Samstag, 14. Juni 2025

Verfall der Sittlichkeit

Um eine logische Rechtfertigung der Sittlichkeit haben sich im ausgehenden 18. Jahrhundert die Vertreter des deutschen Idealismus bemüht, darunter am prominentesten Kant, der unter Sittlichkeit die „Beschaffenheit der Gesinnung, des Willens selbst“ verstand.

In der »Grundlegung zur Metaphysik der Sitten« (1785), in dem er das Konzept des kategorischen Imperativs entwickelt, hat Kant diesen als den »Imperativ der Sittlichkeit« bezeichnet.

Sittliches Betragen ist für Kant jener Zustand, der durch die Befolgung der Prinzipien der praktischen Vernunft erreicht wird.

Wer also erkannt hat, daß er ein geistig-sittliches Wesen ist, ist von Natur aus auf das Gute ausgerichtet. Er nimmt niemanden etwas weg, kämpft nicht bzw. nur um sich seiner Haut zu erwehren, achtet und schützt die Natur, nimmt das, was ihm zur Verfügung steht, und gesellt sich gerne zu Gleichgesinnten.

»Zwei Dinge erfüllen das Gemüt mit immer neuer, zunehmender Bewunderung und Ehrfurcht, je öfter und anhaltender sich das Nachdenken damit beschäftigt:
Der bestirnte Himmel über mir und das moralische Gesetz in mir!«


Immanuel Kant 1724 - 1804

Das grundlegend Neue seiner Überlegungen zur Ethik bestand darin, dass Kant die Willkür des Individuums an eine vernunftgeleitete Selbstgesetzgebung binden wollte, woraus er den Begriff von moralischen Geboten ableitete, die Anspruch auf unbedingte Befolgung erheben.

Aber in der einfachen Identität mit der Wirklichkeit der Individuen erscheint das Sittliche, als die allgemeine Handlungsweise derselben, als Sitte, - die Gewohnheit desselben als eine zweite Natur, die an die Stelle des ersten bloß natürlichen Willens gesetzt und die durchdringende Seele, Bedeutung und Wirklichkeit ihres Daseins ist, der als eine Welt lebendige und vorhandene Geist, dessen Substanz so erst als Geist ist.

Wie die Natur ihre Gesetze hat, wie das Tier, die Bäume, die Sonne ihr Gesetz vollbringen, so ist die Sitte das dem Geist der Freiheit Angehörende. Was das Recht und die Moral noch nicht sind, das ist die Sitte, nämlich Geist. Denn im Rechte ist die Besonderheit noch nicht die des Begriffs, sondern nur des natürlichen Willens. Ebenso ist auf dem Standpunkt der Moralität das Selbstbewußtsein noch nicht geistiges Bewußtsein.

Es gibt da etwas vor allem den Verstand in uns, der unser Leben bestimmt und sicher leitet. Pascal nennt es das Herz. Es ist der Sitz für all das, was wir als für unser Leben gesichert annehmen, ohne es rational begründen zu können, es ist unsere grundsätzliche Lebensorientierung, unsere Intuition, es sind innere, unmittelbare, nicht beweisbare Erkenntnisse, die die persönliche Lebensführung bestimmen. Es ist auch unser moralisches Gewissen, unsere Glücksdisposition und schließlich unsere Empfänglichkeit für die Gotteserfahrung. Das Herz ist die - die menschliche Existenz umgreifende - Grunddisposition, das Ganze eines Menschen und die einen Menschen tragende und durchs Leben führende Substanz.
Sittenwidrigkeit ist der Verstoß gegen die guten Sitten. Er liegt vor, wenn ein Verhalten gegen das Anstandsgefühl aller billig und gerecht Denkenden verstößt.

Verfall der Sitten liegt vor, wenn die grundlegende Moral einer Gesellschaft und der Menschen verfällt.

»Menschliches, Allzumenschliches, I und II« von Friedrich Nietzsche und Mazzino Montinari

Menschliches, Allzumenschliches, I und II
Menschliches, Allzumenschliches, I und II

»Menschliches, Allzumenschliches, I und II« von Friedrich Nietzsche und Mazzino Montinari ist der x-Band der Reihe ...

Friedrich Nietzsche schaffte sich seinen freien Geist, als eine Erholung und Ablenkung nach einem entzaubernden, entromantisierenden Blick in das Innere der Welt, um die daraus resultierenden Wahrheiten zu ertragen, aber gleichzeitig auch überwinden und bejahen zu können. Wir lesen hier einen Friedrich Nietzsche, der sich in einem gewandelten und weiterentwickelten Zustand befindet, der durch die nötige Distanz und Ferne zu seinen aufdeckenden Erfahrungen, einen kühleren und gefestigteren Blick eingenommen hat, um sie endlich geordnet darzustellen. In seinem späteren Werk, "Also sprach Zarathustra" , ist die Rede "Von den drei Verwandlungen", in denen differenziert wird zwischen dem Kamel-Stadium, das den gebundenen, folgsamen Geist darstellt, dem anschließenden Löwen-Stadium, welches den befreienden Geist hervorbringt und dem letzten Stadium des Kindes, wo der neue werteschaffende Geist, seine bisherigen Stadien überwunden und sie als seine Geschichte zurückgelassen hat.

Der uns vorliegende Nietzsche, der sich durch eine antreibende Neugier zu einem entsagenden Aufbruch auszeichnet, um sich von sämtlichen Sinngebungen und Glaubenssätzen loszulösen, spiegelt dementsprechend eine Zugehörigkeit zum Stadium des Löwen wieder. Mit dem Pathos "lieber sterben als hier leben" hat er sich nun genügend Selbstvertrauen aufgebaut um den Mut für eine konsequente Durchführung einer Umwertung der Werte anzutreten und den langen Weg zum selbstbestimmenden Freigeist zu ebnen. In Menschliches Allzumenschliches werden noch keine neuen Werte verkündet, sondern es wird eine medizinische Anleitung in Form eines Übergangsprozess geliefert, um die trübe, nebelige Sicht des gebundenen Geist zu erhellen und ihn stattdessen durch die klareren Augen des ungebundenen Freigeistes blicken zu lassen. Mit den Worten "Du solltest Herr über dich werden, Herr auch über die eigenen Tugenden", bläst er den Kampf für eine Selbstbestimmung an, die sich von der bisherigen Fremdbestimmung endlich distanzieren soll, um das Perspektivische in jeder Wertschätzung begreifen zu lernen, wie es Nietzsche in der Vorrede erläutert. Es hieß Abschied nehmen von seinen großen Vorbildern, Schopenhauer und Wagner, um Platz für sein neues Ideal, den Freigeist zu schaffen.

Doch wer neues schaffen will, muss altes zerstören und darum gilt es die vielschichtigen Irrwege der gebundenen Geister, in sämtlichen Regionen der menschlichen Interaktionen aufzuzeigen. So in der Religion, den moralischen Empfindungen, der Metaphysik, aber auch im kleinen Rahmen, wie der Ehe und in der Beziehung zwischen der Mutter und ihrem Kind. Dem gebundenen Geist fehlt die differenzierte Einsicht in die Wahl der vielen Möglichkeiten, stattdessen erblickt er seine Stellung durch einen Tunnelblick, um die bequemere Gewohnheit, der Qual der Wahl vorzuziehen. Auf diese Weise handelt er nach seinen anerzogenen Maximen, die seine Handlungsfreiheit auf wenige Möglichkeiten einschränkt, im Gegensatz zum Freigeist, der sich der Mannigfaltigkeit der Motive und Gründe bewusst ist. Das Einverleiben geistiger Standpunkte, die unreflektiert akzeptiert werden, bezeichnet Nietzsche als Glauben. Nach diesem Schema funktionieren auch die Pfeiler der Gesellschaft, die ihre Legitimation durch den bequemen Glauben an sie erlangen. Der gebundene Geist ist mit dem Nutzen den sie bringen zufrieden und sieht die staatliche Ordnung und die Moral, als feststehende Wahrheiten an.

Menschliches, Allzumenschliches, I und II
Menschliches, Allzumenschliches, I und II

Doch wie vermag der Freigeist zu handeln und sich durchzusetzen, wenn er vor lauter Gründe nur noch Abgründe erkennt, die sein Handeln so erschweren und ihn daher schwach erscheinen lassen. Dazu der Schmerz, der sich durch einen Verlust an gesellschaftlicher Integrität und der daraus resultierenden Verkanntheit bemerkbar macht, verleiten zu einem harten und einsamen Schicksal. Woher kommt der Glaube an das eigene Genie und die Kraft, " eine ganz individuelle Erkenntnis der Welt zu erwerben " und sich dadurch gegenüber den gebundenen Geistern zu behaupten ?, fragt sich Nietzsche. Der Freigeist muss sich nach langer Enthaltsamkeit befreien können, damit seine angestaute Energie sich endlich entladen und womöglich etwas Neues, noch nie dagewesenes erschaffen kann. Der gebundene Geist, so kritisiert Nietzsche, tritt lediglich als Gattungswesen in Form von Beamten, Kaufleuten und Gelehrten auf, wodurch der Wert der Individualität verloren geht, doch dieser bedarf es gerade, um das Fundament des Freigeistes garantieren zu können.


»Man nennt den einen Freigeist, welcher anders denkt, als man von ihm auf Grund seiner Herkunft, Umgebung, seines Standes und Amtes oder auf Grund der herrschenden Zeitansichten erwartet. Er ist die Ausnahme, die gebundenen Geister sind die Regel; diese werfen ihm vor, daß seine freien Grundsätze ihren Ursprung entweder in der Sucht aufzufallen haben, oder gar auf freie Handlungen, das heißt auf solche, welche mit der gebundenen Moral unvereinbar sind, schließen lassen. Bisweilen sagt man auch, diese oder jene freien Grundsätze seien aus Verschrobenheit und Überspanntheit des Kopfes herzuleiten; doch spricht so nur die Bosheit, welche selber an das nicht glaubt, was sie sagt, aber damit schaden will: denn das Zeugnis für die größere Güte und Schärfe seines Intellekts ist dem Freigeist gewöhnlich ins Gesicht geschrieben, so lesbar, daß es die gebundenen Geister gut genug verstehen. Aber die beiden andern Ableitungen der Freigeisterei sind redlich gemeint; in der Tat entstehen auch viele Freigeister auf die eine oder die andere Art. Deshalb könnten aber die Sätze, zu denen sie auf jenen Wegen gelangten, doch wahrer und zuverlässiger sein als die der gebundenen Geister. Bei der Erkenntnis der Wahrheit kommt es darauf an, daß man sie hat, nicht darauf, aus welchem Antriebe man sie gesucht, auf welchem Wege man sie gefunden hat.«

Friedrich Nietzsche, »Menschliches, Allzumenschliches«

In "Menschliches Allzumenschliches" schreitet er nun schonungslos, sämtliche Gebiete menschlicher Aktivitäten ab und versucht im aphoristischen Stil aufzuzeigen, dass diese keine festen, allgemeingültigen Vorstellungen, sondern prozesshafte, sich im Verlauf der Geschichte verändernde Wahrheiten sind. So fordert er eine historische Philosophie, die sich genealogisch mit der Entstehung menschlicher Vorstellungen auseinandersetzt, um dadurch die verschiedenen Erkenntnisperspektiven freizulegen. Doch dieser Weg bedarf Zeit und einer Tilgung metaphysischer Restbestände, um den Weg für die Wissenschaft offenzulegen, so das die Frucht nun selbst vom Baum gepflückt werden kann, um die Möglichkeit des Fortschrittes zu gewähren. Für Nietzsche ist nun nicht mehr die Kunst, jenes erlösende Reich, sondern eine neue Art der wissenschaftlichen Kultur.

In "Also sprach Zarathustra" wird mit dem gleichnamigen Protagonisten ein Beisspiel für einen Freigeist gegeben, der nach langer Enthaltsamkeit gelernt hat, die Menschen jenseits von Gut und böse zu betrachten. Als dieser jedoch auf die gebundenen Geister trifft und er seine gewonnenen Erfahrungen kundtun möchte, haben diese nur Verachtung für ihn übrig, denn wer möchte schon seine aufgenommenen Wahrheiten, allesamt für nichtig erklärt bekommen. Ähnlich ergeht es auch dem sich befreienden Gefangenen aus Platons Höhlengleichnis, als dieser mit der Erkannten Wahrheit zu den anderen Gefangenen zurückkehrt und diese ihn nur auslachen. Es gehört zum Schicksal des Freigeistes abgestoßen und belacht zu werden, so dass es nicht verwunderlich erscheint, dass Nietztsche sich zeitlebens unverstanden gefühlt hatte.


Literatur [ >> ] ::

Menschliches, Allzumenschliches, I und II
Menschliches, Allzumenschliches, I und II
von Friedrich Nietzsche und Mazzino Montinari

Samstag, 24. Mai 2025

Kathedralen als Monumente der Ewigkeit (E)

Kölner Dom

Jedes Land hat seine Bauwerke von hoher Bedeutung. Die Bedeutuung eines Bauwerkes hängt von dem Anspruch des Gebäudes und der Symbolik ab, welche von ihm ausgeht. Kirchengebäude sind bevorzugte Bauwerke mit hoher Ausstrahlungskraft.

In Deutschland gibt es Bauwerke mit vergleichbarer Symbolik wie die Kathedrale Notre-Dame. Der Kölner Dom, die Frauenkirche von Dresden und das Brandenburger Tor lassen sich mit dieser Kathedrale durchaus gleichstellen. Die römisch-katholische Kirche »Notre-Dame de Paris« (»Unsere Liebe Frau von Paris«) ist die Kathedrale des Erzbistums Paris. Die Unserer Lieben Frau, also der Gottesmutter Maria, geweihte Kirche wurde in den Jahren von 1163 bis 1345 errichtet und ist somit eines der frühesten gotischen Kirchengebäude Frankreichs.

Die Archiktekurgeschichte bedeutender Baudenkmäler lehrt, daß´diese architektonisch baulich niemals vollendet werden. Weder der Kölner Dom, noch der Petersdom, noch ein neu aufgebautes Notre Dame werden so gesehen jemals fertig werden. Derartige Bauwerke werden immer "Baustellen der Ewigkeit" sein. Was die Menschen dann auch an die Ewigkeit erinnern sollte ist, wie vergänglich diese Bauten sein können.

Bauwerke sind nicht für die Ewigkeit bestimmt.

Die Vorstellungen von Ewigkeit sind - wie die Bauwerke - einem steten Wandel unterzogen. Solche "Ewigkeitswerte" scheinen heute aber leider in großen Teilen der Bevölkerung zunehmend von anderen, ebenso kurzlebigen wie fragwürdigen "Werten" verdrängt zu werden, so dass sich viele ihrer echten Werte oft gar nicht mehr richtig bewusst sind.

Deren Verfall droht, wenn man nicht genügend Anstrengungen unternimmt, Geschichte zu achten und zu bewahren, und sie für kommende Generationen in materiellem Wert und immatiellem Wesen zu erhalten. Diese Anstrengungen sind immer aller Mühen wert.

Der Mensch und die Welt, in der er lebt und die er - auch mit seinen Bauwerken erschafft - beide sind vergänglich wie die Zeit. Beide unterliegen dem ewigen Kreislauf des Lebens: Geburt, Heranwachsen, Erwachsenwerden und Tod. Dieser Zyklus schließt auch die Wiedergeburt mit ein. Im Zyklus eines Bauwerkes folgen dem Aufbau die Blüte und der Verfall - und einer Zerstörung folgt der Wideraufbau.

Samstag, 17. Mai 2025

Menschen und Symbole (E)


Der Mensch braucht Symbole zum Halt und zur Orientierung. Ohne Symbole ist er ein ? Wesen ohne Identifkation.

Der Mensch unterscheidet sich vom Tier doch unter anderem dadurch, dass er bedeutungs- und sinntragende Symbole entwickelt hat, die Menschen über ihren Individualismus oder die Familie hinweg verstehen können. Katastrophen haben, ganz besonders, wenn sie solch gemeinsame Symbole betreffen, eine einigende, positive Wirkung auf den Zusammenhalt.

Das dürfte für viele Franzosen ein nicht zu verachtender Effekt der Katastrophe sein. Ganz besonders in Zeiten, wo der Blick auf das Gemeinsame mehr und mehr verlorenzugehen droht.

Vielleicht fehlt den Menschen heute zur gesunden Selbstannahme tatsächlich ein solches, Generationen verbindendes, positives Symbol.

Bauleute haben jüngere Bauwerke mit negativem Symbolwert konstruiert, auf die wir auch in tausend Jahren nicht stolz sein werden.


Der gotische Baustil ist eine französische Schöpfung. Die wichtigsten Merkmale sind: Spitzbogen, Rippengewölbe, Strebewerk (Strebepfeiler und Strebebogen am Außenbau zur Entlastung des Gewölbes), Maßwerk, Triforium (Zwischengeschoß zwischen Bogenreihe und Fenstergeschoß) . Im Allgemeinen: schmal und hoch, aufsteigend.

Samstag, 10. Mai 2025

Die marxistischen Ideen sind in ihrer Anthropologie zeitlos (E)

Karl Marx Zeichnung von Wladimir Dworan

Der Marxismus ist die neben dem Christentum einzige universelle Theorie zur Humanisierung der Erde, welche eben vor allem als analytisch-theoretisches Instrument zum Verständnis von Wirklichkeit sich eignet.

Wie aktuell sind Marx Ideen heute? Die marxistischen Ideen sind in ihrer Anthropologie zeitlos.

"Der Marxismus ist weder etwas Endgültiges noch etwas Unantastbares." Michail Gorbatschow

Es ist gut möglich, daß die Idee des Sozialismus das vor 25 Jahren gescheiterte Gesellschaftsmodell überleben wird und angesichts der Krise des Kapitalismus und der zunehmenden Ungerechtigkeit der ökonomischen Verteilung als kritische Theorie wieder an Aktualität gewinnen wird.


Literatur:

Das Kapital
Das Kapital
von Karl Marx


Weblinks:

Karl Marx-Biografie

- Biografien-Portal - www.die-biografien.de

Karl Marx-Zitate

- Zitate-Portal - www.die-zitate.de

Karl Marx - www.famousphilosophers.org

Samstag, 3. Mai 2025

Das Paradoxon der Toleranz

Die Frage nach Toleranz gegenüber Intoleranz hat der österreichisch-britische Philosoph Karl Popper 1945 als »Paradoxon der Toleranz« bezeichnet:

»Uneingeschränkte Toleranz führt mit Notwendigkeit zum Verschwinden der Toleranz. Denn wenn wir die uneingeschränkte Toleranz sogar auf die Intoleranten ausdehnen, wenn wir nicht bereit sind, eine tolerante Gesellschaftsordnung gegen die Angriffe der Intoleranz zu verteidigen, dann werden die Toleranten vernichtet werden und die Toleranz mit ihnen.«

Zunächst klingt das auch überzeugend: Wenn man die Intoleranz toleriert, ihr Raum lässt, wird sie sich durchsetzen, weil sie selbst der Toleranz keinen Raum lässt. In der Folge geht die Toleranz unter. Also muss man, ja sollte man die Intoleranz nicht tolerieren. Bei genauerem Nachdenken aber stößt man auf einen Widerspruch: Durch das Nichttolerieren der Intoleranz wird man selbst intolerant. Das würde zu einer Selbstabschaffung der Toleranz führen und wäre sozusagen das zweite Paradoxon der Toleranz.

Weblink:

Passt schon? - SZ-Magazin Heft Nr.10 - März 2011

Samstag, 22. März 2025

Tragen wir den Weltbürger in uns?

Georg Wilhelm Friedrich Hegel

Tragen wir den Weltbürger in uns? Sind wir alle Weltbürger?

Guerot

Hegel war ein Philosoph des Geistes und der bedeutendste Vertreter des deutschen Idealismus. Viele halten den deutschen Idealismus und allen voran Hegel für den Gipfelpunkt der Philosophie. Die Bewunderung für Hegel entstammt nicht nur der aus heutiger Sicht geradezu abenteuerlich erscheinenden Vorstellung, wahre Philosophie müsse einem Systemanspruch gerecht werden, also einen umfassenden Welterklärungscharakter besitzen, sondern auch der Überzeugung, Philosophie solle in einem christlichen Sinne religiös sein.