Samstag, 20. Juni 2020

»Die Gedanken« von Blaise Pascal

Blaise Pascal

Acht Jahre nach seinem Tod erschienen Pascals Aufzeichnungen erstmals in einer Buchausgabe. Sie wurden erstmals 1670 unter dem Titel »Pensées sur la religion et autres sujets« von Freunden Pascals auszugsweise und unter Herstellung einer vermeintlich sinnvollen Ordnung veröffentlicht.

»Die Gedanken« (»Les Pensées«) sind ein Werk von Blaise Pascal (1623–1663) und einer der meistgelesenen philosophischen bzw. theologischen Texte der europäischen Geistesgeschichte. Seine »Gedanken« gelten den großen Fragen der Menschheit und sind eindrückliche Zeugnisse eines tief im Glauben wurzelnden Geistes.

Der geniale französische Physiker und Mathematiker arbeitete während seiner letzten Lebensjahre an einer Schrift zum Christentum, die jedoch unvollendet blieb. Es handelt sich bei den »Gedanken« um kein geschlossenes, fertiges Werk, sondern um eine von Ausgabe zu Ausgabe divergierende Zusammenstellung von Notizen aus dem Nachlass des Autors.

Die Notizen entstanden ab ca. 1657 und dienten der Vorbereitung eines Werkes zum Lob und zur Rechtfertigung des christlichen Glaubens aus der Sicht eines Jansenisten.

Tropfen Liebe



Drei Gründe sind es, warum Pascal für uns heute noch ungemein anregend ist. Erstens stellt er sich sehr intensiv den Ungeheuerlichkeiten menschlicher Existenz, seiner Schwäche und seiner Endlichkeit, ohne zu vergessen, dass dem Menschen auch eine unendlich großen Würde innewohnt. Zweitens wendet er sich radikal nach innen als dem einzigen Ort, wo Wahrheit zu finden ist. Damit wird er zugleich zum scharfzüngigen Kritiker der modernen Gesellschaft. Und drittens setzt er sich mit seiner Gotteserfahrung auseinander. Und darin wird er zum ersten Kritiker des blinden Vertrauens in die Leistungen des Verstandes.

Denn es gibt da etwas vor allem Verstand in uns, das unser Leben bestimmt und sicher leitet. Pascal nennt es das Herz. Es ist der Sitz für all das, was wir als für unser Leben gesichert annehmen, ohne es rational begründen zu können, es ist unsere grundsätzliche Lebensorientierung, unsere Intuition, es sind innere, unmittelbare, nicht beweisbare Erkenntnisse, die die persönliche Lebensführung bestimmen. Es ist auch unser moralisches Gewissen, unsere Glücksdisposition und schließlich unsere Empfänglichkeit für die Gotteserfahrung. Das Herz ist die - die menschliche Existenz umgreifende - Grunddisposition, das Ganze eines Menschen und die einen Menschen tragende und durchs Leben führende Substanz.

Das Herz, und nicht der Verstand, ist auch Sitz der Gotteserfahrung. Das Herz hat seine Gründe, von denen der Verstand nichts weiß. Nur im Herzen kann die Wahrheit und Gott auf einen Blick gesehen werden und ist eine Gottesliebe möglich, in der der Mensch das Sein und sich selbst auf natürliche Weise liebt. Pascals Nähe zur Mystik ist offensichtlich.

Es gibt also neben der Ratio ein Vermögen, das Pascal auch manchmal Einbildung nennt, das Menschen von innen heraus überzeugt - eine zweite Natur, die über uns verfügt. Dieses Vermögen lenkt den Verstand als vorgängige Lebenskraft. Menschenbildung bedeutet daher in erster Linie Bildung des Geistes, des Herzens und der Empfindung. Wie ein Samenkorn in gutes Erdreich getan, gute Frucht bringt, so bringt ein Grundsatz in einem guten Geist verankert reichlich gute Frucht.

Pascal steht in der Tradition derjenigen, für die das Wahre nur in einem Selbst zu finden ist. Nur in der Selbsterkenntnis kann ich das Wahre finden, oder zumindest das eigene Leben in geordnete Bahnen lenken. Zur weisen Lebensführung gehört die Selbsterkenntnis. Aber woran liegt es, dass wir an keiner Stunde des Tages über uns nachdenken wollen, und uns lieber mit allem möglichen Äußerlichkeiten herumtreiben?

Ein weiterer Schwerpunkt Pascals ist seine Kritik an dem äußerlichen Menschen. So entlarvt er schonungslos die menschliche Geschäftigkeit als Zerstreuung, die keinen anderen Zweck hat als die Ablenkung von einer radikalen Besinnung auf sich selbst. Er hat bereits erkannt, dass wir uns lieber zu Tode amüsieren als das wir uns mit uns selbst beschäftigen. Und die Neugier erkennt Pascal als eitles Treiben: man will nur wissen, um darüber reden zu können. Und wer denkt nicht an die heutige Situation, wenn Pascal beschreibt, wie schnell es den Menschen vor Langeweile in äußere Aktivitäten treibt. Wir hassen die Ruhe und lieben die Sensation, das Abenteuer, den Lärm und das Getümmel.

In seinen Notizen setzt sich Pascal auch den Grunderfahrung menschlichen Seins aus: etwa seiner Endlichkeit, Ungesichertheit, Widersprüchlichkeit und seinem schicksalhaften Ausgesetztsein. In vielem nimmt er den Existenzialismus vorweg. Wenn ich, so schreibt er, die kurze Dauer meines Lebens betrachte, das von der Ewigkeit davor und danach aufgesogen wird, gerate ich in Schrecken und Erstaunen, dass ich gerade hier und jetzt lebe. Wer hat mich hierhin gestellt?

Pascal ist heute - in einer Situation, in der wir die Nachteile und Gefahren der modernen wissenschaftlich geprägten, materialistischen und konsumorientieren Lebensweise kennen lernen - vielleicht mehr denn je wichtig als Gegenentwurf. Freilich deutet er vieles nur an. Wer sich einmal daran machen wird, denkend einen neuen Weg aufzuzeigen, wird aber wahrscheinlich an Pascal nicht ganz vorbei gehen können.

Literatur:

Gedanken
Gedanken
von Blaise Pascal

Spinoza und die wiederwachende Lebenslust








Baruch de Spinoza


Es gibt ein Leben nach der Krise! - Die Lockerungen in der Corona-Krise läßt die Menschen aufatmen und neuen Lebensmut schöpfen. Es ist ein schöner Moment nach einer Krise, wenn das Leben und die Lebenslust wieder erwacht. Nach Wochen der Einschränkungen überwiegt die Freude an der neuen Freiheit und es kommen auch wieder menschliche Grundzüge ans Licht, ein Gefühl welches auch Baruch Spinoza (1632-1677) unter dem Gesichtspunkt von Vernunft und Lebenslust philosophisch betrachtet hat.

„Freude ist ein Übergang des Menschen von einer geringeren zu einer größeren Vollkommenheit.“ Aufbauend auf dieser Grundüberzeugung revolutionierte Baruch de Spinoza das Denken seiner Zeit durch das Sich-leiten-lassen des Menschen durch die Vernunft. Der Amsterdamer Philosoph entwarf ein Bild der menschlichen Existenz, in dem eine vernunftgeleitete Maximierung der Lebenslust das eigentliche Erkenntnisziel darstellte. Für Spinozas Philosophie prägend ist der Dreiklang von Steigerung der Selbsterkenntnis, Welterkenntnis und einer gesteigerten Lebensqualität.

Bei Spinoza musste es auch gleich die Maximierung der Lebenslust sein, die Optimierung wäre sicherlich besser gewesen, denn die Lebenslust ist nicht von Dauer und auch nicht so beschaffen, daß die fortwährend maximiert werden könnte.

Eitel und gierig sei der Mensch, nur auf seinen eigenen Vorteil aus. Er vergesse über dem Genuss der Lust das Gemeinwohl, die Arbeit, das aus Vernunft Notwendige.

Baruch Spinoza
So wie ein Astronom geometrisch bestimmen kann, wann die Sonne am höchsten stehen oder sich verfinstern wird, ob und wenn ja, wann ein Meteorit einschlägt, ebenso wollte Spinoza geometrisch über Unfreiheit und Freiheit, das gelingende und misslingende Leben, über Schmerz, Trübsal, Lust und Liebe nachdenken.

Das Empfinden von Lust ist für den Hedonisten Spinoza gut. Denn gut ist, was uns nützt, uns erhält, unser Tätigkeitsvermögen steigert. Doch um uns dem auszusetzen, was für uns gut ist, müssen wir wissen, was für Individuen wir sind. Und wir müssen wissen, was in der Welt unser Tätigkeitsvermögen steigert. Selbsterkenntnis und Welterkenntnis können unsere Lust steigern. Überhaupt sind wir, wenn wir erkennen, tätig, und wenn wir dabei Neues herausbekommen, steigern wir unsere Selbsterhaltungsfähigkeiten und empfinden Lust. Diese Tatsache in einer epidemischen Krise zu erkennen und sich zu vergegenwärtigen, kann für Menschen sogar geradezu überlebenswichtig sein.



Weblinks:

Baruch de Spinoza-Biografie - Biografien-Portal - www.die-biografien.de

Baruch de Spinoza-Zitate - Zitate-Portal - www.die-zitate.de

Samstag, 13. Juni 2020

Wie wird sich die Gesellschaft durch die Corona-Krise verändern?

Die Welt aus dem All gesehen


»Das Sein bestimmt das Bewußtsein«, hat Karl Marx gesagt. Die Krise wird das Leben verändern, doch wie wird sich das Bewußtsein verändern? Gibt es nach der Krise eine bessere Gesellschaft, welche aus der Krise etwas gelernt hat?

Die Pandemie verändert die Sicht des Bürgers auf den Staat. Der Staat als „allumfassender Helfer“ hat ausgedient. Ohne den Goodwill der Bürger ist die Corona-Pandemie nicht auf Dauer beherrschbar. Die Verweigerung der Maskenpflicht hat subversiven Charakter. Die Pandemie offenbarte die Hilflosigkeit der Behörden und der staatlichen Akteure. Einerseits wird versucht „hoheitliche“ Aufgaben wahrzunehmen, andererseits erfährt der Bürger das er sich telefonisch auf dem Amt mit seinem Anliegen anmelden muss.

Dies wird wohl nicht ohne Folgen für die (Zivil-)Gesellschaft bleiben.

Die sozialen und gesellschaftlichen Gegensätze werden sich durch Corona verschärfen. Karl Marx hätte in der Corona-Krise attestiert, daß sich die gesellschaftlichen Gegensätze verschärfen werden - allerdings ohne das daraus eine rervolutionäre Situation entstehen könnte, denn es fehlt an politischen Bewußtsein zur Veränderung einer Gesellschaft. Bessergestellte werden sich Lebensbedingungen verschaffen, welche die Gefahr von Corona erträglich machen.


Hegels Geist strebt nach Freiheit und Selbsterkenntnis. Um dieses Ziel zu erreichen, muss er sich notwendigerweise verkörpern. Der Geist braucht die Welt genauso, wie wir als denkende Wesen auf einen Körper angewiesen sind – wir schweben ja auch nicht einfach als Geister durch die Luft.



Das klingt zunächst, als sei der Geist nichts anderes als ein Schöpfergott. Aber Hegels Geist entwirft die Welt nicht einfach von außen, vielmehr schafft er die Bedingungen seiner eigenen
Existenz: Der Geist setzt sich selbst. Aber indem er sich in der Welt verkörpert, setzt er sich auch selbst in einen Widerspruch. Existieren kann er nur, wenn er diesen Widerspruch über windet.
Das ist die Kernidee von Hegels berühmter »Dialektik«.


Für Marx ist das Privateigentum und seine ungerechte Verteilung der Grund für die Herausbildung gesellschaftlicher Gegensätze und Ausbreitung von Elend, die Ausdruck der Herrschaft der herrschenden Klasse sidn und sich so verschärfen, daß die Klassengegensätze nur durch eine vom Proletariat durchzuführenden Revolution überwunden werden können.

Das Defizit pro Jahr wird insgesamt deutlich hoeher ausfallen als 81 Milliarden Euro. Denn es sind ja nicht nur Einnahmeausfaelle zu beklagen, sondern auch die Ausgaben steigen drastisch. Ich rechne insgesamt mit einem Defizit von 160-180 Milliarden Euro. Gut, daß Deutschland in den vergangenen Jahren so fleißig gespart und sogar Schulden abgebaut hat. Denn diese Krise wird finanziell ganz gewaltig zuschlagen!

Entscheidend ist, was aus einer Krise resultieren und hervorgebracht werden wird. - Wird am Ende der Krise die Gesellschaft noch die gleiche sein oder wird es eine andere geben? - Wenn Karl Marx recht hatte, dann wird die Kraft der Reproduktion, welcher der Bürgerlichen Gesellschaft immanent ist, die alten Verhältnisse wiederherstellen und Corona lediglich als häßliche Narbe hinterlassen.

Durch Corona hat das Land unfreiwillig ein gutes Stück Weg zum Klimaschutz zurückgelegt. Massive Einsparung von fossilen Energien, bei gleichzeitigen Verlust von Hunderttausenden Arbeitsplätzen. Wenn die Regierung nun noch Wege findet, die Löcher in den öffentlichen Haushalten zu stopfen, den sozialen Frieden zu sichern und den Wohlfahrtsstaat am Leben erhalten, hat sie ganz nebenbei auch die Klimaziele erreicht.

Die Pandemie ist ein Brennspiegel der Probleme, welche die Gesellschaft in sich trägt und die durch die Krise offen an das Tageslicht gekommen sind.

Nur weil zufällig eine Pandemie ausgebrochen ist, sind doch die Probleme, welche die Gesellschaft vorher hatte, nicht verschwunden. Weder die Klimaveränderung noch die ungerechte Verteilung von Vermögen, um nur zwei Beispiele zu nennen. Es mag ja sein, dass wir kurzfristig andere Probleme haben, aber ein Verhalten wie bei kleinen Kindern, die die Hand vor Augen halten und dann glauben, es sähe sie niemand, ist doch bei vernunftbegabten Erwachsenen eher unangemessen.

Natürlich hat es kurzfristig Auswirkungen, wenn kaum noch ein Flugzeug fliegt und die Produktion zurückgefahren wird, aber das wird sich wieder ändern. Und dann brauchen wir ein Konzept, wie wir die schädlichen Auswirkungen auf Umwelt und Klima möglichst gering halten.

Durch Corona haben wir ein gutes Stück Weg zum Klimaschutz zurückgelegt. Massive Einsparung von Fossilen Energien, bei gleichzeitigen Verlust von Hunderttausenden Arbeitsplätzen. Wenn wir nun noch Wege finden die Löcher in den öffentlichen Haushalten zu stopfen, den sozialen Frieden zu sichern und den Wohlfahrtsstaat am Leben erhalten, haben wir die Klimaziele erreicht.

Der Klimaschutz kann nur dauerhaft von der Corona-Krise profitieren, wenn wir Menschen begreifen, dass wir unser Leben in vielerlei Hinsicht verändern müssen. Auch die rasend schnelle Verbreitung des Virus hängt ja von Voraussetzungen ab, die letztlich von uns Menschen geschaffen werden.

Die Formen des Reisens und das Reiseverhalten wird sich ändern. Viele finanziell Schwache werden sich gar keinen Urlaub mehr leisten können. Finanziell Bessergestellte werden sich Bedingungen schaffen, welches das Infektiosnreisiko mindern.

Die ganze Corona-Geschichte wird nur dann einen Sinn gehabt haben, wenn man sie mit dem verbindet, was sie abschließt und vollendet: den Staat, in dem die Menschen endlich wie Menschen leben können.

Jeder Bürger sollte sich dieser Gefahr und der eigenen Verantwortung bewusst sein, von sich aus alle inzwischen allgemein bekannten Möglichkeiten zu nutzen, um zu verhindern, dass es nicht zu einer neuen Ausbreitung der Pandemie kommen kann.

Samstag, 6. Juni 2020

»Das Prinzip Hoffnung« von Ernst Bloch








Ernst Bloch


Träume in der Hoffnung auf eine bessere Gesellschaft stehen in Krisenzeiten hoch im Kurs. Im Laufe der Geschichte sind vielerlei Arten von Zukunftsvisionen geträumt worden. Die bekannteste davon ist »Utopia« von Thomas Morus.

Das Noch-nicht-Sein wird auch im Werk von Ernst Bloch als Utopie beschrieben. In seinem Werk »Das Prinzip Hoffnung« geht es um das Denken, was ist und die Darstellung dessen, was in Zukunft sein soll.

»Das Prinzip Hoffnung« ist das philosophische Hauptwerk von Ernst Bloch und entstand in den Jahren 1938 bis 1947. Das Werk gilt als epochales philosophisches Werk des 20. Jahrhunderts.

Der Titel des Buches ist bereits Programm: In fünf Teilen wird der Begriff der Hoffnung klar definiert und sehr breitgefächert analysiert. »Die Sehnsucht scheint mir die einzige ehrliche Eigenschaft des Menschen.« Hoffnung soll in die Wirklichkeit umgesetzt werden. Bloch spricht deshalb von der Hoffnung als einer „konkreten Utopie“. Für Ernst Block hatte die Hoffnung eine besondere Grundschattierung des Lernens:


»Es gehört zum Wesen der Hoffnung, dass sie enttäuscht
werden kann, sonst wäre sie ja Zuversicht.«


»Es kommt darauf an, das Hoffen zu lernen.«

Ernst Bloch

Nun hier einige Ausführungen zur Erhellung der Grundgedanken von Ernst Bloch:

»Das Prinzip Hoffnung« handelt von Kunst, Literatur, Musik, von Religion und Sozialtheorien, der Technik und den Einzelwissenschaften sowie deren vorwissenschaftlichen Frühstadien. In philosophiegeschichtlicher Hinsicht bekennt sich Bloch zur Humanität des Marxismus.

Ernst Bloch


Ernst Blochs Opus magnum einer Seinslehre (Ontologie) des "Noch-nicht-Seins" enthält eine Menschheitsgeschichte, die von jeher für qualitativ Neues offen ist. Unter dem Titel »Der Traum vom besseren Leben« entstand »Das Prinzip Hoffnung« während der Emigration in den USA. Als Bloch mit seiner Schreibarbeit begann, war er 50 Jahre alt. Bloch ging von seinem Grundgedanken aus, den er bereits als Student hatte: von »Noch-Nicht -Bewußten« und »Noch-Nicht-Gewordenen«. Bloch meinte damit, daß die Menschen noch kein richtiges Bewußtsein von sich und der Welt haben. Ihr Bewußtsein ist noch im Werden, so wie die Welt noch nicht ist, was sie sein soll.


Im Gegensatz zur Bibel, welche die Welt als geschaffen und vollendet beschreibt, glaubt Bloch, daß die Schöpfung (Genesis) noch am Anfang steht. Sowohl die Menschen als auch die Welt sind noch gar nicht aus sich herausgekommen, sind noch nicht richtig geboren.

Ein Schwerpunkt der philosophischen Untersuchung Blochs war die Kategorie der Möglichkeit oder um mit Ernst Bloch zu sprechen: das "Noch-Nicht-Sein". Der Mensch ist »die reale Möglichkeit all dessen, was in der Geschichte aus ihm geworden ist und vor allem mit ungesperrtem Fortschritt noch werden kann«.

Die Möglichkeit ist der »Seinszustand der Welt«, dem Bloch eine enzyklopädische Gesamtschau von Indizien des Noch-nicht-Erschienenen widmet.

Auch in der Krise ist der Mensch dem "Noch-nicht-Sein" in besonderem Maße unterworfen, aber es ist natürlich eine Illusion, daß Krisen eine bessere Welt hervorbringen werden, denn dazu braucht schließlich auch noch Bewßsein, Mut, Tatkraft und natürlich den politischen Willen zur Veränderung. Die Krise wird bewältigt, wenn Vernunft auf Augenmaß trifft. Auch das Ende der Corona-Krise ist ein "Noch-Nicht-Sein" im Sinne von Ernst Bloch. Es kommt auch nach der Corona-Krise darauf an, wieder das Hoffen zu lernen. Vielleicht hat die Krise ja die Möglichkeit auf einen besseren »Seinszustand der Welt« geweckt.

Und noch etwas Trost zum Schluß: Wer in der Krise vom »Prinzip Hoffnung« lebt, wird nicht enttäuscht werden, denn die Hoffnung, daß Krisen eine bessere Welt, die für den selbstbewußten Philosophen Bloch »Heimat« war, hervorbringen, stirbt zuletzt.


Das Land der Verheißung heißt bei Karl Marx das »Paradies«, bei Ernst Bloch »Heimat«. Bloch hat nach einem Bild für seine Utopie gesucht und es in der Heimat gefunden. Heimat ist für Ernst Bloch nicht einfach die Gegend, aus der jemand her stammt. Das Wort sagt ihm eher das Gegenteil. Heimat ist »etwas, worin noch niemand war«. Sie muß in dieser Welt erst noch entstehen, von den Menschen erst noch begründet werden - so wie Karl Marx »kommunistisches Paradies«.

Literatur:

Das Prinzip Hoffnung
Das Prinzip Hoffnung
von Ernst Bloch


Weblinks:

Ernst-Biografie - www.die-biografien.de

Ernst Bloch -Zitate - www.die-zitate.de






Die Krise und das Verständnis von einem guten Leben (E)


Die Krise und das Verständnis von einem guten Leben

Corona musste kommen, damit sich unsere Gesellschaft neu formieren wird.
Vom wirtschaftlichen Desaster in den nächsten 5 - 10 Jahren ganz abgesehen, welches ihren Anteil an allen Veränderungen maßgeblich zeigen wird, werden sich viele Menschen enorm verändern!
Sicher nicht alle - aber je nach Kultur, Lebensform und Regierung gehe ich davon aus, dass sich nach einem langen mühsamen Weg Licht im Tunnel zeigen wird!

Angst und Bedrohungsszenarien funktionieren immer. Damit wird seit Jahren Politik gemacht. Wenn die Angst vor Corona schwindet, geht es weiter so wie davor. Auch in der Krise steht bei der Ellbogengesellschaft das eigene Wohlergehen an erster Stelle und deshalb werden die Maßnahmen auch weitgehend akzeptiert. Es wird keine großen Änderungen geben, außer das man für den Hass auf alles Fremde noch mehr Munition hat.

Schön wäre es ja, wenn die Leute daraus lernen würden, verantwortungsbewusster mit der Natur, der Welt und den Ressourcen umzugehen, aber ich bezweifle es. Ich fürchte, die Mehrheit wird viel zu schnell in ihr hirn- und rücksichtsloses Verhalten zurück fallen.

An den ganzen Menschen, deren größte Qual nun die irrsinnige Langeweile ist, merkt man gut, wie viele Menschen ein im Grunde sinnloses Leben führen und ihre Zeit mit Sinnlosigkeit vergeuden.

Alles muss Spaß machen, nichts darf jemals langweilig sein, Dauerkonsum und Dauersensation soll die Regel sein. Unser Belohnungszentrum muss permanent befriedigt werden, die Aufmerksamkeitsspanne verringert sich. Sich alleine zu Hause beschäftigen, in dem man ein sinnvolles Sachbuch liest: Unmöglich. Eine Sensation muss her.

Normalitäten und Lebensstile, Werthaltungen und Ansichten vieler Menschen im Laufe dieser Krise werden sich - mal mehr und mal weniger - sicher verändern.

Familie wird wieder wichtiger werden. Privateigentum wird wieder wichtiger werden. Jetzt lernen die Menschen: Familie ist der letzte Hafen von Loyalität/Solidarität und vor allem, daß nur Eigentum das Wahre ist.

In der Krise kann man sich auf Gemeinschaftsgüter öffentliche nicht verlassen. Das wird tief sitzen.

...


Ein gutes Leben

Auch wenn der vor der Krise herrschende Lebensstil derzeit stark eingeschränkt scheint, glaubt Hahn nicht daran, dass wir alle an diesen Punkt zurückkehren werden. Seiner Meinung nach werden sich "Normalitäten und Lebensstile vieler Menschen" im Laufe dieser Krise verändern: "Und so ist im Grunde gar nicht gesagt, dass sich in den kommenden Monaten unser Lebensstandard verschlechtert, weil sich unser Verständnis von einem guten Leben selbst zu transformieren beginnt. Viele machen derzeit eine geradezu läuternde Erfahrung von Nähe, Entschleunigung und Zwischenmenschlichkeit", so Hahn.

Die eigentliche Frage sei somit nicht, welchen Preis die Erhaltung der alten Normalität hat, "sondern wie wir eine neue Normalität mitgestalten können. Sollen wir sie nationalistischen und kompetitiven Kräften überlassen, oder gelingt es uns, in der Krise solidarische Praktiken der Achtsamkeit und Genügsamkeit zu pflegen? Dies ist der politische Konflikt, der sich derzeit anbahnt – und für den die Krise ein aufregendes Möglichkeitsfenster öffnet.

Weil sich unser Verständnis von einem guten Leben selbst zu transformieren beginnt. Viele machen derzeit eine geradezu läuternde Erfahrung von Nähe, Entschleunigung und Zwischenmenschlichkeit"
An den ganzen Menschen, deren größte Qual nun die irrsinnige Langeweile ist, merkt man gut, wie viele Menschen ein im Grunde sinnloses Leben führen und ihre Zeit mit Sinnlosigkeit vergeuden.

Alles muss Spaß machen, nichts darf jemals langweilig sein, Dauerkonsum und Dauersensation soll die Regel sein. Unser Belohnungszentrum muss permanent befriedigt werden, die Aufmerksamkeitsspanne verringert sich. Sich alleine zu Hause beschäftigen, in dem man ein sinnvolles Sachbuch liest: Unmöglich. Eine Sensation muss her.

„Sinn“ wird häufig mit „Bedeutung“ (Zweck, Grund) übersetzt, für mich ist Sinn aber in erster Linie entweder das, was ich mit meinen Sinnen wahrnehme, deshalb heißt das Wort vermutlich auch so, sowie das, wo dieser Sinn der anderen sich ausdrückt (also alles, was unter Kultur fällt).

Wenn jemand um die Welt reist, wird seine Reise nicht besonders viel Sinn enthalten, wenn er sii mit seinen Sinnen nicht besonders wahrnimmt. Wer hingegen die Sprache des Landes lernt, dessen Wörter voll mit Sinn versehen sind, so ist seine Erfahrung tatsächlich „sinnvoll“.

Sinn ist in all dem aber nicht vorhanden. Es fehlt an Sinn.

Wo die Philosophen vom Grundsätzlichem reden, kommen sie mit quantitativen Unterschieden daher.
Da können Sie noch so viel mit Exponentialfunktionen herumrechnen, die grundsätzliche Frage bleibt: Wie hoch sind die Opfer, die wir bereit sind zu erbringen, um Leben zu retten? Wie viel Lebensqualität für alle sind wir bereit aufzugeben, um relativ wenigen das eine oder andere Lebensjahr mehr ermöglichen? Oder: Wenn es nur noch darum geht, um jeden Preis Leben zu erhalten, was bleibt dann noch vom Leben? Wo ist da die Grenze, wo man sagen müsste, da sind wir alle besser dran, wenn wir tot sind, als dass wir in unseren Wohnungen eingesperrt sind?


Weblink:

Philosoph: Unser Verständnis von einem guten Leben wird sich durch die Krise verändern - www.derstandard.de