriegsperiode fällt. Er verknüpft so unterschiedliche philosophische Positionen wie den Marxismus und den amerikanischen Pragmatismus zu einem Theoriegebäude, das weltweit diskutiert wird.

Von 1949 bis 1954 studierte er in Göttingen, Zürich und Bonn die Fächer Philosophie, Geschichte, Psychologie, Deutsche Literatur und Ökonomie. Er lehrte unter anderem an den Universitäten Heidelberg und Frankfurt am Main sowie der University of California in Berkeley und war Direktor des Max-Planck-Instituts zur Erforschung der Lebensbedingungen der wissenschaftlich-technischen Welt in Starnberg.

Ein Stipendium brachte Habermas 1956 nach Frankfurt ans Institut für Sozialforschung. In der Zeit als Forschungsassistent bei Max Horkheimer und Theodor W. Adorno machte er sich mit den (zum Teil unter Verschluss gehaltenen) Schriften seiner beiden Direktoren und anderer Vertreter der Kritischen Theorie aus der Vorkriegszeit vertraut. Im Jahr 1964 wurde Habermas auf Horkheimers Lehrstuhl für Philosophie und Soziologie an der Universität Frankfurt berufen.

»Wo die utopischen Oasen austrocknen, breitet sich eine Wüste von Banalität und Ratlosigkeit aus.«
Jürgen Habermas


Er erlebte noch den Nationalsozialismus, befreite die "Dialektik der Aufklärung" von ihrer resignativen Perspektive und wurde zum Projektleiter der Moderne. Habermas verknüpft so unterschiedliche philosophische Positionen wie den Marxismus und den amerikanischen Pragmatismus zu einem Theoriegebäude, das weltweit diskutiert wird. Habermas legt großen Wert auf den Nachweis, in seiner Synthese von Erkenntnis- und Gesellschaftstheorie die nachgerade zwangsläufige Konsequenz aus all dem gezogen zu haben, womit die „wissenschaftliche Tradition“ von Plato bis Kant, von Schelling bis Peirce und von Gadamer bis zum Materialismus von Marx sich – letztlich erfolglos – herumgeschlagen hat. In der philosophischen Fachwelt wurde er bekannt durch Arbeiten zur Sozialphilosophie mit diskurs-, handlungs- und rationalitätstheoretischen Beiträgen, mit denen er die Kritische Theorie auf einer neuen Basis weiterführte.



Nach der dekonstruktiven Kritik der "alten" Frankfurter trat Habermas an, um trotz ihrer destruktiven Dialektik eine Basis für das Aufklärungsprojekt zu finden, es nach seinem Scheitern wiederherzustellen - eine Trümmerfrau der deutschen Philosophie gewissermaßen. Er fordert eine Ethik, die sich aus dem Diskurs ergibt.

Ausgehend von seinen Überlegungen zur Universalpragmatik entwirft Habermas ab Beginn der 1980er Jahre im Dialog mit Karl-Otto Apel seine eigene Variante einer Diskursethik. Habermas stellt sie explizit in die Tradition der Kantischen Ethik, die er jedoch gleichzeitig mit kommunikationstheoretischen Mitteln neu formulieren und ihre metaphysischen Elemente „detranszendentalisieren“ will.

Habermas ist der herausragende Denker des Nachkriegsdeutschland. Bezugspunkt seines Denkens sind nicht Länder oder Regionen, sondern die Verfassung. Habermas ist ein Verfassungspatriot. Nach dem Mauerfall von 1989 widmete sich Habermas verstärkt rechts- und staatsphilosophischen Themen. Im Jahre 1992 erschien sein Werk »Faktizität und Geltung«, das nach seiner »Theorie des kommunikativen Handelns« als sein wichtigstes Werk gilt. Es stellt „die erste ausgearbeitete Rechtsphilosophie aus dem Umkreis der Kritischen Theorie der Frankfurter Schule“ dar. Er stellt die Frage, wie aus dem Diskurs heraus, Demokratie und Rechtsstaat geformt werden können.

Während Habermas die europäische Integration anfangs als eine primär ökonomische Veranstaltung zur Liberalisierung des Handels verstand, zeigte er sich im Laufe der 1980er Jahre als ein überzeugter Europäer und begleitete die Entwicklung in der Europäischen Union mit politisch engagierten Stellungnahmen, deren wichtigste und neueste in seiner jüngsten Publikation »Zur Verfassung Europas« (2011) zusammengefasst sind. Darin begreift er die EU als ein „höherstufiges politisches Gemeinwesen“, als einen „entscheidenden Schritt auf dem Weg zu einer politisch verfassten Weltgesellschaft“. Habermas engagiert sich immer wieder für einen gemeinsamen europäischen Weg.

Jürgen Habermas erhielt zahlreiche Ehrendoktorwürden und Preise, darunter den Friedenspreis des Deutschen Buchhandels (2001) und den Kyoto-Preis (2004).

Weblinks:

Das Lebenswerk des Jürgen Habermas - Wissenschaftskritik - www.wissenschaftskritik.de

Jürgen Habermas - www.famousphilosophers.org


Literatur:

Jürgen Habermas: Eine Biographie
Jürgen Habermas: Eine Biographie
von Stefan Müller-Doohm