Samstag, 14. Juni 2025

Verfall der Sittlichkeit

Um eine logische Rechtfertigung der Sittlichkeit haben sich im ausgehenden 18. Jahrhundert die Vertreter des deutschen Idealismus bemüht, darunter am prominentesten Kant, der unter Sittlichkeit die „Beschaffenheit der Gesinnung, des Willens selbst“ verstand.

In der »Grundlegung zur Metaphysik der Sitten« (1785), in dem er das Konzept des kategorischen Imperativs entwickelt, hat Kant diesen als den »Imperativ der Sittlichkeit« bezeichnet.

Sittliches Betragen ist für Kant jener Zustand, der durch die Befolgung der Prinzipien der praktischen Vernunft erreicht wird.

Wer also erkannt hat, daß er ein geistig-sittliches Wesen ist, ist von Natur aus auf das Gute ausgerichtet. Er nimmt niemanden etwas weg, kämpft nicht bzw. nur um sich seiner Haut zu erwehren, achtet und schützt die Natur, nimmt das, was ihm zur Verfügung steht, und gesellt sich gerne zu Gleichgesinnten.

»Zwei Dinge erfüllen das Gemüt mit immer neuer, zunehmender Bewunderung und Ehrfurcht, je öfter und anhaltender sich das Nachdenken damit beschäftigt:
Der bestirnte Himmel über mir und das moralische Gesetz in mir!«


Immanuel Kant 1724 - 1804

Das grundlegend Neue seiner Überlegungen zur Ethik bestand darin, dass Kant die Willkür des Individuums an eine vernunftgeleitete Selbstgesetzgebung binden wollte, woraus er den Begriff von moralischen Geboten ableitete, die Anspruch auf unbedingte Befolgung erheben.

Aber in der einfachen Identität mit der Wirklichkeit der Individuen erscheint das Sittliche, als die allgemeine Handlungsweise derselben, als Sitte, - die Gewohnheit desselben als eine zweite Natur, die an die Stelle des ersten bloß natürlichen Willens gesetzt und die durchdringende Seele, Bedeutung und Wirklichkeit ihres Daseins ist, der als eine Welt lebendige und vorhandene Geist, dessen Substanz so erst als Geist ist.

Wie die Natur ihre Gesetze hat, wie das Tier, die Bäume, die Sonne ihr Gesetz vollbringen, so ist die Sitte das dem Geist der Freiheit Angehörende. Was das Recht und die Moral noch nicht sind, das ist die Sitte, nämlich Geist. Denn im Rechte ist die Besonderheit noch nicht die des Begriffs, sondern nur des natürlichen Willens. Ebenso ist auf dem Standpunkt der Moralität das Selbstbewußtsein noch nicht geistiges Bewußtsein.

Es gibt da etwas vor allem den Verstand in uns, der unser Leben bestimmt und sicher leitet. Pascal nennt es das Herz. Es ist der Sitz für all das, was wir als für unser Leben gesichert annehmen, ohne es rational begründen zu können, es ist unsere grundsätzliche Lebensorientierung, unsere Intuition, es sind innere, unmittelbare, nicht beweisbare Erkenntnisse, die die persönliche Lebensführung bestimmen. Es ist auch unser moralisches Gewissen, unsere Glücksdisposition und schließlich unsere Empfänglichkeit für die Gotteserfahrung. Das Herz ist die - die menschliche Existenz umgreifende - Grunddisposition, das Ganze eines Menschen und die einen Menschen tragende und durchs Leben führende Substanz.
Sittenwidrigkeit ist der Verstoß gegen die guten Sitten. Er liegt vor, wenn ein Verhalten gegen das Anstandsgefühl aller billig und gerecht Denkenden verstößt.

Verfall der Sitten liegt vor, wenn die grundlegende Moral einer Gesellschaft und der Menschen verfällt.

»Menschliches, Allzumenschliches, I und II« von Friedrich Nietzsche und Mazzino Montinari

Menschliches, Allzumenschliches, I und II
Menschliches, Allzumenschliches, I und II

»Menschliches, Allzumenschliches, I und II« von Friedrich Nietzsche und Mazzino Montinari ist der x-Band der Reihe ...

Friedrich Nietzsche schaffte sich seinen freien Geist, als eine Erholung und Ablenkung nach einem entzaubernden, entromantisierenden Blick in das Innere der Welt, um die daraus resultierenden Wahrheiten zu ertragen, aber gleichzeitig auch überwinden und bejahen zu können. Wir lesen hier einen Friedrich Nietzsche, der sich in einem gewandelten und weiterentwickelten Zustand befindet, der durch die nötige Distanz und Ferne zu seinen aufdeckenden Erfahrungen, einen kühleren und gefestigteren Blick eingenommen hat, um sie endlich geordnet darzustellen. In seinem späteren Werk, "Also sprach Zarathustra" , ist die Rede "Von den drei Verwandlungen", in denen differenziert wird zwischen dem Kamel-Stadium, das den gebundenen, folgsamen Geist darstellt, dem anschließenden Löwen-Stadium, welches den befreienden Geist hervorbringt und dem letzten Stadium des Kindes, wo der neue werteschaffende Geist, seine bisherigen Stadien überwunden und sie als seine Geschichte zurückgelassen hat.

Der uns vorliegende Nietzsche, der sich durch eine antreibende Neugier zu einem entsagenden Aufbruch auszeichnet, um sich von sämtlichen Sinngebungen und Glaubenssätzen loszulösen, spiegelt dementsprechend eine Zugehörigkeit zum Stadium des Löwen wieder. Mit dem Pathos "lieber sterben als hier leben" hat er sich nun genügend Selbstvertrauen aufgebaut um den Mut für eine konsequente Durchführung einer Umwertung der Werte anzutreten und den langen Weg zum selbstbestimmenden Freigeist zu ebnen. In Menschliches Allzumenschliches werden noch keine neuen Werte verkündet, sondern es wird eine medizinische Anleitung in Form eines Übergangsprozess geliefert, um die trübe, nebelige Sicht des gebundenen Geist zu erhellen und ihn stattdessen durch die klareren Augen des ungebundenen Freigeistes blicken zu lassen. Mit den Worten "Du solltest Herr über dich werden, Herr auch über die eigenen Tugenden", bläst er den Kampf für eine Selbstbestimmung an, die sich von der bisherigen Fremdbestimmung endlich distanzieren soll, um das Perspektivische in jeder Wertschätzung begreifen zu lernen, wie es Nietzsche in der Vorrede erläutert. Es hieß Abschied nehmen von seinen großen Vorbildern, Schopenhauer und Wagner, um Platz für sein neues Ideal, den Freigeist zu schaffen.

Doch wer neues schaffen will, muss altes zerstören und darum gilt es die vielschichtigen Irrwege der gebundenen Geister, in sämtlichen Regionen der menschlichen Interaktionen aufzuzeigen. So in der Religion, den moralischen Empfindungen, der Metaphysik, aber auch im kleinen Rahmen, wie der Ehe und in der Beziehung zwischen der Mutter und ihrem Kind. Dem gebundenen Geist fehlt die differenzierte Einsicht in die Wahl der vielen Möglichkeiten, stattdessen erblickt er seine Stellung durch einen Tunnelblick, um die bequemere Gewohnheit, der Qual der Wahl vorzuziehen. Auf diese Weise handelt er nach seinen anerzogenen Maximen, die seine Handlungsfreiheit auf wenige Möglichkeiten einschränkt, im Gegensatz zum Freigeist, der sich der Mannigfaltigkeit der Motive und Gründe bewusst ist. Das Einverleiben geistiger Standpunkte, die unreflektiert akzeptiert werden, bezeichnet Nietzsche als Glauben. Nach diesem Schema funktionieren auch die Pfeiler der Gesellschaft, die ihre Legitimation durch den bequemen Glauben an sie erlangen. Der gebundene Geist ist mit dem Nutzen den sie bringen zufrieden und sieht die staatliche Ordnung und die Moral, als feststehende Wahrheiten an.

Menschliches, Allzumenschliches, I und II
Menschliches, Allzumenschliches, I und II

Doch wie vermag der Freigeist zu handeln und sich durchzusetzen, wenn er vor lauter Gründe nur noch Abgründe erkennt, die sein Handeln so erschweren und ihn daher schwach erscheinen lassen. Dazu der Schmerz, der sich durch einen Verlust an gesellschaftlicher Integrität und der daraus resultierenden Verkanntheit bemerkbar macht, verleiten zu einem harten und einsamen Schicksal. Woher kommt der Glaube an das eigene Genie und die Kraft, " eine ganz individuelle Erkenntnis der Welt zu erwerben " und sich dadurch gegenüber den gebundenen Geistern zu behaupten ?, fragt sich Nietzsche. Der Freigeist muss sich nach langer Enthaltsamkeit befreien können, damit seine angestaute Energie sich endlich entladen und womöglich etwas Neues, noch nie dagewesenes erschaffen kann. Der gebundene Geist, so kritisiert Nietzsche, tritt lediglich als Gattungswesen in Form von Beamten, Kaufleuten und Gelehrten auf, wodurch der Wert der Individualität verloren geht, doch dieser bedarf es gerade, um das Fundament des Freigeistes garantieren zu können.


»Man nennt den einen Freigeist, welcher anders denkt, als man von ihm auf Grund seiner Herkunft, Umgebung, seines Standes und Amtes oder auf Grund der herrschenden Zeitansichten erwartet. Er ist die Ausnahme, die gebundenen Geister sind die Regel; diese werfen ihm vor, daß seine freien Grundsätze ihren Ursprung entweder in der Sucht aufzufallen haben, oder gar auf freie Handlungen, das heißt auf solche, welche mit der gebundenen Moral unvereinbar sind, schließen lassen. Bisweilen sagt man auch, diese oder jene freien Grundsätze seien aus Verschrobenheit und Überspanntheit des Kopfes herzuleiten; doch spricht so nur die Bosheit, welche selber an das nicht glaubt, was sie sagt, aber damit schaden will: denn das Zeugnis für die größere Güte und Schärfe seines Intellekts ist dem Freigeist gewöhnlich ins Gesicht geschrieben, so lesbar, daß es die gebundenen Geister gut genug verstehen. Aber die beiden andern Ableitungen der Freigeisterei sind redlich gemeint; in der Tat entstehen auch viele Freigeister auf die eine oder die andere Art. Deshalb könnten aber die Sätze, zu denen sie auf jenen Wegen gelangten, doch wahrer und zuverlässiger sein als die der gebundenen Geister. Bei der Erkenntnis der Wahrheit kommt es darauf an, daß man sie hat, nicht darauf, aus welchem Antriebe man sie gesucht, auf welchem Wege man sie gefunden hat.«

Friedrich Nietzsche, »Menschliches, Allzumenschliches«

In "Menschliches Allzumenschliches" schreitet er nun schonungslos, sämtliche Gebiete menschlicher Aktivitäten ab und versucht im aphoristischen Stil aufzuzeigen, dass diese keine festen, allgemeingültigen Vorstellungen, sondern prozesshafte, sich im Verlauf der Geschichte verändernde Wahrheiten sind. So fordert er eine historische Philosophie, die sich genealogisch mit der Entstehung menschlicher Vorstellungen auseinandersetzt, um dadurch die verschiedenen Erkenntnisperspektiven freizulegen. Doch dieser Weg bedarf Zeit und einer Tilgung metaphysischer Restbestände, um den Weg für die Wissenschaft offenzulegen, so das die Frucht nun selbst vom Baum gepflückt werden kann, um die Möglichkeit des Fortschrittes zu gewähren. Für Nietzsche ist nun nicht mehr die Kunst, jenes erlösende Reich, sondern eine neue Art der wissenschaftlichen Kultur.

In "Also sprach Zarathustra" wird mit dem gleichnamigen Protagonisten ein Beisspiel für einen Freigeist gegeben, der nach langer Enthaltsamkeit gelernt hat, die Menschen jenseits von Gut und böse zu betrachten. Als dieser jedoch auf die gebundenen Geister trifft und er seine gewonnenen Erfahrungen kundtun möchte, haben diese nur Verachtung für ihn übrig, denn wer möchte schon seine aufgenommenen Wahrheiten, allesamt für nichtig erklärt bekommen. Ähnlich ergeht es auch dem sich befreienden Gefangenen aus Platons Höhlengleichnis, als dieser mit der Erkannten Wahrheit zu den anderen Gefangenen zurückkehrt und diese ihn nur auslachen. Es gehört zum Schicksal des Freigeistes abgestoßen und belacht zu werden, so dass es nicht verwunderlich erscheint, dass Nietztsche sich zeitlebens unverstanden gefühlt hatte.


Literatur [ >> ] ::

Menschliches, Allzumenschliches, I und II
Menschliches, Allzumenschliches, I und II
von Friedrich Nietzsche und Mazzino Montinari

Samstag, 24. Mai 2025

Kathedralen als Monumente der Ewigkeit (E)

Kölner Dom

Jedes Land hat seine Bauwerke von hoher Bedeutung. Die Bedeutuung eines Bauwerkes hängt von dem Anspruch des Gebäudes und der Symbolik ab, welche von ihm ausgeht. Kirchengebäude sind bevorzugte Bauwerke mit hoher Ausstrahlungskraft.

In Deutschland gibt es Bauwerke mit vergleichbarer Symbolik wie die Kathedrale Notre-Dame. Der Kölner Dom, die Frauenkirche von Dresden und das Brandenburger Tor lassen sich mit dieser Kathedrale durchaus gleichstellen. Die römisch-katholische Kirche »Notre-Dame de Paris« (»Unsere Liebe Frau von Paris«) ist die Kathedrale des Erzbistums Paris. Die Unserer Lieben Frau, also der Gottesmutter Maria, geweihte Kirche wurde in den Jahren von 1163 bis 1345 errichtet und ist somit eines der frühesten gotischen Kirchengebäude Frankreichs.

Die Archiktekurgeschichte bedeutender Baudenkmäler lehrt, daß´diese architektonisch baulich niemals vollendet werden. Weder der Kölner Dom, noch der Petersdom, noch ein neu aufgebautes Notre Dame werden so gesehen jemals fertig werden. Derartige Bauwerke werden immer "Baustellen der Ewigkeit" sein. Was die Menschen dann auch an die Ewigkeit erinnern sollte ist, wie vergänglich diese Bauten sein können.

Bauwerke sind nicht für die Ewigkeit bestimmt.

Die Vorstellungen von Ewigkeit sind - wie die Bauwerke - einem steten Wandel unterzogen. Solche "Ewigkeitswerte" scheinen heute aber leider in großen Teilen der Bevölkerung zunehmend von anderen, ebenso kurzlebigen wie fragwürdigen "Werten" verdrängt zu werden, so dass sich viele ihrer echten Werte oft gar nicht mehr richtig bewusst sind.

Deren Verfall droht, wenn man nicht genügend Anstrengungen unternimmt, Geschichte zu achten und zu bewahren, und sie für kommende Generationen in materiellem Wert und immatiellem Wesen zu erhalten. Diese Anstrengungen sind immer aller Mühen wert.

Der Mensch und die Welt, in der er lebt und die er - auch mit seinen Bauwerken erschafft - beide sind vergänglich wie die Zeit. Beide unterliegen dem ewigen Kreislauf des Lebens: Geburt, Heranwachsen, Erwachsenwerden und Tod. Dieser Zyklus schließt auch die Wiedergeburt mit ein. Im Zyklus eines Bauwerkes folgen dem Aufbau die Blüte und der Verfall - und einer Zerstörung folgt der Wideraufbau.

Samstag, 17. Mai 2025

Menschen und Symbole (E)


Der Mensch braucht Symbole zum Halt und zur Orientierung. Ohne Symbole ist er ein ? Wesen ohne Identifkation.

Der Mensch unterscheidet sich vom Tier doch unter anderem dadurch, dass er bedeutungs- und sinntragende Symbole entwickelt hat, die Menschen über ihren Individualismus oder die Familie hinweg verstehen können. Katastrophen haben, ganz besonders, wenn sie solch gemeinsame Symbole betreffen, eine einigende, positive Wirkung auf den Zusammenhalt.

Das dürfte für viele Franzosen ein nicht zu verachtender Effekt der Katastrophe sein. Ganz besonders in Zeiten, wo der Blick auf das Gemeinsame mehr und mehr verlorenzugehen droht.

Vielleicht fehlt den Menschen heute zur gesunden Selbstannahme tatsächlich ein solches, Generationen verbindendes, positives Symbol.

Bauleute haben jüngere Bauwerke mit negativem Symbolwert konstruiert, auf die wir auch in tausend Jahren nicht stolz sein werden.


Der gotische Baustil ist eine französische Schöpfung. Die wichtigsten Merkmale sind: Spitzbogen, Rippengewölbe, Strebewerk (Strebepfeiler und Strebebogen am Außenbau zur Entlastung des Gewölbes), Maßwerk, Triforium (Zwischengeschoß zwischen Bogenreihe und Fenstergeschoß) . Im Allgemeinen: schmal und hoch, aufsteigend.

Samstag, 10. Mai 2025

Die marxistischen Ideen sind in ihrer Anthropologie zeitlos (E)

Karl Marx Zeichnung von Wladimir Dworan

Der Marxismus ist die neben dem Christentum einzige universelle Theorie zur Humanisierung der Erde, welche eben vor allem als analytisch-theoretisches Instrument zum Verständnis von Wirklichkeit sich eignet.

Wie aktuell sind Marx Ideen heute? Die marxistischen Ideen sind in ihrer Anthropologie zeitlos.

"Der Marxismus ist weder etwas Endgültiges noch etwas Unantastbares." Michail Gorbatschow

Es ist gut möglich, daß die Idee des Sozialismus das vor 25 Jahren gescheiterte Gesellschaftsmodell überleben wird und angesichts der Krise des Kapitalismus und der zunehmenden Ungerechtigkeit der ökonomischen Verteilung als kritische Theorie wieder an Aktualität gewinnen wird.


Literatur:

Das Kapital
Das Kapital
von Karl Marx


Weblinks:

Karl Marx-Biografie

- Biografien-Portal - www.die-biografien.de

Karl Marx-Zitate

- Zitate-Portal - www.die-zitate.de

Karl Marx - www.famousphilosophers.org

Samstag, 3. Mai 2025

Das Paradoxon der Toleranz

Die Frage nach Toleranz gegenüber Intoleranz hat der österreichisch-britische Philosoph Karl Popper 1945 als »Paradoxon der Toleranz« bezeichnet:

»Uneingeschränkte Toleranz führt mit Notwendigkeit zum Verschwinden der Toleranz. Denn wenn wir die uneingeschränkte Toleranz sogar auf die Intoleranten ausdehnen, wenn wir nicht bereit sind, eine tolerante Gesellschaftsordnung gegen die Angriffe der Intoleranz zu verteidigen, dann werden die Toleranten vernichtet werden und die Toleranz mit ihnen.«

Zunächst klingt das auch überzeugend: Wenn man die Intoleranz toleriert, ihr Raum lässt, wird sie sich durchsetzen, weil sie selbst der Toleranz keinen Raum lässt. In der Folge geht die Toleranz unter. Also muss man, ja sollte man die Intoleranz nicht tolerieren. Bei genauerem Nachdenken aber stößt man auf einen Widerspruch: Durch das Nichttolerieren der Intoleranz wird man selbst intolerant. Das würde zu einer Selbstabschaffung der Toleranz führen und wäre sozusagen das zweite Paradoxon der Toleranz.

Weblink:

Passt schon? - SZ-Magazin Heft Nr.10 - März 2011

Samstag, 22. März 2025

Tragen wir den Weltbürger in uns?

Georg Wilhelm Friedrich Hegel

Tragen wir den Weltbürger in uns? Sind wir alle Weltbürger?

Guerot

Hegel war ein Philosoph des Geistes und der bedeutendste Vertreter des deutschen Idealismus. Viele halten den deutschen Idealismus und allen voran Hegel für den Gipfelpunkt der Philosophie. Die Bewunderung für Hegel entstammt nicht nur der aus heutiger Sicht geradezu abenteuerlich erscheinenden Vorstellung, wahre Philosophie müsse einem Systemanspruch gerecht werden, also einen umfassenden Welterklärungscharakter besitzen, sondern auch der Überzeugung, Philosophie solle in einem christlichen Sinne religiös sein.

Samstag, 8. März 2025

Thomas von Aquin 800. Geburtstag

Thomas von Aquin

Thomas von Aquin (1225–1274) gilt als der bedeutendste Theologe des Hochmittelalters. Er war ein Mensch, dessen Verstand das Geheimnis von Gott und Welt zu erhellen vermochte und darin von unerschöpflicher Aktualität geblieben ist.

Thoams Aquino wurde er wahrscheinlich 1225 auf Schloss Roccasecca im Königreich Sizilien geboren und von seinen Eltern zum geistlichen Stande bestimmt. Nachdem er von 1230 oder 1231 an die Schule des Benediktinerklosters Monte Cassino besucht und 1239 bis 1244 an der von Kaiser Friedrich II. gegründeten Universität Neapel die sieben freien Künste studiert hatte, trat er in den noch neuen Bettelorden der Dominikaner ein.

Mit Thomas von Aquin erreichte das Denken des Mittelalters einen seiner Höhepunkte. In seinen Werken vereinigen sich auf eigentümliche Weise die wichtigsten Traditionen des christlichen Zeitalters mit einem durch die arabische und jüdische Wissenschaft völlig neu motivierten Verständnis der aristotelischen Philosophie.

Deshalb liegt seine Leistung in der Synthese dieser auseinander weisenden Elemente. Schon bald nach seinem Tode, seit seiner Heiligsprechung 1323, wurde er für Jahrhunderte der wichtigste Lehrer der katholischen Kirche. Das hat die Rezeption seines philosophischen Denkens bis in die Gegenwart hinein nachhaltig geprägt.

Im Jahre 1272 wechselte Thomas an die Universität Neapel, wo er noch kurze Zeit lehrte, bis er am 7. März 1274 auf dem Wege zum Zweiten Konzil von Lyon in Fossanuova starb. Er hat stets alle hohen kirchlichen Ämter, die ihm angeboten wurden, abgelehnt und war in der Hierarchie nie mehr als ein einfacher Ordensbruder.

Weblink:

Thomas von Aquin - www.philosophie-woerterbuch.de

Dienstag, 11. Februar 2025

Hans-Georg Gadamer 125. Geburtstag

Hans-Georg Gadamer

Hans-Georg Gadamer wurde vor 125 Jahren am 11. Februar 1900 in Marburg geboren. Gadamer war ein populärer deutscher Philosoph des 20. Jahrhunderts. Er gilt als Begründer einer universalen Hermeneutik, die sich in der Nachfolge Heideggers aus der Kritik am Methodologismus der traditionellen Hermeneutik von Friedrich Schleiermacher und Wilhelm Dilthey entwickelt.

Für Gadamer ist jegliches Verstehen, gleichgültig, ob es sich um Texte, Kunst- und Bauwerke oder das Verstehen in einem Gespräch handelt, an die Sprachlichkeit des Seins vor dem Horizont der Zeit gebunden. Das setzt beim Interpretieren von Werken Offenheit, das Bewusstmachen der eigenen Vorurteilsstruktur sowie die Bereitschaft zum Gespräch bzw. zu reflexivem Auseinandersetzen voraus. Es ging ihm weniger darum, eine Methode der Hermeneutik auszuarbeiten, als darum, zu beschreiben, wie Verstehen „immer geschieht“ (WM II 394).

Verstehen ist für Gadamer nicht eine Erkenntnisart unter anderen, sondern universal. Hier schließt er an Heidegger an, der über das Subjekt („Dasein“) schreibt, dass es allein in der Weise in der Welt ist, „daß es je verstanden bzw. nicht verstanden hat“. (SZ 144) Das Sein des Menschen ist es also, sich in der Welt orientierend zu verstehen. Gadamer knüpft ausdrücklich daran an und versucht, die daraus folgenden Konsequenzen für die Geisteswissenschaften darzulegen (WM I, 269). Seine Kritik am Selbstverständnis der Geisteswissenschaften liegt folglich darin, dass aller Methodik immer schon uneinholbar ein Verstehen vorausgeht. Das Vertrauen auf die Methode überspielt lediglich die uneinholbare Vorurteilsstruktur, an die der Mensch in seiner Geschichtlichkeit gebunden bleibt.

International bekannt wurde er durch sein für die philosophische Hermeneutik grundlegendes Werk »Wahrheit und Methode« (1960).

Hans-Georg Gadamer starb am 13. März 2002 in Heidelberg. Hans-Georg Gadamer lebte bis zu seinem Tod im 103. Lebensjahr in dem Heidelberger Stadtteil Ziegelhausen und fand auf dem dortigen Friedhof, auf einer Anhöhe über dem Neckartal gelegen, seine letzte Ruhestätte.

Montag, 27. Januar 2025

Friedrich Schelling 250. Geburtstag



Friedrich Schelling wurde vor 250 Jahren am 27. Januar 1775 in Leonberg im Herzogtum Württemberg geboren.

Friedrich Schelling war ein deutscher Philosoph, Anthropologe, Theoretiker der sogenannten Romantischen Medizin und einer der Hauptvertreter des Deutschen Idealismus. Er war der Hauptbegründer der spekulativen Naturphilosophie, die von etwa 1800 bis 1830 in Deutschland fast alle Gebiete der damaligen Naturwissenschaften prägte.

Schelling schließt kritisch an Fichtes Wissenschaftslehre an. Natur und Geist bilden eine Einheit. Sie sind zwei Offenbarungen desselben Prinzips, der „Weltseele“. Alles im Universum ist beseelt. Die Kunst ist die höchste Gestaltung alles Irdischen.

1798 wurde der erst Dreiundzwanzigjährige mit der Unterstützung Goethes zum außerordentlichen Professor nach Jena berufen. Er lehrte an der Universität Jena neben Fichte, der allerdings schon 1799 wegen des Vorwurfs des Atheismus seinen Lehrstuhl verlor.

1799 veröffentlichte Schelling seinen Ersten Entwurf zu einem System der Naturphilosophie und es entstand das System des transzendentalen Idealismus (1800), in welchem Schelling Naturphilosophie und Transzendentalphilosophie als gleichberechtigte Grundwissenschaften darstellte.

1803 wurde der Protestant Schelling im Zuge der durch die Säkularisation erforderlichen Neuordnung an die vom Katholizismus geprägte Universität Würzburg berufen. Im Wintersemester 1803/04 begann er dort, wo der Physiologe und Naturphilosoph Johann Joseph Dömling sein Wegbereiter war, seine Tätigkeit als Professor der Philosophie.

Im Frühjahr 1806 ging Schelling nach München, wo er in den bayerischen Staatsdienst eintrat, Mitglied der Bayerischen Akademie der Wissenschaften wurde und bis 1820 blieb. In dieser Zeit hatte Schelling keine akademische Lehrtätigkeit inne.

Ab 1810 arbeitete er jahrelang an der Philosophie der Weltalter, die eine große Philosophie und Theologie der Geschichte werden sollte, aber nie fertiggestellt wurde.

Von 1820 bis 1826 dozierte Schelling als Honorarprofessor ohne feste Lehrverpflichtung in Erlangen.

1827 wurde er als ordentlicher Professor an die neu errichtete Universität München berufen, wo er bis 1841 in seiner zweiten Münchener Zeit Vorlesungen hielt.

Friedrich Schelling starb am 20. August 1854 während eines Kuraufenthaltes in Ragaz im Kanton St. Gallen.

Samstag, 25. Januar 2025

Hannah Arendt und die Frage nach dem radikal Bösen

In Bezug auf die Erfahrung des Holocaust beschäftigte sich die politische Theoretikerin Hannah Arendt mit der Frage nach dem radikal Bösen und kam dabei zu unterschiedlichen Auffassungen in frühen Äußerungen und im späteren Verlauf ihrer Studien. In ihrem Denktagebuch hielt Arendt im Juni 1950 fest:

„Das radikal Böse ist das, was nicht hätte passieren dürfen, d. h. das, womit man sich nicht versöhnen kann, was man als Schickung unter keinen Umständen akzeptieren kann, und das, woran man auch nicht schweigend vorübergehen darf. Es ist das, wofür man die Verantwortung nicht übernehmen kann, weil seine Folgerungen unabsehbar sind und weil es unter diesen Folgerungen keine Strafe gibt, die adäquat wäre. Das heißt nicht, daß jedes Böse bestraft werden muss; aber es muss, soll man sich versöhnen oder von ihm abwenden können, bestrafbar sein.“[19] Das radikal Böse zeigt sich in diesem Splitter vor allen Dingen an seinen historisch-moralischen Folgen.

In einem Brief an Karl Jaspers aus dem März 1951 versuchte sie eine vorläufige Typisierung:

„Was das radikal Böse nun wirklich ist, weiß ich nicht, aber mir scheint, es hat irgendwie mit den folgenden Phänomenen zu tun: Die Überflüssigmachung von Menschen als Menschen (nicht sie als Mittel zu benutzen, was ja ihr Menschsein unangetastet läßt und nur ihre Menschenwürde verletzt, sondern sie qua Menschen überflüssig zu machen)“.

Die Bedingungen für das Auftreten des radikal Bösen verortete sie in ihrem politischen Hauptwerk Elemente und Ursprünge totaler Herrschaft (1951 auf Englisch) im Anspruch der totalen Herrschaft, auch hinsichtlich ihrer Möglichkeiten (und nicht nur in Hinblick auf die Subsumption der gesamten Gesellschaft unter die Herrschaft) total zu sein:

„Aber in ihrem Bestreben, unter Beweis zu stellen, dass alles möglich ist, hat die totale Herrschaft, ohne es eigentlich zu wollen, entdeckt, dass es ein radikal Böses wirklich geben könne. Als das Unmögliche möglich wurde, stellte es sich heraus, dass es identisch ist mit dem unbestrafbaren, unverzeihlichen radikal Bösen, das man weder verstehen noch erklären kann durch die Motive von Eigennutz, Habgier, Neid, Machtgier, Ressentiment, Feigheit.“

Zwischen März und April 1953 notierte Arendt in ihr Denktagebuch: „Es gibt das radikal Böse, aber nicht das radikal Gute. Das radikal Böse entsteht immer, wenn ein radikal Gutes gewollt wird.“

In ihrem Bericht Eichmann in Jerusalem von 1963 entwickelte sie ihre Vorstellung von der „Banalität des Bösen“. Demnach war in der Herrschaftsstruktur des Nationalsozialismus das Böse allgegenwärtig, darauf zielend, den Menschen als Menschen abzuschaffen und nach und nach alle Menschen im Namen abstrakter Fortschrittsziele industriell zu vernichten, bis nur noch Funktionsträger der „organisierten Ohnmacht“ des totalitären Systems übrig bleiben. Doch auch diese Funktionsträger können jederzeit ausgewechselt werden, so dass sie letzten Endes nur als Funktion überleben, nicht aber als Personen. Da Eichmann in Jerusalem Gegenstand heftiger Vorwürfe wurde, die in Arendts Beschreibung eine Verharmlosung oder gar Entschuldigung des Holocaust durch soziologische Umstände sehen wollten, erklärte Arendt ihre Position schließlich noch einmal 1965 in einer Vorlesungsreihe, die unter dem Titel Über das Böse erst aus dem Nachlass veröffentlicht wurde.

Hauptwerke von Nietzsches mittlerer Schaffensperiode

Morgenröte / Idyllen aus Messina / Die fröhliche Wissenschaft.
Morgenröte / Idyllen aus Messina / Die fröhliche Wissenschaft.

von Giorgio Colli und Mazzino Montinari

Band 3 der Kritischen Studienausgabe enthält folgende, von Nietzsche selbst herausgegebene Werke: ›Morgenröthe. Gedanken über moralische Vorurtheile (1881). Neue Ausgabe mit einer einführenden Vorrede (1887)‹; ›Idyllen aus Messina (1882), ›Die fröhliche Wissenschaft (1882). Neue Ausgabe mit einem Anhange: ›Lieder des Prinzen Vogelfrei‹ (1887).

In diesem Band finden sich, abgesehen von ›Menschliches, Allzumenschliches‹, die Hauptwerke von Nietzsches mittlerer Schaffensperiode, auch bekannt als seine "positivistische" oder "aufklärerische Periode" nach seiner erfolgten Loslösung von der Philosophie Schopenhauers und seinem einstigen Vorbild Wagner.

Es sind die Werke der Zeit vor seiner Radikalisierung im Zuge der Hinwendung zum "Willen zur Macht" in seiner Spätphase welche wohl Nietzsches bleibenden Ruhm als konsequenter Aufklärer und bedeutendstem Moral- und Fortschrittskritiker der deutschen Sprache begründet haben. Radikal und konsquent wie kein Denker zuvor und nur wenige danach stellt Nietzsche sämtliche unserer bisherigen Gewissheiten und Überzeugungen in Frage und zeigt uns ihre innere Widersprüchlichkeit und Sinnlosigkeit auf.

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"Gott ist tot!" verkündet Nietzsche jubilierend- und mit ihm sämtliche unserer bisherigen "Wahrheiten" und Überzeugungen. Nun bleibt uns nur noch alles Überlieferte in Frage zu stellen und auf den Trümmern unsere neuen Überzeugen und Wertesysteme zu errichten, die "Umwertung aller Werte" deutet sich hier bereits an. Nirgendwo sonst werden Nietzsches "Perspektivismus"- alle Erkenntnis ist subjektiv und standpunktabhängig- und "Nihilismus"- alle Werte und "Wahrheiten" können und müssen stets angezweifelt werden- so konsequent ausformuliert wie hier.

Da es daher keine allgemeingültigen und letztendlich "ewigen Wahrheiten" und Wertesysteme geben kann, sieht Nietrzsche den "Sinn" menschlichen Lebens im dauernden hinterfragen des überlieferten und Streben nach "Erkenntnis", der Mensch soll das Allgemeingültige nicht einfach hinnehmen sondern sich seine eigenen Meinungen und "Wahrheiten" bilden und sich so letztlich selbst überwinden lernen. Wie ein Künstler sein Kunstwerk, so soll letztlich auch der Einzelne lernen sein Leben selbst nach eigenem Willen zu gestalten.

Kants "Sapere aude! - Habe Mut, dich deines eigenen Verstandes zu bedienen!" - hier wurde es konsequent und radikal zu Ende gedacht.

Literatur:

Morgenröte / Idyllen aus Messina / Die fröhliche Wissenschaft.
Morgenröte / Idyllen aus Messina / Die fröhliche Wissenschaft.
von Giorgio Colli und Mazzino Montinari

Samstag, 18. Januar 2025

Die Bedeutung des Aristoteles in der Philosophie

Aristoteles Marmorbüste im Louvre



Der griechische Philosoph Aristoteles lebte in den Jahren 384 bis 322 v. Chr. Seine Gedanken und seine Ethik sind jedoch auch in heutiger Zeit noch von großer Bedeutung und Tragweite.

Gemäß der Lehre des Aristoteles bildete sich eine ganze eigene philosophische Richtung, welche als »Aristotelismus« bezeichnet wird.

Platon

Aristoteles war ein Schüler Platons und besuchte die Akademie Platons. Erst nach dem Tod von Platon fing Aristoteles an zu reisen und selbst zu lehren. Einer seiner Schüler war Alexander der Große.

Die Gedanken von Aristoteles und sein Menschenbild werden in der heutigen Literatur immer wieder aufgeführt und diskutiert. Das Menschenbild ist sehr prägend.

Samstag, 11. Januar 2025

Sokrates war ein Weiser

Sokrates war ein Weiser, weil er seine Erkenntnisse über die Wichtigkeit eines tugendhaften Lebens nicht nur in seinen Dialogen, sondern vor allem in seinem Leben beispielhaft verkörpert hat.

Samstag, 4. Januar 2025

Friedrich Nietzsche und die Frage nach dem Sinn


Mit der Aufklärung geriet die religiöse Ordnung ins Wanken. Hatte Kant noch versucht die Metaphysik zu retten, so haben wir in Nietzsche einen Skeptiker vor Augen, der nichts mehr gelten läßt. Mit Nietzsche wird der Begriff "Nihilismus" und seine Aussage aus der »Fröhlichen Wissenschaft« verbunden: »Gott ist tot.«



»Was taten wir, als wir diese Erde von ihrer Sonne losketteten? Wohin bewegt sie sich nun? Wohin bewegen wir uns? Fort von allen Sonnen? Stürzen wir nicht fortwahrend? Und rückwärts, seitwärts, vorwärts, nach allen Seiten? Gibt es noch ein Oben und Unten? Irren wir nicht wie durch ein unendliches Nichts! ... Gott ist tot!«

Schon früh spürte Nietzsche die Zerrissenheit der Wirklichkeit. In diesem Stadium verehrte er aber noch die kulturellen Leistungen der Vergangenheit. Er hielt die bildende Kunst und die Musik für eine "wohltätige Illusion", deren Spiel am Abgrund der Welt gerechtfertigt schien. Doch sein Glaube an die Kultur war im Verfall begriffen. Schärfer und radikaler analysierte er den Zustand seiner Zeit und den Verfall der Kultur.

»Die Zeit, in die wir geworfen sind", ist "die Zeit eines großen inneren Verfalles und Auseinanderfalles. Die Ungewißheit ist dieser Zeit eigen; nichts steht auf festen Füßen und hartem Glauben an sich«.

Das Nichtigwerden des in der moderne Kultur latenten Christentums, das scheinheilige Festhalten an Werten, an die man nicht mehr wirklich glaubt, nennt der Philososph Friedrich Nietzsche „Nihilismus“.

Für den Zustand der Zeit wählte Nietzsche den Ausdruck "Nihilismus". Diesen Nihilismus verstand Nietzsche als Konsequenz der abendländischen Geistesbewegung, als ein objektives Geschehen, dem sich niemand entziehen kann.


Literatur:

Die Fröhliche Wissenschaft<;br>Die Fröhliche Wissenschaft von Friedrich Nietzsche

Morgenröte / Idyllen aus Messina / Die fröhliche Wissenschaft.
Morgenröte / Idyllen aus Messina / Die fröhliche Wissenschaft.
von Giorgio Colli und Mazzino Montinari

Ziel und Zweck der Aufklärung (K)

Wie keine andere Denkrichtung will die Aufklärung durch bloße Anleitung zur Vernunft, Demokratie, Diskurs und Achtung von Anderen (durch Toleranz, Gleichbehandlung und Solidarität) niemandem eine Weltsicht aufzwingen, sondern ganz im Gegenteil vor dem Hereinfallen auf Dogmen bewahren. Stellvertretend dafür steht Immanuel Kants Leitspruch der Aufklärung: „Habe Mut, dich deines eigenen Verstandes zu bedienen!“ Zugleich zielen diese Werte unzweifelhaft auf ein friedliches Zusammenleben in geordneten Bahnen. Sodann bleibt Raum für aufgeklärte Religiosität, Atheismus oder auch politischen Pluralismus auf dem Boden der Demokratie.

Aufklärung ist ein geschichtlich-philosophisches Phänomen.

Der Begriff Aufklärung, auch für das „Aufklären“ beliebiger Sachverhalte verwendet, bezeichnet seit etwa 1700 das gesamte Vorhaben, durch rationales Denken alle den Fortschritt behindernden Strukturen zu überwinden. Seit etwa 1780 bezeichnet der Begriff auch diese geistige und soziale Reformbewegung, ihre Vertreter und das zurückliegende Zeitalter der Aufklärung in der Geschichte Europas und Nordamerikas. Es wird meist auf etwa 1650 bis 1800 datiert. Aufklärung hat ihre ‚Unschuld' schon im Prozess ihres Entstehens im 18. Jahrhundert verloren .

Als wichtige Kennzeichen der Aufklärung gelten die Berufung auf die Vernunft als universelle Urteilsinstanz, der Kampf gegen Vorurteile, die Hinwendung zu den Naturwissenschaften, das Plädoyer für religiöse Toleranz und die Orientierung am Naturrecht.

Gesellschaftspolitisch zielte die Aufklärung auf mehr persönliche Handlungsfreiheit (Emanzipation), Bildung, Bürgerrechte, allgemeine Menschenrechte und das Gemeinwohl als Staatspflicht. Viele Vordenker der Aufklärung waren optimistisch, eine vernunftorientierte Gesellschaft werde die Hauptprobleme menschlichen Zusammenlebens schrittweise lösen. Dazu vertrauten sie auf eine kritische Öffentlichkeit. Kritik an diesem „Vernunftglauben“ entstand seit etwa 1750 unter den Aufklärern selbst, dann

Die Aufklärung hat es im 18. und 19. Jahrhundert trotz zahlreicher Widerstände und Widersprüchen verstanden, im Blick auf die eigenen Leistungen und Pläne mit dem Ferment des Selbstzweifels überwiegend produktiv und vorwärtsstrebend umzugehen.

Wenn es wahr ist, daß Wissen Macht ist, so ist auch wahr,  daß  nicht jedes Wissen willkommen geheißen wird. Weil es nirgendwo kampflos zu besetzende Wahrheiten gibt und weil jede Erkenntnis ihren Ort im Gefüge von Vormächten und Gegenmächten wählen muß,  erscheinen nu die Mittel, Erkenntnisse Geltung zu verschaffen, beinahe noch wichtiger als die Erkenntnisse selbst.

Da die Aufklärung ihren Anspruch, bessere Einsicht gegen ein sich blockierendes Bewußtsein durchzusetzn, nicht aufgeben kann, muß sie letztlich hinter dem Bewußtsein des Gegners operieren.

Mittel der Aufklärung ist die Ideologiekritik. Ideologiekritik geht von einer verblendeten Wahrnehmung der (gesellschaftlichen) Realität aus. Indem Ideologiekritik diese unterstellte Verblendung aufzudecken versucht, möchte sie den Zugang zu den wirklichen Verhältnissen freilegen.

Im Zentrum der Diskussion stehen Fragen einer weiterführenden Bestimmung der Aufklärung als Epochebegriff und/oder Menschheitsproblem angesichts einer "Dialektik der Aufklärung", die gerade am Beginn eines neuen Jahrtausends immer weitere Dimensionen in ihrer Ausfächerung zeigt bzw. erahnen lässt.

Aufklärung ist ein allumfassender und vielgestaltiger Denk- und Lernprozeß, der sich auf sämtliche Wissensgebiete erstreckt und Auswirkungen auf das Geistes- und Kulturleben und die Politik hat

Bestrebungen, das Wissen der Zeit mit neuen Bildungssystemen, neuer Pädagogik, durch Bücher und Journale in der Bevölkerung zu verbreiten, ergänzten die primär wissenschaftlichen Diskussionsfelder der Aufklärungsepoche. Die damaligen öffentlichen Diskussionen politischer und gesellschaftlicher Prozesse spielen eine zentrale Rolle in der aktuellen Definition der Aufklärung.

Das Verdienst der Aufklärung ist die Hinterfragung der bestehenden Verhältnisse und die Schaffung eines kritischen Bewußtseins.

Aufklärung ist nicht denkbar ohne die Personen, die; mit ihren Gedanken und Werken ihre Beiträge zu ihrer öffentlichen Verbreitung geleistet haben

Aufklärung ist eine Waffe der Aufklärer im Kampf gegen die bestehende Macht.

»Alle menschliche Einsicht ist zuende, sobald wir zu Grundkräften oder Grundvermögen gelangt sind.« Kant

Eine reaktionäre Welt, ausgerechnet als Demokratie und Republik verschleiert, in einer Zeit, wo Aufklärung doch so Not tut. Keine aufklärerische Geister wie Voltaire oder Rousseau, die gegen die reaktionäre Verhältnisse angeschrieben haben. Wo keine Aufklärung stattfindet, entsteht ein Ort der Reaktion. Keine Dichter, die schwelgend in die Romantik abschweifen. Arm das Land, da keine denkenden und die Realität reflektierenden Philosophen mehr hat!